Der Tabak als Genußmittel ist bekanntlich amerikanischen Ursprungs. Die Indianer haben diese narkotische Pflanze schon lange vor der Entdeckung Amerikas beinahe in ihrem ganzen Kontinent angebaut, um die getrockneten Blätter derselben auf die verschiedenste Weise als Genußmittel zu gebrauchen. Auf den westindischen Inseln, auf denen Kolumbus zuerst landete, wurden sie fest zusammengerollt in ein dürres Maisblatt gewickelt und am einen Ende angezündet wie Zigarren geraucht. Diese Rauchrolle nannten die Indianer auf Befragen der Spanier tabaco, woher sich der Name Tabak ableitet, der aber später auf das Kraut selbst übertragen wurde.
Die Indianer behaupteten, dieses narkotische Kraut vom großen Geist selbst erhalten zu haben und hielten es für heilig; deshalb kreiste bei ihren Zusammenkünften die Friedenspfeife als ein Symbol des Gottesfriedens, der dann unter ihnen herrschen sollte. Ursprünglich werden die dürren Blätter der Tabakstaude mit anderen getrockneten Kräutern zum Regenzauber gebraucht worden sein, indem man mit den in die Luft geblasenen Rauchwolken befruchtendes Naß für die vor Dürre schmachtende Vegetation, vor allem die nahrungspendenden Anpflanzungen des Menschen aus den dadurch vermeintlich gebildeten Regenwolken zaubern wollte, wie es heute noch die Primitiven in den verschiedensten Ländern tun.
Zu solchem Regenzauber und zu ähnlichen Manipulationen haben auch die Völker der Alten Welt in vorgeschichtlicher und geschichtlicher Zeit die verschiedensten einheimischen Kräuter aus regelrechten, teilweise aus Metall, und zwar meist Bronze, gegossenen und uns in solchem dauerhaften Material erhalten gebliebenen Pfeifen geraucht. Dabei entdeckte man sehr bald, daß der Rauch gewisser Pflanzen eine narkotische Wirkung auf den Menschen ausübe. So betäubten sich bereits die alten Babylonier durch Verbrennen von dürrem Hanf in Becken und Einsaugen des dabei entstehenden Dampfes durch hohles Schilfrohr. Von verschiedenen Barbarenstämmen Europas wird berichtet, daß sie getrockneten Huflattich rauchten oder durch Rohrpfeifen den Rauch des Cypergrases (einer kýpeiros genannten Binsenart) einsogen. Das sollte ihnen nach Apollodoros (um 140 v. Chr.) Kraft und Widerstandsfähigkeit verleihen. Ebenso ließen sich die Priester der alten Gallier und Germanen durch das Einatmen von Dampf von verbranntem Hanf zum Zwecke der Weissagung in Ekstase bringen, wie die Pythia in Delphi durch das Kauen von Lorbeerblättern und das Einatmen betäubender, aus der Erde hervordringender Dämpfe, über die der Dreifuß, auf dem sie saß, gestellt war, gleichfalls in einem Zustande von narkotischer Verzückung den Willen der Gottheit zu ergründen suchte.
Während die Völker der Alten Welt durch das Einatmen solchen Rauches die narkotische Wirkung mancher Kräuter entdeckten, kamen diejenigen der Neuen Welt auf die Entdeckung des Tabakes als Betäubungsmittel. In welcher Gegend Amerikas dies geschah, läßt sich nicht mehr bestimmen; doch scheint der Süden Nordamerikas und Mittelamerika der älteste Herd des Tabakgenusses gewesen zu sein. Von da verbreitete sich derselbe nach Süden und Norden, so daß diese der Alten Welt fehlende narkotische Pflanze lange vor der Ankunft der Europäer von Chile bis Kanada von den Indianern angebaut wurde, um als Zauber- und Genußmittel zu dienen. Einzig im Gebiet des La Platastromes, in Uruguay und Paraguay wurde der Tabak in keinerlei Weise gebraucht. Sonst bedienten sich seiner alle amerikanischen Völker in irgend welcher Form, und zwar meist nur die Männer, denen dieses Genußmittel auf ihren ausgedehnten Kriegs- und Jagdzügen erlaubte, Hunger und Durst längere Zeit als ohne ihn zu ertragen. Bei den zivilisierteren Stämmen, wie den Azteken Mexikos, diente er als verfeinertes Reizmittel, dem sich die Männer nach getaner Arbeit gerne hingaben. Alle feierlichen gottesdienstlichen oder politischen Handlungen gingen bei diesen Völkern stets nur unter dem Genusse von Tabak vor sich. Bei den nordamerikanischen Indianern (von denen wir die beste Kunde haben), waren die Rauchgeräte heilige Geräte, wie das Rauchen selbst eine Kulthandlung war, die bei keiner religiösen Zeremonie fehlen durfte. An die symbolische, aus den Indianergeschichten genugsam bekannte Friedenspfeife wurde bereits erinnert. Und solche heilige Tabakspfeifen oder Calumets haben schon die längst ausgestorbenen Vorläufer der nordamerikanischen Indianer besessen, die Erbauer der gewaltigen Erdwälle und Grabhügel vielfach in Tierform, die in den Tälern des Mississippi und seiner östlichen Nebenflüsse, besonders des Ohio, dann aber auch in den Golfstaaten in besonders dichter Menge gefunden werden und nach denen man sie in der Wissenschaft mit einem englischen Worte als die Moundbuilders bezeichnet. Sie müssen kulturell ziemlich hoch gestanden haben, da sie mit vereinten Kräften vermittelst der höchst primitiven ihnen zu Gebote stehenden Werkzeuge solche teilweise enorme Erdanhäufungen durchführen konnten, deren Tierform mit Sicherheit beweist, daß sie dem heute noch in jenem Kontinente so hoch ausgebildeten Totemismus huldigten. In einem solchen Mound im Ohiotale hat man neben kalt geschmiedeten, d. h. durch Hämmern mit Steinen gewonnenen Werkzeugen und Schmucksachen aus Kupfer nicht weniger als 200 Tabakspfeifen gefunden, weshalb er heute die Bezeichnung pipe-mound führt. Die in ihm, wie auch in anderen solchen Grab- und Kulthügeln gefundenen Pfeifen sind alle, wie auch derjenigen der späteren nordamerikanischen Indianer, aus einem bestimmten, nur an einer einzigen Stelle im Staate Minnesota gefundenen roten Pfeifenstein geschnitzt. Dieser wird nach dem amerikanischen Maler und Ethnographen George Catlin (1796–1874), dem die Siouxindianer als erstem Weißen nach Überwindung großer Schwierigkeiten den Besuch des betreffenden Steinbruchs im Jahre 1832 erlaubten, in der Wissenschaft als Catlinit bezeichnet. Dieser Stein ist dicht, aber nicht sehr hart, so daß er sich mit dem Feuersteinmesser schneiden läßt, und besteht hauptsächlich aus Kieselsäure und Tonerde mit einer Beimischung von Eisen, das ihm die schöne rote Farbe verleiht. Beim Polieren erhält er einen matten Glanz und erscheint dann blutrot. Diese eine Fundstelle des Pfeifensteins war ein geheiligter, neutraler Ort, wo sich die Indianer das nötige Material zur Herstellung ihrer Tabakspfeifen entweder selbst holten oder von befreundeten Stämmen eintauschten. Hier soll einst in grauer Vorzeit der „Große Geist“ die verschiedenen indianischen Völkerschaften versammelt und sie in der Anfertigung der Friedenspfeife unterwiesen haben, welchen Vorgang der amerikanische Dichter Longfellow in seinem „Sang von Hiawatha“ beschrieb und dadurch in weiteren Kreisen bekannt machte. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts haben sich die Sioux oder Dakotas die Herrschaft über den heiligen Steinbruch angemaßt, den sie noch heute behaupten.
Wie die Moundbuilders und späteren nordamerikanischen Indianer haben auch manche mittelamerikanischen Völker den Tabak aus solchen aus weichem Stein geschnitzten Pfeifen geraucht, so unter den Mayastämmen die Tarasken auf der mexikanischen Halbinsel von Yucatan, in deren Skulpturen an den Tempeln wir diesem heiligen Gerät ebenfalls begegnen. Sonst wurde bei den Mayas der Tabak in die feinen Hüllen der Maiskolben eingewickelt unter der Bezeichnung zicar, woraus dann unsere Bezeichnung Zigarre entstand, geraucht, daneben auch zur Erzielung von Rauschzuständen, in welchen man mit den Abgeschiedenen in Verbindung treten zu können glaubte, gekaut und der mit dem betäubenden Saft versetzte Speichel hinuntergeschluckt. Die südamerikanischen Indianer dagegen kannten die Pfeife nicht, rauchten auch kaum „Zigarren“, bildeten dafür aber das Schnupfen zu wahrer Virtuosität aus. Sie benutzten dazu vielfach überhaupt keinen Tabak, sondern ein wohlriechendes Pulver von unbekannter Zusammensetzung, das sie sich gegenseitig durch hohle Röhrenknochen von Vögeln einbliesen. Auch die Karaibenstämme der großen Antillen, deren Bezeichnungen für Mais, Tabakrolle und Hängematte (mahiz, tabaco und hamaca, aus welch letzterem Wort das englische hammock und das deutsche „Hangmatte“ hervorging) mit den betreffenden Gegenständen in den Sprachschatz der europäischen Völker übergingen, schnupften die zu Pulver zerriebenen Tabakblätter; rauchten sie aber außerdem in Maiskolbenhüllen eingewickelt. In solcher Weise rauchend traf der Genuese Christoforo Colombi, besser unter dem Namen Kolumbus bekannt, die ersten westindischen Indianer auf der Insel Guanahani (heute Watling-Island), als er am 12. Oktober 1492 mit seinen drei mit spanischen Matrosen bemannten Caravellen in Indien, wie er zeitlebens glaubte, landete. Er starb ja bekanntlich ohne die geringste Ahnung davon zu haben, eine neue Welt entdeckt zu haben. Und wie ihm und seinen Begleitern das gefundene Land das ersehnte Gewürzland Indien war, so waren deren Bewohner für sie Indiani, d. h. Indier, woraus die Bezeichnung Indianer hervorging. Diese Indianer aus dem Volke der Aruak, die dort noch nicht von den Karaiben verdrängt worden waren, rauchten sämtlich in die dürren, feinen Hüllen von Maiskolben eingewickelte getrocknete Tabaksblätter und nannten diese Rauchrollen tabaco, eine Bezeichnung, die, wie gesagt, erst nachträglich auf das Rauchkraut selbst überging.
Nach der zweiten Expedition, die Kolumbus nach „Indien“ unternahm, blieb der ihn begleitende Mönch Romano Pane auf Haiti zurück, und von ihm stammt aus dem Jahre 1496 die erste Beschreibung der Tabakpflanze und die Schilderung der Rauchsitten der Indianer. Er erzählt, daß die Indianer die getrockneten Blätter jenes Krautes aufgerollt in den Mund nahmen, an der Spitze anzündeten und den eingezogenen Rauch aus dem Munde bliesen, „um damit die lästigen Moskitos zu vertreiben,“ wie er meinte. Außerdem erfuhr er, daß das Kraut auch als Arznei gegen mancherlei Leiden verwendet werde. Gleich ihm schrieb der Missionar Petrus Martyr in einer im Jahre 1532 erschienenen Schrift der Pflanze auch Heilkräfte zu.
Die Spanier befreundeten sich bald mit der den Indianern abgelauschten Sitte des Rauchens und begannen zuerst auf der Insel San Domingo Tabak zu bauen. Bald folgten die Portugiesen in Brasilien und die Engländer in Virginien ihrem Beispiel. Gonzalo Hernandes de Ovieda y Valdes, der Statthalter von San Domingo, gab die erste genaue Beschreibung der Pflanze; die ersten Samen der Pflanze aber brachte der Spanier Hernandez Boncalo aus Toledo, der von König Philipp II. mit einer Studie über die Pflanzenwelt Amerikas beauftragt war, mit in sein Vaterland, wo, wie Nikolaus Monardes, ein berühmter spanischer Arzt und Botaniker in seinem 1571 zu Sevilla gedruckten Buche über „Indien“ schreibt, die Tabakpflanze wohl ihrer schönen roten Blüten, nicht aber ihrer betäubenden Eigenschaften wegen in einigen Gärten angepflanzt wurde. So ward sie halb als Wunderkraut, halb als Arzneipflanze zuerst in Spanien in Gärten gezogen. An das Rauchen ihrer getrockneten Blätter dachte zunächst noch niemand.
Im Jahre 1560 brachte der französische Gesandte am königlichen Hofe in Lissabon, Jean Nicot de Viblemain aus Lyon, Tabaksamen aus dem Garten des portugiesischen Königs nach Frankreich mit, wo er ihn in seinem eigenen Garten aussäte und daraus wiederum frischen Samen gewann. Gleichzeitig gab er auch welchen an den Hof Franz II. ab, wobei er das daraus hervorwachsende Kraut als gutes Betäubungsmittel gegen Schmerzen aller Art rühmte. Ihm zu Ehren hat dann der französische Botaniker Dalechamps in seiner im Jahre 1586 erschienenen Historia plantarum die Pflanze als herba Nicotiana, d. h. Nicotsches Kraut bezeichnet, und dieser Name hat sich dann in der von Karl von Linné aufgestellten botanischen Bezeichnung Nicotiana tabacum bis auf den heutigen Tag erhalten.
Die Sitte des Tabakrauchens kam erst ums Jahr 1570 durch spanische Matrosen aus Westindien nach Spanien und wurde 1586 durch englische Kolonisten aus Virginien auch nach England eingeführt. Als nämlich der englische Schiffskapitän Walter Raleigh 1584 die zu Ehren der jungfräulichen Königin Elisabeth Virginia genannte Kolonie gründete, fand er das Rauchen, wie den Tabakbau bei den dortigen Eingeborenen allgemein verbreitet. Während der Regierungszeiten Karls IX., Heinrichs III. und Heinrichs IV. (1560–1610) kam dann das Tabakrauchen auch in Frankreich als betäubendes Linderungsmittel besonders bei Zahnschmerzen auf, und zwar wurde das Kraut damals aus einer Rohrpfeife mit Metallknopf geraucht, wie sie Nicot aus Portugal mitgebracht hatte. Erst unter der Regierung Ludwigs XIII. (1610–1643) kam das Rauchen als Selbstzweck, auch ohne als Linderungsmittel bei Schmerzen zu dienen, in Aufnahme, obschon viele Ärzte und Gelehrte gegen diese „abscheuliche“ Unsitte mit allen Mitteln des Spottes zu Felde zogen. Besonders in England wurde diese neue Mode heftig bekämpft, und König Jakob I., Sohn der Maria Stuart, der von 1603–1625 regierte, war selbst ein so heftiger Gegner derselben, daß er eine Schrift unter dem Titel Misokapnos, d. h. Rauchfeind, dagegen verfaßte und zu beweisen versuchte, daß das Tabakrauchen ein wahres Höllenwerk sei: „Erstens,“ sagt er darin, „ist es ein Rauch, und das sind nach dem Worte der Bibel alle Eitelkeiten der Welt. Zweitens ergötzt es die, welche es treiben, gleich andern Lüsten, welche den Menschen unfähig machen ihnen zu entsagen. Drittens macht es trunken und toll im Kopfe; so tun es auch die Eitelkeiten der Welt. Viertens, wer raucht, der sagt, er könne es nicht lassen, er sei wie behext; gerade so ist es mit allen weltlichen Lüsten. Fünftens, das Tabakrauchen ist der Hölle gleich in seinem Wesen; denn es ist ein stinkendes, ekelhaftes Ding.“ Der König schließt mit folgender Ermahnung an das englische Volk: „Wenn endlich, o Bürger, noch Scham in euch ist, so gebt jenen heillosen Gebrauch auf, der der Schande entsprungen, aus Irrtum aufgenommen, durch Torheit verbreitet worden ist, durch den Gottes Zorn gereizt, des Körpers Gesundheit zerstört, das Hauswesen zerrüttet, das Volk im Vaterlande herabgewürdigt und auswärts verächtlich gemacht wird; einen Gebrauch, der unangenehm in der Nase, dem Gehirn nachteilig, den Lungen verderblich und, wenn ich es recht sagen soll, durch die schwarzen Rauchwolken dem Höllendampfe vollkommen gleicht.“
Der Nachfolger Jakobs I., der schließlich vom Parlament hingerichtete König Karl I. (1625–1649), sah die Tabakfrage nüchterner und praktischer an; er wollte dieses Laster, wenn es sich nicht ausrotten ließ, finanziell ausbeuten und machte den Handel damit zum Staatsmonopol. Er ließ es sich wenig kümmern, ob die Leidenschaft nach diesem neuen Genußmittel, die nahezu sein ganzes Volk ergriffen hatte, sündhaft sei oder nicht — wenn sich nur die Staatskassen, die auch die seinigen waren, füllten!
Gleicherweise wurde auch in Frankreich, wo diese neue Sitte von England aus Fuß zu fassen begann, von der Regierung dagegen agitiert. So scheute man sich anfänglich öffentlich zu rauchen, deshalb entstanden in den wichtigsten Städten Frankreichs, vor allem in Paris, besondere, als tabagies bezeichnete Lokale für die Freunde des Tabakrauchens. Ähnlich war es in den Städten Deutschlands, in denen dieser Name bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts allgemein für öffentliche Lokale gebraucht wurde. Noch bis zum Jahre 1848 wurde das Rauchen auf offener Straße in den meisten Ländern Europas verboten. In Frankreich fand das Rauchen bald solche Verbreitung, daß man sich nicht scheute, diesem Vergnügen auch in der Öffentlichkeit zu huldigen. Und zwar nahm merkwürdigerweise der Bürgerstand und die Bauersame vor dem Adel diese Mode an, so daß es der Staat bald für gut befand, die Einfuhr des Tabaks ebenfalls zu besteuern, was für ihn eine reiche Einnahmequelle wurde. Ludwig XIII. (1610–1643) ließ gegen den Willen seines Leibarztes Tabak unter das Kriegsvolk verteilen, und Ludwig XIV. (1643–1715) befahl sogar während seines Krieges mit Holland im Jahre 1672, daß sich jeder Soldat mit Rauchgerätschaften zu versehen habe. Bei den höheren Ständen Frankreichs konnte sich das Rauchen zunächst nicht recht einbürgern; dafür kam aber bei ihnen das Schnupfen auf, und der Besitz einer kunstvoll verzierten Schnupftabaksdose wurde bald zu einem wichtigen Requisit der Vornehmen, das ihnen allerdings die Bürgerlichen bald genug nachahmten.
Die heute nur noch von manchen älteren Leuten geübte Sitte des Tabakschnupfens verbreitete sich im 18. Jahrhundert durch alle Volksschichten. Sie wurde zuerst in Frankreich unter Franz II. (1559–60), und zwar von Spanien her eingeführt, das zu jener Zeit die erste Schnupftabakfabrik in Europa erhielt, die Frankreich den „Spaniol“ lieferte. Im Jahre 1636 führten spanische Geistliche das Tabakschnupfen in Rom ein, was indessen den Papst Urban III. so erboste, daß er eine Bannbulle gegen diese spanische Unsitte erließ, die erst 1724 aufgehoben wurde. 1657 gab die Republik Venedig die Fabrikation und den Verschleiß des Schnupftabaks auf ihrem Territorialgebiete in Pacht. Das Tabakkauen indessen ist eine europäische Erfindung, die durch die Matrosen aufkam und heute noch unter diesen die meisten Anhänger zählt.
Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts war das Rauchen bereits in Spanien, Portugal, England und Holland durchaus populär. Nach Deutschland kam die erste Tabakpflanze als Heilkraut 1565 aus Frankreich durch Occo in Augsburg, und fünf Jahre später, 1570, gelangte sie ebenfalls aus Frankreich nach Holland. Der holländische Arzt Dr. William van der Meer in Delft schrieb ums Jahr 1590, daß er damals in Leiden englische und französische Studenten zuerst habe rauchen gesehen. Sie rauchten den Tabak aus irdenen Pfeifen, trotz der Warnung der ärztlichen Fakultät, daß ihre Gehirne davon schwarz werden würden. Im Anfang des 17. Jahrhunderts begann dann der Gebrauch des Tabaks in den unteren Ständen des holländischen Volkes allgemein zu werden. Das Kraut wurde zunächst in großen Mengen aus Westindien eingeführt, bis man im Jahre 1615 es in Holland selbst zu pflanzen begann. So „trank“ bald jedermann Tabak aus Gipspfeifen; selbst minderjährige Kinder taten es, trotz immer wiederkehrender Proteste besonders der Theologen und Ärzte, die zum größten Teil von diesem „teuflischen Kraute“ nichts wissen wollten. 1617 wurde der erste Tabak in England, 1620 im Elsaß, 1625 in Lothringen und seit der Mitte des 17. Jahrhunderts auch in Deutschland gebaut, und zwar zuerst in Baden, wohin er vom Elsaß her über den Rhein gelangt war.
Tafel 81.
Blühende Stauden und ein einzelnes Blatt des auf Sumatra kultivierten Tabaks (Nicotiana tabacum).
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GRÖSSERES BILD
Tafel 82.
Das Anlegen einer Tabakpflanzung im Urwalde Sumatras. Das Astholz ist verbrannt und dient als Dünger, während die Stämme zum Verfaulen liegenbleiben. Um die Wohnung des Plantagenbesitzers sind als Schattenbäume verschiedene Zuckerpalmen stehengeblieben.
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GRÖSSERES BILD
Tafel 83.
Tabakplantage auf Sumatra. Links Malaie mit flachem Korb zum Einsammeln der Tabakblätter, dahinter Trockenscheuer, rechts Transport der getrockneten Blätter in die Fermentierscheune.
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GRÖSSERES BILD
Tafel 84.
Reifer Tabak und Saatpflanzen desselben auf Sumatra.
Blick in eine voll Tabakblätter hängende Trockenscheune auf Sumatra.
Nächst Holland war es besonders England, das die Sitte des Rauchens rasch aufnahm. Durch englische Hilfstruppen, welche im Jahre 1620 nach Böhmen marschierten, wurde sie nach Deutschland gebracht, dessen Bevölkerung sich ebenfalls verhältnismäßig rasch damit befreundete, obschon auch hier Staat und Kirche das neue Luxus- und Genußmittel zu bekämpfen suchten. Doch predigten die Moralisten umsonst gegen den „holländischen Rauch“. Besonders dehnte sich dessen Gebrauch in der Pfalz aus, wo 1622 englische und holländische Hilfstruppen sich längere Zeit aufhielten und das Rauchen populär machten. Seit 1659 wurde zuerst zu Suhl im Hennebergischen, dann seit 1679 in der Mark Brandenburg und seit 1697 in der Pfalz und in Hessen Tabak angepflanzt. Im Laufe des Dreißigjährigen Krieges, der von 1618–1648 dauerte, kam dann durch den Einfluß der Soldateska und der verwilderten Sitten das Rauchen in Deutschland allgemeiner auf. Seit jener Zeit half kein Verbot und keine Strafe mehr gegen die überhandnehmende Unsitte. Dabei wurde der Tabakbau immer weiter östlich gebracht, und zwar waren es die Pfälzer, die nach der auf Befehl Ludwigs XIV. durch den französischen General Graf von Mélac 1689 vorgenommenen Verwüstung ihrer Heimat auswanderten und dabei den Tabakbau nach Thüringen, Sachsen und Brandenburg brachten. Die Regierungen erblickten fortan im Tabakbau eine ergiebige Finanzquelle und belegten den Konsum dieses neuen Genußmittels mit hohen Steuern.
Manche Fürsten haben dann in der Folge diesem narkotischen Kraute selbst gehuldigt. So führte der sonst so zeremonielle Kurfürst Friedrich III., seit 1701 König Friedrich I. von Preußen (1688–1713), Tabaksgesellschaften bei Hofe ein und ließ sogar von einem Künstler das Bild einer solchen Zusammenkunft malen, bei welcher seine Gemahlin Sophie Charlotte selbst dem Fürsten die lange holländische Pfeife anzündet. Mit weniger Prunk, aber mehr Behagen widmete sich Friedrich Wilhelm I. (1713–1740) seinem bekannten Tabakskollegium, in welchem beim Bierkrug und bei langen holländischen Tonpfeifen derbe Wachtstubenwitze und dick aufgetragene Schwänke erzählt und belacht wurden. Die lustige Person, eine Art Hofnarr, in diesem Tabakskollegium war jener vom Könige zum Freiherrn und spöttischerweise zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften erhobene gelehrte Charlatan J. P. von Gundling, der sich in der Trunkenheit bei Eimbecker Bier und holländischem Tabak zu vielen derben Späßen mißbrauchen lassen mußte. Sein Nachfolger Friedrich der Große (1740 bis 1786), der daran als Kronprinz auch teilnahm, rauchte zwar nicht, schnupfte aber dafür nach vornehmer französischer Sitte, der er eifrig anhing.
Wie England und Deutschland nahm auch Dänemark den Tabaksgenuß rasch auf, während in der Schweiz die Obrigkeit denselben zunächst, wenn auch umsonst, bekämpfte. Im Jahre 1661 erließ die Stadt Bern strenge Verordnungen gegen den Gebrauch des Tabaks. Auch in der Türkei hatte das Tabakrauchen, das 1605 zuerst in Konstantinopel auskam, anfänglich große Schwierigkeiten zu überwinden, da die Muftis (Rechtsgelehrten) erklärten, dieser neue Gebrauch widerspreche den Vorschriften des Korans. Wer beim Tabakrauchen erwischt wurde, dem bohrte man als abschreckendes Mittel das Pfeifenrohr quer durch die Nase. Doch selbst diese grausame Strafe fruchtete nichts gegen die überhandnehmende Rauchsitte, so daß Sultan Murad IV. im Jahre 1630 bestimmte, daß jeder, der des Tabakrauchens überwiesen werden könne, geköpft werden solle. Dadurch bewirkte er allerdings, daß die geängstigte Bevölkerung sich notgedrungen vom Rauchen abwandte, dafür aber dem nicht verbotenen Schnupfen des Tabaks huldigte. Sobald aber unter seinem Nachfolger das Rauchverbot nicht mehr so streng gehandhabt wurde, kam auch das Rauchen wieder auf und hat sich seither dermaßen bei den Osmanen eingebürgert, daß bald der Türke mit seinem Tschibuk symbolisch auf den Ladenschildern der Tabakverkäufer im Abendlande sich präsentierte. Tabakrauchend und kaffeeschlürfend mit übereinandergeschlagenen Beinen auf seinem Teppich zu sitzen und sich stundenlang dem träumerischen Zustande des Kef hinzugeben, das ist heute das Paradies der Türken auf Erden.
Ähnlich grausam wie in der Türkei ging man in Rußland gegen die neu aufkommende Sitte des Tabakrauchens vor. Zar Feodorowitsch Romanow bestimmte im Jahre 1641, daß, wer auch seiner Untertanen beim Tabakrauchen betroffen werde, ohne weiteres getötet oder ihm wenigstens die Nase abgeschnitten werden solle. Obschon diese strenge Maßregel auch oft genug in die Tat umgesetzt wurde, ließ sich das russische Volk so wenig als das türkische davon abbringen, schließlich doch diese Unsitte anzunehmen. Erst Feodorowitschs Enkel, Peter der Große, dem die Engländer 15000 Pfund Sterling (= 300000 Mark) anboten für die Erlaubnis, den Tabak in Rußland einführen zu dürfen, willigte in diesen wenig rühmlichen Handel ein, obwohl der Tabakverkauf vom russischen Patriarchen verboten war und das Rauchen noch immer von der Kirche als sündhaft und unrein verdammt wurde. Ja, dieser rohe Monarch versprach den Engländern gegen solch reiche Bezahlung, dem Patriarchen selbst das Rauchen beizubringen. Ob ihm solches gelang, wird allerdings nicht berichtet; jedenfalls aber steht die eine Tatsache fest, daß bald auch das heilige Rußland mit Hilfe der profitgierigen Engländer dem Rauchteufel erlag, und heute wird in jenem Lande so gut wie in der Türkei und in der Schweiz von vornehm und gering, selbst von vielen Frauen dieser indianischen Unsitte gehuldigt.
Nach Japan brachten die Portugiesen schon im Jahre 1605 den Tabak, der sich von hier aus ebenso schnell über ganz Ost- und Südasien verbreitete. Obschon auch hier, so in Japan bereits 1612, von der Obrigkeit sehr strenge Gesetze dagegen erlassen wurden, fand die Sitte des Rauchens bald beim Volke Eingang. Ebenso war es unter den europäischen Kolonisten in Nordamerika der Fall, wo noch im Jahre 1650 ein Rauchverbot, allerdings auch hier umsonst, erlassen wurde. Aller Warnung zum Trotz fand das giftige Kraut seine Liebhaber, die sich so an dasselbe gewöhnten, daß sie nicht mehr von ihm lassen konnten. Auch heute noch fällt es dem daran Gewöhnten leichter, den Genuß geistiger Getränke zu lassen, als sich das Rauchen abzugewöhnen. Diese Leidenschaft beherrscht eben den Menschen ganz so wie der gewohnheitsmäßige Genuß anderer narkotischer Mittel wie Opium, Morphin, Kokain und dergleichen.
Es sei hier noch kurz bemerkt, daß bei allen Nationen das Rauchen zuerst aus Pfeifen erfolgte und größtenteils noch heute so geübt wird. Auch in Deutschland hat man im 18. Jahrhundert noch ausschließlich aus Pfeifen geraucht. Nur reiche Leute konnten sich’s leisten, als etwas Seltenes und Kostbares eine aus Holland, England oder Amerika eingeführte Zigarre zu rauchen. Als diese Ausnahmen sich mehrten, kam ein Hamburger, der in Spanien das Zigarrenmachen erlernt hatte, im Jahre 1788 auf den Gedanken, in Hamburg eine Zigarrenfabrik zu errichten. Doch hatte er zunächst keinerlei Erfolg. Er mußte seine Zigarren verschenken, um seine Landsleute auf das Fabrikat aufmerksam zu machen und ihnen die Überzeugung beizubringen, daß auch in Deutschland hergestellte Zigarren gut schmeckten. Als trotz seiner Bemühungen das fremdländische Fabrikat den Vorzug behielt, nahm er seine Zuflucht zu einem Betrug, indem er seine Zigarren nach Kuxhaven sandte, dort auf Schiffe verladen ließ, die aus Amerika kamen, und sie dann als echte amerikanische in Hamburg in Empfang nahm. Als diese nun zu billigen Preisen verkauft wurden, befreundete man sich mit ihnen und rauchte später, als die Sache an den Tag kam, auch das einheimische Fabrikat. So wurde nach und nach das Zigarrenrauchen in Deutschland eingeführt.
Die echte oder gemeine Tabakstaude (Nicotiana tabacum) gehört mit den Petunien, dem Stechapfel, dem Bilsenkraut, der weißen, besonders am Abend stark duftenden Trompetenblume (Datura suaveolens), der Tollkirsche, der Paprikapflanze, der Tomate, der Eierpflanze (franz. aubergine, Solanum melongena), dem Bittersüß und der Kartoffel in die Familie der Nachtschattengewächse, deren Mitglieder meist durch irgend ein Gift vor dem Gefressenwerden durch Tiere geschützt sind. Sie ist ein einjähriges, bis 2 m hoch werdendes, aufrechtes Kraut, das allseitig mit einfachen und drüsigen Haaren besetzt ist. Die frisch unangenehm, betäubend riechenden und scharf bitter schmeckenden Blätter sind länglichoval, ganzrandig und langzugespitzt. Sie sind oben dunkel- und unten hellgrün. Jede Pflanze hat deren etwa 10 bis 20, von denen die untersten bis 50 cm lang und 10–15 cm breit werden. Die mit trichterförmiger, rötlicher Blumenkrone und fünfzähnigem, grünem Kelche versehenen Blüten stehen in Rispen und erzeugen befruchtet eine zweiklappige Kapsel mit zahlreichen, außerordentlich kleinen, eirunden Samen, die außer Eiweißkörpern ziemliche Mengen eines Öles enthalten, das in Südrußland ausgepreßt und zu Beleuchtungszwecken verwendet wird.
Der Stengel der Tabakpflanze ist während der ersten Periode des Wachstums mit einem klebrigen Marke gefüllt und bricht sehr leicht; später wird er holzig und besitzt ein ziemlich großes Widerstandsvermögen gegen Bruch, was für die Kultur von großer Wichtigkeit ist. Der runde Stengel verzweigt sich bei üppigem Wachstum nur oben; zuweilen bilden sich aber für die Kultur sehr lästige Seitenschosse in den Achseln der Blätter, die fast nicht oder nur mit Aufopferung des Blattes, aus dessen Achsel sie entsprangen, zu entfernen sind. Sobald die Pflanze sich ihrer Reife nähert, wird ihre Lebenskraft hauptsächlich dazu verbraucht, Wurzelschosse zu treiben, die alsbald entfernt werden, um die zu erntenden Blätter rascher zur Reife zu bringen und ihnen auch eine heilere Farbe zu verleihen.
Ist die Tabakpflanze auch im wärmeren Amerika heimisch, so kann sie gleichwohl an den meisten Orten der Erde gezogen werden; indessen gibt sie nur in beschränkten Breiten bessere Produkte. Die dicken und schweren Blätter, die sich schon bei uns entwickeln, sind nur minderwertige Ware und die Pflanzen der höheren Breiten sind nicht mehr zum genußreichen Rauchen zu verwenden. Aber auch in viel wärmeren Gegenden gibt der Tabak nicht durchaus gleichwertige Blätter. Den berühmtesten Tabak liefert Kuba, wo indessen, wie überhaupt auf allen westindischen Inseln mit Ausnahme von Portoriko, die Tabakkultur zugunsten der Kultur des Zuckerrohrs mehr und mehr abnimmt. Der berühmte Havannatabak wird auf einer kleinen Strecke der Westküste, der vuelta abaja, d. h. dem „niedrigen Land“ gebaut, das sich in 110 km Länge und 30 km Breite als der beste Tabakboden der Welt zwischen dem Gebirge im Norden und dem Meere im Süden erstreckt. Aller verfügbarer Boden ist hier für die Tabakkultur verwendet, die in Plantagen von etwa 13 Hektar Ausdehnung betrieben wird, auf der 20–30 Mann, Farbige und Weiße, arbeiten. Der Tabak wird während des sogenannten Winters gebaut, da der geringere Regenfall und der verminderte Sonnenschein, sowie die gegen 10° C., gegenüber dem übrigen Teil des Jahres niedrigere Temperatur günstig auf die Entwicklung des Aromas der Tabakblätter, des Ruhms von Havanna, einwirken. Fast der ganze Ertrag wird in den Fabriken von Havanna verarbeitet, die in der Regel jedes Jahr den Ertrag derselben Plantage aufkaufen, wodurch sie in der Lage sind, ein Produkt von möglichst gleicher Qualität zu liefern. Nirgends trifft man so viel verschiedene Sorten Tabak wie in Havanna, wodurch natürlich der Einkauf der Rohtabake sehr erschwert wird. Die am meisten dort geschätzten werden noch ziemlich feucht geraucht, in einem solchen Zustande, daß sie sich um sich selbst drehen und über den Finger biegen lassen, ohne zu brechen. Manche Sorten haben im Fabrikationsorte Havanna selbst einen Preis bis zu zwei Mark und darüber das Stück.
Andere berühmte Lagen sind in Brasilien, in Florida, auf Sumatra, hauptsächlich im Distrikt von Deli und auf Neu-Guinea. Diese Tabake sind besonders deshalb wertvoll, weil sie vorzügliche Deckblätter geben, die dünn und dennoch fest wie Handschuhleder sind. Große Mengen von Tabak werden auch in Mexiko, in den Staaten Maryland, Virginia und Kentucky gebaut, obschon die letzteren, weil zu schwer, nur minderklassig sind. In Europa erzeugt Ungarn große Mengen für den österreichischen Bedarf. Vortrefflich ist auch der auf der Balkanhalbinsel gezogene Tabak, an den sich die kleinasiatischen Sorten anschließen. Hier wird auch eine andere Art, der mit kleineren, runden Blättern und gelbgrünen, kürzeren Blüten versehene sogenannte Bauerntabak (Nicotiana rustica) angebaut, der einen ganz ausgezeichneten dünnblätterigen Tabak liefert; dieser kommt als türkischer Tabak in den Handel und wird nur, sehr fein geschnitten, zu Zigarettentabaken verarbeitet. Besonders in Ägypten nimmt die Zigarettenindustrie in Kairo und Alexandria ständig zu.
Die Tabakpflanze stellt sehr hohe Anforderungen an die Nährkraft des Bodens, indem ihre grünen Teile, besonders die Blätter, ungemein reich an mineralischen Bestandteilen sind; außerdem enthalten sie die starken narkotischen Gifte Nikotin und Nikotianin, auf deren Einverleibung im wesentlichen die Wirkung des Rauchens beruht. Durch jene Gifte wird wohl das Nervensystem etwas beruhigt, das Empfinden und Wollen angeregt, aber als ungünstige Nebenwirkung die Herztätigkeit beschleunigt und der Blutdruck erhöht. Das Schnupfen des Tabaks ruft weit weniger Allgemeinerscheinungen hervor, weil die bald eintretende Verdickung der Nasenschleimhaut die Aufsaugung des Nikotins verhindert.
Der Tabak gehört also mit dem Alkohol zu den zweifellos schädlichen Genußmitteln. Je besser die Sorte, um so geringer sind die Giftwirkungen, da geringe Tabaksorten reicher an Nikotin zu sein pflegen als die feinen. Dieselbe Beschaffenheit des Bodens und Klimas, die die Bildung dieses Giftes begünstigt, wirkt zugleich ungünstig auf die Entwicklung des Aromas. Deshalb ist eine stark nikotinhaltige Tabakpflanze gleichzeitig weniger aromatisch, wie z. B. die Virginia mit gegen 6 Prozent Nikotin, während ein geringer Nikotingehalt von nur 2 Prozent, wie bei der Havanna, Hand in Hand mit der stärksten Ausbildung des Aromas geht. Je größer der Abstand der Pflanzen untereinander ist, je weniger Blätter ihnen gelassen werden, je höher die Blätter am Stengel sitzen und je später sie gepflückt werden, desto größer ist im allgemeinen ihr Nikotingehalt und desto geringer ihr Aroma. Da nun ein möglichst geringer Nikotingehalt und ein möglichst feines Aroma zu erstreben sind, müssen alle die Zunahme des Nikotins begünstigenden Faktoren vermieden werden. Die Luft soll feucht sein und die Pflanze soll zunächst viel Regen erhalten, bis sich die Blätter zu entwickeln beginnen; dann schaden allerdings starke Regengüsse, indem die Blätter ein geringes Aroma und unerwünscht dicke Blattnerven bekommen, sich auch weniger günstig beim Trocknen und Gären verhalten.
Da stehendes Wasser dem Tabak sehr nachteilig ist, so muß der Boden, auf dem Tabak gepflanzt werden soll, leicht durchlässig sein und darf nicht im Überschwemmungsgebiet der Flüsse liegen. Am geeignetsten ist etwas welliges Terrain. Kalk darf darin nur in geringen Mengen enthalten sein, dagegen ist Kalireichtum günstig, da erfahrungsgemäß die Güte des Tabaks durch einen hohen Gehalt an diesem Alkali bedingt wird. Stickstoff- und Chlorreichtum vermindern die Brennbarkeit des Tabaks und setzen sein Aroma herab. Das Gedeihen eines guten Tabaks ist also unabhängig von Düngungsmitteln, im Gegensatz zu anderen Pflanzen, z. B. Getreide und Gemüse. Ähnlich wie beim Weinbau bedingt die Örtlichkeit zu einem großen Teil den Erfolg. Aber auch in der besten Lage sind nicht alle Blätter einer Tabakpflanze von derselben Güte, sondern die der Mitte des Stengels entnommenen sind, was Brennbarkeit und Aroma anlangt, die besten; deshalb werden sie als „Bestgut“ bezeichnet.
Der erfolgreiche Anbau des Tabaks verlangt große Sorgfalt und Pflege. Die Anzucht im Großbetriebe erfolgt in besonderen Saatbeeten, die sowohl gegen übermäßige Sonnenbestrahlung als auch gegen die heftigen Regengüsse, wie sie bekanntlich in den Tropen häufig sind, geschützt werden müssen. Deshalb bedeckt man sie mit auf Stangen von 1–1,5 m Höhe befestigten schrägen Dächern, die den Durchgang der nötigen Luft nicht behindern. Nach drei Wochen werden die Keimpflänzchen möglichst schnell an ihren definitiven Standort überführt und hier etwa zwei Wochen lang, bis sie erstarkt sind, zum Schutze gegen Witterungseinflüsse mit dütenförmigen Holzmützen bedeckt.
Nach etwa 75 Tagen ist die Pflanze ausgewachsen und wird geerntet, wobei seltener die reifen Blätter, sondern meist die ganzen Pflanzen abgeschnitten, in Bündel gebunden und entweder an der freien Luft oder durch Feuerwärme in Trockenhäusern getrocknet werden. Sie verlieren dabei ihren Stärkegehalt und erlangen die gewünschte braune Farbe. Dann werden die Blätter vom Stengel abgebrochen — wenn sie es nicht schon waren — und dabei zugleich nach ihrer Qualität sortiert, um dann abermals zu Bündeln vereinigt und in geschlossenen Räumen zu großen Haufen, sogenannten Stöcken, aufeinander geschichtet zu werden, die 100–800 Zentner Tabakblätter umfassen. Hier machen sie eine von besonderen Bakterien hervorgerufene Gärung durch, wobei diejenigen aromatischen Verbindungen entstehen, durch welche der fertige Tabak beim Rauchen den angenehmen Geruch und Geschmack erhält, weicher zum Bearbeiten wird und gleichmäßiger gefärbt erscheint. Zugleich wird der Gehalt an dem äußerst giftigen Nikotin um etwa 30 Prozent der ursprünglich vorhandenen Menge desselben herabgesetzt. Dabei tritt in einem feuchten Klima ein „Schwitzen“ genanntes Austreten eines klebrigen Stoffes auf, was in einem trockenen dagegen unterbleibt. Den Beginn der Gärung (Fermentation) erkennt man an einer Wärmezunahme, welche im Innern des Stockes am bedeutendsten ist und daselbst bis 50°C. und mehr steigen kann. Sobald dies eingetreten ist, nimmt man die Bündel auseinander und baut aus ihnen einen neuen Stock auf, in welchem die bisher im Innern befindlichen Bündel an die Außenseiten gelegt werden. Derartige Umlagerungen werden wiederholt vorgenommen, damit jedes Bündel in annähernd gleicher Stärke fermentiert wird.
Ist dies geschehen, so werden die Stöcke je nach Sorten, Klima und Witterungsverhältnissen entweder ganz auseinander genommen, um weiter verarbeitet zu werden, oder abermals in kleineren Partien zusammengelegt, wobei noch eine zweite Fermentation stattfindet. Näheres über die Einzelheiten bei diesem Vorgang findet sich im Abschnitt über die Gärungserreger. Nach der Fermentation werden die Blätter gelüftet, getrocknet und schließlich in Fässer verpackt, um in die Tabakmanufakturen zu gelangen, wo die schlechteren Sorten oft noch zur weiteren Herabsetzung des Nikotingehaltes ausgelaugt und zur Verstärkung des Aromas „gesaucet“, d. h. mit verschiedenen, meist opiumhaltigen Brühen behandelt werden. Für Deutschland ist Bremen ein Haupthandelsort für Tabak. Dort gibt es die größten Tabak- und Zigarrenfabriken Europas.
Während heute überall in den Tabak produzierenden Ländern der rötlich blühende echte oder gemeine Tabak gebaut wird, pflanzt man im Orient, sowie in Nordafrika den nur 1 m Höhe erreichenden, gelblich blühenden Bauern- oder türkischen Tabak (Nicotiana rustica), der in Mexiko seine Heimat hat. Wir sahen bereits, daß er den türkischen oder Latakiatabak liefert. Die Kultur ist dieselbe wie beim echten Tabak, und an ihm werden, gleicherweise wie bei jenem, gelegentlich eine Reihe von durch winzige Spaltpilze hervorgerufene Krankheiten beobachtet, unter denen der sogenannte „Spickel“, sowie der Blattfleckenrost und eine dritte Blattfleckenkrankheit die wichtigsten sind.
Entsprechend dem großen Verbrauch des Tabaks ist sein Anbau ein ganz bedeutender und beträgt auf der ganzen Erde wenigstens 550 Millionen kg, wovon auf die Vereinigten Staaten von Nordamerika 225 Millionen kg, auf Britisch-Ostindien 172 Millionen kg und auf Deutschland 40 Millionen kg entfallen. Außerdem führte Deutschland im Jahre 1906 für 120 Millionen Mark unbearbeitete Tabakblätter ein. Auf den Kopf der Bevölkerung kommen daselbst jährlich fast 2 kg Tabak.
Was nun endlich die Verarbeitung des Tabaks betrifft, so beginnt man beim Rauchtabak mit einer genauen Sortierung der Blätter nach der Farbe, wobei man die Blätter mischt, um die gewünschte Qualität zu bekommen. Darauf werden die Blätter angefeuchtet, um ihnen die nötige Elastizität zu erteilen, und zwischen Walzen gepreßt, auf Rollen gesponnen oder sofort geschnitten. Bei der Zigarrenfabrikation wird zum Innenblatt eine geringere Qualität, zum Deckblatt dagegen eine bessere, vielfach mit hellen Flecken versehene, genommen. Letztere entstehen in der Natur durch Tautropfen, die den Sonnenstrahlen als Brennglas dienen; dem Publikum zuliebe werden sie vielfach auch künstlich durch Einwirkung von Salpetersäure erzeugt. Das Schneiden der Deckblätter erfordert viel Übung und ein gutes Auge, da man trachten muß, aus einem Blatt so viel Deckblätter wie möglich herauszuschneiden. Das Ganze wird dann durch Maschinen gerollt. Danach werden die Zigarren an der Sonne oder am Ofen getrocknet, je nach Farbe und Sauberkeit des Deckblatts sortiert und in Kistchen verpackt.
Tafel 85.
Das Sortieren der Tabakblätter nach Länge und Farbe auf einer Tabakplantage Sumatras.
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GRÖSSERES BILD
Tafel 86.
Die zum Fermentieren in Haufen gelegten Tabakblätter auf einer Tabakplantage Sumatras.
Blick in einen Arbeitsraum der Zigarettenfabrik Leopold Engelhardt in Bremen.
Die Zigarren müssen an einem trocknen Orte aufbewahrt werden, da sie sonst leicht schimmeln. Im allgemeinen werden sie durch das Aufbewahren besser, erstens, weil sie dabei vollkommen trocken werden, und zweitens, weil in ihnen eine leichte Nachgärung stattfindet. Nach einer bestimmten Zeit verliert aber die Zigarre wieder an Güte, weil sie brüchig wird und das Aroma sich wieder verflüchtigt.
Die früher meist vom Raucher selbst gedrehten Zigaretten werden jetzt meist mit Maschinen hergestellt. Zur Fabrikation des Zigarettenpapiers werden gewöhnlich sehr feine leinene Lumpen verwendet, die sorgfältig gereinigt werden. Statt des Papiers werden manchmal auch die allerfeinsten Tabakblätter als Hülle verwendet. Diese sogenannten Zigarillos haben vor den übrigen Zigaretten den Vorzug, daß bei ihnen der unangenehme Papiergeschmack wegfällt.
Bei der Herstellung von Kautabaken werden die Blätter mit Salz, Sirup, Zucker, Rum, Salmiak, dem Fruchtfleisch der Tamarinde, Anis, Gummi, Dextrin, allerlei ätherischen Ölen usw. versetzt; dem Schnupftabak setzt man meist nur Salmiak und Pottasche zu. Für die Fabrikation des letzteren wählt man die schwärzesten Tabaksorten und von diesen die dicksten und fleischigsten Blätter von nicht zu heller Farbe. Nachdem die Blätter einen Gärungsprozeß von verschieden langer Dauer durchgemacht und die betreffenden Zusätze erhalten haben, werden sie an der Luft getrocknet, geschnitten und fein gestampft oder in Mühlen fein gemahlen. Dann wird der Schnupftabak gesiebt, parfümiert und verpackt.
Die ersten Rauch- und Schnupftabakfabriken in Deutschland entstanden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die ersten Zigarrenfabriken in Hamburg und Bremen gegen das Ende des 18. und den Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Stadt Bremen besaß 1851 bereits 281 Fabriken mit 5300 Arbeitern. In Sachsen entstand die erste Zigarrenfabrik 1825, in Baden 1843. Als in den Jahren 1852 und 1854 Braunschweig und Hannover dem Zollverein beitraten, wurden die hanseatischen Fabriken in das Zollinland verlegt und in Hamburg und Bremen nur noch die besten Sorten hergestellt. Seit der Mitte der 1860er Jahre wurden die Tabakfabriken mehr und mehr aus den großen Städten auf das Land und in die kleineren Städte verlegt.
Begreiflicherweise hat der Fiskus einen so allgemein beliebten Luxusartikel ausgiebig besteuert. So bildet die Tabaksteuer eine bedeutende Einnahmequelle aller Kulturstaaten. Einige Regierungen, wie in Europa Österreich-Ungarn, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Serbien und Rumänien, haben sich sogar das Monopol auf die Tabakindustrie und den Tabakverkauf reserviert, um auf diese Weise einen möglichst großen Profit aus dem Tabak zu ziehen. In England, Rußland und der Türkei steht der Tabak unter staatlicher Aufsicht; in den übrigen Ländern dagegen ist er frei.