Die Kunst der Färberei hat sich im Anschluß an die Körperbemalung und Tätowierung entwickelt, die auch der vorgeschichtliche Europäer vor Zehntausenden von Jahren ausübte. Nebst Amulettschmuck sind Knollen von durch Eisengehalt rotem Ocker, der mit Tierfett vermischt zum Bemalen des Körpers diente, die ältesten nachweisbaren kosmetischen Gegenstände des Menschen. Dabei war es ja naheliegend, die Schmuckfarbe von der menschlichen Haut auf die geglättete Innenseite der zum Wärmeschutz umgehängten Tierfelle und später auch an die Außenseite der aus Leinfasern gewebten ältesten Kleidungsstoffe zu übertragen. So haben schon die neolithischen Pfahlbauern, und noch in erhöhtem Maße diejenigen der Bronzezeit, ihre neben den Fellen der erlegten Beutetiere getragenen Leinenkleider, wie wir aus der Verzierung ihrer gleicherweise bekleideten Idole aus gebranntem Ton schließen dürfen, mit einfachen linearen Ornamenten aus Erd- und Pflanzenfarben bedeckt. Neben Ruß und Roteisenstein dienten ihnen, nach den in ihren Kulturresten gefundenen Samen zu schließen, die Beeren des Attichs, einer Holunderart (Sambucus ebulus), zu einem hellen Blau, das Kraut des Wau (Reseda luteola) zu Gelb und vermutlich die Wurzeln der gemeinen Färberröte (Rubia tinctorum) zu einem schön leuchtenden Rot. Wahrscheinlich benutzten sie auch die aus den zerquetschten Blättern des Waids (Isatis tinctoria) gewonnene dunkelblaue bis schwarzgrüne Farbe, mit der sich nach dem Berichte Julius Cäsars die ihm bei seiner Landung in England im Jahre 55 v. Chr. entgegentretenden Britannier an Gesicht und Leib abschreckend bemalt hatten. Bei allen Naturvölkern werden dieselben Farbstoffe, die zur Hautbemalung dienen, trocken oder mit Wasser, seltener Fett oder Öl verrieben, auf ihre Fell- oder Zeugkleidung übertragen.
Die Chinesen, Inder, Perser, Babylonier, Syrer und Ägypter kannten und übten die Färberei seit uralter Zeit. Wie überall sonst dienten gefärbte Kleider auch bei ihnen als gesuchte und deshalb kostbare Gegenstände des Schmuckes und der persönlichen Auszeichnung. Schon in der Genesis wird erzählt, daß Israel seinem viel jüngeren Bruder Joseph einen „bunten Rock“ machte, um ihn zu erfreuen. In den Büchern Moses werden blau, purpurn und scharlachrot gefärbte Kleider als besonders kostbar erwähnt. Vorzugsweise wurde von den Phönikiern in Tyrus die Färberei und der Handel mit gefärbten Stoffen betrieben, und der aus dem Safte der zerquetschten, im Mittelländischen Meere lebenden Purpurschnecken (Murex brandaris und M. trunculus) gewonnene, vom Sonnenlichte nicht abschießende, sondern immer leuchtkräftiger werdende, dunkelviolettrote Purpur, der als Symbol priesterlicher und fürstlicher Würde galt, soll in jener phönikischen Stadt erfunden worden sein. Bereits die ältesten Ägypter verstanden ihre Leinenkleider, wie auch die aus demselben Material verfertigten Binden, mit denen sie ihre mumifizierten Toten einwickelten, kunstreich zu färben und unterschieden ihre Hauptgötter an den verschiedenen Farben ihrer heiligen Gewänder. Der römische Naturforscher Plinius der Ältere, um die Mitte des 1. christlichen Jahrhunderts, berichtet voll Bewunderung von dem eigentümlichen Verfahren der hochentwickelten ägyptischen Färberei, wonach das Zeug in die heiße Farbbrühe getaucht und einfarbig herausgezogen, später aber mit noch anderen Farben geschmückt wurde. Es scheint, als ob hier schon von Färberei mit Wachsdeckung in Verbindung mit nachfolgender Zeugdruckerei die Rede sei. Die Produkte des ägyptischen Kunstfleißes wurden weit verführt, und werden sowohl von jüdischen, als von griechischen Schriftstellern häufig erwähnt. Der Sitz der ägyptischen Linnenmanufaktur und -färberei war die alte Hauptstadt Memphis in Unterägypten, woselbst die bedeutendsten tyrischen Kleider- und Stoffhändler besondere Faktoreien und Färbereien besaßen. Auch die von ihnen in Tyrus selbst zu färbenden Zeuge, Gewänder und Teppiche bezogen sie zum großen Teil aus Ägypten, wie im Klagelied des im Jahre 598 v. Chr. mit dem König Jojachin von Juda von den Assyriern nach Mesopotamien abgeführten Propheten Hesekiel über die Zerstörung von Tyrus zu lesen ist.
Die alten Griechen scheinen auf kunstvoll gefärbte Kleider weniger gehalten zu haben; denn sie trugen, im Gegensatz zu den prunkliebenden Orientalen, meist ungefärbte Gewänder. Dies war wenigstens in der klassischen Zeit der Fall; aber noch im 7. und teilweise noch im 6. vorchristlichen Jahrhundert hatten auch sie, vom phönikischen Handelsimport beeinflußt, vielfach buntfarbige Gewänder getragen, mit denen sie in späterer Zeit nur noch die Statuen ihrer Götter bekleideten und die ihre Schauspieler als Abzeichen der alten Zeit trugen, wenn sie in den als gottesdienstliche Handlungen aufgefaßten öffentlichen Schauspielen die in längstvergangener Zeit lebenden Heroen darstellten, als ob sie noch unter den Sterblichen wandelten. In demselben Sinne brachten auch die attischen Jungfrauen der Stadtgöttin Pallas Athene an dem ihr geweihten Feste der Panathenäen ein kunstvoll farbig verziertes Obergewand, das péplon, zu einer Zeit dar, da sonst niemand mehr in Athen solch orientalisch bunte Kleider trug. Bei den Römern war eine rote Verbrämung des weißen, als Toga bezeichneten Obergewandes die Auszeichnung der noch nicht mannbaren Knaben und der Standespersonen. Die Ritter trugen den rotgestreiften Mantel, die trabea. Bei Trauer wurde die Toga schwarz gefärbt. Bei den Spielen im Zirkus unterschieden sich die verschiedenen Parteien durch die Farbe ihrer Anzüge und Plinius spricht von Grün, Orangerot, Grau und Weiß. Als Farbmaterial benutzte man im Altertum nach dem Pflanzenverzeichnis des Dioskurides und anderer Autoren Safran, Waid, Färberginster, Krapp, Alkanna, Galläpfel, die Samen des Granatapfels und einer ägyptischen Akazie, verschiedene Früchte und als Phykos bezeichnete Farbflechten. Da man außerdem Alaun, Eisen- und Kupfervitriol anwandte, muß das Beizen schon bekannt gewesen sein. Von allen diesen Farbpflanzen wurde aber außer Safran, der mehr als Gewürz diente, Wau, Waid und Krapp keine einzige von den Römern angebaut.
Auch bei den Kelten und Germanen der frühgeschichtlichen Zeit war die Kunst des Färbens ziemlich ausgebildet. So berichtet der römische Geschichtschreiber Tacitus (74–118 n. Chr.) von den deutschen Frauen, daß sie ihre Kleidung mit Rot zu verzieren pflegen. Aus Gallien führt er purpurrot färbendes Kraut an, womit er jedenfalls die zu jener Zeit auch in Germanien bekannte und angewandte gemeine Färberröte oder Krapppflanze meinte. Die Kultur dieser Pflanze wurde dann, wie wir bald sehen werden, im späteren Mittelalter in gewissen Landschaften Mitteleuropas sehr intensiv betrieben. Ebenso geschätzt war bei den frühgeschichtlichen Mitteleuropäern der zum Blaufärben benutzte Waid, der unter diesem Namen für Westgermanien bezeugt ist und im 6. Jahrhundert bei den Goten unter dem Namen wizdila gebräuchlich war. Auch die gelbfärbende Färberdistel wurde auf Wiesen und an feuchten Orten, wo sie wild wächst, gesammelt und von den Frauen zum Färben benutzt.
Die Entwicklung der Färberei wurde in Europa im 5. Jahrhundert durch die Wirren der Zeit der Völkerwanderung erstickt, blühte aber im Orient weiter, dessen bunte Textilstoffe von der tyrischen Blütezeit ab im ganzen Abendland hochgeachtet waren. Besonderen Ruf für ihre Produkte erlangten in ihm die Perser und Syrer, die gleich den Indern die kunstvollsten Webereien und Stickereien in den buntesten Farbenzusammenstellungen, wie sie nur die glanzvolle Beleuchtung unter dem südlichen Himmel eingab, schufen. Im Morgenlande übertrug sich auch die seit alter Zeit beobachtete Standesunterscheidung durch Farben der Gewänder auf die Muhammedaner, bei denen Grün die Auszeichnung der Familie des Propheten, der grüne Turban aber das Kennzeichen des Hadschi, d. h. desjenigen ist, der die vom Propheten vorgeschriebene Pilgerreise nach Mekka absolviert hat. Ähnlich wie in Indien heute noch den einzelnen Kasten, wie auch den verschiedenen Rangstufen innerhalb derselben genau vorgeschrieben ist, welche Farben und in welcher Zusammenstellung sie dieselben tragen dürfen. Die europäischen Fabrikanten kennen diese Gesetze ganz genau und haben eigene Musterbücher dafür.
In Indien steht die Kunst der Färberei auf derselben hohen Stufe wie vor tausend Jahren. Hier gibt man den Zeugen an den Stellen der Zeichnung, die anders gefärbt werden sollen, einen Überzug von Mastix, den weder kalte, noch warme Farbstofflösung aufzulösen vermag. Ist das Gewebe in der betreffenden Farblösung gefärbt, so braucht man nur den Mastix in Spiritus aufzulösen, unter dessen Hülle dann der Grund des Zeuges in seiner ursprünglichen Färbung zum Vorschein kommt. Die Malaien Indonesiens verfahren in ähnlicher Weise beim Färben ihrer Sarongs oder Lendentücher, ihrem oft einzigen, jedenfalls aber wichtigsten Kleidungsstück, dem sie die zierlichsten Muster zu geben wissen. Auf einem Kohlenfeuer wird eine bestimmte Wachsmischung flüssig gemacht, in einen pfeifenkopfähnlichen Behälter oben an einer dünnen Kupferröhre gegossen und fließt von da durch die Röhre ab, durch welche es vermittelst Fingerdruck auf das Zeug geleitet wird. Hier deckt es alle jene Stellen, welche nicht in der betreffenden Farbe koloriert werden sollen. Natürlich muß die Zeichnung von beiden Stellen gleichmäßig mit der Wachslösung bedeckt werden, damit die Farbe nicht von einer Seite eindringen könne. Nach dem Färben in kalter Farblösung wird das Wachs durch Kochen in heißem Wasser entfernt und dieselbe Prozedur für alle folgenden Farben vorgenommen, soviel solcher zur Anwendung gelangen. Mit dieser sogenannten Battikfärberei vermögen die Malaien besonders des östlichen Java die wunderbarsten Effekte zu erzielen und farbige Muster von staunenswerter Grazie zu erzeugen.
Auch die Bewohner der polynesischen Inseln färbten, ehe sie die europäischen Baumwollstoffe kennen lernten, ihre mit Holzklöppeln breit geschlagenen Lendentücher aus weichem Baumbast mit den verschiedensten einfachen Mustern. Unsere Museen bergen teilweise bemerkenswerte Proben dieser verzierten polynesischen Tapa. Noch sehr viel kunstvoller verstanden die alten Peruaner und Mexikaner vor der Zerstörung ihrer hohen Kultur durch die goldgierigen Spanier ihre Lama- und Baumwollgewebe, wie auch Lederarbeiten mit Farbmustern zu bemalen. Proben mexikanischer Gewebe, die Fernando Cortez an Karl V. nach Europa sandte, erregten durch ihre Schönheit nicht geringes Aufsehen. Und wer je das Berliner Völkermuseum besuchte, wird von den zahllosen hübschen Mustern überrascht sein, welche in den Umhüllungen und Beigaben der Mumien von Ancon und anderer Gräberfelder in Peru aus der Zeit der Inkas zutage gefördert wurden. Sie gefielen den modernen Europäern in so hohem Maße, daß diese schematisierten Muster auf zahllosen Erzeugnissen der heutigen Textilindustrie kopiert wurden und uns häufig, besonders an Tischdecken, entgegentreten. Auch die Indianerinnen Nordamerikas wußten einst Fasern und Schnüre zu färben, mit denen sie die Kleider und Mokassins, d. h. Schuhe aus weichem gegerbtem Leder, wie auch die Zeltdecken aus Büffelhaut schmückten. Heute noch üben die von der Kultur noch nicht zugrunde gerichteten Indianerstämme Alaskas, wie besonders die Thlinkiten und Bella-kula, ihre hochentwickelte Färbekunst auf Leder und Holz zur Freude der ethnographischen Sammlungen aus. Als Färbemittel gebrauchen die verschiedenen Indianerstämme Zinnobererde, Büffelbeeren, Blaubeeren, Gelbholz, Quercitron, Galläpfel usw.
Durch die Vermittlung der Kreuzzüge, die das Abendland in nähere Verbindung mit dem Morgenlande brachten, gelangte die Schönfärbekunst im 12. und 13. Jahrhundert wiederum nach Europa, abgesehen von Spanien, das in den Mauren treffliche Färbekünstler besaß. Zunächst wurde diese für das übrige Europa neue Kunst in Italien geübt, das ja durch seine Schiffahrt in regster Verbindung mit dem Oriente stand. Zuerst war es Florenz und dann Venedig, deren Färbereien bald den höchsten Ruhm im Abendlande erlangten. Ein Einwohner der erstgenannten Stadt hatte im 13. Jahrhundert das Geheimnis der Darstellung der blaufärbenden Orseille aus einer Flechte in Kleinasien erworben und brachte durch die Einführung derselben in die Praxis seiner Vaterstadt unermeßliche Vorteile. In Venedig erschien 1548 das erste Werk über Färberei von Giovanni Ventura Rosetti, das großes Aufsehen erregte und nicht wenig dazu beitrug, das Interesse an der Färberei in ganz Europa zu erwecken. Nördlich der Alpen gewann sie zuerst größere Bedeutung in Flandern, dessen Tuch- und Leinenweberei in hoher Blüte stand. Von hier aus verbreitete sich die Kunst der Schönfärberei allmählich über die anderen Länder Europas. In Deutschland war es der mächtige Bund der Hansa, der auch diesem Erwerbszweig große Aufmerksamkeit schenkte. Er ließ zuerst aus Italien, dann aus Flandern geschickte Färber als Lehrmeister der einheimischen kommen. Diese bildeten damals schon stattliche Zünfte, so in Augsburg 1390 und bald darauf auch in anderen schwäbischen Städten. Nach London ließ König Eduard III. von England ums Jahr 1373 Färber aus Flandern kommen, die das einheimische Gewerbe in die Höhe brachten, so daß die Zunft der Färber 100 Jahre später in London so stark vertreten war, daß sie eine eigene Kompagnie der städtischen Miliz bildete.
Von großem Einfluß auf die Entwicklung der Färberei war die Entdeckung von Amerika, indem dadurch nicht allein alle Verkehrsverhältnisse von Grund aus verändert wurden, sondern auch eine Menge wichtiger neuer Farbstoffe wie Rot- und Blauholz, Cochenille, Orlean und Quercitron in den Handel kamen. Nicht minder bewirkte die Auffindung des Seewegs nach Ostindien einen vermehrten und zugleich billigeren Bezug des bis dahin sehr kostbaren Indigo. Weil sich aber durch dessen Einfuhr die Waidbauern beeinträchtigt fühlten, so hatte der edle indische Farbstoff in Europa mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen. Auf Anstiften der einheimischen Waiderzeuger verbot ihn ein Edikt der Königin Elisabeth in ganz England; zugleich wurden die im Lande befindlichen Vorräte zerstört. Die Verwendung von Indigo wurde sogar mit Todesstrafe bedroht; erst im Jahre 1661 unter Karl II. wurde seine Einfuhr und Anwendung wieder gestattet.
Zu Anfang des 16. Jahrhunderts kam der Krappbau aus dem Orient nach Schlesien und Holland und 100 Jahre später auch nach Südfrankreich. Die Purpurfärberei mit der seit 1526 getrocknet als Cochenille von Mexiko in den Handel kommenden Schildlaus des Nopalkaktus nahm einen unerwarteten Aufschwung, als im Jahre 1650 der Holländer Cornelius Drebbel das Zinnsalz als Ersatz des Alauns einführte und auf Grund seiner Erfindung eine großartige Färberei besonders für Rot bei London errichtete. Ein Landsmann von ihm, Adrian Brauer, war es, der 1667 die Wollfärberei in England einführte. Nachdem man in der Mitte des 16. Jahrhunderts Indigo und Blauholz in England eingeführt hatte, eignete sich das Land erst mit Ende des 18. Jahrhunderts die Färberei mit Quercitron und Türkischrot, vorzugsweise auf Bankrofts Betreiben hin, an, dessen 1790 erschienenes Werk über Färberei die Grundlage der neueren Kunst bildete. In Frankreich begann sich die Färberei erst unter Ludwig XIV. zu heben, als der seit 1660 als Generalkontrolleur der Finanzen an der Spitze der Verwaltung stehende Staatsmann Colbert durch d’Albo eine tüchtige Färberordnung aufstellen ließ, die 1669 in Paris veröffentlicht und von den segensreichsten Folgen war. Und als später die französische Akademie diesem Zweige des Kunstgewerbes ihre Aufmerksamkeit zuwandte, und 1762 Joannes Althen, ein Armenier, das Geheimnis der Türkischrotfärberei zuerst nach Frankreich gebracht hatte, entwickelte sich die Färbekunst in diesem Lande so gewaltig, daß es darin bald an der Spitze aller übrigen Länder zu stehen kam.
Um 1700 entdeckte man in Berlin das Berlinerblau, und 1740 erfand Barth die Sächsischblaufärberei mit Indigosulfosäuren. Die neueste Zeit hat die Färberei durch das Studium des Verhaltens der Beizen gegen die Farbstoffe sehr gefördert; außerdem häuften sich die Entdeckungen aus dem Mineralreich, und in neuen Verbindungen der organischen Chemie lernte man die wertvollsten Rohmaterialien für glänzende Farben kennen. Erregte in dieser Beziehung schon das Murexid aus Harnsäure großes Aufsehen, so wurden alle bisherigen Erfolge seit 1859 durch die Entdeckung der Teerfarben, und zwar zunächst des Fuchsins, noch weit übertroffen. Diese beherrschen jetzt vollständig die Färberei und geben Farben in allen Nüancen von einer Leuchtkraft und vielfach auch Echtheit, wie sie vorher ganz unbekannt waren. Zudem wurden allerlei Verfahren gefunden, um einige der wichtigsten Pflanzenfarbstoffe wie Alizarin und Indigo künstlich herzustellen, so daß der Krappbau ganz und die Indigopflanzungen Indiens wenigstens zum größten Teile eingestellt wurden.
Wenden wir uns nun nach diesem kurzen Überblick über die Geschichte der Färberei zu den einzelnen Farbpflanzen, und zwar sei mit einer der ältesten und wichtigsten begonnen, welche die dem naiven Empfinden des primitiven Menschen am stärksten in die Augen stechende und deshalb am meisten zusagende Farbe, nämlich die rote, in großer Leuchtkraft liefert. Es ist dies der Krapp, oder die Färberröte (Rubia tinctorum), eine 60–90 cm hohe Staude mit dornig scharfen Stengeln und Blättern, gelben Blüten und schwarzen Früchten. Ihre technische Bedeutung verdankt sie dem kurzen, knorrigen Wurzelstock von 20–30 cm Länge und 5–12 mm Dicke, der außen von einer rotbraunen Rinde bedeckt, innen aber gelbrot ist. Die Pflanze gedeiht am besten auf humusreichem Boden und wird durch Ausläufer vermehrt, die man im März setzt. Im Herbst wird das Kraut, das ein gutes Viehfutter bildet, gemäht, wonach man die Stöcke zum Schutz gegen die Winterkälte mit Erde bedeckt. Die Ernte der Wurzeln geschieht erst im Spätherbst des dritten, im Morgenland sogar erst des fünften und sechsten Jahres. Nach der Entfernung der wenig wertvollen Oberhaut werden die Wurzeln zunächst getrocknet und kommen dann zerschnitten, meist aber gemahlen, als Krapp in den Handel. Er bildet ein grobes, safranfarbiges Pulver von eigentümlichem Geruch und säuerlichsüßem Geschmack, das begierig Feuchtigkeit aus der Luft an sich zieht und infolgedessen leicht zusammenbackt. Deshalb muß es sorgfältig vor Luft und Licht geschützt werden. Durch mehrjährige Aufbewahrung verbessert der Krapp seine Qualität, geht aber nach dem 5. bis 6. Jahre zurück. Außer den gewöhnlichen Pflanzenbestandteilen enthält er ein farbloses Glykosid, Ruberythrin, das sich unter dem Einfluß eigentümlicher Fermente langsam in Zucker und einen roten Farbstoff, das Alizarin, zersetzt. Daher kommt es, daß der Krapp beim Aufbewahren an Kraft des Färbevermögens gewinnt.
Seine Heimat hat der Krapp im Mittelmeergebiet bis Syrien und Persien, wo zunächst die Wurzeln der wilden Pflanze vom Menschen gesammelt und zum Färben benutzt wurden; doch wurde er im Orient und in Griechenland schön früh angebaut, ebenso von den Römern, die ihn den Völkern nördlich der Alpen vermittelten. Der griechische Arzt Dioskurides berichtet um die Mitte des 1. christlichen Jahrhunderts, daß das auch als Arzneimittel gebrauchte erythródanon angepflanzt werde und wild vorkomme; seine Wurzeln verwende man aber hauptsächlich zum Färben. Er sagt: „Der Krapp (erythródanon) auch téuthrion, drákanos und kinnábaris, bei den Römern rubia passiva, bei den Etruskern lappa minor, bei den Ägyptern aber sophobí genannt, hat eine rote Wurzel, die zum Färben dient. Es gibt eine wildwachsende und eine kultivierte Sorte, welche letztere beispielsweise in Ravenna angepflanzt wird. In Karien sät man den Krapp zwischen Ölbäumen. Sein Anbau bringt großen Gewinn. — Die Wurzel ist dünn, lang, rot, dient auch als Arznei.“ Sein Zeitgenosse Plinius schreibt in seiner Naturgeschichte: „Der Krapp (rubia, von rubus rot) ist zum Färben der Wolle und des Leders unentbehrlich und sein Anbau bringt viel Gewinn. Für vorzüglich gilt der bei Rom gezogene, doch wird er in fast allen Provinzen kultiviert. Man sät ihn wie die Kicherplatterbse (ervilia), doch wächst er auch wild. Er dient auch als Arznei.“ Der unter Cäsar und Augustus lebende Kriegsingenieur Vitruvius sagt in seinem Buche de architectura über ihn: „Um für Wandgemälde eine Purpurfarbe zu bekommen, färbt man Kreide mit Krapp (rubia) und Kermesbeeren (hysginum) von der Kermeseiche rot. Man bereitet auch andere Farben aus Blütenpflanzen. Um ein Ockergelb zu gewinnen, wirft man getrocknete Veilchen (viola) in ein Gefäß, gießt Wasser dazu und läßt die Mischung kochen. Ist sie wieder abgekühlt, so schüttet man sie in ein leinenes Tuch, drückt sie aus und tut das von Veilchen gefärbte Wasser in einen Mörser und reibt es mit eretrischer Kreide (Eretria, Stadt auf der Südwestküste von Euböa in Griechenland, wurde 490 v. Chr. durch die Perser zerstört, aber wieder aufgebaut) zusammen. Man macht auch eine schöne Purpurfarbe aus Heidelbeeren (vaccinium), indem man sie ebenso behandelt und Milch hinzufügt. Ein schönes Grün bekommt man, wenn man etwas Blaugefärbtes mit der gelben Farbe des Wau (luteum, d. h. gelben, von Reseda luteola) tränkt. Fehlt es an Indigo (color indicus, d. h. indischer Farbe), so wendet man Waid (vitrum, von Isatis tinctoria) an, einen Farbstoff, den die Griechen hyalon nennen.“
In dem Verzeichnis der Pflanzen, die Karl der Große auf seinen Gütern angepflanzt haben wollte, wird die Färberröte unter dem fränkischen Namen warentia angeführt, doch verbreitete sich die Krappkultur erst einige Jahrhunderte später in Frankreich, wo sie in mittelalterlichen Akten öfter erwähnt wird. Sie erlosch dann wieder, so daß sie gegen das Ende des 16. Jahrhunderts fast nur noch in Holland betrieben wurde. Im Jahre 1760 ließ der französische Minister Bertin Samen des morgenländischen Krapps, der von Rubia peregrina abstammt und heute noch der farbstoffreichste und infolgedessen geschätzteste ist, nach Frankreich kommen und unter die Landleute verteilen. In der Grafschaft Avignon führte der bereits erwähnte Armenier Joannes Althen 1766 den bis dahin dort unbekannten Krappbau ein, der sich wenig später auch im Elsaß verbreitete. In Deutschland wurde wohl zuerst in Schlesien Krapp gebaut; wenigstens datiert eine Breslauer Röteordnung von 1574. In Böhmen, wo im 16. und 17. Jahrhundert der Krappbau ebenfalls blühte, wurde er durch den Dreißigjährigen Krieg zugrunde gerichtet; auch in Sachsen, Bayern und Baden ging er ganz zurück. In der Pfalz datiert er seit 1763. In den 1830er Jahren nahm er aber wieder einen großen Aufschwung und wurde besonders in Südfrankreich um Avignon, dann in Holland und im Elsaß betrieben, bis im Jahre 1860 die deutschen Chemiker Gräbe und Liebermann den Krappfarbstoff, das Alizarin, künstlich aus Anthracen, einem Teerprodukt, darstellten. Dadurch wurde der Krappbau an seiner Wurzel angegriffen und ging begreiflicherweise stark zurück, obschon Napoleon III. zum Schutze des südfranzösischen Krappbaus die Hosen und teilweise auch die Mützen des französischen Militärs mit dem Krappfarbstoff rot färben ließ. Jetzt wird hauptsächlich in Kleinasien, Ägypten und Ostindien, teilweise auch in Nordamerika und Australien Krapp gebaut. In Ostindien wird die einheimische Rubia munjista gepflanzt, woher der aus jenem Lande stammende Krapp als Munjit bezeichnet wird. In Westindien und Südamerika werden ebenfalls besondere Arten von Rubia kultiviert, deren Wurzeln zum Färben dienen. Heute wird der Krapp meist nur noch in technisch veralteten Färbereien benutzt. Durch Anwendung verschiedener Beizen können mit ihm, beziehungsweise dem künstlich hergestellten Alizarin, alle Nüancen von Rot und Violett und teilweise auch von Braun erzielt werden. Er dient mit dem Samen der syrischen Raute (Peganum harmala) zur Türkischrotfärberei und zum Rotfärben von Tinte und Lack.
Einen ebenfalls schon sehr lange zum Färben benutzten dunkelroten Farbstoff liefert die Wurzel der echten Alkanna oder Alhenna, des kýpros der Alten von Lawsonia inermis, einem in Ostafrika, Arabien, Ostindien, den Sundainseln und Nordaustralien wachsenden sehr ästigen, wild meist bedornten, in der Kulturpflege aber vielfach dornenlos gewordenen Strauch von 2–4 m Höhe mit 1–1,5 cm langen Blättern und gelblichweißen bis ziegelroten Blüten. Seit uralter Zeit wird er im Orient und in Nordafrika, neuerdings auch in Ostafrika kultiviert und findet sich jetzt ostwärts bis Südchina und westwärts bis Marokko und Senegambien angebaut. Die braunrote, etwas zusammenziehend schmeckende Wurzel kam früher nach Südeuropa in den Handel und ist heute noch in Persien und Indien als Heilmittel und zum Färben im Gebrauch. Sie wird, wie auch die Stengel, mit Wasser gekocht und gibt eine gelblichrötliche Flüssigkeit, welche auf weiteren Zusatz von Alkalien intensiver rot wird, bis eine fast karminrote Lösung entsteht. Die Blüten sind wegen ihres Wohlgeruchs sehr geschätzt und spielen bei den religiösen Akten der Buddhisten eine große Rolle, die Blätter aber werden, wie die Mumienfunde aus dem alten Ägypten beweisen, seit sehr langer Zeit im Niltal zum Gelbrotfärben der Nägel der Finger und Zehen, der Fingerspitzen, der Handflächen und Fußsohlen verwendet, womit die Frauen ihre Schönheit zu erhöhen glauben. Die Pflanze heißt im Altägyptischen puker, woraus durch Umstellung das koptische kuper, das hebräische kopher und das griechische kýpros entstand. In einigen altägyptischen Parfümerierezepten und als Bestandteil des heiligen Räucherpulvers kyphi wird kuper als Bestandteil angeführt. Und wie die Frauen im alten Ägypten, so bedienen sich die heutigen Bewohnerinnen des Niltals wie überhaupt die Araberinnen des von ihnen fagu oder fagia genannten Strauches in der oben genannten kosmetischen Weise. Zu diesem Zwecke werden die Blätter, die getrocknet und gepulvert unter dem Namen Henna in den Handel kommen, mit Kalkmilch verrieben und aufgetragen. Alternde Frauen färben sogar ihre weiß werdenden Haare, Männer ihren Bart und die Mähne ihrer Pferde damit orangerot. Diese unserem Geschmack wenig zusagende Verschönerung ihres Äußeren halten die Orientalinnen für ebenso notwendig, als das Bemalen der Augenlidränder und Stirnmitte mit Strichen des schwarzen kuhl, einer aus Ruß oder zerstoßenem Schwefelantimon hergestellten Paste, die bereits die Frauen im alten Ägypten benutzten, wie wir aus den Gräberfunden und alten Rezepten auf Papyri wissen. In Indien dient die Henna zum Schwarzfärben von Leder.
Denselben prachtvollen roten Farbstoff Alkannin wie die echte birgt die unechte Alkanna, die Wurzel der in der Türkei, in Kleinasien und besonders in Ungarn angepflanzten und in Ballen von etwa 100 kg zu uns in den Handel gelangenden Färberochsenzunge (Anchusa tinctoria), die zum Rotfärben von Haarölen, Pomaden, Polituren usw. dient, außerdem zum Färben von Leder und in Lyon zum Färben von Seide benutzt wird. Schon die alten Griechen und Römer bedienten sich ihrer zum Rotfärben und Schminken, wie auch als Arznei. So schreibt Theophrast im 4. vorchristlichen Jahrhundert: „Die Färberochsenzunge (anchúsa) hat eine rote Wurzel wie der Krapp, und färbt rot.“ Hesychios schreibt: „Sich anchusieren (anchusízesthai) heißt: die Wangen mit anchusa schminken,“ und der Arzt Dioskurides sagt, die Wurzel sei fingerdick, fast blutrot und werde als Arznei benutzt und in Salben getan. Sein Zeitgenosse Plinius schreibt: „Die fingerdicke Wurzel der anchusa färbt die Finger blutrot und bereitet die Wolle für kostbare Farben vor. Auch wird sie als Arznei gebraucht.“ Bei der Besprechung der Salben erwähnt er die anchusa neben dem von dem Drachenbaume (Dracaena draco) auf der ostafrikanischen Insel Sokotra stammenden Drachenblut (cinnabaris, d. h. Zinnober) als Farbstoff (color). Auch im Mittelalter und in die Neuzeit hinein war dieser Farbstoff gebräuchlich, bis er durch bessere verdrängt wurde.
Ein ähnliches Rot wie die Färberochsenzunge liefert der Färberkroton oder die Tournesolpflanze (Chrozophora tinctoria), eine einjährige Wolfsmilchart von den sandigen Küsten des Mittelmeergebiets und aus Arabien mit langgestielten, behaarten Blättern und hängenden Fruchtkapseln. Sie diente bei den Alten zum Vertreiben der Würmer und zum Wegätzen der Warzen; jetzt wird sie zur Herstellung der Bezetten oder Schminkläppchen benutzt. Es sind dies Leinwandläppchen, die in Südfrankreich mit dem Safte der Blüten und Früchte des Färberkrotons, jetzt aber meist mit dem Extrakte des Pernambukholzes so stark getränkt werden, daß sie leicht Farbstoff abgeben. Man verwendet die Bezetten zum Schminken, zum Färben von Backwerken, Likören, Gelees und namentlich in Holland zum Färben der 2–10 kg schweren runden Süßmilchkäse, die nach der Stadt Edam benannt werden, aber vorzugsweise in der Gegend von Hoorn und Alkmaar in Nordholland hergestellt werden. Der Färberkroton wird hier und da, so namentlich bei Montpellier, angepflanzt.
Weniger wichtig ist der rote Farbstoff der syrischen Raute (Peganum harmala), eines ausdauernden Gewächses mit 30–40 cm langem Stengel und ziemlich großen, weißen Blüten, das gesellig in den Steppen Spaniens, Nordafrikas und von Südrußland bis zur Dsungarei und Tibet wächst. Die Samen dienen in der Türkei als schweißtreibendes, Würmer vertreibendes und berauschendes Mittel, auch als Gewürz, besonders aber in Verbindung mit der pulverisierten Krappwurzel zur türkischen Rotfärberei. Aus ihnen wird das auch sonst vielfach zum Färben benutzte Harmalin oder Harmalarot gewonnen.
Von anderen roten Farben finden wir in der Alten Welt den unschädlichen Farbstoff der Kermesbeeren oder Scharlachkörner in Form von braunroten, erbsengroßen, mit rotem Safte angefüllten Hüllen der Kermesschildlaus (früher Coccus, jetzt Lecanium ilicis), die sich an der in Südeuropa wachsenden strauchartigen Kermeseiche (Quercus coccifera) finden. Sie werden von armen Leuten, besonders Hirten und Kindern, die sich zu diesem Zwecke die Nägel lang wachsen lassen, von den Zweigen abgekratzt und kommen besonders von Nauplia in Griechenland aus in den Handel, um speziell nach Marokko, Tunis und Alexandrien verschifft zu werden, wo dieselben in hohem Preise stehen, weil die Muhammedaner ihre Wolltücher, namentlich aber ihre von uns nach der Stadt Fez in Marokko als Fez bezeichneten Kopfbedeckungen rot färben. Bei uns dienten sie früher an Stelle der teueren Cochenille in der Färberei, namentlich zur Herstellung eines schlechten Karmins, des Kermesbeeren- oder Karminlacks, und in der Apotheke zur Bereitung des Kermes-Sirups und des Alkermes-Konfekts, Präparaten, mit denen die arabischen Ärzte im Mittelalter das Abendland bekannt machten. Al ist der arabische Artikel und kermes oder kermas heißt arabisch-persisch wurmerzeugt (von kirm, Wurm). Von diesem Kermes rührt das arabisch-persische kirmasi für Karminrot her, ein Ausdruck, der als Karmoisin (später in Karmin abgekürzt) ins Deutsche überging. Der Karmoisinlack wurde besonders in Persien zur Herstellung der berühmten roten Lackwaren benutzt und kam ebenfalls durch die Vermittlung der Araber zur Kenntnis der Völker des Abendlandes. Diese Kermesbeeren wurden schon bei den alten Griechen zum Färben verwendet und hießen bei ihnen kókkos. So schreibt Dioskurides: „Die Kermeseiche (kókkos baphiké) ist ein kleiner, ästiger Strauch, an welchem Körner (kókkos) wie Linsen (phakós) hängen, welche gesammelt und aufbewahrt werden. Die besten kommen aus Galatien und Armenien, geringere aus Asien (dem nordwestlichen Kleinasien, das bei den Römern die Provinz Asia bildete) und Kilikien, die geringsten aus Spanien. Außer zum Färben gebraucht man sie in der Heilkunde, mit Essig verrieben, äußerlich als zusammenziehendes Mittel.“ Wie wir von Vitruv im letzten Jahrhundert v. Chr. erfahren, hieß das Kermesbeerenrot bei den Römern hysginum und wurde viel zum Färben und Schminken, auch zum Rotmalen von Wänden und Wandgemälden benutzt. Noch heute sind in Griechenland ausgedehnte Landstrecken, namentlich Bergabhänge und für anderweitige Kultur unbrauchbare Berge dicht mit dem Gestrüpp der Kermeseichen besetzt, die zur Kermesgewinnung ausgebeutet werden.
Ein Surrogat dieser echten Kermesbeeren der Kermeseiche bilden die schwarzen Beeren der aus Nordamerika bei uns eingeführten und in Südeuropa verwilderten gemeinen Kermesbeere (Phytolacca decandra), eines ausdauernden Krautes mit länglicheiförmigen, ganzrandigen Blättern. Mit dem roten Safte der Beeren färbt man in Frankreich und Portugal die Weine und in ganz Europa die Zuckerwaren, besonders Sirup rot; doch ist dieser Farbstoff weit weniger haltbar als derjenige der echten Kermesbeeren der Kermeseiche. Von Bordeaux verbreitete sich der Anbau dieser Pflanze seit 1770 nach Süddeutschland und Norditalien. Die jungen Blätter und Schößlinge werden gekocht als Gemüse gegessen. Ihr naher Verwandter, der Kermesbeerenspinat (Phytolacca esculenta) wird in seiner Heimat Südamerika wegen seines würzigen Wohlgeschmacks als Spinatpflanze kultiviert, verträgt aber unser Klima schlecht, so daß er kaum je bei uns eingebürgert werden dürfte.
Weitere, noch wertvollere rote Farbstoffe hat uns die Neue Welt in der Cochenille und dem Brasilholz geschenkt. Erstere besteht aus den getrockneten Weibchen der in ganz Mittelamerika heimischen, aber vorzugsweise in Mexiko auf Opuntien (Nopalkaktussen) gezüchteten Cochenilleschildlaus (Coccus cacti), die den modernen Karmin — früher nach den Kermesschildlauskörnern der Mittelmeerländer aus dem arabischen kirmasi Karmoisin genannt — liefern. Was die Kermeskörner der Kermeseiche den Kulturvölkern der Alten Welt, das war denjenigen der Neuen Welt, zumal den Azteken in Mexiko, die Cochenille, die ihnen vorzugsweise zum Rotfärben diente. Als die Spanier diesen prächtigen Farbstoff kennen lernten, waren sie so sehr von ihm entzückt, daß sie ihn sofort in ihrer Heimat einführten. Um diesen Farbstoff selbst zu produzieren, wurde die Cochenillekultur mit dem Nopalkaktus im 18. Jahrhundert von Mexiko aus nach Südspanien und 1853, als die Weinkultur durch die Traubenkrankheit fast ganz ruiniert war, auch nach den Kanarischen Inseln, besonders Teneriffa, verpflanzt, wo sie bald zum Haupterzeugnis des Landes wurde. Von 1853 bis 57 wurden von Teneriffa über 2 Millionen kg und 1857 allein ¾ Millionen kg exportiert. Noch früher wurde diese Schildlaus mit ihrer Nährpflanze nach Java verbracht, von wo 1853 über 45000 kg Cochenille gewonnen wurden. Erst seitdem die auf künstlichem Wege aus Teerabkömmlingen hergestellten echteren und intensiver färbenden Anilinfarben, besonders das Fuchsin, in der Färberei aufkamen, wurde die Cochenillezucht völlig zurückgedrängt.
Ein anderer amerikanischer roter Farbstoff ist das Pernambuk- oder echte Brasilholz, das von einem baumartigen Hülsenfrüchtler (Caesalpinia echinata) mit kurzstacheligen Ästen, unpaarig gefiederten Blättern, kurzgestielten, gelb und rot gefleckten, wohlriechenden Blüten in fast rispiger Traube und dornigen Hülsen stammt. Seine indianische Bezeichnung brasil soll dem Lande Brasilien den Namen gegeben haben. Letzteres wird nämlich erst seit 1580 so genannt, während man das Brasilholz unter diesem Namen schon seit 1494 kannte. Früher hieß es auch „Königinholz“, weil seine Verwertung jahrhundertelang ein Monopol der portugiesischen Krone war. Der in ihm enthaltene Farbstoff, der sich auch im Limaholz aus Peru und Chile, im St. Martholz aus Zentralamerika und im Jamaikaholz von den Antillen findet, heißt Brasilin. Das echte Brasilholz kommt in armdicken, außen rotbraunen bis schwärzlichen, innen gelbroten Knüppeln meist über Pernambuco — daher der Name — in den Handel. Außer als Farbholz wird es auch in der Kunsttischlerei und Drechslerei benutzt.
Ein anderer schöner roter Farbstoff südamerikanischen Ursprungs ist das Chicarot oder Caracuru, das aus den Blättern der an den Ufern des Orinoko, Cassiquiare und anderer Flüsse Südamerikas wachsenden Bignonia chica gewonnen wird. Es ist dies ein Strauch mit doppelt gefiederten Blättern, die beim Trocknen rot werden, und violetten, hängenden Blüten. Werden die Blätter abgekocht, so scheidet sich in der erkalteten Lösung der zinnoberrote, beim Reiben goldgrün metallisch glänzende Farbstoff ab, der unlöslich in Wasser, schwer löslich in Alkohol, aber leicht löslich in Ölen und Alkalien ist. Er wird von den Indianern, die an den obengenannten Flüssen hausen, zum Bemalen der Haut, in Nordamerika aber zum Gelb- und Rotfärben von Wolle und Seide benutzt.
Nahe verwandt mit dem Brasilholzbaum ist der Campeche- oder Blauholzbaum (Haematoxylon campechianum), ein 10–12 m hoher Baum mit meist krummem Stamm, runzeliger, schwarzbrauner Rinde, vielfach hin- und hergebogenen Ästen, paarig gefiederten Blättern, kleinen hochgelben Blüten in einzelnen Trauben und lanzettlichen, meist einsamigen Hülsen. Er ist ursprünglich in Mexiko und Mittelamerika heimisch, von wo das Holz von meist wildwachsenden Bäumen vorzüglich aus der Campechebai — daher der Name — und Honduras in den Handel gelangt. Bald nach der Entdeckung Amerikas gelangte sein von den mittelamerikanischen Kulturvölkern zum Färben benutztes Holz aus den mexikanischen Häfen durch die Spanier nach Europa. Im Jahre 1570, zur Zeit der Königin Elisabeth, wurde es in England eingeführt; da man aber nicht echt damit zu färben verstand, verbot ein Parlamentsbeschluß vom Jahre 1581 streng seine Einfuhr und Verwendung. Dieses Verbot der Verwendung des als logwood, d. h. Stammholz, bezeichneten Blauholzes zum Färben wurde über ein Jahrhundert hindurch aufrechterhalten, obgleich es vielfach dadurch umgangen wurde, daß man es unter dem neuen Namen blackwood, d. h. Schwarzholz, einschmuggelte. Von Mittelamerika kam der es liefernde Baum im Jahre 1715 durch Barham nach Westindien, dann auch nach dem nördlichen Südamerika. Neuerdings wird er auch in den niederländischen Kolonien in Westindien gepflanzt. Das auswendig blauschwarze, innen rotbraune, schwere, harte Holz nimmt eine gute Politur an und dient daher außer zum Färben in der Kunsttischlerei zur Herstellung wertvoller Möbel. Es enthält einen blauen Farbstoff, das Hämatoxylin, das sich in Alkalien mit violetter Farbe löst, auch zum Schwarzfärben und in der mikroskopischen Technik als vorzügliches Kernfärbungsmittel verwendet wird.
In der Alten Welt ist das älteste Blaufärbemittel der Waid (Isatis tinctoria), ein zweijähriger, 0,5–1 m hoch werdender Kreuzblütler mit gelben, in Trauben geordneten Blüten, der im mittleren und südlichen Europa sowie im Orient auf sonnigen Plätzen wild wächst. Die Blätter geben Indigblau und waren schon den Alten als Färbematerial bekannt, weshalb die sie liefernde Pflanze teilweise auch angebaut wurde. Der Waid bevorzugt lehmhaltigen Boden, auf dem er meist nur eine Höhe von 40–60 cm erlangt. Die Blätter wurden, so lange man bei uns den Waid anpflanzte, zwei- bis dreimal im Jahre abgebrochen und in den Waidmühlen zerstampft. Der so entstehende Brei wurde, meist von Kindern, zu kleinen Kugeln geformt und getrocknet. Später wurden die Ballen in Bottiche getan und mit Wasser übergossen, wodurch sie bald in Gärung gerieten und eine Temperatur von 15–20° C. zeigten. Von den Bottichen zog man die Flüssigkeit ab und setzte ihr Kalkwasser zu, worauf der nunmehr gelbe Farbstoff sich zu Boden setzte. Durch Hinzufügen von Salzsäure erhielt er erst die blaue Farbe, die dann unter starker Hitze getrocknet und in den Handel gebracht wurde. Ursprünglich ließ man aber das in der Lösung befindliche Indoxyl durch längeres Stehenlassen sich unter Freiwerden von Indigo zersetzen. Deshalb stampfte man die nicht nur zerquetschte, sondern völlig zerfallene Waidmasse in Fässer ein, in denen sie durch Fermentwirkung nach und nach immer reicher an Indigo wurde.
Schon die alten Kelten, Germanen und Slawen bedienten sich des Waides zum Blaufärben. Von den Kelten Britanniens berichtet uns Julius Cäsar in seiner Beschreibung von der Expedition nach England in seinem Werke über die Unterwerfung Galliens unter die römische Oberhoheit, sie seien ihm mit Waid (vitrum) blau gefärbt entgegengetreten und sähen dadurch in der Schlacht überaus wild aus. Auch die Griechen und Römer bedienten sich des Waides, den erstere isátis nannten. So spricht Dioskurides von dem Waid (isátis), „dessen sich die Färber bedienen“, er werde mehr als ellenhoch und seine Blätter würden auf Geschwülste, Geschwüre und Wunden gelegt. Die Römer nannten ihn, wie uns Plinius berichtet, nach seiner Bezeichnung im Gallischen glastum. Nach der uns erhaltenen Verordnung Karls des Großen über die Verwaltung der kaiserlichen Domänen aus dem Jahre 812 mußte er, wie der Krapp, als Abgabe bestimmter Dörfer in die königlichen Weiberhäuser zu Händen der dort mit Spinnen, Weben und Färben der für den königlichen Hofhalt bestimmten Gewänder beschäftigten Frauen geliefert werden. Der geringste Teil desselben wird von wildwachsenden Pflanzen gesammelt worden sein; da er bereits angebaut wurde, wird das meiste von kultivierten Waidpflanzen abgestammt haben. Diese hieß damals bei den Franken wisdila, ewaisda oder waisdo. Im Mittelalter wurde er allgemein in Mitteleuropa angebaut und bildete hier das wichtigste Blaufärbemittel. Die ersten Nachrichten über den Anbau des Waides in Schwaben stammen aus dem Jahre 1276. Noch früher aber scheint er in Sachsen gepflanzt worden zu sein; denn die Stadt Erfurt war schon im Jahre 1290 wegen ihres Waidbaues berühmt. Die Erfurter Waidhändler bildeten die Aristokratie der Stadt und waren so reich, daß sie im Jahre 1392 die Mittel zur Gründung und später auch für Erhaltung der einst weithin berühmten, erst 1816 eingegangenen Universität Erfurt aufbringen konnten, die also gewissermaßen aus den Erträgnissen der Waidkultur und des Waidhandels errichtet und unterhalten wurde. Daraus kann man schon ersehen, wie außerordentlich wichtig die Erzeugung und der Handel mit diesem Farbstoffe im Mittelalter war. Später erwarben neben Erfurt auch noch Gotha, Arnstadt, Langensalza und Tennstedt das Recht Waid zu bauen, und zu Anfang des 17. Jahrhunderts beschäftigten sich damit außer den Einwohnern dieser Städte noch diejenigen von mehr als 300 thüringischen Dörfern. Erst in der Neuzeit hat die große Wohlfeilheit des aus Indien eingeführten Indigos den Waid trotz aller zu seinem Schutze unternommener amtlicher Verfügungen so ziemlich außer Anwendung gebracht. Umsonst versuchte ihn auch der edeldenkende und um seine Untertanen besorgte Kaiser Josef II. im Deutschen Reiche wieder in Aufnahme zu bringen. Nur vorübergehend, während der verhängnisvollen Kontinentalsperre, legte man sich in Mitteleuropa wieder eifriger auf seinen Anbau, da damals auch der von den Engländern aus Indien gebrachte Indigo gesperrt war. Napoleon I. setzte sogar einen Preis von einer halben Million Franken auf die lukrative Gewinnung von Indigo aus Waid; doch hat ihn bis auf den heutigen Tag noch niemand gewonnen, denn auch bei der rationellsten Verarbeitung liefert 1 Zentner Waid kaum 130 g Indigo, während die gleich zu besprechende Indigopflanze 30mal mehr davon liefert. Immerhin wird der Anbau von Waid, der am besten auf trockenem Lehmboden gedeiht, gegenwärtig noch in beschränktem Maße in Thüringen, Böhmen, und Frankreich betrieben. Seine Samen liefern gepreßt ein dem Leinöl an Wert gleichkommendes fettes Öl.
Denselben blauen Farbstoff, wie ihn der Waid liefert, gewinnt man, wie gesagt, in weit ausgiebigerer Weise aus den Indigoarten, von denen die ostindische Indigofera tinctoria die wichtigste ist. Es ist dies eine bis 1,5 m hohe Staude aus der Familie der Schmetterlingsblütler mit zerstreut stehenden, gefiederten Blättern, kurzen Trauben, sehr kleinen, dunkelrosenroten und weißen Blüten und stielrunden, herabgebogenen Hülsenfrüchten. Ihr größtes Anbaugebiet ist Bengalen, neben dem die andern wenig bedeuten. Vor allem verlangt sie ein feuchtes, heißes Klima. In gut gedüngtem und gepflügtem Boden wird der Same in Reihen von 30–50 cm Abstand gesät und mit Erde leicht bedeckt. Nach drei Monaten werden die Pflanzen kurz vor dem Beginn der Blüte etwa 12 cm über dem Boden geschnitten und nach der Faktorei gebracht, wo heute noch wesentlich nach derselben Methode wie einst im Altertum der Farbstoff aus ihnen gewonnen wird. Beim Binden und Einfahren der Ernte, deren man in guten Lagen drei, manchmal sogar vier im Jahre erhält, ist darauf zu achten, daß die Pflanzen nicht zu sehr gepreßt werden. In Stücke zerschnitten werden sie in großen gemauerten Kufen mit Wasser übergossen; darin bleiben sie liegen, bis der Saft in kurzer Zeit in Gärung gerät und eine grünlichgelbe Farbe annimmt. In dieser als nila bezeichneten Lösung bildet sich alsbald eine Schaumschicht und ammoniakalischer Geruch macht sich geltend. Dabei beginnt sich der Prozeß zu vollziehen, der das in der Pflanze enthaltene farblose Glykosid Indikan in Zucker und Indigweiß spaltet und durch Oxydation des letzteren das Indigblau, eben den Farbstoff Indigo, entstehen läßt. Die in Ammoniak gelöste, Indigweiß enthaltende Flüssigkeit wird nun in andere Behälter abgezogen, worin sie durch anhaltendes Schlagen und Rühren mit Schaufeln in innigste Berührung mit dem Sauerstoff der atmosphärischen Luft gebracht wird. Dabei färbt sich der gelblichgrüne Saft blau, indem das Indigweiß durch Sauerstoffaufnahme zu Indigblau oxydiert wird. Letzteres ist unlöslich, scheidet sich aus und setzt sich bei ruhigem Stehen als schlammiger Niederschlag ab. Nach dem Ablaufenlassen der klar gewordenen Flüssigkeit wird der Niederschlag an der Sonne getrocknet und im halbtrockenen Zustande in backsteinartige Formen gepreßt; diese werden völlig getrocknet und sind dann versandfertig. 250 kg rohe Indigopflanzen ergeben 1 kg festen Farbstoff. Die Gesamtproduktion daran betrug im Jahre 1903 3,4 Millionen kg, davon fielen 2,7 Millionen kg auf Indien, 0,5 Millionen kg auf Holländisch-Indien und 0,2 Millionen kg auf Mittelamerika. Der Durchschnittswert per kg beträgt 10 Mark, während er noch vor zwei Jahrzehnten das Doppelte davon und mehr betrug. Der Preis ist so stark gesunken infolge der vom deutschen Chemiker A. von Baeyer erfundenen künstlichen Herstellung des Farbstoffs, so daß sich die Indigokultur nur noch sehr schlecht lohnt und selbst in Bengalen mehr und mehr zurückgeht.
Der Indigo ist einer der wichtigsten Farbstoffe, der auf Wolle, Leinen, Baumwolle und Seide das echteste Blau gibt und infolgedessen schon im hohen Altertum als Deckfarbe zum Malen und zum Färben der verschiedensten Stoffe benutzt wurde. Zuerst wurde er in seiner Heimat Indien gewonnen und von da auf dem Handelswege in die westlich davon gelegenen Länder gebracht. Im Alten Testament wird er einigemal genannt. Jedenfalls verwandten ihn die Juden so gut wie die Babylonier und Ägypter, die diesen geschätzten Farbstoff zum Blaufärben schon in früher Vorzeit durch den Tauschhandel aus Indien bezogen. Von dort her erhielten ihn auch die Griechen und Römer, die ihm den Namen indikón beziehungsweise indicum, den indischen (nämlich Farbstoff) gaben, woraus unsere Bezeichnung Indigo hervorging. Plinius schreibt in seiner Naturgeschichte darüber: „Als Farbstoff steht das indicum in hohem Ansehen; es kommt aus Indien und besteht aus einer erdigen Masse. Wird es gerieben, so ist es schwarz; wird es aber in Wasser aufgelöst, so gibt es eine prächtige Mischung von Purpur und Blau. Das echte erkennt man daran, daß es auf brennende Kohlen gestreut eine herrlich purpurrote Flamme und einen nach Meerwasser riechenden Rauch gibt. (Tatsächlich entwickelt Indigo bei rascher Erhitzung einen purpurroten Dampf, verbrennt und hinterläßt nur wenig Asche.) Das Pfund indicum kostet 20 Denare (= 12 Mark).“ Dieser Farbstoff wurde wie die übrigen Produkte Indiens über das Rote Meer und Alexandrien nach dem Römerreiche gebracht. Als dieses zusammenbrach, verhandelten die Araber den Völkern des Abendlandes diesen Farbstoff unter der indischen Benennung nila oder anil, was blau bedeutet. Davon heißt er heute noch in Spanien anil und bezeichnete die Wissenschaft der Chemie das bei der Destillation des Indigos mit Kali entstehende Produkt als Anilin. Erst die Araber haben dann im Mittelalter diese Farbstoffpflanze, die sie auf ihren Handelsfahrten nach Indien in jenem Lande kennen lernten, in Westasien anzubauen und daraus den Indigo selbst herzustellen unternommen. So wurde noch im Jahre 1320 Indigo bei Jericho angepflanzt; doch scheint dieser Anbau als unrentabel bald aufgegeben worden zu sein. Jedenfalls war es dieser an ein feuchtwarmes Klima gewöhnten Pflanze hier zu trocken und zu wenig warm.
Lange wußte man im Abendlande nicht, woraus dieser indische Farbstoff gewonnen werde. So rechnete ihn eine Halberstädter Bergwerksordnung aus dem Jahre 1705 zu den schürfbaren Mineralien; er hieß deshalb auch in Verbindung mit seiner Würfelgestalt „indischer Stein“. Und doch hatte der bis nach China gereiste Venezianer Marco Polo nach seiner Rückkehr in die Vaterstadt im Jahre 1295 die Gewinnung desselben nach eigener Anschauung beschrieben. Die Italiener, die ihn von den Arabern erhalten hatten, waren auch die ersten Abendländer, die ihn anwandten. Erst nach der Entdeckung des Seeweges nach Ostindien durch Vasco da Gama kamen von 1516 an größere Mengen von Indigo nach Europa, und zwar nahm Portugal diesen Handel an sich, bis sich in der Mitte des 16. Jahrhunderts die Holländer seiner bemächtigten. Im Jahre 1631 brachten sieben holländische Schiffe 290173 kg Indigo im Werte von über fünf Tonnen Gold aus Batavia nach Amsterdam. Erst ungefähr ums Jahr 1600 begann man in Deutschland den Waidküpen etwas Indigo zuzusetzen, um deren Färbkraft für Blau zu erhöhen und zu beleben. Dieser kleine Zusatz vergrößerte sich mit der Verbilligung des Indigos fortwährend, bis schließlich der Waid gänzlich wegfiel. Doch spielte sich dieser Prozeß keineswegs glatt ab; denn wie bei der Einführung vieler anderer fremder Stoffe stemmte sich auch hier das Vorurteil und der Eigennutz der Waidbauern gegen die ausländische „Teufelsfarbe“. So wurde nämlich der Indigo im ersten ihn streng verbietenden Frankfurter Reichspolizeierlaß von 1577 betitelt. Das Verbot, ihn zu verwenden, wurde wiederholt in Erinnerung gebracht, so noch 1654 unter Ferdinand III. In Sachsen war von 1650–1653 sogar die Todesstrafe auf seine Verwendung gesetzt, und in Nürnberg mußten die Färber alljährlich einen feierlichen Eid schwören, kein „Teufelsauge“ — so hieß dort der Indigo — zu benutzen. Zu dieser Verfolgung des Indigos mag zum Teil die Unkenntnis der Färber beigetragen haben, die ihn in Schwefelsäure gelöst anwandten und nachher nicht genügend neutralisierten, so daß manches Stück Zeug infolge davon verdarb. Erst 1740 gab der Deutsche Barth zu Großenhain in Sachsen ein gutes Verfahren für dessen Anwendung an, wodurch Mißerfolge ausgeschlossen blieben.
Auch in Frankreich und England war aus Rücksicht für den einheimischen Waidbau die Einfuhr und Verwendung von Indigo streng verboten, bis er in letzterem Lande 1661 und in ersterem 1669 unter Colbert wieder freigegeben wurde. Unbeschränkte Anwendung genoß er aber in Frankreich erst vom Jahre 1737 an, als den Färbern erlaubt wurde, jedes beliebige Färbemittel zu verwenden. Seit 1783 wurde der Anbau des Indigos durch die Engländer in Ostindien in Angriff genommen und bald zu großer Blüte gebracht, wofür sie in Europa willige Abnehmer fanden, da man dort diesen vorzüglichen Farbstoff immer mehr schätzen lernte. Noch vor einem Vierteljahrhundert betrug die für den Anbau des Indigos in Anspruch genommene Fläche in Bengalen allein 390000 Hektar Landes. Auch auf der Koromandelküste, auf Ceylon und Java wurde er im großen angepflanzt, ebenso in Ägypten, wo ihn Mehemed Ali in den 1820er Jahren einführte. Endlich bemühte sich auch Rußland, ihn in Transkaukasien heimisch zu machen.
Neuerdings hat aber der Anbau dieses wichtigsten und einträglichsten Ausfuhrartikels Indiens, das Jahrhunderte hindurch den Weltmarkt beherrschte und an dem vor allem England sich ungeheuer bereicherte, zum großen Leidwesen aller Indigopflanzer einen gewaltigen Stoß erlitten und ist nicht mehr konkurrenzfähig gegenüber dem künstlichen Indigo, den wir dem Scharfsinne deutscher Chemiker verdanken. Die erste Indigosynthese gelang 1870 Engler und Emmerling; 1880 vermochte Baeyer ihn auf verschiedene Art aus Zimtsäure herzustellen und 1890 gab Heumann sein Verfahren an, das in zehnjähriger Arbeit von der badischen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen bei Mannheim zu praktischer Brauchbarkeit ausgebildet wurde, so daß er heute den Markt vollständig beherrscht und wegen seiner größeren Billigkeit in Verbindung mit andern guten Eigenschaften, die erlauben, die mannigfaltigsten neuen Farbenvarietäten, wie rote, gelbe und grüne in den wunderbarsten Nuancen herzustellen, den natürlichen Indigo immer mehr verdrängt. So sank seit dessen Aufkommen in den letzten zehn Jahren die Ausfuhr des natürlichen Indigos im Werte von 75 Millionen auf ungefähr 10 Millionen Mark. Gleichzeitig stieg die Ausfuhr des künstlichen Indigos aus Deutschland von 7,5 Millionen Mark im Jahre 1898 auf 38,6 Millionen Mark im Jahre 1908. Damit trat Deutschland das Erbe Indiens an und heimst statt jenes Landes Reichtum ein. Der beste Abnehmer für sein vorzügliches Kunstprodukt ist Japan, das 1908 für 10,7 Millionen Mark davon einführte. Ihm folgen China mit 7,3 Millionen und die Vereinigten Staaten mit 3,1 Millionen Mark. Selbst Großbritannien, das alle Anstrengungen machte, seinen Indigobau zu schützen, führte im Jahre 1908 für 2,7 Millionen Mark deutschen Indigo ein. Die Einfuhr des meist aus Indien bezogenen natürlichen Indigos, von dem Deutschland noch 1895 für 21 Millionen Mark bezog, sank schon 1903 auf 1,8 und 1908 gar auf 0,9 Millionen. So hat deutsche Intelligenz und Tatkraft statt einer Ausgabe von 20 Millionen eine Einnahme von 40 Millionen Mark jährlich bewirkt. Diese Tatsache kennzeichnet die überaus große wirtschaftliche Bedeutung des künstlichen Indigos für den deutschen Handel und die deutsche Volkswirtschaft.
Auch die alten Azteken in Mexiko, die Inkas in Peru und die übrigen zu höherer Kultur gelangten Indianerstämme Amerikas verwandten bereits vor der Ankunft der Europäer eine Art Indigo zum Blaufärben. Doch wurden nach der Entdeckung dieses Weltteils frühzeitig ostindische Indigopflanzen nach Amerika eingeführt, und zwar zunächst nach den Antillen, von wo der englische Gouverneur Lukas 1699 Samen an seine Tochter in Carolina sandte, die eine Pflanzenliebhaberin war und der es nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen gelang, das Gewächs zur Blüte und zur Reife zu bringen. Ihr Vater sandte später einen gelernten Indigoarbeiter, der die Gewinnung des Farbstoffs unternahm und dabei so gute Geschäfte machte, daß bald jedermann Indigo bauen wollte. In wenigen Jahren wurden nicht weniger als 100000 kg nach England gesandt, und vor dem Kriege im Jahre 1775, der am 4. Juli 1776 zur Loslösung der 13 nordamerikanischen Kolonien vom Mutterlande führte, betrug die Ausfuhr 550000 kg. Jetzt ist, wie gesagt, der Indigobau auf der ganzen Erde bedeutend zurückgegangen, seitdem die Badische Anilinfabrik in Ludwigshafen bei Mannheim zuerst den europäischen Markt mit künstlichem Indigo zu versehen begann. Denselben Farbstoff gewinnt man seit undenklicher Zeit in China aus dem dort heimischen Färberknöterich (Polygonum tinctorium), einer dem Buchweizen verwandten einjährigen Pflanze, die 1835 in Frankreich und 1838 in Deutschland eingeführt wurde. Obschon zahlreiche Versuche zur möglichst rationellen Gewinnung des Farbstoffs damit gemacht wurden, vermochte er dem echten Indigo keinerlei Konkurrenz zu machen, da 1000 kg seiner grünen Blätter nur etwa 7,5 kg Indigo geben.
Dem Indigo sehr nahe verwandt ist der von den im Mittelmeer lebenden kleinen Purpurschnecken der Gattungen Murex und Purpura gewonnene Purpurfarbstoff, der in chemisch reiner Form dem Indigo äußerlich zum Verwechseln ähnliche, kupferglänzende, violette Kristalle bildet. Kürzlich hat Professor Friedländer in Wien 1,5 g davon aus dem farblosen, am Sonnenlicht erst dunkelviolett werdenden Saft einer bestimmten Drüse von 12000 Purpurschnecken gewonnen. Die chemische Analyse ergab, daß er seiner Zusammensetzung nach Dibromindigo ist, d. h. Indigo, in welchem zwei Wasserstoffatome durch zwei Bromatome ersetzt sind. Nun vermöchte man auch diesen im Altertum so überaus geschätzten, weil außerordentlich teuern Farbstoff synthetisch darzustellen und so billig im großen zu verwenden. Doch gibt dieser Purpur auf der Gewebefaser ein ziemlich unreines, rotstichiges Violett, das an Schönheit mit unsern modernen Farbstoffen keineswegs in Wettbewerb treten kann und auch in bezug auf die Echtheit seiner Färbungen den echten Teerfarben durchaus nicht überlegen ist. Wenn wir nun bedenken, wie im ganzen Altertum nur die Könige und Vornehmsten sich solche trotz allen Rühmens übrigens recht unscheinbar dunkle, fast schwarze, beim seitlichen Darüberblicken einen rotvioletten Schimmer aufweisende Purpurgewänder leisten konnten — kostete doch zu Diokletians Zeit im Jahre 301 das Pfund der besten Purpurwolle noch 950 Mark unseres Geldes — so geht daraus mit aller Deutlichkeit hervor, wie überaus gering die Ansprüche der Alten an die Leistungen ihrer Färber gewesen sein müssen und wie sehr wir moderne Menschen durch die Erfolge der heute so hoch entwickelten Farbenchemie verwöhnt sind.
Von den zum Gelbfärben Verwendung findenden Pflanzen sind als für Europa älteste der Wau oder das Gilbkraut (Reseda luteola), das schon die neolithischen Pfahlbauern benutzten und später die Römer unter der Bezeichnung luteum, d. h. das Gelbe, zur Farbstoffgewinnung anpflanzten, dann der Färberginster (Genista tinctoria) und die Färberscharte (Serratula tinctoria) zu nennen, die in großen Teilen Europas wild wachsen, aber auch in vielen Gegenden Deutschlands, Englands und Frankreichs kultiviert wurden, bis sie durch die Einführung der Quercitronrinde und des Gelbholzes aus Amerika verdrängt wurden. Erstere ist die Rinde der in mehreren Varietäten auftretenden und in den mittleren Vereinigten Staaten große Waldungen bildenden Färbereiche (Quercus tinctoria), die, von der Oberhaut befreit und zu Pulver zermahlen, als Quercitron in den Handel gelangt und einen der schönsten gelben Farbstoffe liefert, der in allen Zweigen der Färberei Verwendung findet. Seit 1818 hat man den Baum in Frankreich und bald hernach auch in Bayern angepflanzt. Das Färbevermögen seiner Rinde entdeckte Bancroft im Jahre 1784, und zwei Jahre darauf erhielt er auf eine Eingabe hin vom englischen Parlament ein Monopol für Einfuhr und Gebrauch dieses neuen Färbemittels auf eine Reihe von Jahren. Der Farbstoff des Quercitrons, das Quercitrin, findet sich auch im ungarischen Gelbholz oder Fiset, der vom Färbersumach oder Perückenbaum (Rhus cotinus) herrührt, und den chinesischen Gelbkörnern, den unentwickelten Blütenknospen der Sophora japonica, die beide noch heute in der Färberei Verwendung finden. Das amerikanische Gelbholz dagegen stammt von dem auf den Antillen und in Brasilien heimischen Färbermaulbeerbaum (Maclura tinctoria), deren färbender Bestandteil, das Morin, in der Wollfärberei zu Grün und Braun, in der Baumwoll- und Seidenfärberei aber zu Gelb und Grün benutzt wird.
Eine sehr geschätzte gelbe oder rote Farbe liefert das Gummigutt, der eingetrocknete Milchsaft mehrerer hoher Bäume aus der Familie der Guttiferen, die in den feuchten Wäldern Südasiens wachsen. In Kambodscha, Siam und dem südlichen Cochinchina ist es die bis 15 m hohe Garcinia hanburyi und in Südindien und auf Ceylon die bis 18 m hohe Garcinia morella, die beide 10–12 cm lange, kurzgestielte, elliptische Blätter, kleine Blüten und kirschengroße Beeren tragen. Sind die Bäume 20–30 Jahre alt geworden, so macht man vor Eintritt der Regenzeit, d. h. von Februar bis April, spiralig verlaufende Einschnitte in den Stamm, durch welche die Ölgänge der Rinde angeschnitten werden. Der dabei austretende gelbe Milchsaft wird in unterhalb aufgestellten Bambusröhren aufgefangen, von denen ein Baum im Laufe von 3–4 Wochen bis 3 Bambusröhren von 50 cm Länge und 6–7 cm Dicke voll Saft liefert. Das bald eingedickte Harz wird schließlich in den Röhren durch Erwärmen am Feuer erhärtet, so daß man es in Stangenform aus den Hohlzylindern herausschieben oder die Hülle von ihm ablösen kann. Die erstgenannte Art liefert mehr Gummigutt als die zweite. Es ist eine außen grüngelbe, innen aber rotgelbe, sehr dichte Masse, die zerstoßen ein gesättigt gelbes Pulver bildet. Mit zwei Teilen Wasser verrieben, liefert es eine gelbe Emulsion, in ätzenden Alkalien dagegen löst es sich mit roter Farbe. Es schmeckt brennend scharf und übt eine äußerst heftige, abführende Wirkung aus, weshalb es arzneilich verwendet wird, so in den berüchtigten Morrisonpillen, die schon bedenkliche, hauptsächlich auf den Gehalt an Gummigutt zurückzuführende Vergiftungen herbeigeführt haben und deshalb als gefährlich gemieden werden sollten. Als solche medizinische Droge kam dieser eingetrocknete südasiatische Milchsaft überhaupt im Jahre 1603 zuerst nach Europa, und wurde 1605 in Frankfurt am Main für einen Gulden (im Werte von gegen zwei Mark) das Quentchen, d. h. 1,66 g verkauft; da es aber an Giftigkeit und stark reizender Wirkung dem Krotonöle verglichen werden kann, so wird es als Abführmittel kaum mehr verwendet. Dagegen wird es als Wasserfarbe zum Gelbmalen und zum Färben von Weingeistfirnissen viel gebraucht. Die Hauptmenge des Gummigutt wird in Kambodscha gewonnen und gelangt über Bangkok, Saigon und Singapur in den Handel. Letztere Stadt allein führt jährlich etwa 30000 kg im Werte von 150000 Mark aus. Von Kambodscha aus scheint auch seine Verwendung ausgegangen zu sein. Ein Chinese, der dieses Land von 1295–1297 bereiste, erwähnt diese von ihm kiang-hwang genannte Droge als Produkt desselben.
Von weiteren Pflanzen zum Gelbfärben, denen aber geringere Bedeutung als den vorgenannten zukommt, ist die Curcuma oder Gelbwurz (Curcuma longa) zu nennen, eine sonst meist als Gewürz gebrauchte indische Verwandte des Ingwers, deren Farbstoff Curcumin bei uns vornehmlich zum Gelbfärben von Zuckerwerk, Likören und Spielwaren, aber nur selten in der Zeugfärberei Verwendung findet, da es sich auf die Dauer nicht hält. Mit Alkalien gibt es braunrote Salze, weshalb mit einer wässerigen Lösung desselben getränkte Papierstreifen zum Nachweisen derselben dienen. In den Gelbbeeren, den Früchten mehrerer Wegdornarten Südeuropas (hauptsächlich von Rhamnus infectoria und Rh. amygdalina), findet sich der Farbstoff Rhamnin, der heute noch in der Färberei ziemlich ausgedehnte Verwendung findet. Die chinesischen Gelbschoten aber, die als wong-schi bezeichneten Früchte einiger Gardeniaarten, vorzugsweise von Gardenia grandiflora, werden in ihrem Heimatlande Ostasien, wie in China, so auch in Japan, zum Gelbfärben von Zeug, besonders Seide, benutzt, sind aber für den europäischen Handel belanglos. Ihr gelber Farbstoff ist mit demjenigen des Safrans, dem Crocin, identisch.
Für die alten Kulturvölker des Orients und der Gegenden am Mittelmeer war einst der Safran (Crocus sativus) der geschätzteste Farbstoff zum Gelbfärben von Gewändern, Schleiern und Schuhen. Die griechische Bezeichnung krókos für Safran rührt vom semitischen karkôm für Gelb her, das seinerseits mit dem indischen kurkum — beispielsweise auch in der von uns gebrauchten Bezeichnung Curcuma für die indische Gelbwurz enthalten — zusammenhängt. Nach den Berichten der griechischen und römischen Schriftsteller waren gelbe Krokus- wie Purpurgewänder die Lust der Orientalen und Kleinasiaten. Mit solchen schmückten sich nach dem römischen Dichter Vergil die Phryger; nebst safrangelben Schuhen und der Tiara gehörten sie zur kennzeichnenden Tracht der Perserkönige. Den Abglanz der geheiligten gelben Safranfarbe zeigen noch die ältesten, vom Orient beeinflußten mythischen Vorstellungen der Griechen, wonach die aus dem Morgenlande zu ihnen gekommenen Götter, wie Dionysos-Bacchus, und Göttinnen wie die orientalischen Könige und Königinnen das gelbe Safrankleid trugen. Der in Argos ansässige griechische Dichter Pindar (522–442 v. Chr.) läßt auch den Argonauten Jason mit einem safranfarbigen Gewande bekleidet sein, das er abwarf, als er sich anschickte, in Kolchis mit den feuerspeienden Stieren zu pflügen. Krokosfarbene Gewänder trugen dessen Gattin Medeia, Iphigeneia bei ihrer Opferung in Aulis nach Äschylos, die Königstochter Antigone in den Phönikierinnen des Euripides, die an den Fels geschmiedete Andromeda bei Aristophanes. Nach Vergils Äneis hatte Agamemnons Gattin Helena von ihrer Mutter Leda eine goldgestickte palla, d. h. Frauenüberwurf und einen mit Krokos umsäumten Schleier zum Geschenk erhalten und mit nach Mykenä gebracht.
Die Bekanntschaft mit der Safranfarbe geht bei den Griechen bis in die Zeit der Ausbildung des Heroenmythus zurück. Sie lernten sie von den Vorderasiaten kennen, die ihrerseits — nach der vorhin mitgeteilten Geschichte der Verbreitung des Wortes für Gelb identisch mit Safran — die Verwendung dieses Farbstoffs vermutlich von den Indern kennen lernten. Von den Griechen lernten die Römer und Byzantiner und nach ihnen die Araber den intensiv gelbfärbenden Farbstoff des Safrans zum Färben verwenden. Heute ist er als Farbstoff zu teuer, eignet sich aber als völlig unschädlich zum Färben von Zuckerwerk, Kuchen und Likören. Reiche Araberinnen färben sich damit die Augenlider, Fingerspitzen und Zehen.
Das dem indischen kurkum entstammende orientalische karkôm für Gelb und zugleich den Spender der gelben Farbe, den Safran, hat auch der Färberdistel den lateinischen Namen Carthamus — tinctorius — verliehen. Dieses auch als Saflor bezeichnete einjährige, 1–1,3 m hohe, kahle Kraut aus der Familie der Kompositen besitzt länglich eiförmige, stachelig gezahnte Blätter und von grünen Hüllblättern umgebene zuerst gelbe, dann orangerote Blüten. Seine Heimat ist wohl das vorderasiatische Steppengebiet; doch läßt sich dies nicht mehr bestimmen, da die Pflanze nirgends mehr wild gefunden wird. Jedenfalls ist sie eine der ältesten Kulturpflanzen, die dem Menschen zum Rot- und Gelbfärben diente. Schon die Kleider ägyptischer Mumien aus dem dritten vorchristlichen Jahrtausend sind damit gefärbt, während China die Pflanze erst im 2. Jahrhundert v. Chr. erhielt. Das spricht wohl schon für ihre westasiatische Herkunft. Seither hat sie eine sehr weite Verbreitung gefunden und wird heute, außer in Bengalen, Persien und Ägypten, in China, Japan, Neusüdwales, Mittelamerika und Kolumbien, in geringem Umfang auch in Spanien, Frankreich, Italien, Ungarn und in einigen Gegenden Deutschlands kultiviert. Das wichtigste Produktionsland ist Indien, und zwar Bengalen, wo die 30–60 cm hohe Pflanze zur Gewinnung des Farbstoffs im großen angebaut wird. Die aus dem Blütenkörbchen im Juli und August bei trockenem Wetter gezupften, in einem Ofen unter leichter Pressung getrockneten und zuletzt in Kuchen gepreßten Blüten, die als Saflor in den Handel gelangen, liefern einen leuchtenden gelben und roten Farbstoff, der neben dem Indigo den wichtigsten Pflanzenfarbstoff darstellt. Ähnlich dem Safrangelb Crocin ist das in Wasser lösliche Saflorgelb, dem in geringer Menge ein harzartiger, nur in alkalischer Flüssigkeit löslicher roter Farbstoff, das Saflorrot oder Carthamin beigemengt ist. Letzteres wird aus dem mit Soda versetzten wässerigen Auszug durch Fällen mit Essigsäure gewonnen und ist ein dunkelbraunroter, in Alkohol leicht, in Wasser kaum und in Äther nicht löslicher Farbstoff, der leider nicht besonders dauerhaft, aber außerordentlich schön und von solcher Färbekraft ist, daß eine ganz geringe Menge davon hinreicht, um eine große Fläche damit zu decken. Man kann damit in verschiedenen Nuancen von Rosa bis Dunkelrot färben; er gibt auch die feinste rote Schminke, welche als spanisches Rot bekannt ist und auf flachen Porzellantellerchen oder auf Blättern ausgebreitet in den Handel kommt. Die Saflorkuchen haben helle Fleischfarbe und riechen tabakartig. Als beste Sorten gelten der bengalische und der persische Saflor. Nach ihnen kommt der ägyptische, der ebenfalls von vorzüglicher Qualität und größtem Reichtum an Farbstoff ist und deshalb am meisten zu uns gelangt; man kann annehmen, daß jährlich etwa 1,5 Millionen kg davon in Form von gepreßten Scheiben in den Handel gelangen. Da der Farbstoff aber nicht sehr lichtbeständig ist, wird er mehr und mehr von den Teerfarben verdrängt. Im 17. Jahrhundert baute man im Elsaß und in Thüringen so viel Saflor, daß eine beträchtliche Ausfuhr besonders nach England stattfand. Im 18. Jahrhundert kam der Saflorbau durch den billigen und farbstoffreicheren levantischen Saflor in Verfall, zumal die deutsche Ware durch vielfache Verfälschungen in Verruf gekommen war. Aus den bitteren Samen gewinnt man in Indien, Ägypten und Algerien ein fettes Öl, das sich sehr gut als Brennöl, weniger dagegen als Speiseöl eignet. Nach Herodot gewannen schon die alten Ägypter Öl aus seinen Samen, die man gewöhnlich als „Papageienkörner“ bezeichnet. Sie, wie auch die alten Babylonier, Syrier und Hebräer benutzten den Saflor zum Färben. In Johann Bauhins berühmtem Garten zu Boll in Württemberg wuchs der Saflor im Jahre 1495 als indische Zierpflanze. Im Laufe des 16. Jahrhunderts begann sein Anbau in Mitteleuropa, der aber heute infolge des Aufkommens der billigeren und schöneren Teerfarbstoffe völlig außer Gebrauch gekommen ist.
Einen gelbroten Farbstoff stellt der Orlean dar, der in Südamerika und Westindien aus der roten, fleischigen Oberhaut der Samen des Orleanbaumes (Bixa orellana) gewonnen wird. Dieser Farbstoff und die ihn liefernde Pflanze wird von den Tupiindianern urucu, von den Aruakindianern dagegen bicha geheißen, woraus der Name Bixa entstand, während er von den Brasilianern orelhana genannt wird, nach seinem hauptsächlichsten Fundort, dem gleicherweise benannten Maranhonfluß. Der im tropischen Südamerika heimische, 5–10 m hohe Baum mit großen, herzförmigen, gezahnten, immergrünen Blättern und endständigen Rispen von ansehnlichen, lebhaft blau gefärbten Blüten ist schon seit langer Zeit in allen Tropenländern bis nach Polynesien und Madagaskar hin verbreitet worden und vielfach verwildert. Seine zum Färben dienenden Fruchtschalen hat man mehrfach in peruanischen Gräbern gefunden, und noch heute bemalen die südamerikanischen Indianer mit dem durch Vermengung des fleischigen, roten Samenüberzuges mit Zitronensaft und Gummi oder Rizinusöl erhaltenen Farbstoff ihre Leiber als Zierde und zugleich Schutz gegen die blutsaugenden Moskitos. Blätter, Samen und Wurzeln werden in Südamerika und Asien als Volksheilmittel verwendet. Zur Gewinnung des Farbstoffs läßt man die zerriebenen Fruchtschalen in Wasser gären, gießt die Masse durch Siebe und entfernt das Wasser vom Niederschlag, den man über Feuer oder im Schatten trocknen läßt. Er bildet dann einen gleichförmigen, roten, veilchenartig riechenden, bitter schmeckenden Teig, der, um völliges Austrocknen zu verhindern und ihm zugleich einen lebhafteren Farbenton zu verleihen, vielfach mit Harn befeuchtet wird. Wasser entzieht dem Orlean gelbbraunes, auch in Alkohol, nicht aber in Äther lösliches Orellin, das mit Alaun gebeizte Stoffe gelb färbt. Im Rückstand bleibt der wichtigere Farbstoff Bixin, der dunkelrote Kristallblättchen bildet und in Alkohol und Äther leicht löslich ist und orangerot, in Alkalien und ätherischen Ölen dunkelgelb färbt. Kocht man Orlean mit Sodalösung und setzt dann Alaun oder ein Zinnsalz zu, so erhält man einen orangegelben Lack. Der Orlean wird in Cajenne, Guiana und Brasilien dargestellt und dient außer in der Kattundruckerei hauptsächlich in der Seidenfärberei, in England — dann allerdings ohne Harnzusatz — auch zum Färben des Chesterkäses und der Butter.
Um Seide und andere Gewebe echt grün zu färben, verwendet man das Lo-kao oder chinesische Grün, das man durch wässerigen Auszug aus der Rinde zweier Kreuzdornarten, Rhamnus chlorophorus und Rhamnus utilis, gewinnt. Diese beiden werden als Hom-bi und Pa-bi im ganzen mittleren und nördlichen China zur Farbstoffgewinnung kultiviert. Der aus ihnen gewonnene Farbstoff kommt in flachen, bläulichgrünen Scheibchen in den Handel. Aus den reifen Beeren eines andern Kreuzdorns (Rhamnus catharticus) stellt man das Saftgrün her, das mit Kalk oder Pottasche einen grünen Niederschlag gibt, der vollkommen ungiftig ist und besonders als Wasserfarbe benutzt wird.
Ein auffallender Farbstoff, der in saurer Lösung schön rot, in alkalischer dagegen intensiv blau ist, und daher in der Chemie als sogenannter Lackmus als Reagens oder Nachweisestoff für Säuren und Alkalien verwendet wird, stammt von verschiedenen Flechten mit strauchförmigem Thallus, die vorzugsweise an felsigen Meeresküsten wachsen. Ihre Verwendung zum Färben war schon im Altertume bekannt; so benutzten sie die Römer unter der allgemeinen Bezeichnung fucus — was eigentlich Seetang bedeutet — zur Darstellung des unechten Purpurs. Die Kenntnis ihrer technischen Verwendung ging aber in den Stürmen der Völkerwanderungszeit im Abendlande verloren, erhielt sich aber im Morgenlande, wo sie ein in Florenz ansässiger Deutscher namens Federigo (Friedrich) im 13. Jahrhundert kennen lernte. Von einer Handelsreise in die Levante brachte er Färberflechten mit und lehrte daraus vermittelst Harn eine schöne rote Farbe darstellen. Damit begründete er seinen großen eigenen Reichtum als Stammvater des später mit den Medici rivalisierenden florentinischen Adelsgeschlechtes der Rucellai, so genannt nach der für sie so bedeutungsvollen Färberflechte rucella, die heute im Italienischen oricello heißt, woraus das auch im Deutschen gebrauchte französische Wort orseille hervorging. Wie die Medici, deren Stammvater Arzt gewesen war und von ihm her den Namen und die drei Kugeln — eigentlich Pillen — im Wappen führten, so hielten es die Rucellai mit der Färberflechte, die sie zu Reichtum und Ehren gebracht hatte. Dieser von ihrem Ahnherrn eingeführten neuen Industrie verdankte aber nicht bloß dieses Geschlecht, sondere viele Städte Italiens, die den gesamten Handel mit Färberflechten aus der Levante und dem griechischen Archipel an sich gerissen hatten, ihren Reichtum, bis im Jahre 1402 der Normanne Béthencourt die Kanarischen Inseln entdeckte und auf ihnen gleichfalls den kostbaren Stoff fand. Später entdeckte man ihn auch auf den Azoren, auf Sardinien und Korsika, in den Pyrenäen, der Auvergne usw.
Die Orseille ist in Form von schwachen organischen Säuren in einer ganzen Reihe von Flechten vorhanden, unter welchen die Roccella tinctoria die gesuchteste ist. Sie liefert die levantische und kanarische Orseille, von der auf den Kanarischen Inseln allein jährlich etwa 130000 kg gesammelt werden und in den Handel gelangen; doch wird sie auch an den felsigen Küsten Südamerikas, des Kaps der Guten Hoffnung, Senegambiens und Ostindiens gesammelt. Im Gegensatz zu dieser Meerorseille wird die von der Variolaria orcina und V. dealbata in Europa gewonnene Orseille als Landorseille bezeichnet. Eine andere ebenfalls sehr farbstoffreiche Flechte ist Roccella montagnei, die an der ostafrikanischen Küste in den Ästuarien auf Mangrovebäumen wächst. Aus der Flechte Lecanora tartarea, die auf den Inseln nördlich von Schottland, den Orkneys und Hebriden, heimisch ist, wird der rote Indigo oder Persiko gewonnen, der im Jahre 1765 zuerst von Cuthbert dargestellt wurde. Durch Behandlung mit Alkalien — früher Harn, jetzt Ammoniak — wird der violettrote Farbstoff, das Orcein, frei, mit dem man Wolle und Seide rot oder violett färbt. Da er aber für sich allein nicht echt genug färbt, so wendet man ihn meist mit anderen Farbstoffen hauptsächlich zur Herstellung von braunen Nuancen an.
Ein schon im hohen Altertum im Orient gebräuchlicher Farbstoff ist das Drachenblut, ein von den am äußersten westlichen und östlichen Zipfel Afrikas, auf den Kanaren und der Insel Sokotra bis in die Gegenwart am Leben gebliebenen Drachenbäumen (Dracaena draco u. a.) aus der Familie der Lilienblütigen gewonnenes Harz. Es sind dies 16–18 m hohe Bäume, die wie die Dikotyledonen dauernd in die Dicke wachsen und zu äußerst auf den gabelig verzweigten Ästen und auf dem Gipfel des Stammes büschelig gehäufte, über 1 m lange, schwertförmige Blätter tragen. Sie können ein außerordentlich hohes Alter erreichen und lassen von selbst oder durch Einschnitte das dunkelrotbraune, spröde, geruch- und geschmacklose, an der Luft erhärtende Harz ausfließen, das gepulvert blutrot ist und sich in ätherischen und fetten Ölen wie auch in Alkalien zu einer roten Farbe auflöst. Es kommt entweder in Form von in Schilfblättern eingewickelten Kugeln oder in ebenfalls in Blättern eingewickelten Stangen in den Handel. Das kanarische Drachenblut machte früher einen bedeutenden Handelsartikel von Madeira aus und findet sich auch in den Gräbern der Guanchen genannten Ureinwohner der Kanaren, welche dasselbe wahrscheinlich zur Einbalsamierung ihrer Leichen benutzten. Jetzt wird es seiner zusammenziehenden Wirkung wegen vorzugsweise zu Zahnpulver und Zahntinkturen, zumal bei leicht blutendem Zahnfleisch benutzt, sowie zu Tischlerpolitur und verschiedenen Lacken. Von Sokotra erhielten es die alten Griechen unter der Bezeichnung indischer Zinnober. Der im 2. Jahrhundert n. Chr. in Kleinasien lebende griechische Schriftsteller Flavius Arrianus schreibt in seinem Bericht über die Umschiffung des Roten Meeres: „Der sogenannte indische Zinnober (kinnábari) wird auf der Insel des Dioskurides (Sokotra) von Bäumen, aus denen er tröpfelt, gesammelt.“ In derselben Weise, wie dieses Drachenblut, wird auch das ebenso genannte Harz, das auf den Philippinen von den Früchten der Drachenrotangpalme (Calamus draco) gewonnen wird, verwendet.
Außer den bisher genannten Pflanzen sind noch einige andere zu erwähnen, die wegen ihres Gehaltes an Katechin oder Gerbstoffen zum Schwarzfärben und zum Gerben verwendet werden. Unter dem Namen Katechu kommen die verschiedensten gerbstoffhaltigen Massen in den Handel, die teils aus den Früchten der Arekapalme (Areca catechu), teils aus den Zweigen und dem Kernholze einer Akazie (Acacia catechu), teils aus den Blättern der Gambirpflanze (Uncaria gambir) durch Auskochen mit Wasser gewonnen werden. Demnach unterscheidet man Palmen- oder Areka-Katechu, dunklen Akazien- oder Pegu-Katechu und gelben oder Gambir-Katechu.
Die in den Tropen häufig angebaute, ursprünglich in Südasien heimische Arekapalme ist ein äußerst zierlicher Baum von etwa 15 m Höhe mit sehr geradem, dünnem, weißem Stamm und etwas krauser Krone von dunkelgrünen Fiederblättern. Seine eiförmigen, etwa 4 cm langen Früchte enthalten ein ziemlich hartes, marmoriertes Nährgewebe, das, in Querscheiben geschnitten, mit Kalkmilch in ein scharf schmeckendes Blatt des Betelpfeffers gewickelt, in ganz Südasien und Indonesien zum sogenannten Betelkauen verwendet wird. Durch Kochen in Wasser wird aus den Arekanüssen der Areka-Katechu gewonnen.
Ebenfalls im südlichen Asien heimisch ist die in ganz Vorder- und Hinterindien, auf Ceylon und im tropischen Afrika von Abessinien bis zum Sambesi verbreitete Katechu-Akazie, ein 4–8 m hoher Baum aus der Familie der Hülsenfrüchtler mit brauner, rissiger Rinde, sehr verzweigter, schirmförmiger Krone, weißlich behaarten, dornigen Zweigen, zerstreut stehenden, paariggefiederten Blättern und gelben Blüten. In der Trockenzeit fällt sein Laub ab. Das in möglichst kleine Späne gehauene, vom hellgelben Splint befreite Kernholz wird etwa 12 Stunden lang in mit Wasser angefüllten irdenen Töpfen ausgekocht und der dunkelbraune Auszug dann in Schalen eingedickt, um zuletzt in Formen vollständig zu erhärten. Er kommt in Klumpen in den Handel, die vor dem Gebrauch durch Chemikalien und heißes Wasser wieder aufgelöst werden. Wie der Areka-Katechu wird er massenhaft in der Färberei gebraucht, sowohl als Beize, als auch zur Erzeugung von sehr dauerhaften schwarzen, braunen und grünen Farbenschattierungen und zum Gerben von weichem, geschmeidigem Leder.
Tafel 105.
(Copyright by F. O. Koch.)
Junger Blauholzbaum (Haematoxylon campechianum) angepflanzt in Kwai (Ostafrika).
(Copyright by F. O. Koch.)
Junger Rotholz- oder Brasilbaum (Caesalpina sappan).
Tafel 106.
Mangrovendickicht mit zahlreichen Stelzwurzeln am Kamerunfluß in Westafrika.
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GRÖSSERES BILD
Bis jetzt sind nur die Katechubestände in Indien ausgenutzt worden, und zwar in dem Maße, daß die Gewinnung in den letzten Jahren sehr zurückging und nur für etwa 5 Millionen Mark exportiert wurde. Infolge davon hat die englische Regierung die Katechugewinnung aus den wildwachsenden Beständen geregelt und den Anbau des Baumes angeordnet. Dagegen sind die großen Katechubestände des tropischen Afrika noch vollständig unbenutzt geblieben. Besonders im Steppenwalde Deutsch-Ostafrikas kommt der Baum massenhaft vor und dürfte mit der Zeit zur Gewinnung von Katechu, der recht gute Preise erzielt, reizen.
In den Spalten des Stammes der Katechu-Akazie findet man nicht selten kristallinische Ablagerungen von Katechin oder Katechusäure, nach der Katechugerbsäure dem wichtigsten Bestandteil des Katechu, die unter dem Namen khersal in Indien als stopfendes Arzneimittel bei Diarrhoe Verwendung finden. Der von dieser Pflanze gewonnene Katechu wurde zuerst 1514 von Barbosa als Handelsartikel Südasiens erwähnt. Eine Beschreibung der Stammpflanze und der Darstellung des Katechu gab aber erst Sassetti im Jahre 1586, und bald darauf gelangte Katechu auch nach Europa. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts erscheint er als eine sehr teuere Droge in deutschen Apothekertaxen, und 1680 schilderte Clayer den ungeheuren Verbrauch desselben in Ostasien hauptsächlich zum Betelkauen, dem dort sozusagen jedermann huldigt. Neben dem in Vorderindien gewonnenen Bombay-Katechu ist der aus Hinterindien stammende Pegu-Katechu der im Handel gewöhnlichste und für pharmazeutische Verwendungen neben dem Gambir allein zulässige. Er bildet unregelmäßige dunkelbraunrote Kuchen, wie der vorhergehend besprochene Areka-Katechu, und kommt in Matten oder Kisten verpackt in den Handel.
In mittelgroßen, graubraunen, porösen, leicht zerreiblichen, sehr leichten und daher auf Wasser schwimmenden Würfeln kommt der gelbe oder Gambir-Katechu in den Handel. Er bildet ein durch vielstündiges Kochen in Wasser und nachheriges Eindicken gewonnenes Extrakt aus den jungen Trieben von Uncaria gambir, einem kletternden Strauch Hinterindiens und der Sundainseln aus der Familie der Rubiazeen oder Krappgewächse, die besonders auf der Halbinsel Malakka, aber auch auf Java und Sumatra angebaut wird und über Singapur in den Handel gelangt. Drei- bis viermal im Jahre werden die jungen Zweige und Blätter des Gambirstrauchs zur Gewinnung des sehr reichlich Katechin (neben Katechugerbsäure) enthaltenden Gambirs abgeschnitten, zerkleinert, durch Kochen in Wasser extrahiert und, auf Sirupkonsistenz eingedickt, an der Luft noch völlig getrocknet. Der Gambir ist fast geruchlos, schmeckt bitter, ist in kaltem Wasser schwer, leicht dagegen in heißem Wasser löslich, färbt sich mit Eisenoxydsalzen grün und dann auf Zusatz von Alkali purpurn. Er wurde in Europa gegen das Ende des 18. Jahrhunderts bekannt, hat aber erst seit den 1830er Jahren eine ungemein große Bedeutung in der Färberei und zum Gerben schweren Leders, wie auch zum Imprägnieren von Stoffen, die beim Gebrauch der Nässe ausgesetzt sind, wie Fischernetze, Zeltstoffe und Kofferüberzüge, erlangt. Auch gegen den Kesselstein in Dampfmaschinen findet er häufig Verwendung. Die Ausfuhr von Singapur, wo fast die gesamte Produktion zusammenkommt, beziffert sich auf jährlich etwa 40 Millionen kg im Werte von 19 Millionen Mark. Davon empfängt London allein gegen 15 Millionen kg, während Deutschland nur etwa 7 Millionen kg verbraucht.
Ebenfalls reich an Gerbstoff ist der in dunkelbraunroten bis schwärzlichen, in dünnen Splittern rubinrot durchscheinenden Stücken in den Handel gelangende Kino, der sich in Weingeist mit dunkelblutroter Farbe löst und wie Katechu und Gambir teilweise in der Medizin als adstringierendes Mittel, besonders aber technisch zum Färben und Gerben Anwendung findet. Meist kommt er als Malabar- oder Amboina-Kino zu uns und bildet den nach Einschnitten in den Stamm des Baumes Pterocarpus marsupium, eines Schmetterlingsblütlers, ausgeflossenen und dann eingetrockneten, rötlichen, gerbsäurehaltigen Saft, während der gleichfalls zu uns gelangende australische Kino aus dem in gleicher Weise gewonnenen Saft verschiedener Eukalyptusarten besteht. Kaum Bedeutung für uns hat der bengalische Kino, der aus dem eingedickten Saft der Rinde von Butea frondosa besteht, ebenso der westindische, der aus der Rinde von Coccoloba uvifera gewonnen wird, traubentragend wegen seiner Früchte genannt, die angenehm sauer schmecken und in Westindien und Südamerika, wo der Baum kultiviert wird, gerne mit Zucker gegessen werden; auch bereitet man aus ihnen erfrischende Getränke. Das schwere, geaderte Holz dieses mit wohlriechenden weißen Blüten in Trauben versehenen Baumes wird zur Herstellung feiner Möbel benutzt, und aus ihm durch chemische Umsetzung eine rote und violette Farbe gewonnen. Die wässerige rötlichbraune Lösung des Kino färbt sich nämlich mit Alkalien versetzt rotviolett und gibt mit Eisenchlorid einen dunkelgrünen Niederschlag, der mit Alkalien purpurn wird. Der westindische Kino ist seit 1757 gebräuchlich, während der Malabar-Kino erst seit 1811 bei uns eingeführt ist. Der am frühesten in Europa gebrauchte Kino war übrigens der afrikanische, von Pterocarpus erinacea gewonnen, der seit 1733 als zusammenziehendes Mittel im Arzneischatze geführt wird.
Als Myrobalanen kommen seit dem frühen Mittelalter, da uns die Araber ihre Kenntnis vermittelten, die 5 cm langen und 2,5 cm dicken, länglich birnförmigen, grünlich gelben oder gelbbraunen Früchte mehrerer ostindischer Bäume zu uns, die wegen ihres Gehaltes von 32–45 Prozent Gerbstoff ebenfalls zum Schwarzfärben und Gerben verwendet werden. Die meisten der in den Handel kommenden stammen von verschiedenen Vertretern der Gattung Terminalia, die in den regengrünen Wäldern von ganz Vorderindien, Ceylon, Hinterindien und dem indischen Archipel wachsen, von deren einer Art, Terminalia catappa, die mandelähnlichen Samen gegessen und auch zur Ölgewinnung benutzt werden, während die Rinde zum Gerben dient. Früher wurden noch als schwarze oder graue Myrobalanen die getrockneten Früchte eines ebenfalls in Ostindien wachsenden Strauches, Phyllanthus emblica, eines Wolfsmilchgewächses, in den Handel gebracht; jetzt aber werden meist die zuerst genannten nach Europa, und zwar vorzugsweise nach England importiert. Im Altertum verstand man unter Myrobalanen die Früchte der in Ägypten wildwachsenden Balanites aegyptiaca, die zum Salben benutzt wurden. Im Mittelalter übertrug man dann den Namen zuerst auf die in Syrien wachsenden gelben Pflaumen, unsere jetzigen Mirabellen, und dann erst auf die gelben Früchte, deren gerbstoffhaltige äußere braune Schicht gewöhnlich pulverisiert in den Handel gelangt.
Demselben Zwecke des Gerbens und Schwarzfärbens dienen die gerbstoffreichen Hülsenfrüchte eines in Westindien, Mexiko und dem nördlichen Südamerika, besonders in Kolumbien und Venezuela, heimischen, 6–8 m hohen Schmetterlingsblütlers, der Caesalpinia coriaria, die als Dividivi in den Handel gelangen. Sie sind gegen 8 cm lang und 2–3 cm breit und enthalten 20–30 Prozent Gerbstoff. Diese von den Indianern schon längst als Gerbmittel verwendeten Gerbschoten wurden zuerst im Jahre 1768 von den Spaniern nach Europa gebracht, kommen aber erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts in größeren Mengen dahin. Kolumbien führt davon jährlich 4,2 und Venezuela 3,4 Millionen kg aus, von denen Deutschland über Hamburg etwa 5 Millionen kg im Werte von 1 Million einführt. Von einer anderen Caesalpinia-Art stammen die als falsche Dividivi bezeichneten Gelbschoten, während Caesalpinia tinctoria die in Chile und Peru zum Gelb- und Schwarzfärben gebrauchte Dividivi von Bogotá in Form von großen, flachen Hülsen mit roter oder hellbrauner Haut hervorbringt. Ebenso reich an Farbstoff sind die kurzen, breiten Hülsen von Caesalpinia digyna, die als Tarihülsen aus Vorderindien importiert werden.
Weiter finden zum Schwarzfärben und Gerben die als Bablach in den Handel kommenden unreif gesammelten Hülsenfrüchte verschiedener Akazienarten Verwendung. Die ostindische Sorte stammt von Acacia arabica var. indica in Form von 5–8 cm langen, flachen, dunkel- oder hellbraunen Schoten, die 14–20 Prozent Gerbstoff enthalten, die ägyptische dagegen rührt von Acacia nilotica her in Form von grünbraunen Hülsen mit ähnlichem Gerbstoffgehalt. Sie dienen zum Gelb-, Braun- und Schwarzfärben, zur Bereitung von Tinte und zum Gerben von leichterem Leder.
Ähnliche Verwendung findet der Sumach oder Schmack, der aus den getrockneten Blättern verschiedener Rhus-Arten und von Coriaria myrtifolia gewonnen wird. Die beste Sorte liefert der Gerbersumach (Rhus coriaria), dessen Blätter schon die Alten als Gerbmaterial benutzten, wie sie auch seine Beeren als Gewürz wie Myrtenbeeren oder Pfeffer gebrauchten, um die Speisen schmackhafter zu machen. Zuerst nennt ihn der athenische Gesetzgeber Solon zu Anfang des 6. vorchristlichen Jahrhunderts. Seit der Zeit der arabischen Herrschaft wird der trockene, steinige Standorte bevorzugende Strauch in Unteritalien und Sizilien in großem Maßstabe kultiviert. Aus dem arabischen sommâq ging der italienische Name sommaco hervor, woraus die deutsche Bezeichnung Sumach oder Schmack hervorging. Der Gerbersumach ist ausgewachsen ein 5–6 m hoher Strauch, dem man jährlich die beblätterten Schößlinge abschneidet, so daß er nur etwa 1,5 m hoch wird. Zur Sumachgewinnung läßt man dann die abgeschnittenen Zweige der kultivierten Pflanze an der Sonne trocknen, streift die dürren Blätter ab und mahlt sie. Dadurch erhält man ein grünliches Pulver von zusammenziehendem Geschmack und eigentümlichem Geruch, von dem Sizilien allein für mehr als 16 Millionen Mark jährlich ausführt. Es wird zum Schwarz- und Dunkelrotfärben und zum Gerben feiner, leichter Ledersorten verwendet, während die Früchte des Gerbersumachs, der bei uns auch als Zierstrauch kultiviert wird, im Orient noch heute als Gewürz an Speisen und zum Sauermachen von Essig dienen.
Bis zu 10 Prozent Gerbstoff — in der Wissenschaft als Gerbsäure oder Tannin bezeichnet — enthält die von verschiedenen Eichen (besonders Quercus pedunculata und Q. sessiliflora) abgeschälte Rinde, die an sich geruchlos ist, aber zerkleinert, mit Wasser und tierischer Haut in Berührung gebracht, den bekannten Lohgeruch entwickelt. Die beste Eichenrinde wird von jungen, höchstens 25 Jahre alten Bäumen gewonnen, die in einer besonderen Art von Niederwaldbetrieb gezogen werden. Dazu gehört ein mildes Klima innerhalb der Grenze des Rebbaus. In den Eichenschälwäldern Deutschlands werden nur Stiel- und Traubeneichen genutzt, und zwar gibt man letzteren den Vorzug. Auf 4500 Hektar gewinnt man nur 2,5–3 Millionen kg. Deutschland verbraucht davon jährlich etwa 500 Millionen kg, von denen 80–100 Millionen kg im Werte von 11 Millionen Mark aus dem Auslande, besonders aus Österreich und Frankreich, bezogen werden. Zur Herstellung guten Sohlleders gibt es kein besseres Material als dieses.
In Amerika dient die Rinde der bis 30 m hohen Kastanieneiche (Quercus prinus), die in den mittleren und südlichen Vereinigten Staaten wächst, zu demselben Zwecke. Man gewinnt sie von alten, wildgewachsenen Stämmen. Sie ist meist 2–3 cm dick und enthält bis 16 Prozent Gerbsäure. Man bereitet daraus einen Extrakt, der bis über 30 Prozent derselben enthält. In derselben Weise verwendet man die durchschnittlich nur 10 Prozent Gerbstoff enthaltende, aber als billiges Material gleichwohl angewandte, rotbraune Rinde der kanadischen Hemlocktanne (Tsuga canadensis), eines 25–30 m hohen Baumes des kälteren Nordamerika, der dem Grenzgebiet der Laub- und Tannenwaldregion angehört und selbst in nassen, kalten Sümpfen gedeiht. Man beutet in den Vereinigten Staaten etwa 4 Millionen Hektar von ihm bestandenen Waldes zur Gewinnung der Rinde aus. Die Hemlocktanne kam im Jahre 1736 durch Collinson nach Europa und wird in unseren Gartenanlagen als eine der schönsten Koniferen in mehreren Varietäten angepflanzt.
Als teilweiser Ersatz der verschiedenen Arten von Eichenrinde wird neuerdings in immer steigenden Mengen die sehr gerbstoffreiche Rinde der Mangrovenbäume aus den tropischen Küstengebieten in den Handel gebracht, von der Deutsch-Ostafrika beispielsweise jährlich für 40000 Mark ausführt. Diese Mangroven- oder Manglebäume (Rhizophora mangle, Rh. mucronata u. a.) umgürten in dichten Beständen die meisten flachen Küsten und Flußmündungen der Tropen. Es sind bis 15 m hohe Bäume, deren Stämme und Äste zahlreiche, vielfach bogenförmig gekrümmte Luftwurzeln entwickeln, mit denen sie sich gleichsam im lockeren Uferschlamm verankern, was sehr nötig ist, wenn man bedenkt, daß bei der steigenden Flut sich die Wellen oft stürmisch an die von ihnen eingenommenen Standorte herandrängen und ihren Schaum hoch über die im Winde gebogenen Wipfel aufspritzen lassen. Ihr Holz ist außerordentlich zähe und hart und findet deshalb als Nutzholz in verschiedenster Weise Verwendung. Die immergrünen, dicken, lederartigen Blätter sind durch starke Verdickung der Oberhaut in wirksamer Weise gegen übermäßigen Wasserverlust geschützt. Das scheint auf den ersten Blick unnötig, da die Pflanzen doch im Wasser stehen; bedenken wir aber, daß dieses Wasser salzhaltig ist und daß Kochsalz für alle Gewächse, wenn es in unbeschränkter Menge in den Körper derselben eingeführt wird, ein sehr stark wirkendes Gift ist, so begreifen wir diese Schutzeinrichtung vollkommen.
Eine andere, durch ihren Standort im Wasser bedingte Eigentümlichkeit der Mangroven sind die Pneumatophoren oder Atmungswurzeln, die von einem mächtigen Aërenchymmantel umhüllt sind und durch Lentillen genannte Spalten reichlich Kohlensäure ausscheiden und Sauerstoff einatmen, um so den Gasstoffwechsel der unter Wasser befindlichen Organe zu ermöglichen. Aus den paarweise gestellten weißen Blüten gehen längliche, einsamige, nicht aufspringende Früchte mit lederartiger Schale hervor, die auch wiederum die höchst zweckmäßige Einrichtung aufweisen, bereits am Baume zu keimen. Der Keimblattstamm verlängert sich dabei monatlich um etwa 4 cm und wächst durch die Frucht heraus, so daß der Keimling nach neun Monaten gegen 0,5 m, unter Umständen sogar 1 m Länge erreicht. Er ist unten am dicksten und etwa 80 g schwer. Diese langen, schweren, aus den Früchten heraushängenden Keimblattstöcke pendeln nun bei Luftströmung hin und her, endlich reißen die Gefäßbündel, durch welche noch immer die Verbindung mit dem röhrenförmigen Teile des Keimblatts erhalten war, der Keimling fällt in die Tiefe und bohrt sich durch die Wucht des Sturzes mit seinem unteren, zur Ausbildung der Wurzel bestimmten Ende tief in den Schlamm ein. Sogar eine 0,5 m hohe Wasserschicht wird von ihm mit solcher Gewalt durchfahren, daß er in dem darunter befindlichen Schlamme aufrecht stehend stecken bleibt. Hier entwickeln sich im Laufe weniger Stunden Wurzeln, die den Keimling endgültig im Boden befestigen. Durch diese ingeniöse Einrichtung ist dafür gesorgt, daß die Nachkommenschaft im Schlammgebiet selbst Wurzel faßt, wo sie die günstigsten Existenzbedingungen findet, und nicht in der Frucht von den Wogen ans Ufer geschwemmt wird an Orte, die für die Weiterentwicklung höchst ungünstig sein könnten. Geschieht es nämlich, daß bei hoher Flut der Keimling die hohe Wasserschicht nicht mit genügender Kraft durchfährt, um sich in den Schlamm einzubohren, so führen ihn die Wogen weiter, um ihn ans Land zu werfen, wo es ihm gleichwohl oft noch gelingt Fuß zu fassen.
Abgesehen von ihrer als Gerbmaterial für Leder höchst wertvollen gerbstoffreichen Rinde sind die Mangrovendickichte, welche nur dadurch einigermaßen zugänglich sind, daß die netzförmig ausgebreiteten Stelzwurzeln der Bäume über den Wasserspiegel hervorragen und auf diese Weise einen Stützpunkt zum Überklettern bieten, von hoher Wichtigkeit als landerobernde Vegetationsformen, die immer weiter ins Meer hinaus vorschreiten und nach und nach bedeutende Gebiete an den Küsten in Land verwandeln. Die bogenförmig ausgespreizten Stelzwurzeln sammeln nämlich wie Reusen alles hineingeratene Pflanzenmaterial und sämtlichen Auswurf des Meeres an, halten es fest und verdichten den Untergrund des Sumpfwaldes schließlich so weit, daß er fest und gangbar wird. Diese für die seichten Küsten der Tropen so charakteristischen Mangrovenwälder sind durchaus an das Salzwasser des Meeres gebunden und steigen an den Mündungen der Flüsse nur so weit herauf, als das Wasser noch brackig ist. Im Bereiche des reinen Süßwassers verschwinden sie vollkommen. Leider sind diese Mangrovenbezirke durch das viele stehende Wasser gefürchtete Brutplätze der Moskitos, von denen die Anophelesarten die Überträgerinnen der Malaria sind.
Von weiteren gerbstoffhaltigen Drogen, die technisch außer der Gerberei besonders für die Färberei in Betracht kommen, sind die Galläpfel zu nennen, die bekanntlich durch den Stich bestimmter Gallwespenweibchen auf den Blättern und Knospen verschiedener Eichenarten entstehen, indem durch den Reiz der aus dem Ei hervorgegangenen Insektenlarve Wucherungen der betroffenen Stellen des Blattgewebes in Form von blasigen Austreibungen bewirkt werden. Unsere einheimischen Eichen (Quercus pedunculata und Q. sessiliflora) werden von einer Anzahl Gallwespen befallen, deren jede eine Galle von bestimmter Form hervorbringt. So erzeugt Cynips scutellaris die kirschgroßen, weichen, auswendig grün bis rot gefärbten kugeligen Gallen, die man so häufig an der Unterseite der Eichenblätter findet. Reicher an Gerbstoff als unsere einheimischen sind die großen ungarischen, die von Cynips hungarica an der Unterseite der Blätter von der Stieleiche (Quercus pedunculata), und die kleinen ungarischen Galläpfel, die von Cynips kollari gleichfalls an den Blättern der Stieleiche erzeugt werden. Während diese 25–30 Prozent Gerbstoff enthalten, steigt der Tanningehalt bei den kleinasiatischen, von Cynips gallae tinctoriae auf der Unterseite der Blätter von Quercus infectoria erzeugten auf 60 Prozent und mehr. Von diesen in ganz Vorderasien gefundenen Gallen sind die nördlich von Aleppo in Nordsyrien gesammelten die gehaltreichsten an Gerbsäure. Aus dem westlichen Gebiet kommen sie über Alexandrette nach Europa, aus dem östlichen dagegen gehen sie über Mossul nach Bombay und gelangen als indische Gallen in den Handel, um außer zum Färben zur Tintenbereitung und zur Gewinnung von Gerbsäure und zur Herstellung von Galläpfeltinktur zu dienen.
Kleinasiatische und griechische Galläpfel wurden schon zur Zeit des Hippokrates, des berühmtesten Arztes des Altertums (460–364 v. Chr.), medizinisch und technisch verwertet. Auch Theophrast (390–286 v. Chr.) erwähnt sie, und der ältere Plinius um die Mitte des 1. christlichen Jahrhunderts berichtet, daß man mit Galläpfelsaft getränktes Leinen zur Prüfung des Kupfervitriols auf seinen Gehalt an Eisenvitriol benutze. Auch später blieben die Galläpfel besonders in medizinischem Gebrauch, bis nach den Kreuzzügen solche aus Syrien und Kleinasien einen regelmäßigen Ausfuhrartikel jener Länder bildeten. In guten Jahren kommen allein von Aleppo 8–9000 Säcke im Werte von je 140–160 Mark in den Handel.
Die Knopperneiche (Quercus vallonea), die in Kleinasien und im kilikischen Taurus vorkommt, liefert in ihren Fruchtbechern die 20 bis 35 Prozent Gerbsäure enthaltenden kleinasiatischen oder Smyrnavalonen, während die Knoppern durch den Stich einer Gallwespe (Cynips calycis) in die jungen Früchte vorzugsweise der Stieleiche (Quercus pedunculata), seltener der Traubeneiche (Quercus sessiliflora) hervorgebrachte, auf der Oberfläche mit flügelartigen Höckern besetzte Gallen mit 24–35 Prozent Gerbstoff sind, die in der Färberei und, besonders in Österreich, auch noch zum Gerben des Sohlleders dienen. Sie kommen als levantinische Knoppern in den Handel. In der oft mit Mannazucker bedeckten besten Sorte von Smyrna beträgt der Gerbstoffgehalt 30–35 Prozent. Trotz ihres herben Geschmackes dienten die Früchte der Knopperneiche schon der armen Bevölkerung bei den alten Griechen als Nahrungsmittel, und auch jetzt noch werden sie in ihrer Heimat roh oder geröstet verspeist, während unsere einheimischen Eicheln heute nur noch als geschätztes Schweinefutter dienen. In Griechenland allein werden jährlich 5000–7400 Tonnen geerntet, die als vorzügliches Gerbmaterial besonders für Sohlleder, aber auch zum Schwarzfärben, z. B. von Seidenhüten, dienen.
Der Gerbprozeß, bei welchem die Gerbsäure Anwendung findet, ist nebenbei bemerkt ein in seinen Einzelheiten noch nicht völlig aufgeklärter Vorgang, der mit der Färberei einige Verwandtschaft besitzt. Dabei verwandelt der Gerbstoff unter Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft die von der haartragenden Oberhaut und der fettdurchwachsenen Unterhaut befreite Lederhaut, die der Gerber auch wohl als Corium bezeichnet, zu einem vor jeglicher Fäulnis bewahrten Gebilde, dem Leder. So wichtig der Sauerstoff auch für den Gerbprozeß ist, so bewirkt er an sich noch keine Lederbildung des Coriums. Legt man ein Stück der letzteren, die aus einem festen Gefüge vielfach verschlungener Faserbündel besteht, in feuchtem Zustande in eine Sauerstoffatmosphäre oder übergießt sie in einem Becherglase mit reichlich Sauerstoff abgebenden Wasserstoffsuperoxyd, so wird noch kein Leder daraus; dies geschieht erst bei Gegenwart einer Gerbstofflösung.
Die älteste Methode der Lederfabrikation haben wir in der Sämisch- oder Ölgerberei vor uns. Die Jäger- und Nomadenstämme unserer Tage, welche, wie die Jäger der Urzeit, das Fell des erlegten Wildes auf der Fettseite mit dem Steine bearbeiten, um ihm seine Geschmeidigkeit auch nach dem Eintrocknen zu erhalten, stellen damit eine primitive Art sämisch gegerbtes Leder her. Etwas vollkommener ist das Gerbverfahren, das beispielsweise die Frauen der nordamerikanischen Indianer anwandten, um die Tierhaut in Leder zu verwandeln, d. h. in solcher Weise zu verändern, daß sie weder in Fäulnis übergeht, noch ausgetrocknet hart wird. Zu diesem Zwecke spannten sie die abgezogene Haut eines von den Männern erbeuteten Büffels oder sonst eines Wildes zwischen Holzpflöcke auf dem Boden aus und schabten mit einem geschärften Stein das anhaftende Fett und Fleisch, wie auch die Haare ab. Dann rieben sie die Haut mit dem Gehirn und Fett des Tieres ein und bearbeiteten sie tüchtig längere Zeit mit dem Schaber oder einem andern Stein, bis sie weich wurde wie sämisch gegerbtes Leder. Ähnlich wie sie verfahren andere primitive Völker der Gegenwart, die zum Einreiben der rohen Felle außer Gehirn auch Fett oder Öl verwenden. Noch heutzutage werden die in Kleienbeizen angeschwellten „Blößen“, wie die in Leder zu verwandelnde Mittelschicht der Haut von den Gerbern genannt wird, mehrere Male mit Tran eingerieben; zwischendurch hängt man sie einige Zeit an der Luft auf und läßt sie zuletzt in Wärmekammern angären. Dabei nehmen die Fette Sauerstoff aus der Luft auf, es entstehen sauerstoffreiche Fettsäuren, sogenannte Oxyfettsäuren, die sich mit dem geschwellten Corium so fest verbinden, daß sie selbst durch Waschen mit Soda und Seife nicht mehr entfernt werden können.
Ein anderes, in der Alten und Neuen Welt gebräuchliches, ganz rationelles Verfahren, um das Fell vor Fäulnis zu bewahren, ist die Anwendung des Rauches. Die moderne Technik macht auch hiervon wenigstens insoweit Gebrauch, als ein großer Teil der aus Amerika zu uns kommenden rohen Rindshäute der vorläufigen Erhaltung halber etwas geräuchert wird — andere salzt man ein —, und daß man Felle und Bälge für Sammlungen mit Kreosot, also mit demjenigen Bestandteile des Rauches präpariert, der die Tierfaser gegen Fäulnis widerstandsfähig macht. Auch die Anwendung von Alaun, die Grundlage der Weißgerberei, muß schon lange bekannt sein, da schon die Römer neben dem lohgegerbten festen Leder, von ihnen corium genannt, ein weiches und geschmeidiges, mit Alaun bearbeitetes Leder unter dem Namen aluta kannten.
Neuen Datums ist die Chromgerberei, die ein sehr widerstandsfähiges Leder liefert, während die altgeübte Lohgerberei ein allerdings noch besseres Produkt erzeugt. Sie wurde schon im frühesten Altertum geübt und dazu in Europa vorzugsweise die bis 16 Prozent Gerbstoff aufweisende Eichenrinde als die tanninreichste von allen Rinden unserer Waldbäume verwendet. In Rußland, wo die Eichen fehlen, gerbt man von alters her mit den Rinden der Birken, Weiden und Erlen, wie in Nordamerika mit der Rinde der Hemlocktanne. Das auf diese Weise in Nordamerika erzielte rote Sohlleder wurde zuerst im Jahre 1844 nach England und bald über den ganzen europäischen Kontinent eingeführt, doch erwies sich dieses Hemlockleder trotz seiner Billigkeit nicht als dem einheimischen lohgegerbten Leder gleichwertig.
Schon die Ägypter des vierten vorchristlichen Jahrtausends übten die Gerberei mit gerbstoffhaltigen Brühen, die sie aus den Rinden der einheimischen Pflanzen herstellten. Auf den ältesten Wandbildern der Gräber des alten Reiches zu Beginn des dritten vorchristlichen Jahrtausends sehen wir dasselbe Gerbverfahren angewandt, das man heute noch betreibt. Im frühen Altertum waren die persischen und babylonischen Leder berühmt; man fertigte dort nicht bloß gröbere, sondern auch sehr feine und schön gefärbte Ware an. Mit Safran gelb gefärbte pantoffelartige Schuhe waren das Kennzeichen der Vornehmen. Diese altasiatische Industrie arbeitete selbst für Europa, wohin die schiffahrtkundigen Phönikier diese beliebte Handelsware brachten und gegen einheimische Produkte umtauschten. Gegen den Anfang der christlichen Zeitrechnung hatten die Juden fast ausschließlich den Lederhandel Syriens in Händen und versorgten mit dieser Ware Rom und die übrigen bedeutenderen Städte des römischen Reiches. Zur Zeit der arabischen Herrschaft kam im westlichen Afrika und in Spanien eine Luxusgerberei zur Blüte, für deren ausgezeichnete Produkte die Völker Mitteleuropas lange Zeit gute Käufer waren, bis man hier, zuerst in Frankreich, das Geheimnis der Fabrikation dieser besseren Ware ausgekundschaftet hatte und dann in der Neuzeit selbst zu fabrizieren anfing. Die Erinnerung an diese Verhältnisse ist in den Bezeichnungen der verschiedenen Ledersorten bis in die Gegenwart erhalten geblieben. So haben wir dem Namen nach noch heute Leder aus Marokko als Maroquin, aus der Stadt Safi in Marokko ausgeführtes Leder als Saffian und Leder aus Cordova in Südspanien als Corduan. Von jener südwestländischen Kunstgerberei aber hat man allen Grund anzunehmen, daß die Araber sie auf ihren Eroberungszügen in Asien kennen lernten und sie nachträglich bis an die Gestade des Atlantischen Ozeans verpflanzten. Daß Asien, wie überhaupt die Wiege der Kultur, so auch die einer Industrie wie der feineren Gerberei gewesen sein wird, läßt sich wohl sicher annehmen, und dafür spricht auch, daß eben in den östlichen Gegenden Europas, bei den Russen, Bulgaren, Ungarn, Türken usw., die Lederbereitung frühzeitig in ausgezeichneter Weise betrieben wurde. Wir lesen bereits bei Plinius, daß das indogermanische Volk der Kelten sein Leder vermittelst Birkenteer bereitete; daraus ergibt sich, daß die Juchtengerberei nichts Nationalrussisches ist, sondern schon von den Urindogermanen geübt wurde, von denen sie manche Zweige später wieder aufgaben.
Außer den bereits genannten Gerbstofflieferanten werden für die Lohgerberei des Leders noch verschiedene andere verwendet, von denen wir die wichtigsten kurz aufzählen wollen. Dahin gehört die Rinde der Aleppokiefer (Pinus haleppensis), eines 10–16 m hohen harzreichen Baumes des Mittelmeergebiets, der in der Region des Ölbaums im Meeressand wie auf verwittertem Felsboden gedeiht. Seit der Zeit Theophrasts im 4. vorchristlichen Jahrhundert bis heute wird sie zum Gerben benutzt und weithin exportiert. In Australien und Tasmanien wird zu diesem Zwecke die Rinde eines daselbst heimischen, 12 m hohen Schmetterlingsblütlers, Acacia penninervis, benutzt. Noch mehr, nämlich über 30 Prozent Gerbstoff, enthält die schwere, schwarzviolette Rinde der in Süd- und Ostaustralien häufig vorkommenden besten Gerberakazie, der Acacia decurrens, die dort in Schälwäldern mit einer Umtriebszeit von nur acht Jahren gewonnen wird. Ein ausgewachsener Baum von zehn Jahren liefert etwa einen Zentner Rinde von 44 Prozent Tanningehalt, die neuerdings auch gemahlen als Mimosarinde nach Europa ausgeführt wird. So bringt Australien allein von Acacia decurrens jährlich etwa 15 Millionen kg im Wert von 1,85 Millionen Mark in den Handel. Wie der Baum neuerdings auf Anregung der Regierung in seiner australischen Heimat in Kultur genommen wird, so wird er jetzt auch in Deutsch-Ostafrika in größerem Maße angepflanzt. Die Bäume brauchen 5–8 Jahre, bis sie die ersten Erträge liefern. Dann aber kann das Abschälen eines Teiles der Rinde in bestimmten Abständen eine Reihe von Jahren hindurch wiederholt werden.
Wie Australien in seinen verschiedenen Gerberakazien, so besitzt Neuseeland in der Rinde der 20–23 m hohen, sellerieblätterigen Tanekahafichte (Phyllocladus trichomanoides), einer weitläufigen Verwandten der Eibe, ein Material mit 28–39 Prozent eines außerordentlich wertvollen Gerbstoffs, das neuerdings in erhöhtem Maße exportiert wird, um zum Gerben feiner, weicher Ledersorten zu dienen. Daher zieht Grenoble, dieser berühmte Sitz der Glacéhandschuhfabrikation, den größten Teil der Ausfuhr desselben an sich. Südamerika dagegen hat einen sehr wichtigen Gerbstofflieferanten in dem harten, fleischroten Holz eines in den Wäldern Argentiniens und Paraguays häufig wachsenden hohen Baumes, des Quebracho — sprich kebratscho — (Schinopsis lorentzii). Dasselbe enthält bis 20 Prozent Gerbsäure und wird zur Extraktion derselben, da es sehr hart ist, mit kräftigen Maschinen zerkleinert. Die Rinde dieses Baumes mit bläulichgrünen Blättern und gelben Blüten wird medizinisch verwendet. Sie gelangte 1878 zum erstenmal nach Europa und wurde als Ersatz der Chinarinde gegen Fieber empfohlen. Sie wird besonders gegen Asthma angewandt.
Äußerst wichtige ostasiatische Gerbstofflieferanten sind auch die chinesischen Galläpfel, die seit dem Jahre 1846 aus China und seit 1860 aus Japan auf den europäischen Markt gelangen. Sie werden durch den Stich einer Blattlaus (Aphis chinensis) an den Blättern und Blattstielen des geflügelten Sumachs (Rhus semialata) hervorgebracht und stellen ursprünglich grüne, später graubraune, dünnwandige Blasen mit 59–77 Prozent Gerbstoffgehalt dar. Sie sind 3–10 cm lang und 1,5–4 cm dick und bergen im frischen Zustande im Innern zahlreiche junge Blattläuse. Um diese abzutöten, werden die Gallen in weitgeflochtenen Weidenkörben heißen Wasserdämpfen ausgesetzt. Man bedient sich ihrer zum Schwarz-, Braun- und Graufärben von Geweben und Leder und zur Bereitung schwarzer Tinte.
Unser Wort Tinte kommt vom romanischen, speziell italienischen tinta Farbe, das seinerseits aus dem lateinischen tincta gefärbtes (nämlich aqua Wasser) hervorging. Schon im hohen Altertum schrieb man mit schwarzer Tinte, die aus Ruß, arabischem Gummi und Wasser bereitet wurde, jedenfalls aber im ganzen sehr wenig haltbar war. Aus der römischen Kaiserzeit sind uns verschiedene Rezepte zur Bereitung solcher Tinte erhalten geblieben, so von Plinius: „Schwarze Tinte und Farbe (atramentum) wird aus Ruß von verbranntem Harz und Pech gemacht, und man hat zu diesem Zwecke auch geschlossene Kammern, in denen sich der Ruß sammelt. Die beste schwarze Tinte kommt von Kiefern. Sie wird übrigens mit dem Ruß aus Öfen und Bädern verfälscht. Man macht auch welche aus geglühter Weinhefe. Die berühmten Maler von Athen Polygnotus und Mikon machten ihre schwarze Farbe auch aus Weintrestern. Apelles erfand die schwarze Farbe aus verkohltem Elfenbein, und man nennt solche elephantinon. Es wird auch schwarze Farbe aus Indien gebracht, deren Zusammensetzung mir aber unbekannt ist. (Damit meint Plinius jedenfalls die über Indien zu den Römern gelangende chinesische Tusche.) Es wird auch welche aus feinem Ruß gemacht, der sich an ehernen Kesseln ansetzt, oder aus Kiefernkohle, die man in einem Mörser zerstößt. — Alle schwarze Farbe wird an der Sonne fertiggemacht, die Schreibtinte mit Zusatz von Gummi, die Malerfarbe mit Zusatz von Leim. Man macht sie mit Essig flüssig, damit sie sich nicht leicht wieder auswaschen läßt, und mischt eine Abkochung von Wermut darunter, damit die Mäuse nicht an sie gehen.“
Außer der schwarzen waren auch farbige, besonders rote, allerdings ebenso leicht schimmelnde Tinten im Gebrauch, die alle in gleicher Weise mit dem zugespitzten und an der Spitze gespaltenen Schreibrohr calamus auf die Schreibrollen aus Papyrus oder Pergament aufgetragen wurden. Unsere Bezeichnung Rubrik kommt ja aus dem lateinischen rubrum das Rote, von der kurzen, seit der altägyptischen und römischen bis fast in unsere Zeit rotgeschriebenen Inhaltsangabe als Aufschrift bei Aktenstücken und am Eingang von amtlichen Verfügungen. Schon im 3. Jahrhundert n. Chr. begann man die Tinte in der heute noch gebräuchlichen Weise anzufertigen, indem man eine stark gerbstoffhaltige Galläpfelabkochung mit Eisenvitriol versetzte. Dadurch entstand ein feiner Niederschlag von gerbsaurem Eisenoxydul, der durch schleimige Verdickungsmittel, wie arabischer Gummi, später auch Dextrin, in Suspension erhalten wurde. Erst seit einem halben Jahrhundert kennt und benutzt man klare, filtrierbare Gallustinten, in denen das Eisen in gelöster gerbsaurer und gallussaurer Verbindung enthalten ist und sich erst nach dem Schreiben in unlöslicher Form auf dem Papier niederschlägt. Die erste derartig zubereitete Tinte, die heute noch als Vorbild der meisten im Handel befindlichen Gallustinten gelten kann, war die im Jahre 1855 von Leonhardi in Dresden erfundene Alizarintinte, so genannt, weil sie außer Indigo auch noch Krapp zugesetzt erhielt. Da man aber später erkannte, daß die Indigobeigabe an sich genügt, um der Tinte gehörige Schwärze zu verleihen, ließ man den Krappzusatz als überflüssig weg. Neuerdings ersetzt man die Indigolösung in zunehmendem Maße durch andere sauer reagierende Lösungen von Farbstoffen, besonders Anilinfarben.
Die Blauholztinten werden aus Blauholzextrakt unter Anwendung von doppeltchromsaurem Kali, Chromalaun und verschiedenen in der Färberei als Beizen gebrauchten Salzen und Säuren dargestellt. Gegenüber den Gallustinten haben sie den Nachteil, daß die Schriftzüge leichter vom Papier entfernt werden können; dagegen kommt ihnen der Vorteil einer vorzüglichen Kopierfähigkeit zu. Ihrer Billigkeit wegen benutzt man sie, z. B. in Form der Kaisertinte, häufig für Schulzwecke. Die Anilintinten sind halb- bis einprozentige Lösungen der entsprechenden, auf chemischem Wege dargestellten Farben in Wasser unter Zusatz von Oxalsäure und Zucker. In bezug auf Echtheit und Beständigkeit stehen sie den Gallus- und Blauholztinten bei weitem nach, besitzen aber große Kopierfähigkeit, die sich mit der Menge des darin gelösten Farbstoffs steigert. Vor der Anwendung der Anilinfarben stellte man die rote Tinte meist aus Pernambukholz oder aus der Kochenille gewonnenem Karmin, die blaue dagegen aus Indigokarmin oder Berlinerblau her.
Wie die Tinte der Abendländer im Altertum und Mittelalter aus Ruß, der durch Verbrennen von Öl oder Holz vorzugsweise von harzreichen Koniferen gewonnen wurde, wird auch die Tusche der Chinesen und Japaner, mit der sie vermittelst eines feinen Haarpinsels auf Papier meist vom Papiermaulbeerbaum schreiben, aus Ruß gewonnen, und zwar vornehmlich aus dem Ruße des Sesamöles, der mit dem bei allen Ostasiaten so beliebten Patschuli parfümiert wird, was ihm den typischen echten Geruch gibt. Dieses Parfüm, das auch zum Parfümieren der indischen Schale und anderer Erzeugnisse Ostindiens dient, ist der haltbarste unter allen Pflanzendüften und wird aus den durch einen reichen Gehalt an ätherischem Öl wohlriechenden Blättern des südindischen Halbstrauches Pogostemon patschuli in Bengalen gewonnen, wo er auch, wie auf Ceylon und Malakka, kultiviert und patschapat oder patschuli geheißen wird. Schon im Altertum gelangte die chinesische Tusche durch indische Vermittlung nach den Mittelmeerländern, wo sie bei den Griechen indikón mélan und bei den Römern indicum nigrum, d. h. schwarzes Indigo (eigentlich schwarze indische Farbe) hieß. Vitruvius bezeichnet es als kohlschwarz, auch Plinius erwähnt es in seiner Naturgeschichte an der vorhin von uns erwähnten Stelle, und der weitgereiste Grieche Arrian im 2. Jahrhundert n. Chr. sagt in seinem Bericht über die Umschiffung des Roten Meeres, daß es nebst seidenen Zeugen und seidenen Fäden von der Stadt Minnagara an der Indusmündung über Alexandrien in den Handel gelange.
Wie alle orientalischen Völker die Wohlgerüche über alles lieben und sich und ihre Waren nach Möglichkeit parfümieren, so sind sie auch besondere Freunde bunter Farben, die sie in der Kleidung und ganzen Lebensführung zur Geltung kommen lassen. Weniger angenehm für unseren Geschmack ist ihre mit diesem gesteigerten Farbenbedürfnisse zusammenhängende Freude am Schminken. Wie die Orientalinnen in ihren Frauengemächern, haben auch die vornehmen Frauen in ganz Vorderasien und Ägypten sich schon im höchsten Altertume geschminkt und ihre Haare, Handflächen und Fingernägel gefärbt. In den Grabkammern der alten Ägypter hat sich uns ein reiches Inventar von wohlriechenden Salben und Schminken mit allem übrigen Toilettenzubehör vornehmer Damen gefunden, das uns von der großen Bedeutung dieser Artikel Kunde gibt. Bei den Ägypterinnen war der zwerghafte, unterwachsene und bucklige Besa, ein durchaus nicht einheimischer, sondern aus dem asiatischen Orient mit der ganzen höheren Toilettenkunst eingeführter Gott, der Toilettengott, den wir sehr häufig auf Schminkbüchsen und anderen Toilettegegenständen abgebildet finden. Von ihnen und den vornehmen Asiatinnen Syriens, Phönikiens und Kleinasiens nahmen dann naturgemäß die wohlhabenden Griechinnen, und von diesen wiederum die Römerinnen der späteren Zeit diese von uns als Unsitte empfundene Gewohnheit des Färbens und Schminkens hauptsächlich des Gesichtes an. Aus vielen Stellen griechischer Schriftsteller geht hervor, daß es bei den griechischen Damen ganz allgemein Sitte war, das Gesicht zu schminken. Die dazu verwandte weiße Farbe war Bleiweiß, während das Rot von der Färberochsenzunge (Anchusa tinctoria), von der Pflanze paidéros, von Maulbeeren und von phýkos (einem Tang, zweifellos der Lackmusflechte) gewonnen wurde. So führt Athenaios eine Stelle des Dichters Eubulos in einem Stück, das Die Kranzverkäuferinnen heißt, an, in der es heißt: „Wie die blonden Augenbrauen mit Ruß oder Antimonsalbe, so werden die Wangen mit Bleiweiß und Maulbeersaft beschmiert; und geht nun die Dame im Sommer aus, so fließen von den Augen her zwei schwarze Tintenbäche auf die Wangen, von den Wangen aber rote Streifen auf den Hals, und die Haare der Stirne reiben sich am Bleiweiß grau.“ Gleicherweise sprechen römische Schriftsteller vom Schminken der römischen Damen, bei denen besonders roter Lackmus zum Färben der Wangen benutzt wurde. Aber alles Eifern dagegen war umsonst, die Sitte blieb bestehen. Schon der Athener Xenophon, der Schüler des Sokrates (440–355 v. Chr.) sagt: „Wenn ich eine Dame sehe, die sich dick mit Bleiweiß angestrichen hat, um weißer zu erscheinen als sie wirklich ist, und sich auch dick mit Färberochsenzunge angepinselt hat, um röter zu erscheinen als sie wirklich ist, und die Schuhe mit hohen Absätzen trägt, um größer zu erscheinen als sie wirklich ist, dann muß ich doch bemerken, daß dergleichen Betrug wohl mitunter Fremde täuschen kann, aber diejenigen gewiß nicht, welche die Dame näher zu beobachten Gelegenheit haben. Denn sie sieht früh morgens, bevor sie sich geschmückt hat, ganz anders aus, als wenn sie Toilette gemacht hat; und ist sie angepinselt, so verrät doch jeder Schweißtropfen, jede Träne, jeder Wassertropfen den Pinsel.“
Zu allen Zeiten hat der Mann „die Herrin des Liebreizes, der Anmut und der Liebe“, „die Palme der Liebe und Anmut für ihren Gatten“, „welche geschützt ward von ihrem Manne“, und wie sonst die Wendungen zur Kennzeichnung der Frau in den altägyptischen Grabdenkmälern lauten, gewähren lassen, wenn sie auch von ihrem Triebe nach Putz auf falsche Bahnen geleitet wurde. Denn wie vor 5000 Jahren gelten noch heute die Worte des Prinzen und Gaufürsten Ptah-hotep, der im alten Reich unter dem König Tet-kara der 5. Dynastie (2750–2625 v. Chr.) lebte und dessen im Papyrus Prisse, dem ältesten Moralbuche der Welt, uns erhaltenen Anstands-, Sitten- und Weisheitslehren Jahrtausende hindurch als Richtschnur und Norm im Pharaonenlande dienten. Sie lauten: „Wenn du weise bist, sorge für dein Haus, liebe deine Frau in Züchten, nähre sie, kleide sie und schmücke sie, das ist die Lust ihrer Glieder. Gib ihr Wohlgerüche, erfreue sie, so lange du lebst; denn sie ist ein Gut, das seines Besitzers würdig sein soll. Sei kein Tyrann. Freundliches Wesen erreicht mehr als Gewalt. Munter ist alsdann ihr Atem und munter ihr Auge, das sie im Spiegel schaut. Gern mag sie wohnen in deinem Hause und mit Lust und Liebe darin arbeiten.“