Außer den größeren und kleineren Nutzgewächsen, die jeder zu sehen imstande ist, gibt es solche von mikroskopischer Kleinheit, über deren Vorhandensein, Lebensweise und Bedeutung wir erst seit wenigen Jahrzehnten unterrichtet sind. Schon sehr lange kannte und verwandte man zwar die verschiedenen Gärungen, ohne auch nur die mindeste Ahnung davon zu haben, daß sie durch lebende Wesen, durch dem unbewaffneten Auge unsichtbare winzige, einzeilige Pilze bewirkt werden. Schon im Jahre 1680 hatte zwar der Holländer Leeuwenhoek beim Betrachten von Hefe unter dem kurz vorher vom Middelburger Brillenmacher Zacharias Jansen erfundenen Mikroskop die Hefezellen als winzige Kügelchen erkannt und beschrieben, aber weder er noch andere seiner Zeitgenossen, die dasselbe beobachteten, wußten irgend etwas von einem Zusammenhange dieser winzigen Kügelchen mit der Gärung, die ihnen ein völlig unerklärlicher Prozeß war. Bald hernach, nämlich schon im Jahre 1697 hat zwar als erster der deutsche Chemiker Stahl eine Erklärung des Wesens der Gärung zu geben versucht, indem er dabei in innerer Bewegung begriffene Körperchen annahm, die diese Bewegung dann auf jene Körper übertragen, die dadurch der Gärung unterliegen und durch sie verändert werden.
Mit dem Aufkommen der Wissenschaft der Chemie vermutete man beim Gärungsprozesse einen bis dahin unbekannten chemischen Prozeß, dem man auf die verschiedenste Weise beizukommen versuchte. Das Rätsel ließ sich aber nicht lösen, so sehr man sich auch alle Mühe gab, dahinter zu kommen. Vor allem suchten die hervorragenden Chemiker Frankreichs, so Lavoisier, Dumas und Gay-Lussac, die bei der Gärung erzeugten Zersetzungsprodukte festzustellen, ohne sich über die für sie noch immer unergründliche Ursache derselben weitere Gedanken zu machen. Erst im Jahre 1837 gelang es ganz unabhängig voneinander dem Deutschen Theodor Schwann und dem Franzosen Cagniard-Latour die winzigen, nur bei sehr starker Vergrößerung deutlicher sichtbaren Kügelchen, die schon Leeuwenhoek beobachtet, aber nicht zu deuten gewußt hatte, als einzeilige Lebewesen aus der Pflanzengattung der Pilze festzustellen und in ihnen die Urheber der Gärung zu vermuten. Als dritter im Bunde kam dann noch der Deutsche Kützing hinzu, der seine wesentlichsten Feststellungen schon einige Jahre vorher gemacht hatte, aber seine Beobachtungen erst nach der Veröffentlichung der Arbeiten der beiden vorgenannten Forscher veröffentlichte.
Diese überaus wichtige Entdeckung von der belebten Natur der Hefe wurde von den damals tonangebenden Chemikern, dem Schweden Berzelius und den Deutschen Liebig und Wöhler, nicht nur nicht anerkannt, sondern geradezu ins Lächerliche gezogen. Die Idee, daß lebende Keime und nicht chemische Vorgänge der Gärung zugrunde liegen, wurde von ihnen und von zahlreichen anderen leidenschaftlich bekämpft, bis nach zwanzigjährigem Zweifel an dieser Tatsache der große Louis Pasteur 1857 die Entdeckung Schwanns und seiner beiden Genossen mit aller Sicherheit bestätigte und außer Frage stellte, daß alle Gärungen durch winzige Pilze bedingt werden, deren Lebensprozeß jene chemisch festzustellenden Veränderungen der von ihnen befallenen Massen auslöst, indem die Gärungserreger bestimmte Fermente als chemische Produkte ausscheiden, die dann losgelöst von den Zellen jene Veränderungen bewirken.
Dem Münchener Hygieniker Eduard Buchner gelang es als erstem nicht nur das Ferment der Alkoholgärung in den Hefezellen selbst zu finden, sondern es auch nach Zerstörung der Zellwände vermittelst Zerreibens mit scharfem Sande und nachherigem Auspressen unter hohem Drucke in einer hydraulischen Presse und Filtrieren durch Porzellanfilter, die keine lebende Hefezelle hindurchlassen, zu isolieren und in feste Form zu bringen, in der sie lange Zeit haltbar ist. Er wies auch nach, daß es durch gewisse Gifte, wie beispielsweise Aceton, gelingt, die Hefe mit Vermeidung einer vorhergehenden Schädigung der Zelle zu töten, ohne daß das in der Zelle befindliche Ferment seine Wirksamkeit eingebüßt hätte. Wie er zu zeigen vermochte, geht im allgemeinen das Ferment beim Absterben während des Todeskampfes zugrunde. Nur bei Anwendung von momentan tötenden Giften bleibt das Ferment in voller Wirksamkeit in der Zelle erhalten, so daß sich auch auf diese Weise eine sogenannte „Dauerhefe“ gewinnen läßt, die das Aussehen und die Wirksamkeit der lebenden hat, obschon die Zellen, die sie erzeugten, tot sind und sich nicht mehr wie sonst beim Gärungsprozesse weiter vermehren.
Bild 47 und 48. Hefen.
I. Gewöhnliche Bierhefe (Kulturhefe, Saccharomyces cerevisiae). a Hefezellen mit Sporen im Innern, b Hefezellen in Sprossung.
II. Verschiedene sogenannte Wilde Hefen. a Hefezellen mit Sporen im Innern, b Sprossende Hefezellen.
(Originalzeichnung von Dr. Schnegg in Weihenstephan.)
Die Hefepilze gehören seit den grundlegenden Untersuchungen von Reeß im Jahre 1870 zu den Askomyzeten oder Schlauchpilzen, so genannt, weil sie ihre als Endosporen bezeichneten Fruchtkörper in Schläuchen bilden. Diese sind bei den einzelligen, sich für gewöhnlich durch Sprossung vermehrenden und, nur bei Aufhebung der Möglichkeit weiterzuleben, solche Sporen als äußerst widerstandsfähige Dauerzustände hervorbringenden Hefepilzen kurz. Von ihrer Fähigkeit, den Traubenzucker beispielsweise des Mostes in fast genau gleiche Teile von Kohlensäure und Äthylalkohol zu spalten, nennt man sie nach Meyer auch Saccharomyzeten oder Zuckerpilze. Von ihnen gibt es eine Unzahl von Rassen, Varietäten und Spielarten, die wir erst nach Entdeckung des Verfahrens der Reinkultur von Mikroben durch Robert Koch zu Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts durch die überaus mühevollen Untersuchungen des Dänen Emil Christian Hansen unterscheiden lernten. Diese Neuerung ist für die Industrie von der weitgehendsten Bedeutung, weil die verschiedenen Spielarten der Hefe durchaus nicht alle gleich gut und für die Technik zu gebrauchen sind. Seit langem weiß man, daß unter Umständen auch echte Hefen sich als unangenehme und schädliche Gäste beim Gärungsprozesse einfinden können und durch ihre Tätigkeit die Güte des Gärproduktes erheblich beeinträchtigen, ja geradezu verderben können. Infolgedessen hat man vor allem in der Bierbrauerei danach gestrebt, die einmal für gut befundenen Hefen in ihrer Eigenart zu erhalten und sie frei von Verunreinigung durch unerwünschte wilde Hefearten, wie sie sich überall in der Natur vorfinden, weiter zu züchten. Erst durch die Arbeiten von Hansen sind wir in den Stand gesetzt, aus einer einzigen Zelle der guten Hefe eine immer gleichbleibende gute Rasse zu züchten, die mit Sicherheit gute Gärprodukte liefert. Dadurch wurde die ganze Brauindustrie revolutioniert, und auch bei der Weinbereitung und Brennerei fangen Reinhefen an, eine immer größere Rolle zu spielen.
Die Hefepilze, deren für die technische Verwertung beste Sorten wie die Bierhefepilze (Saccharomyces cerevisiae und der etwas kleinere S. ellipsoideus) kugelig bis eirund und nur ausnahmsweise wurstförmig langgestreckt sind wie der Pasteursche Zuckerpilz (Saccharomyces pasteurianus), siedeln sich entweder am Boden der von ihnen zu vergärenden Flüssigkeiten an wie die Unterhefen, oder sie verteilen sich in der ganzen Flüssigkeit, können sich aber auch schließlich unter gewissen Bedingungen als Haut auf der Oberfläche der gärenden Lösung sammeln. Dies geschieht bei den echten Hefen besonders bei reichlicher Luftzufuhr. Es gibt aber einige langgestreckte Schlauchpilze, bei denen diese Wuchsform die Regel ist, wie beispielsweise bei dem sich auf Bier und Wein ansiedelnden Kahmpilz (Saccharomyces mycoderma), der die Gärfähigkeit überhaupt eingebüßt hat und den Zucker der Nährlösung, in der er lebt, direkt in Kohlensäure und Wasser spaltet, wodurch er dem Gärgewerbe schädlich wird.
Da den Hefepilzen als Schmarotzern das Chlorophyll oder Blattgrün fehlt, können sie ihren Körper nicht wie die Pflanzen aus unorganischen Stoffen aufbauen, sondern bedürfen dazu wie die Tiere komplizierter zusammengesetzter, von mit Chlorophyll ausgestatteten Pflanzen im Sonnenlichte aufgebauter „organischer“ Nährstoffe, die sich ihnen in den in der Natur weitverbreiteten Zuckerlösungen darbieten. Diese enthalten daneben stets auch etwas Eiweiß oder Abbauprodukte desselben, sogenannte Aminosäuren, denen sie ihren Stickstoffbedarf entnehmen, und Salze mit Kalium, Magnesium, Eisen, Phosphor und Schwefel, die zu ihrem Gedeihen durchaus erforderlich sind. Daraus folgt, wie Pasteur zuerst feststellte, daß die Hefe in reinen Zuckerlösungen nicht gärt, sondern aus Mangel an stickstoffhaltigen Nahrungsmitteln und Nährsalzen sehr bald zugrunde geht. In einer ihr zusagenden und für ihr Gedeihen erforderlichen Nährlösung müssen aber durchaus alle jene Stoffe enthalten sein, die zum Lebensprozesse der Zellen, zu ihrem Wachstum und ihrer Vermehrung notwendig sind.
Eine besonders wichtige Rolle im Stoffwechsel der Hefepilze und infolgedessen beim Vorgang der Gärung spielt der Sauerstoff, der ja für den Lebensprozeß jeder Zelle und jedes Organismus überhaupt, sei es Pflanze oder Tier, ein völlig unentbehrlicher Stoff ist, da nur er die Oxydation, d. h. die Verbrennung in den Geweben ermöglicht, die die Quelle aller Leistungen in den lebenden Körpern bildet. So verbrennen auch die Hefepilze den ihnen in der Nährlösung dargebotenen Kohlenstoff zu Kohlensäure wie es jeder lebende Organismus tut. Es geht also immer ein Teil des von ihnen zersetzten Zuckers für die Umsetzung in Alkohol verloren und wird damit die Ausbeute der Gärung bis zu einem gewissen Grade beeinträchtigt. Pasteur, dem wir die grundlegenden Untersuchungen über den Lebensprozeß der Hefepilze verdanken, behauptete, daß die Hefe nur dann gäre, wenn ihr die Luft abgeschnitten werde. Bei genügender Zufuhr von Sauerstoff habe die Hefe einen Stoffwechsel wie andere Pilze, indem sie ausschließlich den dargebotenen Zucker verbrenne; sobald aber der Sauerstoff fehle, müsse sie den Zucker, den sie nicht mehr direkt verbrennen kann, durch Gärung, zu der Sauerstoff nicht nötig ist, umsetzen, um ihn zu einer Energiequelle zu gestalten.
Über diese Pasteursche Theorie, wonach die Gärung ein Leben der Hefe ohne Luft sei, wurde lange Zeit hindurch aufs heftigste gestritten, bis man schließlich erkannte, daß diese Annahme falsch war und Hefe bei Anwesenheit von Sauerstoff ebensogut gärt wie bei Abschluß desselben. Daß andererseits der Sauerstoff zum Leben und zur Vermehrung der Hefe absolut nötig sei, darüber hatte schon Pasteur keinen Zweifel gehabt. Von seiner Theorie blieben an Tatsachen nur zwei übrig, nämlich erstens, daß ganz junge Hefe bei reichlichem Luftzutritt tatsächlich schlecht gärt, weil sie sich zu üppig entwickelt, und zweitens, daß auch unter günstigeren Bedingungen bei Luftzutritt die einzelnen Hefezellen etwas weniger Alkohol liefern als bei Abschluß der Luft. Aber andererseits wird die Vermehrung der Zellen durch den Zutritt von Luft so sehr gesteigert, daß trotz dieser verminderten Leistung der Einzelzelle die Gesamtausbeute bei Anwesenheit von Luft besser ist als bei Fehlen derselben.
Nun hat besonders Stoklasa in Prag nachgewiesen, daß die Fähigkeit, bei Luftabschluß alkoholbildende Fermente zu erzeugen, nicht nur verschiedenen Pilzen, speziell Schimmelpilzen aus der Gattung Mucor, die ebenfalls gären, wenn auch schwächer als Hefe, zukommt, sondern sich auch bei Rüben, Kartoffeln usw. nachweisen läßt. Diese Fähigkeit scheint also eine weitverbreitete Eigenschaft der lebenden Substanz zu sein. Dann wäre die einzige Besonderheit der echten Hefepilze nur noch die, daß sie diese Tätigkeit auch bei Anwesenheit von Sauerstoff fortsetzen. Wir dürfen also annehmen, daß diese sich aus Pilzen entwickelten, die die Fähigkeit, gelegentlich auch bei Luftabschluß Zucker zu spalten und Alkohol und Kohlensäure daraus zu bilden, in weitgehendem Maße ausbildeten. Während aber diese Fähigkeit bei allen weniger weit in diesem Prozesse vorgeschrittenen Pilzen, z. B. den Mucorarten, bei Luftanwesenheit verschwand, ging die Anpassung an ein solches Vermögen bei den Hefepilzen so weit, daß die Fähigkeit der Spaltung von Zucker in Alkohol und Kohlensäure auch bei Anwesenheit von Luft weiterbestand.
Die Bedeutung der Gärung für die Hefe selbst ist demnach die, daß sie ihren Energiebedarf ohne Anwesenheit von Sauerstoff decken kann. An Stelle der richtigen Verbrennung der Nährstoffe, wie sie sonst bei allen Lebewesen, besonders den nichtgärenden Pilzen und Tieren, herrscht, tritt hier als Energiequelle die einfache Aufspaltung ohne Sauerstoff. Auf diese Weise rückt Pasteurs Theorie in ein ganz anderes Licht. Die Gärung der Hefe ist zwar nicht an sich ein Leben ohne Luft, wohl aber gewährleistet die Bildung dieses Fermentes der Zelle ein Leben ohne Luft. Das ist zwar etwas sehr Ähnliches, aber es besteht doch der wichtige Unterschied, daß die Hefepilze dieses Mittel auch dann noch anwenden, wenn sie es nicht gerade brauchen, wenn ihnen also Sauerstoff zur Verfügung steht.
Schließlich gehen die Hefepilze in ihrem eigenen Produkte, dem Alkohol, wenn er in einer bestimmten Konzentration in der von ihnen besiedelten Nährlösung gebildet ist, zugrunde. Ihre Empfindlichkeit dagegen ist eine ziemlich große; denn durchschnittlich erlischt die Gärung, sobald der Gehalt an Alkohol 12–15 Prozent erreicht hat. Den geringsten Alkoholgehalt ertragen Obstwein- und Bierhefen, einen mittleren Weinhefen; nur manche Südweinhefen vertragen eine Alkoholanreicherung bis zu 18 Prozent und Brennereihefen bis 20 Prozent; einzig die japanische Sakehefe, die ein starkes Reisbier mit weinigem Charakter erzeugt, soll sogar bei 24 Prozent Alkoholgehalt noch gären. Dieses wechselnde Verhalten der Hefen gegen den von ihnen gebildeten Alkohol zeigt ihre überaus große Veränderlichkeit gegen die verschiedensten Einflüsse, was ihrer technischen Verwendung in hohem Maße zugute kommt. Je nach dem Zwecke, den der Gärtechniker verfolgt, kann er die verschiedenartigsten Hefen in Anwendung bringen; und diese in möglichster Vollkommenheit zu züchten, ist seine vornehmste Aufgabe.
Die beiden wichtigsten Funktionen der Hefe sind die Vermehrung, die mit intensivem Sauerstoffverbrauch einhergeht, und die Gärung. Rasch wachsende Hefen gären schlecht, langsam wachsende dagegen gut. Diesen beiden Endzuständen entsprechen zwei Typen: einerseits die sehr rasch wachsende, wie man sagt „geile“ Lufthefe, die zu Bäckereizwecken verwendet wird. Ihr darin nahe kommt die schnell vergärende Brennereihefe, die aber im Gegensatz zu jener eine hohe Temperatur verlangt. Und andererseits die äußerst langsam wachsende, „faule“, aber sehr ausgiebig vergärende bayerische untergärige Bierhefe, die aber dazu im Gegensatz zur vorigen einer niederen Temperatur bedarf.
Auch gegen den Zuckergehalt ist die Resistenz der verschiedenen Hefearten eine sehr wechselnde. Die meisten können schon bei 40 bis 50 Prozent Zucker nicht mehr vergären, andere, die schwere Süßweine bilden, können noch 60 Prozent und darüber vertragen.
Neben der Zymase, welche die Gärkraft der einzelnen Heferassen bedingt, enthalten alle Hefen noch andere Fermente, die auf verschiedene Kohlehydrate spaltend wirken, mit dem Endziel, sie alle in vergärbaren Zucker zu verwandeln. Bei den meisten sind nur diejenigen Fermente in wirksamer Menge vorhanden, die die höheren Zuckerarten spalten, nämlich die Maltase, die Malzzucker in Traubenzucker, und die Invertase, die Rohrzucker in Traubenzucker und Fruchtzucker überführt. Spärlicher sind die bisher auch weniger eingehend studierten Fermente, die die Dextrine angreifen, und nur bei wenigen sind solche vorhanden, die den Milchzucker einerseits und die Stärke andererseits angreifen. Letztere Eigenschaft kommt besonders der tonkinesischen Hefe zu, die einen Pilz (Amylomyces rouxii) enthält.
Schon lange unterscheidet man in der Praxis der Gärtechnik zwischen wilden Hefen und den Kulturhefen. Solche „wilde Hefen“ sind heute noch in den allermeisten Fällen die Weinhefen. In der Urzeit aber, bevor sich der Mensch weitergehende Erfahrung in der Gärtechnik erworben und besondere Verfahren zur Gewinnung möglichst vollkommener Produkte eingeschlagen hatte, war jede Gärung durch wilde Hefen bedingt. Man überließ einfach die zuckerhaltigen Pflanzensäfte sich selbst; dabei trat dann von selbst durch Ansiedelung und rasches Wachstum von frei herumschwärmenden, wilden Keimen die Gärung ein, die der Mensch nach seinen Wünschen zu leiten und, wenn nötig, zu unterbrechen versuchte.
Die Lebensweise dieser wilden Hefen hat Hansen zuerst an Sacharomyces apiculatus erforscht. Was von ihr gilt, das wird mit geringen Änderungen auch für die anderen Hefearten Geltung haben. Den Sommer hindurch sind überall Hefekeime im Staub vorhanden, die dann vom Wind an verletzte Früchte irgend welcher Art verweht werden, wo sie vortrefflich gedeihen und sich rasch vermehren. Zur Zeit der Fruchtreife im Herbst sind sie besonders in Obst- und Weingärten in ungeheurer Zahl vorhanden und gelangen mit den Früchten in den gekelterten Most, in welchem sie die alkoholische Gärung verursachen. Mit dem Regen und Wind und den herabfallenden, verderbenden Früchten gelangen sie in den Boden, wo man sie bis zu 40 cm Tiefe nachgewiesen hat. Hier überwintern sie, soweit sie als dickhäutige Dauerformen vor dem Eingehen infolge von Kälte und Trockenheit geschützt sind, um mit dem Frühjahre von neuem ihr Dasein an allerlei austretenden Pflanzensäften und faulenden Massen fortzusetzen und mit dem Wind und den zahllosen Insekten auf die sich bildenden Blattmassen und jungen Früchte verschleppt zu werden, wo sie sich nach Möglichkeit, soweit es ihnen gelingt, Nahrung zu erhalten, vermehren und immer weiter ausbreiten, bis sie im Herbst abermals eine Hauptverbreitung erlangt haben.
Aus ihnen hat dann der Mensch unwillkürlich im Laufe der Zeit besondere Kulturrassen entwickelt, indem er mit Vorliebe gute Hefereste zur Fermentierung der neuen zu vergärenden Nährlösung verwandte. So hatten beispielsweise die Braumeister schon lange gemerkt, daß es zweckmäßig ist, die Hefen, die einmal ein gutes Bier geliefert hatten, sich nach Möglichkeit zu erhalten, und die große Geheimniskrämerei, die lange Zeit die Kunst edles Bier zu brauen umgab, beruhte nicht zum mindesten auf solchen alten Rezepten zur Erhaltung des „Zeuges“. Indessen war dies alles reine Empirie, und Fehlschläge blieben dabei nicht aus. So war trotz aller Sorgfalt das Brauen guten Bieres stets eine Sache des Zufalls. Erst durch die planmäßigen Arbeiten Hansens ist dies anders geworden, indem er zuverlässige Verfahren angab, um jeweilen erstklassige Kulturen von Hefe zu erlangen und nach Belieben weiter zu züchten. So ist man imstande, immer gleichmäßig gute Heferassen, ohne Beimischung unerwünschter fremder Elemente oder eine Degeneration befürchten zu müssen, in Anwendung zu ziehen und damit stets sicheren Erfolg zu haben. Und hat man auf diese Weise eine größere Menge einer vollkommen einheitlichen, weil aus einer einzigen Zelle hervorgegangenen Hefe gewonnen, so kann man mit dieser Gewöhnungsversuche an bestimmte, nach besonderen Richtungen abgeänderter Nährböden machen, um damit neue, zu speziellen Zwecken dienende Varietäten zu gewinnen.
Neben dieser „Einzellmethode“, die stets die klassische sein wird, genügt für zahlreiche Zwecke auch ein anderes Verfahren, das man als die „natürliche Reinzucht“ bezeichnet. Es beruht auf der Erfahrungstatsache, daß eine Hefe, die in größerer Menge auf einen ihr gut zusagenden Nährboden und unter günstigen Temperaturverhältnissen eingesät wird, sehr bald alle anderen Organismen in solch energischer Weise überwuchert, daß sie beinahe allein zurückbleibt. So kann man beispielsweise untergärige gute Bierhefe von Beimengungen einerseits obergäriger, andererseits kleiner, wilder Hefen dadurch trennen, daß man bei 8–10°C. gären läßt, unter Bedingungen, die nur der gewünschten Hefe günstige Verhältnisse zum Fortkommen gewähren. So kann man durch Züchten auf mehrere Prozent Alkohol enthaltenden Nährböden aus einem Gemisch von Brennereihefe und Unterhefe die letztere herausschaffen usw.
Wenden wir uns nach dieser allgemeinen Orientierung zu den wichtigsten Nutzanwendungen der Hefegärung, unter denen an erster Stelle die Brotbereitung steht. In der Urzeit wurden die nahrhaften Samen der wilden Grasarten und später diejenigen der aus ihrer Zahl zu immer großkörnigeren Getreidearten gezüchteten Spezies gleich nach dem Sammeln, solange sie noch nicht durch Eintrocknen hart geworden waren, oder wenn dies wie bei den Vorräten der Fall war, nach vorhergehendem kurzen Einweichen in Wasser, roh, oder noch häufiger durch Rösten auf heißen Steinen schmackhafter gemacht, gegessen. Solch geröstetes Getreide hat sich mit dessen natürlicher Würze, dem Salz, im äußerst konservativem Kultus bei manchen Völkern, wie den Römern, als die älteste Art von Opferspeise pflanzlicher Natur an die Gottheit bis in die Spätzeit erhalten.
Als man aber mit dem Aufkommen des Hackbaus in neolithischer Zeit Vorräte von Getreidekörnern anlegte, die stark austrockneten, war es geboten, die hartgewordenen Körner ohne Aufweichen in Wasser zwischen Steinen zu zermalmen. So kamen die immer zweckmäßiger gestaltenen Mahlsteine als die primitivsten Mühlen der Menschheit auf. Anfänglich geschah dieses Mahlen noch äußerst roh und ungenügend; so finden wir in den als Vorläufer des Brotes mit Zuhilfenahme von Wasser bereiteten Fladen der neolithischen Pfahlbauern der Schweiz ohne irgend welche Poren neben abgeriebenen kleinsten Steinpartikeln, die beim Kauen förmlich geknirscht haben müssen, noch halbe und ganze Getreidekörner als Zeichen der sehr lässigen, wenig sorgfältigen Arbeit der solche Speise bereitenden Frauen. Da man nun irdene Gefäße besaß, die man immer besser durch gründlicheres Brennen zu härten verstand, so zog man diesen unschmackhaften, trockenen Fladen bald allgemein den durch Einrühren des grob zerkleinerten Getreidekorns in Wasser hergestellten Mehlbrei vor, der noch zu Anfang der christlichen Zeitrechnung bei unseren germanischen Vorfahren an Stelle des ihnen unbekannten getriebenen Brotes als Hauptnahrungsmittel gegessen wurde. Auch bei den Kulturvölkern des Altertums, so besonders bei den in allem konservativ gesinnten Römern, war er, von ihnen puls genannt, während ihn die Griechen als maza bezeichneten, bis in ihre Blütezeit hinein gebräuchlich. So sagt der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: „Die Römer haben lange Zeit von Brei (puls) und nicht von Brot (panis) gelebt; daher nennt man auch jetzt noch dasjenige, das man zum Brote ißt, pulmentarium. Ein Bissen solchen Breies hieß offa, wie man z. B. aus Ennius (dem von 239 bis 168 v. Chr. lebenden römischen Dichter) ersieht. Noch jetzt wird an Festen, die aus alter Zeit stammen, namentlich an Geburtstagen, solcher Brei bereitet, den man puls fritilla (gebackenen Mehlbrei) nennt.“ An einer anderen Stelle gibt er an, daß man in Kampanien aus gemeiner Hirse (milium) weißen puls und wohlschmeckendes Brot bereite. Und der unter Nero aus Bilbilis in Spanien nach Rom gekommene, um 120 n. Chr. gestorbene Epigrammendichter Martialis, ein Schmeichling und Günstling der Kaiser, schrieb in einem uns erhaltenen Gedichte: „Komm zu mir, lieber Turanius, und nimm vorlieb mit einem Würstchen (botellus), das auf schneeweißem puls (Brei) liegt.“ Auch der römische Geschichtschreiber im 1. Jahrhundert n. Chr. Valerius Maximus versichert: „Die alten Römer lebten sehr mäßig, genossen mehr Brei (puls) als Brot (panis). Von ihnen stammt auch der Gebrauch des Opferschrots, welches aus geröstetem Spelt mit Zusatz von Salz besteht und womit man die (als Opfer verbrannten) Eingeweide bestreut (während das Fleisch von den Opfernden zu Ehren der Gottheit selbst verspeist wurde). Die jungen Hühner (pullus), welche wahrsagen, werden mit puls gefüttert.“ Sonst wurden als Opferkuchen (libum) aus solchem Brei mit Zusatz von einem Ei hergestellte und auf der heißen Herdstelle unter einer Schüssel, wie uns der ältere Cato berichtet, langsam gebackene Fladen hergestellt. Und Plutarch erzählt vom spartanischen Feldherrn Pausanias, der mit Aristeides die Perser bei Platää (479 v. Chr.) besiegte und später (467), des verräterischen Einverständnisses mit ihnen beschuldigt, im Tempel der Athene in Sparta, wohin er sich geflüchtet, durch Hunger umkam, er habe nach der Schlacht bei Platää, wie er die mit Leckerbissen besetzten persischen Tafeln sah, ausgerufen: „Wahrhaftig, die Perser sind merkwürdige Leckermäuler! Sie haben vielerlei und verspüren doch ein Gelüste nach unserem Brei (maza).“
Aus solchem frischen, ungesäuerten Mehlbrei durch Backen auf heißen Steinen oder in der heißen Asche des Herdes hergestellte Fladen bildeten das älteste Brot, dessen Herstellung in das hohe Altertum zurückreicht. Wie bei den neolithischen Pfahlbauern war es, wohl in etwas verfeinerter Form, zur mykenischen Zeit und auch noch bei Homer gebräuchlich. So heißt es in der den homerischen Epen nachgedichteten Aeneis des römischen Dichters Vergilius Maro (70–19 v. Chr.), das Brot habe zuerst als Teller für die Zuspeise gedient und sei dann selbst gegessen worden. Noch heute lebt die ländliche Bevölkerung Vorderasiens, Ägyptens und Abessiniens von derartigem altertümlichem, dichtem Brot, während die in bezug auf Kultur weiter vorgeschrittene städtische Bevölkerung mehr modernes, gesäuertes, getriebenes Brot genießt.
Die Erfindung des viel schmackhafteren und leichter verdaulichen gesäuerten Brotes schreibt man gemeinhin den Ägyptern zu, doch kann sie ebensogut irgendwo in Vorderasien, wo die Rebe kultiviert wurde, gemacht worden sein. Nach den alten Autoren bediente man sich nämlich zum Lockern des Teiges durch Gärung dreitägigen Weinmostes, den man mit Mehl mischte, wodurch die Hefekolonie haltbar gemacht wurde. Besonders Hirse- und Weizenmehl wurde dazu verwendet, wie uns Plinius berichtet. Solcher Gärstoff (fermentum) wurde nach ihm nur zur Zeit der Weinlese bereitet und damit das zu backende Brot fermentiert. Und jedesmal wurde beim Backen ein Stück des mit Hefe versetzten Teiges aufbewahrt, um es das nächste Mal zum Treiben des frischen Teiges zu verwenden. Durch diesen Hefezusatz wird nämlich eine alkoholische Gärung mit Bildung von Kohlensäure bewirkt, das den sonst kleistrigen Kuchen porös und so leichter durchbackbar macht. Heute benutzt man dazu die sogenannten Bierhefen — auch als Preßhefen bezeichnet — die jetzt meist in besonderen Betrieben eigens gezüchtet werden. Es sind schnellwachsende, möglichst gut durchlüftete Hefen, die nur eine geringe Gärkraft besitzen. Diese reine Hefegärung wird vor allem bei der Herstellung des Weißbrotes und der verschiedenen Kuchen verwendet. Dagegen dient zur Bereitung des bäuerlichen Schwarzbrotes der sogenannte Sauerteig, in welchem sich außer der Hefe noch Milchsäurebildner und andere Bakterien finden. Ein besonders wichtiger Pilz der Sauerteiggärung scheint das genauer bekannte Bacterium levans zu sein, das neben Kohlensäure auch Wasserstoff bildet. Auch Essigsäurekeime und unlösliches Eiweiß in lösliche Peptone verwandelnde Bakterien sind im Sauerteige vorhanden. Auch wird durch die gebildeten Säuren der Kleber des Mehles gelöst, wodurch letzteres die Eigenschaft annimmt, sich beim Backen rasch dunkel zu färben, wodurch erst das mit Sauerteig bereitete Brot eine dunklere Farbe als das mit Hefe bereitete erhält.
Der Zweck, den diese Gärungserreger im Teige erfüllen, ist dreierlei Art. Erstens wird durch sie die Stärke zum Teil gespalten und in Zucker verwandelt, der von den Hefen dann teilweise zu Kohlensäure und Alkohol weitergespalten wird, teilweise verbleibt er aber auch unangetastet als solcher und verleiht dem Gebäck einen schwach süßen Geschmack. Zweitens wird durch die Gasbildung der Teig stark aufgelockert, so daß er beim Backen nicht zu einem zähen, schwerverdaulichen Kuchen wird. Und drittens wird speziell dem Schwarzbrote der gewünschte säuerliche Geschmack verliehen. Die spezifischen Erreger der Brotgärung werden in der Praxis immer von einem Teig auf den andern übertragen. Hat dann der „Vorteig“ eine Weile unter dem Einflusse der Gärung gestanden, so wird er mit der Gesamtmenge vermischt und dann tüchtig durchgeknetet. Darin, daß dies sehr sorgfältig und in der richtigen Mengenverteilung geschieht, liegt die Kunst des Bäckers nicht weniger, wie in der richtigen Leitung des Backprozesses, bei welchem die im Teig entstandene Kohlensäure und der Alkohol zu entweichen suchen, dies aber wegen der zähen Beschaffenheit desselben nur langsam und unvollständig tun können, wobei sie ihn stark lockern und ihm eine schwammige Beschaffenheit verleihen. Bei Herstellung eines Brotes von 5 kg entstehen etwa 25 g Alkohol, und Graham hat berechnet, daß allein in London bei der Brotbereitung jährlich etwa 13 Millionen Liter Alkohol in die Luft entweichen. Versuche, denselben zu gewinnen, sind bisher erfolglos geblieben. Frisches Brot enthält noch immer 0,3 und altes noch 0,1 Prozent Alkohol. Durch dieses Treiben vor dem Backen, das bei einer Temperatur zwischen 250 und 300°C vorgenommen wird, wobei nur die Rinde 150–180° warm wird und eine oberflächliche Karamelbildung erfährt, wird das Brot leichter zerkaubar, bietet den Verdauungssäften eine größere Oberfläche zum Angriffe dar und wird infolgedessen auch besser im Darme ausgenutzt als das feste, kleisterartige Nahrungsmittel, das früher vor der Erfindung des Treibens als Brot gegessen wurde.
Der Verlauf der Vorgänge im Innern des Brotes ist beim Backen ungefähr folgender: Bei der zunächst noch immer andauernden Gärung bildet sich bis 42°C. Kohlensäure, welche den Teig auftreibt; dann stirbt die Hefe ab. Etwas längere Zeit bleiben die Bakterien am Leben; aber auch die widerstandsfähigsten derselben, die Milchsäurebakterien, stellen noch vor 75° ihre Tätigkeit ein und gehen bald zugrunde. Alle krankmachenden Bakterien werden nach den Untersuchungen Ballands während des Backens getötet, während der das Schleimigwerden des Brotes bewirkende Bacillus mesentericus vulgaris auch die Backtemperatur überdauert. Durch die Backhitze verliert der Kleber seine Elastizität und die Fähigkeit zu quellen und gibt dadurch dem Brot seine feste Gestalt. Die Stärkekörnchen quellen in der heißen Flüssigkeit, verkleistern dann und bilden lösliche Stärke. Dies ist ungemein wichtig, da die Verdaulichkeit derselben eine ungleich größere ist, als die der rohen Stärke. Ein Teil der Stärke geht bei der Hitze in Dextrin beziehungsweise Gummi über, besonders in der Rinde. Einen diätetisch wichtigen Vorgang beim Backen bildet das Abtöten der Gärungserreger. Würde dies nicht geschehen, so würden sie auch nach Entfernung des Brotes aus dem Ofen ihre Tätigkeit fortsetzen, das Gebäck weiter verändern und selbst nach dessen Genuß im Verdauungskanal des Menschen Gärungserscheinungen hervorrufen.
Um nun die beim Gären entstehenden Verluste an organischer Substanz, die die Mikroorganismen für sich verbrauchen, zu umgehen, hat man sich vielfach bemüht, die Lockerung des Mehlteiges durch Kohlensäure aus mineralischen Salzen zu bewirken. Justus v. Liebig berechnete seinerzeit, daß man bei Vermeidung der Verluste an organischer Substanz in Deutschland täglich allein gegen 200000 Pfund Brot gewinnen könnte. Deshalb schlug er vor, dem Teige kohlensaures Natron und Salzsäure zuzusetzen, deren Mischung Kohlensäure entwickelt. Denselben Zweck verfolgt die Zugabe des Horsford-Liebigschen Backpulvers, das aus saurem phosphorsaurem Kalk und doppeltkohlensaurem Natron mit Stärke vermengt besteht. Zurzeit finden sich eine ganze Reihe von Backpulvern im Handel, bei welchen die Kohlensäurequelle stets dieselbe ist.
Großen Beifall haben diese Neuerungen allerdings nicht gefunden, zum Teil wohl wegen des eigentümlichen Geschmackes, den sie der Backware verleihen, zum Teil auch aus dem Grunde, weil es eine Neuerung war, der das Bäckergewerbe überhaupt recht wenig zugetan ist. Kurz sei noch das Treibeverfahren des englischen Arztes Dauglish erwähnt, der vorschlug, die Kohlensäure, der man zur Auflockerung bedarf, in einem besondern Apparate zu entwickeln, dann in Wasser einzupressen, letzteres in einem geschlossenen Behälter innig mit dem Mehle zu einem Teig zu mengen, diesen portionenweise austreten zu lassen und zu verbacken. Ein Vorzug dieser Methode ist die absolute Sauberkeit; jedoch soll auch die Schmackhaftigkeit eine geringere sein. Dieses aereted bread wird besonders in England hergestellt.
Das Brot ist noch heute, wie bei den alten Kulturvölkern am Mittelmeer vor 2000 und mehr Jahren, bei allen Nationen der gemäßigten Zone neben der Kartoffel das wichtigste Nahrungsmittel für jedermann, für alt und jung, für reich und arm, für hoch und niedrig. Es bildet die Grundlage unserer ganzen Ernährung. Morgens, mittags und abends findet es sich auf dem Tische; es begleitet den Arbeiter bei seinem Tagewerke, das Kind zur Schule, den Reisenden auf seinen Wanderungen. Obgleich täglich genossen, ist es stets in gleichem Maße begehrt und beliebt. Nie entleidet es uns, obschon wir es immer wieder essen. Alle unsere Arbeit gipfelt in der Beschaffung des „täglichen Brotes“ als des notwendigsten Existenzmittels. „Gib uns heute unser tägliches Brot!“ lehrte Christus die Seinen zu Gott beten, und panem et circenses „Brot und Zirkusspiele!“ verlangte der von den Machthabern verwöhnte Pöbel in Rom. Schon Platon, der große Schüler des Sokrates (439–347 v. Chr.), legte seinem Idealstaate die Brotnahrung zugrunde, indem er sagt: „Die Hauptnahrung der Republikaner soll aus Gerstenschrot und Weizenmehl bestehen, welche mit Wasser vermengt gekocht und gebacken werden, so daß ein tüchtiger Brei (máza) und Brot (ártos) entsteht und beides in Körben oder auf reinen Blättern aufgetragen werden kann.“
Tafel 87.
Elektrisch getriebene Knetmaschinen in einer größeren, modern eingerichteten Bäckerei.
(Eingerichtet von Werner & Pfleiderer in Cannstatt.)
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GRÖSSERES BILD
Tafel 88.
Backraum einer größeren Bäckerei mit Dampfbacköfen.
(Eingerichtet von Werner & Pfleiderer in Cannstatt.)
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GRÖSSERES BILD
Der jüdische Erzvater Abraham (um 2000 v. Chr.) kannte durch Gärung getriebenes Brot noch nicht. Seine Nachkommen scheinen es erst in Ägypten kennen gelernt zu haben, wo das Herstellen von Brot aus Hefe und Sauerteig schon lange geübt wurde und, wie uns die alten Grabdenkmäler lehren, vielerlei Brot und Gebäck hergestellt wurde. Nur fiel es den später nach Ägypten gekommenen Griechen, so Herodot und Strabon, auf, daß die Ägypter zwar den Lehm mit den Händen, den Brotteig aber mit den Füßen kneten. Tatsächlich sehen wir auch in einem großen Gemälde im Grabe Ramses’ III. aus der 20. Dynastie (1198–1167 v. Chr.) zu Theben dargestellt, wie einst in der königlichen Hofbäckerei das Brot auf diese Weise mit den Füßen geknetet wurde. Die als er-aeiks, d. h. Brotmacher, bezeichneten Knechte sind eifrig an der Arbeit. Neben einem Korb mit gärendem Teig sind zwei junge Bäckerknechte eben damit beschäftigt, in einem Holztrog die schon gesäuerte Masse mit den Füßen zu kneten. Lustig scheinen sie dabei in der zähen Masse herumzuspringen und, um das Gleichgewicht zu halten, den Schwerpunkt ihres Körpers durch Holzstäbe zu unterstützen. Sonst aber ist auf den bildlichen Darstellungen das Kneten des Brotteiges mit den Füßen die Ausnahme und dasjenige mit den Händen die Regel. Meist geschieht solches in schüsselartigen Körben oder auf flachen, auf dem Tisch oder am Boden befindlichen Steinen. Bisweilen begegnen wir abgeschrägten Knetsteinen, auf denen Teigballen von den davor hockenden Arbeitern hin- und hergerollt werden. Auf einem weiteren Gemälde aus dem Grabe Ramses’ III. tragen Knaben dem Teigformer in Krügen Wasser und Teig herbei und dieser ist eifrig beschäftigt, einem vor ihm auf dem Knetstein des Tisches liegenden Teigballen Gestalt zu geben. Rechts davon schneidet ein Bäckerknecht den gerollten Teig in Streifen, ein anderer bildet Ringel daraus, welche Spiralform aufweisen und unserem Schneckengebäck ähneln. Hinter ihnen reinigt ein Arbeiter den ausgebrannten Backofen von der Asche, während ein anderer Bäckergeselle die garen Brote von der Außenseite eines andern Ofens abnimmt, auf dessen Außenseite noch ein einziger runder Fladen zum Garwerden klebt.
Der altägyptische Backofen war etwa 1 m hoch, aus Lehm gebaut und glich einem auf den Kopf gestellten bodenlosen Steinkruge. In seinem Innern wurde ein Holzfeuer angezündet, dessen Flammen auf dem soeben erwähnten Bilde über den Rand emporschlagen. Wenn er dann hinlänglich erhitzt war, klebte man die flachen Brote außen hin und ließ sie gar backen. Die ärmere Bevölkerung buk ihre Fladenbrote einfach auf erhitzten Steinplatten oder in der heißen Asche. Auf der anschaulichen Darstellung der Hofbäckerei Ramses’ III. ist abgebildet, wie einer der Bäckerjungen die eben geformten runden, gelben Brote in einem flachen Korbe dem Ofen zuträgt und zwei andere bereit sind, ihm die Last abzunehmen; ein vierter bestreut das Gebäck mit einem Gewürz, das vermutlich aus Sesamkörnern besteht. Endlich sehen wir einen Bäckerknecht in einem sehr großen, flachen Korbe das fertiggestellte Brot wegtragen, um es vermutlich dem in Inschriften erwähnten „Wohnungsvorsteher“ zu bringen. Aus der Zeit des Aufenthaltes der Juden in Ägypten — also um 1300 v. Chr. — stammt der in Paris aufbewahrte Papyrus Rollin, in welchem des „Chefs der königlichen Bäckerei“ Erwähnung getan wird, durch welchen allein 114064 Brote in das königliche Magazin geliefert wurden. Derselbe gibt zugleich auch genauen Aufschluß über Ämter und Verpflichtungen der Hofbäcker, über die ihnen gelieferten Mehlmengen und wie sie beim Backen und Brotverteilen vorgehen sollen.
Bild 49. Verschiedene Formen altägyptischer Brote. (Nach Woenig.)
Die altägyptischen Brote waren nicht über daumendicke, runde, ovale, halbkugelige, dreieckige oder stumpfkantig viereckige Fladen mit teilweise erhabenem Rand und mancherlei Verzierung wie Strichen, Punkten, Bogen und Streifen. Letztere wurden, wie aus den Reliefs deutlich hervorgeht, besonders aufgesetzt. Neben den fladenförmigen finden sich ausnahmsweise auch kegelförmige Brote. Auf den Gemälden sind sie weiß (mit Mehl bestreut), hellgelb oder gelbbraun gemalt. Feineres Gebäck wurde auch zu allerlei Figuren, wie Sternchen, Scheiben, Dreiecken, Triangeln, Cymbeln, Blumen, Ochsen, Kühen, Kälbern, Schafen, Gänsen, Fischen usw. geformt; denn Gebäck in Tierform wurde in Ermangelung von Opfertieren von den Armen den Göttern und Verstorbenen dargebracht.
Nach Form und Güte unterschied man eine große Zahl verschiedener Brotsorten, die in den Hieroglypheninschriften gewissenhaft vermerkt wurden. So wird uns darin von Brotsorten das ak, pes, pesen und pesennu genannt. Das ak war in späterer Zeit der vergöttlichten Prinzessin Berenike geweiht, führte einen besonderen Stempel und stand als Geschenk für die Frauen der Priester hoch in Ehren. Eine gewöhnliche Art hieß sens, und das oben erwähnte spiralige Gebäck war unter dem Namen uten-t beliebt. Außer den zahlreichen einheimischen Brotsorten wurden dann besonders im neuen Reich (1580 bis 1205 v. Chr.) auch allerlei Backwerke aus Syrien, Kleinasien und Mesopotamien importiert. So wird in den Inschriften als Speise für die Götter das syrische Kamhbrot genannt; auch das Keleschet- und Arupusabrot waren ausländische Produkte.
Interessante Aufschlüsse über die Brotarten und den gewaltigen Brotkonsum des mit äußerst zahlreichem Gefolge reisenden Pharao liefern auch einige Verproviantierungslisten, die dem Reisemarschall diktiert wurden, wenn sich der königliche Hof auf Reisen begab. So erfahren wir aus dem Briefwechsel des Schreibers Eunana mit seinem früheren Lehrer und Vorgesetzten Kagabu, daß eine Stadt durch den Reisemarschall strenge Order erhielt, für die Durchreise seiner Majestät bereit zu halten: 16000 Stück gute Brote, und zwar in sechs Sorten, 13200 Stück von andern Brotsorten, 4000 Stück Kuchen von allerlei Art usw. usw.
In dem aus der Zeit Ramses’ III. herrührenden großen Festkalender, der an der südlichen Außenwand des Tempels von Medinet-Habu die riesige Fläche von 62 m Länge und 4 m Breite einnimmt, wird bezüglich des Apetfestes ein Extrageschenk für die Priesterschaft erwähnt und genau berechnet, welche Mengen von Aanebnebgebäck, Hakgetränk, süßem und frischem Rak- und Ukgetränk an den Tempel geliefert werden sollen; denn Brot gehörte nicht nur zu den Hauptabgaben an die Tempel, sondern es bildete auch in verschiedener Form und Güte einen Hauptbestandteil der Opfer. Und wo wir auf den bemalten Flächen der Grab- und Tempelwände Gabentische abgebildet finden, sehen wir zwischen dem bunten Allerlei des Dargebotenen die flachen Brote oft in mehrfachen Lagen übereinander abgebildet. Die alten Ägypter verstanden es auch, durch testamentarische Verfügung in Form langer Opferlisten zur Speisung ihres ka (Seele) auch für kommende Zeiten zu sorgen, und es ist geradezu erstaunlich, was für Mengen von Brot, Kuchen, Krügen mit Wein und Bier, Öl, Weihrauch und „Tausenden von allen guten, reinen und süßen Dingen“ ein vornehmer Ägypter als stehende Totengabe für sich beanspruchte. So steht schon in den Gräbern des alten Reichs, während welcher Zeit auch die Lebenden viel bescheidener als zu derjenigen des seine Herrschaft bis weit nach Vorderasien und Äthiopien erstreckenden neuen Reichs lebten, daß sich der Tote für das Leben in den westlichen Gefilden 10 verschiedene Arten Fleisch, 5 Arten Geflügel, 16 Arten von Brot und Kuchen, 5 Arten Wein, 4 Arten Bier, 11 verschiedenerlei Früchte, außerdem alle Arten von Süßigkeiten und viele andere Dinge wünsche.
Auch die alten Kulturvölker des Orients aßen die verschiedensten Sorten von getriebenem oder gesäuertem Brot. Nur an gewissen Festen wurde etwa als Erinnerung an die Vorzeit das damals übliche ungesäuerte Brot verspeist. So untersagte der in einem vornehmen ägyptischen Hause erzogene Jude Moses seinen Volksgenossen, als er sie um 1280 v. Chr. aus Ägypten führte, den Genuß gesäuerten Brotes beim Passahfest, ein Gebot, das bis auf den heutigen Tag von den Angehörigen jenes Volkes befolgt wird. Bei dem mannigfaltigen Verkehr mit dem an Kultur weit älteren Orient kann es uns nicht wundern, daß das getriebene Brot schon sehr früh den Griechen bekannt wurde. In Athen galt der aus dem Morgenlande über Kleinasien und Thrakien mit der Gabe des Weinbaus nach Griechenland gekommene Gott des Natursegens, Dionysos, als der Erfinder des Brotbackens und wurde darob hochgefeiert. An seinem Feste, den Dionysien, wurden ihm zu Ehren große Schaubrote in Prozession herumgetragen. Die Griechen der späteren Zeit scheinen die Kunst des Backens wesentlich verfeinert zu haben. Aus den verschiedenen Getreidearten, besonders aber aus Weizenmehl, stellten sie mit Zuhilfenahme von Öl, Milch, Käse, Wein, Honig und Eiern die mannigfaltigsten Arten von Backwerk her.
Von Griechenland kam dann die Brotbäckerei über die süditalischen Kolonien zu den Römern nach Mittelitalien, die den griechischen Wald- und Weidegott Pan als Erfinder der Kunst des Brotbackens feierten. Nach ihm sollen sie das Brot panis (im italienischen pane und französischen pain bis heute erhalten) genannt haben. Erst im Jahre 170 v. Chr. wurde der Gebrauch des Backofens, dessen sich die Griechen schon lange vorher bedient hatten, in Latium bekannt, während man vorher das neben dem Brei gegessene Brot auf heißgemachten Steinen oder in der heißen Asche zu backen pflegte, und zwar jede Haushaltung für ihren eigenen Bedarf. Damals bildete sich in Rom das Bäckerhandwerk aus, und zwar wurden die Bäcker nach der Tätigkeit des Stampfens des gerösteten Getreides pistores genannt. So schreibt der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: „Bäcker (pistores) hat es in Rom bis zum Kriege gegen Perseus (den König von Makedonien, der 168 von Lucius Ämilius Paullus bei Pydna geschlagen wurde und 166 als Gefangener in Alba in Mittelitalien starb), also bis zum Jahre 580 nach Erbauung der Stadt nicht gegeben. Die Römer bereiteten sich ihr Brot selbst, und dies Geschäft lag insbesondere den Weibern ob, was noch jetzt bei den meisten Völkerschaften Sitte ist. Für Leckermäuler pflegten Köche (coqui), die man aus den Garküchen mietete, das Brot zu bereiten. Damals nannte man nur die Leute, die das Getreide stampften, pistores, nicht die Bäcker. Von den von ihnen gebrauchten Werkzeugen sind die aus Pferdehaar geflochtenen Siebe (cribra) in Gallien erfunden, die Mehl- und Staubbeutel (excussoria und pollinaria) aus Leinengewebe in Spanien, die aus Papyrus und Binsen dagegen in Ägypten.“ Weiterhin sagt er: „Es scheint mir überflüssig, die verschiedenen Arten von Brot (panis) ausführlich zu besprechen. Manches davon hat seinen Namen von der Fleischspeise, die man dazu ißt, z. B. das Austerbrot, anderes von seinem Wohlgeschmack, wie das Kuchenbrot, anderes von der Schnelligkeit der Zubereitung, wie das Schnellbrot, oder von der Art, wie es gebacken wird, wie das Ofen- oder Topf- oder Pfannenbrot. Vor nicht gar langer Zeit haben wir auch durch die Parther eine Brotsorte kennen gelernt, welche parthisches oder Wasserbrot genannt wird, weil seine feinen, schwammartigen Höhlungen Wasser einsaugen. Es gibt auch Völker, die Butter in den Brotteig kneten. Den Picentinern verdanken wir das Graupenbrot. Neun Tage läßt man die Graupen (alica) weichen; am zehnten knetet man die Masse mit dem Saft getrockneter Trauben zur Gestalt eines Kuchens und bäckt sie im Backofen (furnus) in Töpfen (ollae), die im Ofen platzen sollen. Solches Graupenbrot verzehrt man nur, nachdem es eingeweicht ist, was gewöhnlich in süßer Milch geschieht. — Als noch Gerstenbrot im Gebrauch war, wurde es durch Zutat von Erbsen und Kichererbsen gesäuert und zwei Pfund davon genügten für fünf halbe Scheffel (modius, dieser war das größte römische Maß für trockene Dinge und maß 8,75 Liter). Jetzt gewinnt man das Gärungsmittel (fermentum) aus dem Brotmehl selbst. Man knetet es nämlich, ehe Salz hinzukommt, kocht es dann wie Brei (puls) ab und läßt es nachher stehen, bis es sauer wird. Noch gewöhnlicher ist es aber, vom jedesmaligen Backen Teig aufzuheben und ihn beim folgenden Backen als Sauerteig zu verwenden.“
Unerschöpflich ist besonders der biedere ältere Cato (234–149 v. Chr.) in der Angabe der verschiedensten Rezepte für Brei, Fladen, Kuchen und Brot aus allen möglichen Ingredienzen, unter denen Eier, Käse, besonders Schafkäse, Honig, Anis, Kreuzkümmel, Mohnsamen und Schmalz oder Olivenöl eine große Rolle spielen. Es würde uns aber zu weit führen näher darauf einzugehen; es genüge hier zu bemerken, daß in Pompeji die Backöfen allemal mit den Mühlen in einem Hause gefunden wurden und wie die unsrigen aus einer stark ummauerten Höhlung bestehen, welche unten wagrecht und eben, oben aber halbkreisförmig gewölbt ist. Auch Brote haben sich noch darin gefunden, die kreisrund, 1 Fuß im Durchmesser, 15 cm hoch sind. Durch vom Mittelpunkt ausstrahlende Schnitte sind sie in acht gleiche Teile geteilt, und tragen vielfach mit einem Stempel den Namen des Bäckers in erhabener Schrift aufgedruckt. Schon zur Zeit von Augustus gab es in Rom über 300 öffentliche Bäckereien; doch stellten damals noch die meisten Haushaltungen ihr Brot selbst her.
Von den nördlicheren Völkern lernten die Gallier zuerst das Brot kennen, das sie als erste mit Bierhefe trieben. Bei den Germanen kam es erst zu Beginn des Mittelalters allgemein in Gebrauch. Vorher genoß man statt seiner einen Brei oder eine zu einer zähen, teigartigen Masse gar gesottene Mischung von Mehl und Wasser oder Milch, die in Stücke gerupft und, in etwas Schmalz oder Butter gebraten, genossen wurde. In Schweden kannte das Volk noch im 16. Jahrhundert kein anderes Brot als ungegorene, dichte, harte Fladen, die aus Wasser und Mehl geknetet und gedörrt waren. Erst seit dem 18. Jahrhundert fand das Weizenbrot in Mitteleuropa außerordentliche Verbreitung. Teigknetmaschinen wurden zuerst 1787 in Wien und Holland probiert, dann kamen sie 1789 in Genua auf; aber weitere Verbreitung fanden sie erst seit 1810, da Lambert in Paris eine brauchbare Konstruktion angab, die später in verbesserter Gestalt durch Fontaine 1839 mit gutem Erfolg angewandt wurde.
In engstem Zusammenhange mit dem Backen des Brotes stand das Brauen des Bieres, wie schon die Tatsache beweist, daß der Mehlbrei, aus dem einst Brot und Bier bereitet wurde, im Althochdeutschen brôt und seine Bereitung briuwan hieß, aus welch letzterem Wort dann brauen wurde. Den einst innigen Zusammenhang beider Tätigkeiten beweist auch der Umstand, daß man heute noch in Nubien, manchen Orts in Ostasien und zum Teil in Rußland das Bier aus zuvor verbackenem Getreide, also Brot, bereitet. Dieses aus einem Brei gerösteter oder verbackener Getreidekörner, der einfach der Gärung durch wilde Hefen überlassen wurde und in dem natürlich auch zahlreiche Bakterien ihr Wesen trieben, gewonnene Urbier, das wir uns süßlichsauer und recht trübe vorzustellen haben, muß für unsere verwöhnten Zungen sehr fade geschmeckt haben, weshalb die verschiedensten Würzen zu seiner Geschmacksverbesserung zu Hilfe genommen wurden. So werden im Sudan und in Kordofan dem aus den Samen der Penicillaria hirsuta, einer Verwandten der Negerhirse, hergestellten Bier Zweige einer scharfen Wolfsmilchart Callotropis procera zugesetzt, wie man in Norddeutschland, Dänemark und Skandinavien noch 1477 durch Zusatz der zerquetschten Beeren von Sumpfmyrte (Myrica gale) und Wacholder das Gruten- oder Gruysenbier bereitete. In Nordamerika erhielt man durch Zusatz der Schößlinge der Schierlingstanne das Sprossenbier. In Island und Irland wurden die Samen der wilden Mohrrübe als Bierwürze benutzt, bis schließlich der Hopfen alle solchen verdrängte und heute in der ganzen Kulturwelt ausschließlich zur Verwendung gelangt.
Wie aus dem mit Wasser verdünnten Honig durch einfaches Stehenlassen mit Hilfe der hineingelangten allgegenwärtigen Hefepilze der Met als das älteste der berauschenden Getränke entstand, so wurden allerlei zuckerhaltige Pflanzensäfte wie Palm-, Agaven- und Obstsaft und von tierischen die Milch auf dieselbe Weise zur Herstellung von berauschenden Getränken, nach denen die Menschheit seit Urzeiten als beliebtes Genußmittel lüstern ist, verwendet. Bald lernte man auch, daß mehlhaltige Stoffe durch Einwirkenlassen von Speichel gärfähig werden und zur Bereitung von Bier dienen können. So hat man jedenfalls schon vor der Einführung des Hackbaus aus mehlhaltigen Samen von allerlei Wildgräsern und später gepflanzten Gräsern, vielfach nach vorhergehendem Aufkochen in Wasser, so lange man keine gebrannten Töpfe besaß mit Hilfe darein geworfener Steine durch sogenanntes Steinkochen, wie solches bei den Letten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts und in Kärnten zum Teil heute noch bei der Herstellung von Steinbier üblich ist, durch Kauen im Munde und nachheriges Ausspucken in Gefäße, worin die Masse eine Zeitlang zur Fermentwirkung sich selbst überlassen blieb, die ältesten Bierarten hergestellt. So wird heute noch die Kawa der Südsee aus der Wurzel des Kawapfeffers, das Reisbier auf Formosa, das Maisbier in Peru und Bolivia und ein in Argentinien bei den Eingeborenen beliebtes Bier aus den Früchten einer Leguminose hergestellt. Auch im nördlichen Europa muß einst ein solches Bier bereitet worden sein, wie wir aus der Sage des Gottes Kwasir entnehmen können, den die Asen und Wanen (Fruchtbarkeit spendende vergöttlichte Naturkräfte) bei ihrem Friedensschlusse aus ihrem gemeinsamen Speichel erschufen. Bei dieser recht urwüchsigen Bierbereitung verzuckerte der Speichel das Stärkemehl und lieferte so eine gärungsfähige Zuckerlösung.
Appetitlicher nach unsern Begriffen ist es, worauf man später erst verfiel, das stärkemehlhaltige Getreidekorn keimen zu lassen, wobei der Embryo das Diastase genannte Ferment bildet, um die Stärke in löslichen und damit für ihn assimilierbaren Zucker zu verwandeln. Dieses jüngere Verfahren benützen wir bis auf den heutigen Tag in der Brautechnik. So läßt der Bierbrauer die Gerste, die heute fast ausschließlich zur Verwendung gelangt, keimen, bis sich reichlich Diastase gebildet hat und durch teilweise Umwandlung der Stärke in Zucker das süßschmeckende Malz entstanden ist. Dann wird die Keimung durch Trocknen und Erhitzen unterbrochen, das Malz „gedarrt“. Je nach der Temperatur, die beim Darren zur Anwendung gelangt, nimmt es dabei eine hellgelbe bis dunkelgelbe Farbe an, die nachher für die Farbe des Bieres bestimmend ist, und gleichzeitig bilden sich bei höherem Erhitzen aromatische brenzliche Stoffe, die sogenannten Karamelstoffe, die auch für den Biergeschmack wichtig sind. Die Darrtemperatur kann bei den ganz dunkeln, karamelreichen Bieren, wie z. B. beim Kulmbacher, bis gegen 100°C. betragen.
Tafel 89.
Malztenne der Löwenbrauerei in München.
Sudhaus der Löwenbrauerei in München.
Tafel 90.
Gärkeller der Löwenbrauerei in München. Aus den gefüllten, oben offenen Bottichen quillt der Schaum der gärenden Flüssigkeit hervor.
Lagerkeller der Löwenbrauerei in München.
Tafel 91.
Das Hofbräuhaus in München.
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GRÖSSERES BILD
Tafel 92.
Im Hof des Hofbräuhauses in München.
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GRÖSSERES BILD
Dann wird das Malz zerkleinert, und durch Hinzugießen von Wasser werden aus ihm die löslichen Bestandteile mit Einschluß der Diastase herausgezogen, extrahiert wie der technische Ausdruck lautet. Bei auf etwa 50°C. erhöhter Temperatur beginnt nun die Wirkung der Diastase auf die noch unverzuckerte Stärke, welche in Malzzucker und Dextrine übergeführt wird. Bei längerer Einwirkung werden dann auch die Dextrine allmählich angegriffen. Von der Leitung dieses Maischprozesses, bei dem die Diastasewirkung jederzeit durch Aufkochen unterbrochen werden kann, hängt es also ab, ob man ein „vollmundiges“ Bier mit reichlicherem oder ein „weinig schmeckendes“ Bier mit geringerem Dextringehalt haben will. Ersteres lieben wir Deutschen, während die Engländer letzteres bevorzugen. Dementsprechend wird in Deutschland die Maische meist nach dem Kochverfahren hergestellt, d. h. die Masse bald aufgekocht und dann wieder ungekochte neue Maische hinzugefügt, während sie in England überhaupt ohne Aufkochen nur bei höherer Temperatur bereitet wird. Die Maische wird hierauf von den festen Rückständen, den Trebern, befreit und dann noch mit dem Hopfen zusammen einige Stunden gekocht. Nach dem Absieben der Hopfenreste und der ausgeschiedenen Eiweißstoffe wird sie in offenen Kühlschiffen oder neuerdings auch in besonderen Apparaten gekühlt und dann zum Einleiten der Gärung in die Gärbottiche übergeführt. Dieser Prozeß interessiert uns hier hauptsächlich.
Das ältere Verfahren bei der Herstellung von Bier ist die Obergärung, die viel schneller verläuft und keine besondere Kühlhaltung verlangt, dabei also bald trinkbares, billiges Bier liefert, das aber den Nachteil besitzt, nicht so haltbar zu sein und meist durch Infektion mit anderen Pilzen einen säuerlichen Geschmack aufzuweisen. Dieser Gärprozeß, der bei einer Temperatur zwischen 15 und 25°C. erfolgt, wobei die Hefe oben schwimmt und erst nach der Gärung teilweise nach unten sinkt, wie man vom Weißbier her weiß, ist viel schwerer vor Störungen zu schützen, die Qualität des Bieres also nicht leicht gleichmäßig zu erhalten. Die Hauptgärung dauert nur wenige Tage; dann wird die Nachgärung, die noch sehr lebhaft ist, auf den Fässern eingeleitet. Ja bisweilen wird nach alter Vätersitte die ganze Gärung gleich auf dem Faß eingeleitet und beendet.
Da solches Bier nicht leicht gleichmäßig zu erhalten ist und sich außerdem nicht zum längeren Aufbewahren, also zum Lagerbier eignet, ist diese obergärige Methode neuerdings ganz gegenüber der Untergärung, die diese Nachteile nicht besitzt, in den Hintergrund getreten. Diese kann nur im Winter oder in künstlich gekühlten Räumen vor sich gehen, da sie bei einer Temperatur von 5–6°C. verläuft. Bei ihr setzt sich die Hefe, sobald sie nicht mehr durch die entstehende Kohlensäure aufgewirbelt wird, sobald also die Gärung etwas nachläßt, im Gegensatz zu der in der Flüssigkeit schwebend bleibenden Oberhefe fest am Boden des Gefäßes ab. Bei diesem Verfahren, dem alle deutschen Biere mit Ausnahme einiger Spezialitäten, wie beispielsweise das Berliner Weißbier, die Leipziger Gose und das Lichtenhainer Bier, unterworfen werden, wird die Würze, sobald sie auf die erforderliche niedrige Temperatur abgekühlt worden ist, in den Gärbottichen mit Reinzuchthefe in reichlicher Menge — etwa ½ Liter dickflüssiger Hefe auf einen Hektoliter Bier — versetzt und mit Krücken gut durchgerührt. Bei der nun erfolgenden Hauptgärung bedeckt sich die Oberfläche zuerst mit einem feinen und dann mit einem immer dicker werdenden bräunlichen Schaum, der neben Hefezellen aus ausgeschiedenen eiweißartigen und schleimigen Stoffen besteht. Da durch die chemischen Umsetzungen während der Gärung die Temperatur stark steigt, so muß dauernd für gute Kühlung Sorge getragen werden, damit nicht eine Erwärmung über 11° bei dunklen und 9,5° bei hellen Bieren eintritt. Allmählich läßt die stürmische Gärung nach, die Hefe sinkt allmählich zu Boden und damit klärt sich die Flüssigkeit, die nun zur Nachgärung in die Lagerfässer übergepumpt wird. Will man die Nachgärung beschleunigen, so nimmt man viel Hefe mit, dann ist aber das Bier nicht zu langem Lagern geeignet. Im Lagerkeller, dessen Temperatur nur etwa 1°C. betragen soll, ruht nun das „Jungbier“ 3–6 Wochen, wenn es zu baldigem Ausschank bestimmt ist, und mehrere Monate, wenn es als Lager- oder Sommerbier dienen soll. Dabei geht die Gärung langsam weiter ihren Gang, es bildet sich reichlich Kohlensäure, die ihm den angenehm prickelnden Geschmack verleiht, und der anfänglich noch scharfe Vorgeschmack wird in einen immer wohlschmeckenderen umgewandelt, der die Güte des reifen Bieres ausmacht. Mit der Vollendung der Nachgärung ist das Bier völlig klar geworden, indem die Hefe am Boden liegt, und wird, nachdem es zum Überfluß noch filtriert worden, in die Transportfässer gefüllt und zum Verkauf gebracht.
Erst die technische Entwicklung der neuesten Zeit hat dieses gleichmäßig gute, äußerst haltbare untergärige Bier zu brauen ermöglicht, während das früher gebraute Bier sehr ungleich ausfiel, weniger gut schmeckte, auch schwächer alkoholhaltig war und sich nur kurze Zeit hielt, d. h. bald sauer wurde und in Essiggärung verfiel, wenn es nicht durch Kahm-, Schimmel- und Spaltpilze verdarb. So hat sich aus der bescheidenen Bierbrauerei der alten Ägypter, die diese Erfindung ihrem obersten Gott Osiris zuschrieben, meist Gerste zum Mälzen verwandten und an Stelle des ihnen unbekannten Hopfens Safran und andere Pflanzenstoffe als Würze verwandten, im Laufe der Jahrhunderte das kapitalkräftige moderne Braugewerbe entwickelt, das eine enorme Ausdehnung erlangt hat. Welche volkswirtschaftliche Bedeutung die Brauindustrie speziell in Deutschland besitzt kann man ermessen, wenn man bedenkt, daß der Kaufwert der Braumaterialien in diesem Lande bereits im Jahre 1900 etwa 400 Millionen Mark betrug, von denen als nutzbare Abfallstoffe der Landwirtschaft zirka 50 Millionen zurückgegeben wurden. Der Herstellungswert betrug gegen 900 Millionen Mark. Demgegenüber war die Steinkohlenproduktion Deutschlands nur 800 Millionen und waren sämtliche Hüttenerzeugnisse 700 Millionen Mark wert. Die Rübenzuckerindustrie verbraucht sogar nur für 225 Millionen Mark Rüben und liefert etwa für 30 Millionen Mark Material an die Landwirtschaft zurück.
Neben den echten Bieren, die also mit Zusatz von Hopfen gebraut werden, erzeugt man da und dort noch eine Menge dem Urbier nahe stehender säuerlicher Biere, unter denen der Kwaß, das russische Nationalgetränk, in Europa das wichtigste ist. Es wird aus allerlei Getreidearten, aus Mehl, Malz, aber auch aus Brot und Zwieback hergestellt, die zuerst gekocht und dann einer spontanen Milchsäuregärung überlassen werden, der sich eine geringfügige alkoholische Gärung hinzugesellt. Daraus resultiert ein säuerliches, moussierendes Getränk mit einem Alkoholgehalt von weniger als 1 Prozent — während unsere Biere meist etwa 4 Prozent davon enthalten —, das in Unmengen von allen Bevölkerungsschichten Rußlands vertilgt wird. Früher war es viel weiter verbreitet und wurde auch von den Arabern im Mittelalter hergestellt, wofür Kobert, der ihm eine ganze Monographie gewidmet hat, eine Menge Belege vorbringt.
Ihm ähnlich sind die säuerlichen Biere, die wir als Hirsebiere nicht nur bei den Rumänen, sondern bei fast allen afrikanischen Stämmen finden. Häufig findet man in ihnen eine bestimmte Hefe, den Schizosaccharomyces pombe, der seinen letzteren Namen von einer weitverbreiteten Abart dieser Negerbiere führt. Auch an manchen Früchten haften bestimmte Hefearten in Gemeinschaft mit Bakterien, die zur Erzeugung alkoholischer Getränke benutzt werden. So stellt man in England vielfach aus Zuckerwasser und Ingwerwurzel mit Zusatz von gewissen Früchten, die den Hefenpilz Saccharomyces piriformis neben Bakterien enthalten, das moussierende Ingwerbier her.
Von großem Interesse, weil ein bedeutendes Gewerbe darstellend, ist die Herstellung des hellgelben, sherryähnlichen japanischen Nationalgetränks Saké, das heiß in kleinen Porzellanschälchen getrunken wird. Nach seiner Gewinnung aus Reis ist es zu den bierähnlichen Getränken zu rechnen, nach seinem schließlich erzeugten Charakter und seinem hohen Gehalt von 12–18 Prozent Alkohol hat es mehr Verwandtschaft mit den Südweinen. Die Bereitung des Saké ist eine uralte Kunst der Japaner, die sich in vier Teilprozesse gliedert. Zuerst wird die spezielle Hefe, die Koji bereitet, indem gekochter Reis mit sporenhaltigen Kolonien des Reisschimmelpilzes (Aspergyllus oryzae) angesetzt wird, die zu diesem Zwecke in unvollkommener Reinkultur immer weiter gezüchtet werden. Dieser Pilz enthält eine kräftige Diastase, die die Stärke des Reises in gärfähigen Zucker verwandelt, daneben noch andere Schimmelpilze, Bakterien und eine echte Hefe. Dann wird der Moto, die eigentliche Maische, wiederum aus gedämpftem Reis bereitet und ihm die Koji zugeführt. Es tritt nun in der Masse eine Milchsäure- und Alkoholgärung ein. Indem zu diesem Gemisch wieder gekochter Reis und Koji hinzugefügt werden, folgt die Hauptgärung, bis schließlich der Prozeß nach fünf Wochen abgelaufen ist. Nun wird die Flüssigkeit abgepreßt, geklärt und ist zum Konsum fertig. Die Alkoholgärung wird durch wilde Hefen vollzogen. Der ganze Prozeß, der rein empirisch nach alten Rezepten vorgenommen wird, ist noch wenig geklärt, obschon die in Europa gebildeten japanischen Gelehrten auch hier an der Arbeit sind.
Die Bereitung des Weines geht noch in der alten Weise vor sich, wie sie schon im alten Ägypten betrieben wurde, indem man den gekelterten Most durch die an den Weinbeeren selbst sitzenden wilden Hefen gären läßt. Nur ganz schüchtern machen sich Bestrebungen geltend, auch diesen Vorgang durch Hinzufügen von reingezüchteten Hefen edler Abstammung zielbewußt zu leiten. Da der ausgepreßte Traubensaft ein außerordentlich günstiger Nährboden nicht nur für diese Hefe-, sondern auch für die zahllosen darein geratenden Schimmelpilze und Bakterien ist, muß die Hauptarbeit der Weinbereitung darin bestehen, die durch letztere hervorgerufene abnorme Gärung zu verhindern nicht nur durch peinlichste Sauberkeit in allen Dingen, sondern vor allem dadurch, daß man für eine kräftig wachsende Hefe sorgt, die selbst der ärgste Feind jener mit ihr zu konkurrieren versuchender Pilze ist. Durch die kräftige Entwicklung der Weinhefe werden sie rasch überwuchert und in ihrer Entwicklung gehemmt.
Mit Recht vertraut der Winzer im allgemeinen der Güte der an den Traubenbeeren, besonders der durch Insekten oder sonstwie verletzten wuchernden natürlichen Hefepilze, von denen an denselben Trauben auch immer dieselben Rassen vorzugsweise sitzen, so daß man von vornherein auf ein bestimmtes Gärungsprodukt rechnen darf. Um eine kräftige Entwicklung derselben zu erzielen, setzt man bei hoher Temperatur, etwa 28°C. an, und zwar in offenen Bottichen, die gehörig durchlüftet werden. Nach Ablauf der ersten, stürmischen Gärung bringt man den jungen Wein in die Gärfässer, die durch Ventile so verschlossen sind, daß zwar die sich entwickelnde Kohlensäure leicht entweichen, aber keine äußere Luft mit ihren Keimen hinzutreten kann. Die Gärung wird bei 15–20°C. so lange fortgesetzt, bis sich nur noch spärliche Blasen von Kohlensäure entwickeln. Nun beginnt die wichtigste Tätigkeit, die Kellerbehandlung, die den Wein zur Reife bringen soll. Bei ihr muß um so mehr auf peinlichste Sauberkeit Bedacht genommen werden, da nun die Hefe ihr energisches Wachstum eingestellt hat und infolgedessen die Spaltpilze leichter neben ihr aufkommen könnten. Um letzteres zu vermeiden, werden die Fässer nicht bloß gründlich gereinigt, sondern auch durch Verbrennen von Schwefelfäden in ihnen alle Keime zerstört.
In dem in sie übergeführten Wein wird der Zucker sehr langsam weiter gespalten und nur eine sehr geringe Menge bleibt unversehrt. Ein Teil der Kohlensäure bleibt im Wein und gibt ihm seinen prickelnden Geschmack. Vor allem bilden sich aber jetzt langsam die für den Wein charakteristischen Bukettstoffe aus, die die Nase und Zunge des Genießenden besser würdigen können als die Analyse des Chemikers, für den sie infolge ihrer minimalen Menge kaum greifbar sind. So gehen unter dem Einfluß des durch die feinen Poren der Fässer hindurchdringenden Sauerstoffs diese eigentümlichen Umwandlungen vor sich, die den Wein edel und alt machen. Sie erstrecken sich über viele Jahre, bis schließlich der Höhepunkt der Reife erreicht ist; dann aber geht der Wein wieder zurück, er wird überreif und die Bukettstoffe verlieren allmählich ihre Qualität. Wie lange das dauert, hängt von den verschiedensten Umständen ab. Manche Weine sind schon nach wenigen Jahren fertig; andere vertragen die Entwicklung mehrerer Menschenalter und werden immer besser, wie namentlich einige zuckerreiche Südweine, vor allem der Tokayer, bei dessen Herstellung den frischen Trauben möglichst viel getrocknete Beeren derselben Sorte hinzugefügt werden, um ihn recht süß zu bekommen.
Im Fasse senkt sich nun die Hefe nach Aufhören ihrer Vermehrung langsam zu Boden und reißt die noch vorhandenen festen Bestandteile wie Kalksalze, Farbstoffe usw. mit. Durch dieses Absitzen erst erlangt der Wein seine volle Klarheit. Zu diesem Zwecke wird er öfter in frische Fässer umgefüllt, wobei der Bodensatz zurückbleibt. Um diesen Prozeß zu beschleunigen, verwendet man eine Reihe von Mitteln, wie besonders Hausenblase oder Gelatine, die eine Fällung bewirken und so alles im Weine Schwebende zu Boden reißen. Nur Rotweine kann man wegen des Verlustes an Farbstoff nicht auf diese Weise klären; man begnügt sich bei ihnen mit dem Filtrieren.
Ist so unter sorgsamer Pflege und bei Vermeidung der Spaltpilzinvasion der Wein reif geworden, so wird er, wenn er von guter Qualität ist, in Flaschen gezogen und entwickelt sich hier in ähnlicher Weise, aber äußerst langsam weiter. Dieser Prozeß kann durch Steigerung der Temperatur im betreffenden Keller bis auf 40°C. beschleunigt werden. Geringe Weine dagegen vertragen das Altern nicht.
Zur Herstellung der vollmundigen, kräftigen Südweine läßt man die Trauben am Stocke trocknen und dickt dann den daraus erhaltenen Most noch über dem Feuer ein. Dabei brennen sie stets etwas an, was ihnen den sie auszeichnenden leicht brenzlichen Geschmack verleiht, der besonders beim Malaga hervortritt. Beim Portwein wird die Gärung mitten drin durch Zusatz von Alkohol unterbrochen und zur Erhöhung der Farbe noch Holundermark hinzugesetzt. Ganz ähnlich werden die Weine von Madeira, Marsala, von den Kanaren und vom Kap der Guten Hoffnung hergestellt. Andere, wie der Zyperwein, erhalten noch eine Würze von Quittensaft und Gewürzen aller Art und werden dann noch einer Räucherungsprozedur unterworfen. So werden sie schließlich einem Likör ähnlicher als einem Wein.
Die meist zu sauren Obstweine werden wie die sauren Traubenweine gallisiert, d. h. man verzichtet auf die direkte Abstumpfung der überschüssigen Säure, sondern mildert sie durch Zusatz von Zuckerwasser, wobei das Volumen bedeutend erhöht wird. Die Schaumweine, die man fälschlicherweise Sekt nennt, da letzteres historisch wie dem Sinne nach gerade das Gegenteil, nämlich einen schweren, feurigen Südwein bedeutet, werden aus besonders geeigneten leichten, bukettarmen Weinen durch eine spezielle Gärung in der Flasche gewonnen. Zu ihrer Herstellung wird der geklärte, flaschenreife Wein mit reichlich Rohrzucker — 2,5–3 kg per Hektoliter — und bestimmten, sehr kräftigen Hefen zur weiteren Gärung in festverschlossenen Flaschen angesetzt. Sobald sich der Zuckergehalt darin erheblich vermindert hat und der Alkoholgehalt so hoch gestiegen ist, daß die Hefe nicht mehr gären kann, beginnt sie sich abzusetzen, ein Prozeß, der durch Rütteln an der Flasche systematisch gefördert wird, bis schließlich in den umgekehrt aufgestellten Flaschen sich die Hefe auf den Korken ansammelt und der Wein klar wird. Dann wird die Flasche geöffnet und die Hefe herausgeschleudert, wie man sagt „degorgiert“. Nun setzt man ihm den sogenannten Likör, bestehend in feinem Kognak mit Zucker und besonderen, von jeder Fabrik geheim gehaltenen aromatischen Zusätzen zu, verschließt die Flasche wieder und läßt sie noch einige Zeit lagern, bis der Wein völlig reif geworden ist. Die Kraft des Schäumens richtet sich nach der Menge Rohrzucker, und zwar erzeugen 4,5 g davon per Flasche 1 Atmosphäre Druck. Bei guten Schaumweinen beträgt der Druck gewöhnlich 4–5 Atmosphären; mehr wie 8 Atmosphären halten die Flaschen nicht aus.
Die Herstellung der Branntweine war den alten Kulturvölkern durchaus unbekannt. Sie kam erst etwa mit dem 8. Jahrhundert mit dem Aufblühen der chemischen und alchimistischen Wissenschaft unter den Arabern auf, und der Arzt Gabir Ibn Hajjan, in Europa Geber genannt, gilt als der Entdecker des Alkohols, dessen Name ja arabischen Ursprungs ist. Als diese Neuerung im Abendlande bekannt wurde, bemächtigten sich vor allem die Klöster derselben und begannen bald einen schwunghaften Branntweinhandel. Im 14. Jahrhundert war Italien das Hauptexportland des zunächst nur als Medikament verwendeten Schnapses, der aber bald auch als Genußmittel solchen Beifall fand, daß schon ein Jahrhundert später der Steuerfiskus in Deutschland das Getränk mit einer Verbrauchsabgabe belegte. Damals wurde von stärkemehlreichen Früchten fast ausschließlich das Korn zu Branntwein verarbeitet, und zwar bald in solchem Maße, daß die Regierung die Herstellung des Kornschnapses an manchen Orten ganz verbot, weil ein allzugroßer Teil der köstlichen Brotfrucht dadurch ihrem eigentlichen Zweck entzogen wurde. Erst im 18. Jahrhundert kam die Verwendung der Kartoffel als Rohfrucht für die Schnapsbrennerei auf und 1750 soll zu Monsheim in der Pfalz die erste Kartoffelbrennerei errichtet worden sein. Jetzt wird vorzugsweise diese Nährfrucht dazu verwendet, und zwar zur Herstellung von fuselölfreiem Reinspiritus, der dann technisch als solcher verwendet oder mit Beigabe von aromatischen Essenzen zu den mannigfaltigsten Schnäpsen verarbeitet wird.
Die Kartoffeln werden zur Überführung der Stärke in Kleister gekocht und, da sie nur sehr wenig Diastase zur Umwandlung des letzteren in Zucker haben, bei einer möglichst hohen Temperatur von 45–50° C. mit Malz versetzt. Nachdem die Verzuckerung der Stärke stattgefunden hat, setzt man die Maische, wie wir dies bei der Bierbereitung beschrieben haben, zur Gärung an, die bei 25° C. verläuft und nur etwa drei Tage dauern darf. Und zwar verwendet man dazu nicht mehr wie früher Bierhefen, sondern speziell die zu diesem Zwecke in besonderen Anstalten in großen Mengen in Reinkultur gezüchteten obergärigen, stark gelüfteten Brennereihefen. Ist nun durch Gärung der Zucker der Maische zum größten Teil in Alkohol (und Kohlensäure, welche entweicht) übergeführt, so wird das Gemisch im Destillierapparat mit Dampf erhitzt, und der mit Wasserdämpfen und einigen Beimengungen in gasförmigen Zustand übergehende Alkohol wird durch Kühlung wieder zu einer Flüssigkeit verdichtet.
Meist wird in den Brennereien nur ein Rohspiritus dargestellt, der dann zur weiteren Reinigung in die Raffinerien wandert. In diesen wird durch nochmalige Destillation der Äthylalkohol mit nur 4–8 Prozent Wasser als rektifizierter Spiritus gewonnen, wobei die schwerer flüchtigen höheren Alkohole (besonders Amylalkohol), die sogenannten Fuselöle, in der Destillierblase zurückbleiben. Letztere haben einen durchdringenden Geruch und sind sehr giftig. Früher glaubte man, daß sie durch die Tätigkeit irgend welcher Spaltpilze entstehen, und beschrieb sogar einige solche Pilze, welche sie erzeugen sollten. Doch ist neuerdings durch die eingehenden Untersuchungen von F. Ehrlich mit Sicherheit erwiesen worden, daß sie Produkte der Hefen sind und durch Umwandlung aus den Eiweißstoffen der Maische und ihren Abbauprodukten entstehen. Da sie zur Herstellung schwertrocknender Öle und in der Fabrikation künstlicher Riechstoffe verwendet werden, so hat die Industrie selbst ein Interesse daran, sie möglichst vollständig aus dem Weingeist, dessen Wert sie herabsetzen, zu entfernen.
Der reinste rektifizierte Spiritus wird als Weinsprit bezeichnet und wird vor allem in der Likörfabrikation verwendet. Die weniger guten Marken, die aber auch noch so gut wie rein sind, dienen in der Kraftindustrie und werden, da sie einer weit geringeren Steuer als der zu Genußzwecken des Menschen verwendete Spiritus unterliegen, durch Hinzufügen von Holzgeist und Pyridin denaturiert, um ihnen einen widerlichen Geschmack und Geruch zu geben. Welch gewaltige Bedeutung die Brennerei in der Volkswirtschaft besitzt, beweist die Tatsache, daß in Deutschland allein aus 3 Milliarden kg Kartoffeln gegen 4 Millionen Hektoliter Spiritus jährlich erzeugt werden, von denen 2½ Millionen getrunken werden und der Rest zu gewerblichen Zwecken verbraucht wird. Die Branntweinsteuer bringt dem Reiche jährlich 150 Millionen Mark ein, und nur etwa für 6 Millionen Mark kommt zur Ausfuhr. Leider hat die ausgedehnte Verwendung des Weingeistes als Kraftquelle noch keine befriedigende Lösung gefunden, wenn er auch schon in großer Menge bei der Industrie als Beleuchtungsmittel und zum Treiben kleiner Motoren Verwendung findet. Speziell zum Treiben der Automobilmotoren vermag er noch nicht das Benzin zu verdrängen. Hoffentlich aber wird diese Neuerung nicht mehr lange auf sich warten lassen, da es aus volkshygienischen Gründen höchst wünschenswert wäre, wenn der in solchen Massen produzierte Schnaps statt vom Menschen getrunken, dem er ein überaus schlimmer Feind ist, als Kraftquelle eine ausgedehntere Verwendung finden könnte, und so dem Volke nützlich, statt wie bisher verderblich sein würde.
In seiner Sucht nach starken Berauschungsmitteln hat der Mensch, seitdem ihm die Kenntnis der Alkoholdestillation zuteil wurde, aus allen möglichen zuckerigen oder in Zucker überzuführenden Stoffen vermittelst wilder Hefen Alkohol gewonnen und Schnaps daraus gebrannt, so nicht bloß aus Melasse, Roggen und Mais, sondern auch aus Wurzeln wie Enzian, Früchten wie Holunder- und Vogelbeeren, Kirschen und Zwetschen mit Einschluß deren ausgeklopfter Kerne, aus Heferückständen, Trebern, Trestern usw. Unter diesen nehmen vor allem die Getreideschnäpse, der Kornbranntwein, eine wichtige Stellung ein. So wird das angloamerikanische Nationalgetränk, der Whisky in seinen verschiedenen Spielarten bald aus Roggen-, bald aus Gerstenmalz mit Hinzufügung von gekeimtem Mais hergestellt, während der in Ostindien, besonders auf Java bereitete Arrak aus Reis unter Zusatz von Melasse und Palmwein gebrannt wird. In Westindien, speziell Jamaika, wird dagegen aus den bei der Bereitung von Zucker aus Zuckerrohr abfallenden Produkten der Rum bereitet, der seinen eigentümlichen Geschmack dem Vorhandensein von freien Säuren, wie Ameisen- und Buttersäure, und deren Estern verdankt. Als vornehmster aller Branntweine gilt der nach dem Zentrum seiner Bereitung, der westfranzösischen Stadt gleichen Namens, als Cognac bezeichnete Branntwein, der ein Destillat aus Wein, meist Rotwein, ist und nur durch jahrelanges Lagern in Fässern aus bestimmtem Eichenholz seine schöne Farbe und seinen charakteristischen Geschmack erhält. Alle diese Schnäpse zeigen frisch den brennenden Spritgeschmack, der erst durch möglichst langes Liegen im Faß durch bisher noch nicht ganz erforschte chemische Vorgänge den erwünschten zartmilden Geschmack erhält. Meist handelt es sich wohl dabei um Oxydationsprozesse, indem Sauerstoff durch die feinen Poren der Fässer hindurchtritt und die scharf schmeckenden Stoffe in milde verändert. Dafür spricht vor allem, daß man den Vorgang des Alterns durch Imprägnierung mit Sauerstoff beschleunigen kann. Dies ist ein großes kaufmännisches Problem, da gerade durch das lange Lagern die edlen Branntweine sehr verteuert werden. Indessen ist ein wirklich gutes Mittel zum künstlichen Altmachen noch nicht gefunden worden. Besonders lange Zeit brauchen die Branntweine, die man in der Flasche alt werden läßt, weil sie wasserklar gewünscht werden, wie z. B. Kirschwasser; denn aus dem Holz der Fässer nehmen die Destillate stets Farbstoffe auf. Diese Branntweine müssen viele Jahre liegen, bis sie wirklich reif geworden sind.
In der unüberwindlichen Sehnsucht nach berauschenden Getränken sind die Nomadenvölker dazu gekommen, aus der Milch, dem einzigen ihnen zu Gebote stehenden zuckerhaltigen Nährmittel, sich welches zu bereiten. Das bekannteste dieser alkoholischen Getränke aus Milch ist der Kefir, der in den Bergländern des nördlichen Kaukasus seit undenklicher Zeit ein Hauptgenußmittel ist. Er ist ein säuerliches, sehr wohlschmeckendes Getränk mit geringem Alkohol- und größerem Milchsäuregehalt, das wegen seiner Leichtverdaulichkeit jetzt auch in den Kulturländern vielfach hergestellt und als diätetisches Mittel verordnet wird. Die meisten wilden Hefen vermögen nun nicht aus dem Milchzucker die gärungsfähigen Kohlehydrate freizumachen. Nur einige wenige, wie z. B. Saccharomyces fragilis im Käse, sind dazu imstande, und solche in Kultur genommene Arten verwenden die tierzüchtenden Nomaden zu dieser Fermentation. Doch sind dabei stets noch Spaltpilze tätig, die mitgezüchtet werden und noch besser als die Hefen den für letztere meist unangreifbaren Milchzucker spalten und zugleich eine Milchsäuregärung bewirken. So haben wir in dem aus Schaf-, Ziegen- und Kuhmilch hergestellten Kefir, dessen Fermentorganismen in gelben Körnern in den Handel kommen, außer der Kefirhefe (Saccharomyces kefir) zwei Kettenkokken und einen Bazillus, die, der Milch beigemischt und mit derselben in geschlossenen Gefäßen aufbewahrt, in drei Tagen das Getränk entstehen lassen, das „Wonnetrank“ bedeutet, als Zeichen dafür, wie sehr ihn diese kaukasischen Bergstämme lieben.
Ganz ähnlich wird seit uralter Zeit in der südrussischen Steppe von den dort wohnenden Nomaden aus Milch, auch Stutenmilch, der Kumys gewonnen, dessen Name von dem bereits von Xenophon (um 440 v. Chr. in Athen geboren und 355 in der Verbannung aus seiner Vaterstadt in Korinth gestorben) erwähnten Volke der Kumanen stammen soll, von denen es dann 1215 die Tataren bei ihrer Besitzergreifung dieser Länder übernahmen. Jedenfalls war es unter ihnen schon allgemein bekannt, als sie der Gesandte Ludwigs des Heiligen, Wilhelm Rubruck, im Jahre 1253 besuchte. Auch der um 1459 in Nürnberg geborene und 1507 in Lissabon verstorbene Seefahrer und Geograph Martin Behaim, der, nach seiner ersten Entdeckungsreise als Begleiter des Diego Câo 1490 in seine Vaterstadt zurückgekehrt, den noch daselbst verwahrten großen Globus anfertigte, kannte ein Chumis genanntes, bei den Tataren Südrußlands hergestelltes Getränk, das heute gelegentlich auch in der Kulturwelt Verwendung findet. Die Erreger der echten Kumysgärung sind noch unbekannt, stecken aber in den Schläuchen, in denen Kumys gegoren hatte und in die stets wieder Milch zur neuen Fermentation gegossen wird. Das Getränk ist dem Kefir in Geschmack und Wirkung ähnlich.
Die Vereinigung von Hefen mit Bakterien haben wir auch in den säuerlichen, schwach alkoholhaltigen Milchprodukten, der armenischen Nationalspeise Mazun, dem Leben der Ägypter und dem Yoghurt der Bulgaren, was alles „saure Milch“ heißt. Letzterer ist gleicherweise wie der Kefir als geschätztes diätetisches Präparat bei uns beliebt geworden, seitdem einer der Leiter des berühmten Instituts Pasteur in Paris, Prof. Elias Metschnikoff, die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Welt auf ihn lenkte und ihn geradezu als Mittel zur Verlängerung des menschlichen Lebens erklärte, da die ihn vorzugsweise essende bulgarische Bevölkerung einen auffallend hohen Prozentsatz sehr alter Leute aufweist. In ihm sind nun keine Hefen, wohl aber ein Gemisch von drei Spaltpilzen, einem Ketten-, einem Doppelkokkus und einem als Majabazillus bezeichneten langen Stäbchen von geringer Beweglichkeit als die Gärungserreger nachgewiesen und in Kulturen zur Herstellung dieses die Darmfäulnis herabsetzenden diätetischen Präparates gezüchtet worden.
Endlich haben wir bei den Kalmücken auch einen als Arakà bezeichneten, aus Milch hergestellten Branntwein, der zwar nur einen sehr schwachen Alkoholgehalt, dafür aber einen reichen Gehalt an flüchtigen Fettsäuren bei der Destillation empfängt, so daß er schauderhaft nach ranzigem Fette schmeckt, was aber nicht hindert, daß sich seine Erzeuger mit Wohlbehagen damit berauschen.
Seit uralter Zeit beobachtete man, daß alkoholhaltige Flüssigkeiten bei längerem Stehen an der Luft ihren weinigen Geschmack verlieren und sauer werden. Diese Säure, von den Römern acetum, von den Deutschen danach Essig genannt, benutzte man sehr früh als Würze von Speisen, besonders Salaten. Über die Ursache dieser Veränderung, die man bei der Wein- und Bierbereitung als unliebsame Bildung fürchtete, war man ebenso wie über diejenige der weinigen Gärung vollkommen im unklaren, bis der berühmte Begründer der neueren Chemie, der 1743 in Paris geborene und am 8. Mai 1794 daselbst guillotinierte Lavoisier die Notwendigkeit der Sauerstoffzufuhr bei diesem Prozesse erkannte und ihn folgerichtig als Oxydation des Alkohols zu Essigsäure auffaßte. Erst der Jenaer Professor der Chemie Döbereiner (1780–1849) gab in den 1830er Jahren die genauere Formel desselben an. Als man bald darauf erkannte, daß die Überführung von Alkohol in Essigsäure auch durch fein verteiltes Platin bewirkt werden kann, glaubten die Anhänger der chemischen Theorie der Gärung, vor allem Liebig, die Bildung von Essig sei dadurch als ein rein chemischer Prozeß erwiesen. Dem traten aber die Anhänger der biologischen Auffassung entgegen und es erhob sich derselbe Streit wie bei der Hefegärung. Schließlich blieben auch hier die letzteren Sieger. Wenn nun auch Kützing selbst vor Schwann die Bakterien der Essiggärung gesehen und beschrieben hatte, so verdanken wir doch Pasteur die grundlegenden Arbeiten über deren Eigenschaften und Lebensgewohnheiten und das Vermögen, sie in beinaher Reinkultur zu züchten. Es sind verschiedene Pilze der Gattung Bacterium, die nur in einem Sauerstoff enthaltenden Medium gedeihen, auch organisches, stickstoffhaltiges Material zu ihrer Entwicklung brauchen und dann auf der Decke der zu vergärenden Flüssigkeit ein Geflecht von langen Fäden bilden. Nach der praktischen Bedeutung unterscheidet man vier Hauptgruppen, nämlich die Schnellessigbakterien, die vor allem technische Verwendung finden, dann diejenigen des Weines, des Bieres und der Maische. Außer bei diesen speziellen Essigkeimen finden wir die Fähigkeit, Essigsäure als Nebenprodukt zu bilden, bei sehr zahlreichen anderen Mikroben, so daß sie in geringer Menge bei fast allen Gärungen zu finden ist.
Bild 50–52.
I. Essigsäurebakterien: a kettenförmig angeordnete Bakterien aus einer Hautvegetation, b einzelne Essigbakterien (Kurzstäbchen), c fadenförmige Essigbakterien in kettenförmige Kurzstäbchen zerfallend.
II. Milchsäurebakterien: a Kurzstäbchen aus Milch, b Langstäbchen aus Bier.
III. Buttersäurebakterien: a unbewegliche Buttersäurebakterien (Langstäbchen), b bewegliche Buttersäurebakterien (Spindelform).
Nach Dr. Schnegg.
Der eigentliche Vorgang der Essigbildung ist als eine Fermentwirkung erkannt worden. Insofern behielt Liebig in gewissem Sinne mit seiner chemischen Anschauung recht, wie wir dies bei der Alkoholgärung schilderten. Die Gärung ist nicht als ein reiner Lebensprozeß der Bakterien aufzufassen, sondern die lebenden Keime spielen nur eine indirekte Rolle als Erzeuger des Ferments. Den Beweis dafür zu liefern versuchte ebenfalls Buchner, der Entdecker der Zymase, der in den toten Leibern der Essigbakterien ein Ferment auffand, das ganz analog der Zymase, die die Zuckerarten in Alkohol und Kohlensäure spaltet, die Überführung von Alkohol in Essigsäure vollzieht.
Zu einer rationellen Essigfabrikation gehört vor allem die Zufuhr von möglichst viel Luft, deren Sauerstoff den Essigbakterien die Oxydation des Alkohols ermöglicht. Früher stellte man den Essig ausschließlich nach dem von der Natur gegebenen Beispiele aus Bier oder noch häufiger aus Wein dar, wobei sich ein dicker Pelz von Essigsäurebakterien über der Flüssigkeit bildet. Jetzt aber verwendet man dazu den in großen Mengen zur Verfügung stehenden Reinsprit, den man nach dem 1823 von Schützenbach erfundenen Schnellessigverfahren mit Wasser verdünnt in hohen Fässern mit siebartig durchlöchertem Boden sehr langsam über mit Essig durchfeuchtete Buchenholzspäne tropfen läßt. Das oben einfließende Gemisch von etwa 10 Litern Alkohol, 40 Litern gewöhnlichem Essig und 120 Litern Wasser, dem man etwas Mehlauszug oder dergleichen als Nährboden für die Pilze zugesetzt hat, wird dabei oxydiert und fließt als essigreichere Flüssigkeit unten ab, die dann noch ein zweites oder drittes Faß passiert bis sie zu reinem Essig geworden ist. Neuerdings bestrebt man sich, nach dem Vorgange von Henneberg, Reinkulturen von Essigbakterien zur Imprägnierung der Holzspäne zu verwenden.
Volkswirtschaftlich von ziemlicher Bedeutung sind auch die Milchsäurebakterien, die den Milchzucker der Milch in Milchsäure vergären, wobei das Kaseïn, der wichtigste Eiweißstoff der Milch, sich in fester Form ausscheidet. Die Gewinnung der süßen Milch kann aber auch durch das meist aus Kälbermagen gewonnene Labferment bewirkt werden, wobei sofort das Kaseïn in einer Verbindung mit Kalk ausfällt. Bei der sauren Gärung scheidet sich dagegen das Kaseïn in freier Form, nicht an Kalk gebunden, aus. Bei der Gewinnung von Butter aus dem abgeschiedenen Milchfett, dem Rahm, kann man die Vereinigung der Fettkügelchen durch Schütteln erzielen, wobei die sogenannte Süßrahmbutter entsteht, oder man läßt eine milchsaure Gärung des Rahms vorhergehen. Bei letzterem Prozeß, der nicht nur viel leichter als der erstgenannte vonstatten geht, sondern auch eine weit größere Ausbeute liefert und deshalb vorzugsweise angewandt wird, überließ man den Rahm ursprünglich einfach der Gärung durch von selbst hineingekommene Bakterien, wobei die Säuerung meist schon in 18–24 Stunden eintritt; später verwendete man dazu ganz einfach die bazillenhaltige Buttermilch gut geratener Butter, um in einer kleinen Menge Rahm die Gärung in Gang zu bringen. Falls diese gut war, infizierte man mit dieser Kultur, dem „Sauer“, den ganzen Rahm. Als dann aber die Reinzucht von Bakterien im Braugewerbe ihre Triumphe feierte, kam man bald darauf, dieselben Methoden auch beim Buttern zur Anwendung zu bringen und kultivierte eine Reihe von Bakterien aus guten Sauern in sterilisierter Milch, mit denen man vorzügliche Erfolge hatte. Um ein einwandfreies Material zu erlangen, sterilisierte man bald auch den Rahm und erzielte damit unter Anwendung von Reinzuchtmikroben ein hygienisch einwandfreies, von Zufälligkeiten unabhängiges Produkt. Natürlich machte man bei diesen Studien auch allerlei Erfahrungen, so diejenige, daß nicht alle in Reinkultur erhaltenen Milchsäurebakterien der Butter den gewünschten guten Geschmack verleihen, daß es darunter auch solche gibt, die ihr geradezu ein unangenehmes Aroma verleihen. Es sind dies also ganz ähnliche Verhältnisse wie bei der Weingärung, bei der gewisse Bukettstoffe auch auf Rechnung der betreffenden Gärungserreger kommen. Man züchtet nun Reinkulturen mit verschiedenen Aromastoffen, wie sie gerade die Konsumenten verlangen. Doch hat sich neuerdings herausgestellt, daß das Aroma überhaupt nicht bloß vom Ausgangsmaterial und der Milchsäuregärung abhängt, sondern durch die Anwesenheit von manchen anderen Bakterien, vielleicht auch Hefen, bedingt wird, so daß Mischungen solcher die besten Resultate liefern.
Schon in uralter Zeit sind die viehzüchtenden Nomaden auf die Bereitung von Butter und Käse verfallen. So haben die Indier sicher schon um 1500 v. Chr. die Butter gekannt, nicht aber die ältesten Juden, deren chemah einen anderen Stoff darstellen soll. Überhaupt blieb dieses Produkt im ganzen Bereiche der Ölbaumzucht ein fast unbekanntes, nur etwa zu medizinischen Zwecken gewonnenes, das neben dem Olivenöl nicht aufzukommen vermochte. Die nördlich davon hausenden Völker aber schätzten die Butter, mit der sie sich vorzugsweise den Körper eingerieben zu haben scheinen, während ihnen Schmalz und Schmer als gebräuchlichste Beigabe zu den Mehlspeisen dienten. Wie den Römern die Keltiberier und Germanen durch ihre Wertschätzung der Butter auffielen, so waren den Griechen ihre thrakischen Nachbarn und die weiter nördlich als Nomaden umherstreifenden Skythen, welch letztere auch aus der Pferdemilch das begehrte Fett gewannen, als „Butteresser“ merkwürdig. Der weitgereiste griechische Geschichtschreiber Herodot (484–424 v. Chr.) kennt noch keinen besondern Namen für Butter, sondern umschreibt ihn durch das „was sich absetzt“, während sein etwas jüngerer Landsmann, der berühmte Arzt Hippokrates (460 bis 364 v. Chr.), der auch Skythien und Libyen bereiste, hiefür die Bezeichnung bútyron anwendet, die als butyrum zu den Römern und schließlich als Butter zu den Deutschen kam, deren ursprüngliches Wort hiefür anc (im süddeutschen anke noch erhalten) war. Im Mittelalter war die Buttergewinnung namentlich in der Viehzucht treibenden Schweiz ein wichtiges Gewerbe. Aus dem Jahre 1549 ist uns von dem Züricher Konrad Gesner eine ausführliche Beschreibung der schweizerischen Alpwirtschaft erhalten; noch genauere Aufschlüsse gibt uns 1705 sein Landsmann Scheuchzer. Sonst spielte die Butter als Genußmittel noch keinerlei Rolle in Mitteleuropa, da bis ins 16. Jahrhundert ausschließlich Schmalz zum Kochen verwendet wurde. Erst von etwa 1560 an wurde der „Butterschmalz“ in größerer Menge in der Küche benutzt und fand im Laufe des 17. Jahrhunderts im feineren Haushalt mehr und mehr Aufnahme. An Stelle der bis dahin üblichen Morgensuppe traten schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Nachahmung der vornehmen französischen Sitte in den reicheren Familien Kakao, Kaffee oder Tee mit feinem Gebäck und Butter, was dann mit der Zeit auch die Bürgerlichen bei sich einführten. Aber erst im 19. Jahrhundert hat sich die mit der Milchwirtschaft zusammenhängende Buttergewinnung über die ganze Erde verbreitet und ist neben der Käsebereitung eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Gewerbe, das viele Millionen jährlich umsetzt. Führt doch England allein alle Jahre für 380 Millionen Mark davon ein.
Noch wichtiger ist der Käse, dessen Bereitung die Nachahmung eines Naturvorgangs ist. Indem der primitive Viehzüchter die geronnene Milch, für die er augenblicklich keine Verwendung besaß, nicht verkommen lassen wollte, suchte er den aus ihr gepreßten Käsestoff durch Zugabe von Salz zu konservieren. So finden wir den Käse schon in sehr alten Urkunden erwähnt, ja er scheint im allgemeinen sogar noch älter als die Butter zu sein. Bei Homer spielt er schon eine große Rolle, auch die alten Ägypter und Juden kannten ihn, ebenso die Griechen und Römer. Der römische Ackerbauschriftsteller Columella im 1. Jahrhundert n. Chr. gibt uns eine ausführliche Beschreibung seiner Bereitung, die im wesentlichen nicht von der auch heute noch gebräuchlichen abweicht. Wie er, so unterschied auch der ältere Plinius bereits viele Sorten von Käse (caseus), unter denen die Schaf- und Ziegenkäse bei den Römern die gebräuchlichsten waren. Damals begnügten sich die vornehmen Römer, die „Herren der Welt“ als Feinschmecker schon lange nicht mehr mit den Käsearten, die ihnen die heimische Landwirtschaft bescherte, sondern importierten die wohlschmeckenden Sorten von überall her, besonders aus dem rätischen Alpenlande und aus manchen Gegenden des südlichen und mittleren Frankreich, die noch gegenwärtig durch ihre vorzüglichen Produkte bekannt sind.
Heute ist die Käsebereitung über die ganze Erde verbreitet und der Käse ist ein Großhandelsprodukt geworden, das in manchen delikaten Spezialprodukten geradezu Weltruf wie gewisse Edelweine erlangt hat. Überall, wo viel Milch produziert wird, die infolge erschwerter Abfuhr wie auf den Alpen oder sonst von den Verkehrsstraßen abgelegenen Gegenden nicht anders verwertet werden kann, wird Käse bereitet, und zwar beträgt die Ausbeute von 100 kg Milch 12–15 kg weichen Fettkäses wie Brie oder Camembert, 9–11 kg Weichkäses, 7–9 kg Hartkäses, 5–8 kg halbfetten und 4–6 kg mageren Hartkäses. Viel öfter als die Milch einfach der Säuerung zu überlassen, bringt man sie durch das Labferment zum Gerinnen, wobei die als Parakaseïn bezeichnete Verbindung des Eiweißkörpers Kaseïn mit Kalk ausfällt. Da man es bei der natürlichen Gerinnung der Milch durch die Milchsäurebakterien mit dem Kaseïn zu tun hat, so ist also schon der Grundstoff bei der Bereitung von Sauermilch- und von Labkäse ein verschiedener. Ferner hat man es bei der Käsereifung in der Hand, den Grundstoff noch in anderer Weise verschieden zu gestalten und dadurch nach Belieben Hart- oder Weichkäse zu erzeugen. Läßt man nämlich die Gerinnung durch das Labferment bei niedriger Temperatur langsam vor sich gehen, so schließt die ausfallende Masse noch eine Menge Flüssigkeit ein, wird davon schwammig und bleibt weich. Geschieht dagegen die Labgerinnung sehr rasch, unterstützt von stärkerem Erwärmen, so scheidet sich der Gerinnungskuchen in kompakter Form ab, enthält weniger Flüssigkeit und wird hart. Selbstverständlich gibt es alle Übergänge von den härtesten Käsen wie Parmesan über die mittelharten wie Emmentaler bis zu den allerweichsten wie Brie und Camembert. Ferner ergibt sich natürlicherweise ein Unterschied, ob man den Käse aus Magermilch oder Fettmilch, aus Kuh-, Ziegen- oder Schafmilch herstellt. Aber auch der Verlauf der Entwicklung bei der weiteren Behandlung ist von großem Einfluß. Denn Hartkäse reifen durchaus anders als Weichkäse. Alle diese Momente bringen es mit sich, daß es so viele verschiedene Arten von Käse als Landstriche gibt. Gerade wie beim Wein die Beschaffenheit der Traube den einen, und die Gärung den andern Faktor darstellt, so ist es auch beim Käse; den einen Faktor bildet der Rohkäse, den andern die Mikroben und die Behandlung bei der Reifung.
Daß die Käsereifung ein Gärungsvorgang im weiteren Sinne des Wortes darstellt, hat zuerst der Breslauer Botaniker Ferdinand Cohn erkannt. Seither ist dieser Vorgang eifrig studiert worden, nicht nur aus wissenschaftlichem, sondern vor allem auch aus praktischem Interesse, um durch Reinzüchtung guter Bakterien die Käserei auf rationelle Grundlage zu stellen und die Produzenten vor Mißgriffen und Schäden zu bewahren.
In jedem Käse haben wir eine äußerst komplizierte Anhäufung von Bakterien, die in jedem verschieden sind und sich gegenseitig fördern oder stören können. Sie spalten teilweise das Kaseïn, vergären den Milchzucker in Milchsäure und bilden aus dieser und aus dem Eiweiß Buttersäure und ähnliche fette Säuren. Ferner wird das Fett der Milch gespalten und dabei werden spezifische Geruchs- und Geschmacksstoffe erzeugt, die dem Käse sein spezifisches Aroma verleihen. Außer Bakterien finden sich aber auch noch Hefen und Schimmelpilze im Käse; letztere sind sogar bei der Reifung einiger Käse unentbehrlich; ja, in dem nach einem Dorf im französischen Departement Aveyron im westlichen Südfrankreich als Roquefort bezeichneten berühmten weichen Käse aus Milch von Kurzschwanzschafen werden sie sogar, und zwar eine „edle“ Spielart des grünen Pinselschimmels (Penicillium glaucum), künstlich zugesetzt und vermehren sich darin zu ganzen Nestern, die an ihrer grünlichen Farbe zu erkennen sind.
Bei den Hartkäsen beginnt nach einer unbedeutenden ersten Phase der Eiweißspaltung durch die Fermente zunächst eine allerdings nicht sehr erhebliche Milchsäuregärung. Neben ihr und nach ihrem Ablauf beginnen die eiweißabbauenden, sogenannten peptonisierenden Bakterien ihre Tätigkeit, wobei sie durch die Milchsäure etwas in Schranken gehalten werden, damit nicht eine übermäßige Zerspaltung des Eiweißes und eine richtige Fäulnis durch die echten Fäulnisbakterien eintrete. Diese unter Ausschluß von Sauerstoff vor sich gehende Gärung findet in der ganzen Käsemasse gleichmäßig statt. In den Abbaustoffen des Eiweißes finden wieder andere Bakterien, wie vor allem der Bacillus nobilis, günstige Wachstumsbedingungen und bilden neben Milchsäure die charakteristisch riechende Buttersäure und die anderen Aromastoffe. Ferner siedeln sich Schimmel- und andere Pilze an. So wird durch das Ineinandergreifen der verschiedensten Mikroben eine Umwandlung der geschmacklosen Rohstoffe bewirkt, die schließlich den reifen Käse mit seinem spezifischen Wohlgeschmack hervorgehen lassen.
Anders verläuft die Reifung bei den Weichkäsen. Zugleich mit der Molke enthalten sie viel mehr Milchzucker. Die infolgedessen sehr energisch vor sich gehende Milchsäuregärung verhindert im Innern des Rohkäses die Entwicklung aller anderen Keime. Alle diese Käse bleiben deshalb anfänglich im Innern weiß, unvergoren und sauer, wie der Rohstoff, aus dem sie bereitet werden. Nur von außen beginnen allmählich die peptonisierenden Bakterien ihr Werk; so reift der Käse von außen nach innen, bis er „durch“ ist. Dabei sind Pilze nötig, die die störende Milchsäure verzehren, und dies tun vor allem die Schimmelpilze, die dadurch den eiweißspaltenden und hernach wieder anderen Bakterien Existenzbedingungen schaffen. Schimmelpilze bedürfen aber zu ihrem Gedeihen unbedingt freien Sauerstoffs, und deshalb siedeln sie sich nur außen herum an.
Ein gutes Beispiel für die Beteiligung von Schimmelpilzen an der Reifung von Weichkäse bietet der Briekäse aus der Landschaft Brie im nördlichen Frankreich zwischen Seine und Marne, der immer mit einer dicken Schicht davon überzogen ist. Der Pilz ist ein naher Verwandter des für den vorhin genannten Roquefort maßgebenden grünen Pinselschimmels, nämlich Penicillium album. In der für die Herstellung des nordholländischen runden, innen schön gelben und außen durch Orlean hübsch rotgefärbten Edamer Käses verwandten „langen Wei“, einer fadenziehenden Molke, spielt ein Oidium eine wichtige Rolle. Es stellt diese Flüssigkeit wenn nicht eine Reinkultur, so doch eine sehr gute Kultur eines für die betreffende Käsereifung sehr wichtigen Pilzes dar und bietet eines der wenigen Beispiele einer seit langem geübten absichtlichen Beeinflussung des Reifungsvorganges von Käse. Ein anderes stellt der bereits erwähnte Zusatz von Penicillium glaucum zum Roquefortkäse dar. Um nun dem Schimmelpilz ein von Bakterien ungestörtes Wachstum zu verschaffen, wird der ganze Prozeß anders, vor allem bei sehr niedriger Temperatur, in Felsenhöhlen, durchgeführt, und um dem Pilz den für ihn unentbehrlichen Sauerstoff zuzuführen, wird der Käse mit langen Nadeln durchbohrt und werden so Luftlöcher erzeugt.
Die wissenschaftliche Heranzüchtung reiner Pilzkulturen für die Käsereifung hat diesen alten Praktiken kaum neue an die Seite zu stellen gewußt. Anfänge zu einer systematischen Benutzung edler Käsebakterien sind allerdings bereits gemacht worden, doch begnügt man sich in der Regel, heute wie vor Tausenden von Jahren mit der Gärung, wie sie die natürliche Flora der betreffenden Käse mit sich bringt. Die Bakterien gelangen aus der Luft und durch Verunreinigungen in die Milch und wachsen dann im Käsekeller aus. Dabei bleibt vieles dem Zufall überlassen, so daß es kein Wunder ist, daß auch dem geübten Käser trotz aller aufgewandten Mühe und Sorgfalt manche Reifung mißlingt, wenn sich Bakterien im Käse einnisten, die unerwünschte Gärungen darin bewirken, so daß das Produkt bitter, fleckig, allzu faulig und mit Gasblasen durchsetzt usw. wird. Wenn nun auch die uralte Empirie meist mit überraschender Sicherheit die besten Bedingungen erkannt hat, die solche fast unvermeidliche Nebengärungen auf ein Mindestmaß beschränken, so wird auch das Käsegewerbe einmal dazu gelangen, von sterilen Rohstoffen auszugehen und diesen die spezifischen Keime in Reinkultur zuzusetzen, um stets ein mit Sicherheit tadelloses Produkt zu erzielen, wie wir solches in idealer Weise bei der Bierbrauerei verwirklicht sehen.
Übrigens werden in manchen Gegenden dem Käse auch gewisse aromatisch riechende Kräuter beigemischt und dadurch Kräuterkäse erzeugt. Dies ist besonders in Griechenland und im Orient der Fall, ebenso bei uns in manchen Alpengegenden, so vor allem im Kanton Glarus in der Schweiz, wo durch Beigabe von feinpulverisiertem getrocknetem Bisamhonigklee (Melilotus coerulea), der aus Nordafrika stammt und dort angebaut wird, der nach ihm duftende und durch ihn grünlich gefärbte Schabzieger hergestellt wird, der weithin exportiert wird. Diese Käsesorte muß schon sehr lange dort fabriziert werden; denn sie wird schon im 13. Jahrhundert als gebräuchliches Landesprodukt erwähnt.
Wie nun verschiedene Bakterienarten bei der Reifung des Hartkäses und dazu noch gewisse Schimmelpilze bei derjenigen des Weichkäses eine wichtige Rolle spielen, so tun es andere bei der Erzielung anderer Nahrungsmittel. So haben wir die Kultur eines Schimmelpilzes, des Aspergillus oryzae, bei der Bereitung des japanischen Nationalgetränkes Saké kennen gelernt. Dieser Pilz enthält ein sehr kräftiges diastatisches Ferment, die sogenannte Takadiastase, die Stärke energisch spaltet und in Zucker überführt. Bei der Sakébereitung werden dann die Zuckerstoffe durch Saccharomyceten, die der Kojihefe beigemengt sind, vergoren. Seit alters her aber macht man von demselben Schimmelpilz in Japan noch eine andere, wirtschaftlich mindestens ebenso wichtige Anwendung, nämlich zur Bereitung der dem Japaner unentbehrlichen Würzmittel des Shoju und des Miso, die beide aus den Sojabohnen, einer der Hauptkulturpflanzen Japans gewonnen werden. Da diese Hülsenfrüchte selbst in gekochtem Zustande schwer verdaulich sind, wird durch Beigabe solcher ebenfalls aus ihnen bereiteter Würze die Absonderung der Verdauungssäfte zu ihrer leichteren Bewältigung angeregt. Die Sojasauce Shoju wird, wie wir bereits früher mitteilten, aus halbgar gekochten Sojabohnen mit Beigabe von geröstetem Weizenmehl und Salz in der Weise gewonnen, daß man die auf gedämpftem Reis gezüchteten Kulturen des Aspergillus oryzae hinzufügt. Nachdem der Pilz drei Tage hindurch sich gründlich in dem Gemisch vermehrt und dasselbe ganz durchwuchert hat, wird Salzwasser hinzugegeben und die Masse in großen Holzkübeln bei möglichst geringer Temperatur viele Monate, ja bis zu fünf Jahren, einer Gärung unterworfen, bei der auch verschiedene andere Pilze als der vorhin genannte, so ein milchsäurebildendes Bakterium und ein alkoholbildender Hefepilz (Saccharomyces soya), eine wichtige Rolle spielen. Der Hauptvorgang dabei ist eine weitgehende Aufspaltung sowohl der Kohlehydrate der Samen wie ihrer Eiweißsubstanzen durch die Fermente des Schimmelpilzes. Es finden sich tatsächlich in der schließlich resultierenden, ziemlich dickflüssigen, braunen Shojusauce nur noch die Abbaustoffe der Eiweißkörper, in ähnlicher Weise wie sie im Liebigschen Fleischextrakt vorhanden sind. Sie geben ihm vorzugsweise den aromatischen Geschmack und die die Absonderung der Verdauungssäfte anregende Wirkung der schon durch den sehr hohen Kochsalzgehalt von etwa 15 Prozent sehr starken Würze zu der an sich reizlosen, vorzugsweise aus Reis oder Sojabohnen mit getrockneten Fischen bestehenden Kost der Japaner. Der Verbrauch dieses neuerdings in der ganzen Kulturwelt Eingang findenden und den wichtigsten Bestandteil der berühmten englischen Worcestersauce bildenden Shoju beträgt in Japan rund 6 Liter auf den Kopf der Bevölkerung.
Ebenfalls mit Hilfe der Kojihefe wird der dem Shoju ähnliche Miso aus einem Brei von gekochten Sojabohnen gewonnen; nur ist er ein weniger durchgreifend vergorenes Produkt, das mehr unveränderte Stoffe enthält und ebenfalls in sehr großen Mengen, etwa 30 Millionen kg jährlich, in Japan verbraucht wird. Die in China gleichfalls viel gebrauchte Sojasauce wird in etwas anderer Weise hergestellt. Man benutzt dazu andere Varietäten der Sojabohne, die, gekocht und mit Blättern einer Eibischart (Hibiscus) bedeckt, einige Tage sich selbst überlassen werden, wobei sich dann spontan der als Aspergillus wentii bekannt gewordene Schimmelpilz ansiedelt. Man läßt den Pilz sich nur kurze Zeit in der Masse entwickeln, so daß nur eine sehr oberflächliche Gärung eintritt, kocht dann auf und versetzt sie mit Sternanis und allerlei aromatischen Kräutern. Eine eigentliche Zucht dieses Pilzes findet also nicht statt.
Bei uns und in der ganzen von Europäern beeinflußten Kulturwelt sehr wichtig und deshalb von volkswirtschaftlich großer Bedeutung sind die vornehmlich durch die Milchsäurebakterien hervorgerufenen sauren Gärungen von Futtermitteln und Gemüsen, um sie haltbar zu machen und ihnen gleichzeitig einen bestimmten Wohlgeschmack und größere Verdaulichkeit zu verleihen. Dieses Verfahren der Säuregärung als sehr wirksames und bequemes Konservierungsverfahren für allerlei sonst wenig haltbare Pflanzenprodukte ist von Osten, von den Slawen zu uns nach Mitteleuropa gekommen. Die Slawen ihrerseits lernten sie vermutlich von den Tataren kennen, welche die Milchsäuregärung von der beim Aufbewahren gerinnenden Milch reichlich kennen zu lernen Gelegenheit hatten. Noch heute spielen diese Konservierungsmethoden in Rußland eine ganz andere Rolle in der Wirtschaft als bei uns. Meist sind diese Verfahren noch Eigentum der Hausfrau und dann wissenschaftlich noch wenig untersucht, zum Teil aber wie die Sauerkraut- und Gurkengärung zu großen Industrien geworden und dann etwas besser erforscht.
Ob es sich nun um Gras, Klee oder Rübenschnitzel zum Zwecke von Bereitung von „Sauerfutter“ oder um Einlegen von Kraut, Gurken und anderen Früchten zur Herstellung von Sauerkraut, sauren Gurken usw. handelt, die Hauptsache bleibt immer dieselbe: die Pflanzenteile werden in größeren oder kleineren Stücken, mit oder ohne Wasser, mit oder ohne Kochsalz, gekocht oder roh, fest zusammengepreßt und einer von selbst einsetzenden, ganz oder fast ganz unter Luftabschluß vor sich gehenden Gärung überlassen. Sobald dann die Pflanzenteile, meist infolge von Luftmangel abgestorben sind, beginnen die daran haftenden Bakterien, Hefen, Schimmel- und andere Pilze unabhängig voneinander ihr Werk. Die mannigfaltigsten Zersetzungen, Eiweißzerfall, Gasgärung aus der Zellulose, Alkoholgärung, Buttersäure-, Milchsäure- und andere Gärungen gehen vor sich, bis schließlich wie so häufig, die Milchsäurebakterien in dem Gemisch von winzigen Lebewesen Sieger bleiben und durch zunehmende Bildung von Milchsäure, die dem ganzen Produkt den Stempel der Säuerung aufdrückt, die anderen Organismen zurückdrängen. An diese auf die vielseitige Vorgärung folgende Hauptgärung schließt sich als dritter Akt die Nachgärung an, bei welcher die Milchsäurebildner, zum Teil unter der Wirkung der von ihnen selbst gebildeten Säure zurückgehen und die Hefen, Schimmelpilze und Oidien aufkommen. Alle diese sind Säureverzehrer; als solche bringen sie die Milchsäure langsam zum Schwinden und verleihen außerdem dem Gärgemisch besondere, mehr oder weniger angenehme aromatische Stoffe, die den Geschmack dementsprechend verändern. Geht der Prozeß weiter, so werden durch das Verschwinden der Milchsäure wieder anderen Mikroben günstige Existenzbedingungen geschaffen, und so können eiweißzerstörende Fäulnispilze zur Entwicklung gelangen, die schließlich eine eigentlich faulige Gärung bewirken und so die Konserve völlig für Mensch und Tier ungenießbar machen. Dann geht das Produkt für den Konsum verloren. Sache des Herstellers ist es also, die Vorgänge zu geeigneter Zeit zu unterbrechen und es nicht zu einer eigentlichen Fäulnis kommen zu lassen.
Diese großen Züge des Gärungsprozesses erfahren im ganzen nur unwesentliche Veränderungen durch die mancherlei technischen Abänderungen. Wurde das Leben der Pflanze durch Abkochen getötet, so gehen zwar dabei viele der ihr anhaftenden Keime zugrunde, stets aber bleiben die Sporen der die Milchsäuregärung erregenden Mikroben erhalten, die dann beim späteren Auswachsen rasch eine solche saure Gärung bewirken. Wird viel Kochsalz hinzugesetzt, das den Hauptzweck hat, durch Wasseranziehung den Saft aus den Pflanzenzellen herauszuziehen und diese zur besseren Konservierung zu durchdringen, so wird damit auch gleichzeitig der Erfolg erreicht, daß gewisse Organismen, die diesen Gehalt an Kochsalz nicht ertragen können, ausgeschaltet werden. Wieder andere Bedingungen schafft es, wenn man gar keine oder etwas Luft zuläßt, ob man die Gärung bei sehr hoher oder niedriger Temperatur vor sich gehen läßt, beziehungsweise ob man die starke Selbsterhitzung, die gewöhnlich als ein Zeichen der Gärung eintritt, duldet oder vielmehr für Abkühlung sorgt.
Am besten ist die Gärung des Sauerkrautes studiert. Der zerschnittene Kohl wird roh ohne Wasser, aber mit 0,5–2 Prozent Salz und etwas Gewürzen eingestampft, festgepreßt und so unter Luftabschluß einige Wochen vergoren. Bei der sonst ähnlichen Darstellung des russischen Schtschi wird dagegen die Luft nicht völlig abgeschlossen. Die erste Zersetzung, die sogenannte Schaumgärung, erfolgt vorwiegend durch Hefepilze; dann folgt eine ziemlich reine Milchsäuregärung, bei der sich keine flüchtigen Säuren bilden und die von der Temperatur ziemlich unabhängig ist. Hierauf beginnt, und zwar meistens von außen her, das Abnehmen der Säure unter dem Einfluß der nie fehlenden Kahmpilze der Gattung Mycoderma, die sehr viel Sauerstoff verbrauchen und hier wie anderswo, z. B. beim Wein, leicht eine faulige Zersetzung bewirken. Es muß deshalb ihr Dringen in die Tiefe durch hermetischen Luftabschluß verhindert werden, soll nicht das Sauerkraut ungenießbar werden.
Ähnlich verhält sich der Prozeß bei den sauren Gurken; nur wirken hier bei der starken anfänglichen Schaumgärung auch Mitglieder der artenreichen Gruppe des Bacterium coli (d. h. Dickdarmbakterium, so genannt, weil er als Fäulniserreger im Dickdarm eine große Rolle spielt) mit. Wenn dann nicht bald eine kräftige Milchsäuregärung einsetzt, so werden die Gurken schlaff, schmecken matt und gehen leicht in Fäulnis über. Gegen diese gefürchteten Milchgärungen ist der Zusatz von etwa 4 Prozent Kochsalz ein viel angewandtes Mittel. Auch wird Zufuhr von Traubenzucker empfohlen, um die Milchsäurebildung durch den dem Colibazillus nahe verwandten Milchsäurebazillus recht kräftig in Gang zu bringen.
Auch sonst spielen Gärungserreger bei der Gewinnung der verschiedensten Pflanzenprodukte eine große Rolle. So erhitzt sich nicht ganz trocken eingefahrenes Heu oder Emd durch solche bis zur Selbstentzündung, was schon sehr viele Brände und großen Schaden verursachte. Sehr wichtig ist ihre Tätigkeit bei der Gewinnung der Rohprodukte für die Spinnerei wie Flachs, Hanf, Jute, Manilahanf und ähnliche Stoffe, die gerottet werden müssen, um die einzelnen Bastfasern voneinander zu trennen. Die letztere verbindende Kittsubstanz besteht vorwiegend aus Pektinstoffen, d. h. komplexen Kohlehydraten, ähnlich, aber aus anderen Zuckerarten zusammengesetzt wie die Zellulose oder der Holzstoff der Pflanzenfasern und am nächsten mit den Pflanzenschleimen verwandt. Indem man diese bastliefernden Pflanzen zum Rotten in Bündeln in Teiche oder Gruben mit Wasser versenkt, und mit Steinen beschwert, werden in ihnen zuerst die Eiweißstoffe von den allgegenwärtigen Mikroben aufgezehrt und verfaulen, die Kohlehydrate gehen in Milch- und Buttersäure über usw. In dem Maße als das Nährmaterial für diese Pilze verschwindet, treten sie zurück, um denjenigen Platz zu machen, die, wie die Granulobakter- und Clostridiumarten die für jene unbrauchbaren Pektinstoffe durch ein von ihnen ausgeschiedenes Ferment, die Pektinase, in die entsprechenden Zuckerarten spalten und für sich verwenden. Seit dem Jahre 1852 wurde diese Erkenntnis von einigen Technikern ausgesprochen und dann experimentell bestätigt. Seit einigen Jahren suchte man auch Gewinn daraus zu ziehen, indem man Rohzuchten aus den Abfallwässern künstlich den Rotten zusetzte, um die Wirkung zu beschleunigen. Indessen hat die Verwendung wirklicher Reinkulturen, wie solcher des Granulobakter, noch keine besonders günstigen Erfolge gebracht; anscheinend muß eine Art Symbiose mit anderen Mikroben bestehen, die erst gute Resultate beim Rotten erzielt. Man begnügt sich in der Praxis meist damit, die Rotte so zu leiten, daß die Bedingungen für den Granulobakter und die übrigen Pektinvergärer recht günstige werden. Dazu führt man die Gärung bei relativ hoher Temperatur von etwa 25 bis 35°C. durch und wechselt das Wasser öfter, um die Milchsäurebazillen usw. immer wieder zu entfernen. Indem allen anderen Keimen allmählich die Nährstoffe ausgehen, erhält man schließlich eine Reinkultur der Pektinvergärer.
Viel langsamer als diese Wasserrotte geht die Land- oder Taurotte vor sich, bei welcher der Flachs oder andere solche Faserpflanzen auf Wiesen ausgebreitet und der Befeuchtung durch Regen und Tau überlassen bleiben. Bei diesem Vorgange sind es weniger die pektinvergärenden Spaltpilze als höhere Pilze, namentlich Schimmelpilze der Gattung Mucor und Fadenpilze, welche durch Ausscheidung von Pektinase die Pektinstoffe in Zucker auflösen, den sie für sich verbrauchen, dabei aber auch die Zellulose angreifen, also die Fasern selbst beschädigen. Neuerdings ist die moderne Industrie bestrebt, überhaupt die Tätigkeit von Mikroben beim Gewinnen der Faserstoffe auszuschalten und die Pektinstoffe durch erhitzten Wasserdampf oder auch Alkalien zu spalten.
Auch bei der Verarbeitung der Häute zu Leder spielen die verschiedensten Mikroorganismen eine wichtige Rolle. Damit die rohen Häute nicht von den die Eiweißstoffe derselben lösenden Fäulniserregern aufgelöst und verdorben werden, trocknet man sie oder entzieht ihnen das Wasser durch Kochsalz, Glaubersalz oder Gips. Neuerdings sterilisiert man sie auch mit Formalin. Um die solchermaßen getrocknet versandten Häute zu verarbeiten und die Haare aus ihnen zu entfernen, kommen sie in die sogenannten Weichen, wobei die äußerste Schicht von den gewöhnlichsten Fäulniserregern, den Proteusarten, zerstört wird und die Haare ausfallen. Durch Halten der Felle bei niedriger Temperatur, die 12°C. nicht überschreiten soll, sucht man zu verhüten, daß die Fäulnis nicht zu weit greife und die eigentliche Haut verdorben werde. Neuerdings aber ersetzt man diesen etwas gefährlichen Prozeß der Bakterienwirkung durch chemische Mittel, indem man die Häute der Einwirkung von Schwefelalkalien und ähnlichen Enthaarungsmitteln aussetzt.
Die so enthaarten Häute werden dann gewaschen, um den Kalk aus ihnen zu entfernen. Dabei greifen allerlei Bakterien die Plasmasubstanz derselben an, was man bei manchen Häuten, die zu weichem Leder, wie Oberleder, verarbeitet werden sollen, nicht ungern sieht. Bei Kernleder, welchem solches schädlich ist, sucht man, um dem entgegenzuwirken, das Auswaschen durch fleißiges Bewegen der Häute zu beschleunigen und setzt, um den Kalk schneller zu beseitigen, etwas Säure hinzu.
Dann folgt das Beizen, wozu man von alters her die aus Exkrementen von Vögeln oder Hunden bereiteten Mistbeizen benutzt. Manche Naturvölker, wie die Eskimos, verwenden dazu faulenden Urin, den sie zu diesem Zwecke sorgfältig in ihren Hütten sammeln und aufbewahren, was allerdings den Aufenthalt in ihren Behausungen für die Europäer wegen des damit verbundenen üblen Geruches nicht gerade angenehm macht. Solche von Bakterien wimmelnden Mistbeizen dienen vor allem zur Bereitung von weichen und geschmeidigen Ledersorten. Die Bakterien dieser Beizen, unter denen Fäulnispilze und Säurebildner die Hauptrolle spielen, sollen die Plasmasubstanz der Häute auflockern und den Kalk vollständig ausziehen. Nun haben natürlich solche Beizen, ganz abgesehen von ihrem scheußlichen Gestank, noch den großen Übelstand, daß die unkontrollierbaren Bakteriengemenge unter Umständen durch zu weitgehende Wirkung den Häuten schweren Schaden zufügen. Man ist deshalb wie in anderen Gärungsindustrien, so auch in dieser dazu geschritten, sie durch künstlich gezüchtete Nutzbakterien zu ersetzen. Der erste Schritt dazu war die Züchtung der Gesamtkeime des Hundekotes auf künstlichen, mit Fleischbrühe versetzten Nährböden, wobei man wenigstens ein einigermaßen einheitliches, beständiges Mittel in die Hände bekam. Man hat aber weiterhin auch schon eigentliche Reinkulturen erhalten, so eine von einem Bacterium erodiens, die als Erodin in den Handel gelangt und von den Fachleuten günstig beurteilt wird.
Neben der Mistbeize benutzt man bei gewissen Ledersorten, z. B. Handschuhleder, das vornehmlich aus Häuten junger Ziegen bereitet wird, noch die Kleienbeize, in der ebenfalls ein bestimmter Gärungserreger, der Kleiebazillus, die Hauptrolle spielt. Er erzeugt eine Gasgärung, durch welche die Fasern des Leders gelockert werden. Auch bei dieser Art von Beizung treten oft durch Milchsäure- und Buttersäuregärung Schädigungen der Leder ein, oder es entsteht eine solche durch Fäulnis oder durch eine eigenartige Schleimbildung, die dem Leder dauernd den Glanz raubt und durch den großen Bacillus megatherium verursacht wird. Bisweilen verwendet man kombinierte Beizen, in denen Mist und Kleie gleichzeitig gären; in ihnen spielt der Heubazillus (Bacillus subtilis) eine günstige Rolle.
Ist die Beizung vollendet, so kommen die Häute in die Gerbbrühen, in denen wiederum ausgedehnte Gärprozesse vor sich gehen, da sich darin trotz des reichen Gerbstoffgehaltes alle möglichen Bazillen in sehr lebenskräftiger Verfassung vorfinden. Dabei haben auch die Fäulnisbakterien ihre praktische Bedeutung, indem sie neben der Lockerung des Gefüges der Haut aus den Eiweißkörpern etwas lösliche Stickstoffsubstanzen abspalten, die nun den eigentlichen Gärungsorganismen zur Nahrung dienen können. Neben einer geringen Alkoholgärung durch Hefen bilden sich auch allerlei Säuren, besonders Milch- und Essigsäure, die die Hautfasern zur Schwellung bringen, wobei sie sich besonders reich mit Gerbstoff vollsaugen, also sehr energisch gegerbt werden.
Auch das fertige Leder ist beim Lagern der Wirkung von allerlei Mikroorganismen ausgesetzt, die eine Zerstörung durch Stockflecke oder Vermoderung bewirken. Bei weichen Ledern kommt es zu einem „Dumpfwerden“ oder einer Verschleimung, einem Prozesse, der mit starker Erwärmung verbunden ist und in mäßigen Grenzen absichtlich herbeigeführt wird, weil das Leder dadurch leichter festgestampft werden kann und sich auch besser färben läßt. Natürlich muß dieser Prozeß sorgsam überwacht werden, weil er sonst zu einer weitgehenden Verschleimung des Leders und damit verbundener geringer Haltbarkeit führt.
Bild 53–57. Sporenträger verschiedener Schimmelarten.
(Originalzeichnung von Dr. Schnegg in Weihenstephan.)
I. Traubenschimmel (Botrytis), II. Pinselschimmel (Penicillium), III. Kopfschimmel
(Mucor), IV. Kolbenschimmel (Aspergillus), V. Tännchenschimmel (Thamnidium).
Auch die für die Veredelung des Tabaks unbedingt notwendige Fermentation der nach der Trocknung auf einen Haufen zusammengepackten Tabakblätter wird durch mehrere hintereinander arbeitende Bakterien, die man isoliert hat, bewirkt. Dabei steigt die Temperatur auf 50°C und mehr und stellt sich in einem feuchten Klima das „Schwitzen“ ein, das aber in einem trockenen unterbleibt. Dabei wird im Haufen zuerst der Sauerstoff verbraucht, es verschwinden der lösliche Zucker und einige Eiweißspaltprodukte, vor allem das Asparagin. Durch chemische Umsetzungen verschwindet dann bei Sauerstoffabschluß auch ein Teil — etwa 30 Prozent — des giftigen Nikotins und entwickeln sich außer Buttersäure (nicht aber Milchsäure) die chemisch noch völlig unbekannten Aromastoffe. Auf die Hauptfermentation folgt teils vor, teils erst nach der Verpackung des Tabaks in Fässer eine langsame Nachgärung, zu deren Einleitung er häufig durch Besprengen mit zuckerhaltigen Saucen vorbereitet wird. Auch der Schnupftabak wird vergoren, wobei die Temperatur so hoch steigt, daß die meisten Mikroben darin absterben. Die dabei stattfindenden chemischen Umsetzungen sind ebensowenig bekannt als diejenigen bei der Reifung des Kautabaks, bei welcher ebenfalls Mikroben tätig sind.
Ganz ungeheuer wichtig sind die Umsetzungen zahlloser Mikroorganismen bei den verschiedensten Prozessen der Landwirtschaft. Der lockere Boden ist bis ziemlich tief hinab mit unvorstellbaren Mengen der verschiedensten Bakterien erfüllt, die sehr zahlreiche Umsetzungen bewirken, wodurch den höheren Pflanzen erst die Existenz ermöglicht wird. Aus Ammoniak und Ammoniumsalzen oxydieren die durch die Ausbildung von herumschwärmenden beweglichen Keimen charakterisierten Nitrosomonaden Nitrite oder salpetrigsaure Salze, die von den unbeweglichen Nitromonaden weiter mit Sauerstoff zu Nitraten oder salpetersauren Salzen verbunden werden, die dann den Pflanzen als Stickstoffquelle dienen. Alle in den Boden gelangenden organischen Substanzen, seien es Ausscheidungen oder Leichen von Tieren und Pflanzen, werden von den verschiedensten Bakterien immer weiter gespalten und schließlich in einfache Verbindungen aufgelöst, die dann von den Pflanzen als ihre Nahrung aufgenommen zu werden vermögen. Neben solchen, die die Umsetzungen des Stickstoffs besorgen, haben wir welche, die den Hauptanteil am Zerfall der Kohlenstoffverbindungen haben und dahin arbeiten, daß die Kohlensäure wieder in den Kreislauf der Natur zurückgegeben wird. Gleichzeitig werden bei diesen Zerfallprozessen die wertvollen Aschenbestandteile, die fest in der organischen Materie gebunden sind, herausgelöst und dadurch als Nährsalze für die Pflanzen verfügbar.
Manche Bakterien, wie beispielsweise das mit den Buttersäurebazillen verwandte Clostridium pasteurianum, das für gewöhnlich anaerob, d. h. ohne des Sauerstoffs der Luft zu bedürfen, lebt, aber auch bei Gegenwart von sauerstoffliebenden Bakterien bei Anwesenheit von Luft fortkommt, assimilieren den freien Stickstoff der Luft und führen ihn in lösliche Verbindungen über. Diese Eigenschaft, die für die Pflanzenwelt mit ihren beschränkten Stickstoffquellen von der größten Bedeutung ist, kommt auch den Fadenpilzen zu, die sich mit grünen Algenzellen zu Flechten vergesellschaften, wie auch den in den Wurzeln der Leguminosen oder Schmetterlingsblütler in Symbiose mit diesen lebenden Knöllchenbakterien. Es kann hier nicht der Ort sein, auf die komplizierten, sich gegenseitig in die Arme arbeitenden Vereinigungen der winzigsten, dem gewöhnlichen Auge vollkommen unsichtbaren Lebewesen miteinander und mit den höheren Pflanzen einzugehen. Ich habe dies an anderer Stelle getan und verweise die sich dafür Interessierenden auf den achten Abschnitt des früher von mir erschienenen Buches: Das Leben der Erde,[3] in welchem im achten Abschnitte, betitelt Pflanzengenossenschaften, von Seite 561–586 diese wichtigen Symbiosen und ihre Bedeutung für den Kreislauf des Stoffes in der Natur eingehend besprochen wurden.
[3] Es ist dies der zweite Band der in demselben Verlage erschienenen vierbändigen gemeinverständlichen Entwicklungsgeschichte des Naturganzen nach den neuesten Forschungsergebnissen: Vom Nebelfleck zum Menschen, betitelt: Das Leben der Erde, mit 380 Abbildungen und 21 Vollbildern, München 1908.