XXIII. Der Kautschuk und die Guttapercha.

Wenn man den Stengel einer Wolfsmilch- oder einer andern Milchsaftpflanze abbricht, so erscheint an den Bruchflächen ein Tropfen dichten, weißen Milchsafts, der zahlreiche Stoffe wie Gummi, Zucker, Eiweiß, Gerbstoffe, verschiedene Salze und Alkaloide, ferner häufig Harze und Kautschuk in Form kleiner Körnchen und manchmal auch eigenartig gestaltete Stärkekörner enthält. Er befindet sich in einem System dünnwandiger Röhren und dient teils als Reservenährlösung, teils aber als wichtiges Schutzmittel für die Pflanze. Wird eine solche nämlich verletzt, so tritt der unter starkem Druck im Individuum gehaltene Milchsaft rasch in großen Mengen aus und bedeckt, an der Luft schnell erhärtend, die Wundfläche mit festem Verschluß, so daß keine Krankheitserreger in sie hineindringen können.

Begreiflicherweise hat diese Eigenschaft frühzeitig die Aufmerksamkeit des Menschen erregt, der ja zunächst alle Erzeugnisse der Schöpfung nur nach ihrem Gebrauchswert für sein eigenes Dasein zu beurteilen pflegt. So haben die Indianerstämme Brasiliens schon seit langer Zeit den rasch vertrocknenden, dicken Milchsaft eines stattlichen Baumes aus der Familie der Euphorbiazeen oder Wolfsmilchgewächse der von ihnen bewohnten Wälder technisch zur Herstellung von weichen und zugleich elastischen Flaschen und andern Gegenständen benutzt, indem sie einen Klumpen Lehm am Ende eines Stockes in die dickflüssig gewordene Milchsaftmasse tauchten, die sie nach dem Anschneiden der betreffenden Bäume mit Steinbeilen durch eine Rinne aus Schilfrohr in daruntergestellte Kalabassen, d. h. ausgehöhlte Flaschenkürbisse, geleitet hatten. War der federnde Harzüberzug erstarrt, so wurde der trockene Lehm ausgeklopft und zurück blieb eine als Wassergefäß benutzbare Flasche mit engem Hals, die sehr elastisch und unzerbrechlich war. Um nun den ganzen Prozeß zu beschleunigen, wurde die so gewonnene Form über einem Feuer getrocknet, dessen Rauch der ursprünglich hellbraunen Kautschukflasche eine dunkle Farbe verlieh. Solche kamen früher als „Negerköpfe“ in den Handel und werden von Pará an der Mündung des Amazonenstroms heute noch in dieser Form ausgeführt. Auch Schuhe, in denen es sehr angenehm zu marschieren war und die die Füße trocken hielten, was in den morastigen Wäldern von nicht zu unterschätzender Bedeutung war, Spielbälle und Fackeln wurden aus diesem wegen seiner Federkraft im Deutschen zunächst Federharz genannten Stoff verfertigt. Die Indianer bezeichneten ihn als kautschu oder kahutschu, welch fremdartiger Name sich dann bald einbürgerte, und zwar zunächst bei den Franzosen als caoutchouc (mit unhörbarem c am Ende).

Es war nämlich der französische Gelehrte Charles Marie de la Condamine (in Paris 1701 geboren und 1774 ebendort verstorben), der Europa mit diesem neuartigen Stoffe bekannt machte, nachdem ihn allerdings schon der Spanier Gonzalo Fernandez d’Oviedo y Valdes in seiner 1536 erschienenen „Allgemeinen Geschichte Indiens“ (d. h. Amerikas, das man zuerst für Indien ansah) erwähnt hatte bei Gelegenheit der Beschreibung des Ballspiels der Indianer. Er sagt von letzterem, es werde anders gespielt und auch der Ball sei aus einer andern Masse hergestellt als derjenige, dessen sich die Christen bedienen. Nach ihm beschrieb der Jesuit Charlevoix den „batos“ genannten Ball der Indianer als eine Kugel aus einer festen, außerordentlich elastischen Masse. „Er springt höher als unsere Bälle, fällt auf den Boden und springt viel höher wieder auf, als die Hand ihn nach unten warf; er fällt nieder und springt von neuem, obgleich dieses Mal weniger hoch, und so nimmt die Höhe der Sprünge allmählich ab.“ Diesen eigenartigen Stoff bezeichnet der spanische Geschichtschreiber Antonio de Herrera Tordesillas zum erstenmal als Gummi; aber ihn nach seinem Ursprunge bekanntgemacht zu haben gebührt durchaus dem Franzosen la Condamine. Dieser Gelehrte hielt sich von 1736–1744 in Südamerika auf, zuerst als Teilnehmer an der von der französischen Akademie der Wissenschaften organisierten Gradmessung in Peru, nach welcher er dann Brasilien bereiste, wobei er diesen Rohstoff bei den Indianern kennen lernte. Er brachte Proben davon mit nach der Heimat und reichte 1751 darüber eine Denkschrift bei der Akademie der Wissenschaften zu Paris ein. Doch fanden seine Mitteilungen über die merkwürdigen Eigenschaften des elastischen Baumharzes aus Brasilien ebensowenig Beachtung wie die etwas späteren von Fresneau und Aublet du Petit-Thouar. Man betrachtete den Kautschuk als eine Kuriosität, mit der man nichts anzufangen wußte, und glaubte endlich seinen ganzen Nutzwert erschöpft zu haben, als man die Fähigkeit desselben entdeckte, Bleistiftstriche durch Reiben damit vom Papier zu entfernen. Zu diesem Zwecke ward er längere Zeit hindurch in geringen Mengen eingeführt; doch war er noch so teuer, daß ein würfelförmiges Stück von 12 mm Seitenlänge nicht weniger als 3 Mark kostete. In England erhielt er davon den Namen „india rubber“, der ihm bis heute verblieb, während er in Deutschland die lateinische Bezeichnung „Gummi elasticum“, auch schlichtweg nur Gummi bekam. Doch nannte man ihn hier in Anlehnung an das französische caoutchouc auch Kautschuk, wobei das k am Schlusse betont wurde.

In den Jahren 1761 und 1768 veröffentlichte der französische Chemiker Macquer seine chemischen Untersuchungen über den Kautschuk, der bei gewöhnlicher Temperatur einen höchst elastischen Stoff darstellt. Bei 0° verliert er jedoch diese Eigenschaft fast ganz, ohne indessen brüchig zu werden. Die gewöhnlichen Lösungsmittel wirken auf ihn gar nicht ein und selbst gegen starke chemische Agenzien verhält er sich sehr indifferent, nur konzentrierte Schwefel- und Salpetersäure zersetzen ihn. Bei Temperaturerhöhung ändern sich seine chemischen und physikalischen Eigenschaften. Bei 50° wird er etwas weicher, bei 100° fängt er an stark zu kleben, bei 120° schmilzt er und geht bei 200° in eine braunschwarze, schmierige Masse über, welche durch Abkühlen nicht wieder in ihren früheren Zustand zurückkehrt. Noch weiter erhitzt, verbrennt er an der Luft mit rötlicher, stark rußender Flamme. Im Jahre 1791 stellte Grassart in Paris Röhren aus Kautschuk her, indem er Streifen desselben um Glasröhren wickelte und die Ränder durch Erwärmen verklebte. Doch wurden solche anfänglich kaum technisch benutzt. Noch im Jahre 1820 kannte man kaum eine andere Verwendung des Kautschuks als zum Auswischen von Bleistiftstrichen, wie solches nach dem Vorschlage des Chemikers Priestley seit dem Jahre 1770 geübt wurde, dann zu Verschlüssen und Röhrenverbindungen an chemischen Apparaten, zu elastischen Verbänden, luftdichten Firnissen und zum Wasserdichtmachen von Leder und Geweben nach dem Vorgange des Engländers Samuel Peal seit 1791. Um 1820 wurden in Paris die ersten Bougies und Katheter aus Kautschuk verfertigt. In jenem Jahre nahm der Engländer Hancock ein Patent auf elastische Gewebe mit Kautschukstreifen; gleichzeitig gelang es 1820 Stadler in Wien, den Kautschuk in Fäden zu ziehen und diese, übersponnen, zu elastischen Geweben zu verbinden, eine Industrie, die dann namentlich von Reithofer in Wien erfolgreich weiter entwickelt wurde. Damals begann auch Macintosh in Glasgow seine ersten Versuche zur Anfertigung wasserdichter Stoffe durch Auftragen von Kautschuklösung auf Gewebe. Er nahm 1823 ein Patent darauf, doch verschwanden die Übergewänder aus seinem wasserdichten Zeug bald wieder, weil sie in der Kälte hart und unelastisch wurden, in der Wärme dagegen leicht zusammenklebten. Im Jahre 1830 machte Thomas Hancock die ersten Versuche mit der Herstellung von Überschuhen aus Kautschuk, den sogenannten Gummischuhen. Doch vermochte diese Industrie erst von 1836 an einen Aufschwung zu nehmen, als es Chaffee in Roxburgh (Nordamerika) und Nickels in England gelang, Maschinen zu erfinden, welche den Kautschuk durch bloßes Kneten bei mäßiger Wärme in einen erweichten, fast unelastischen Körper umwandeln, der mit Leichtigkeit jede gewünschte Gestalt annimmt.

Trotz allen diesen Errungenschaften blieb der Kautschuk ein Stoff von nur untergeordneter industrieller Bedeutung, bis der Amerikaner Charles Goodyear zu Newhaven im Staate Connecticut 1839 das Vulkanisieren desselben erfand durch Imprägnieren mit Schwefel und Erhitzen. Dadurch wurden ihm die Nachteile des unangenehmen Geruchs und der Veränderung durch die Temperatur genommen und hatte man es in der Hand, durch geringen Zusatz von geschmolzenem Schwefel, mit dem sich der Kautschuk zu einer eigenen Masse verbindet, und kurzem starken Erhitzen bei allen Temperaturen weich bleibenden Gummi, durch stärkeren Zusatz von Schwefel in Verbindung mit langdauerndem Erhitzen dagegen als Ebonit bezeichneten Hartgummi von hornartiger Beschaffenheit zu erzeugen. Diese Erfindung erst ermöglichte eine unbeschränkte Anwendung des Kautschuks und verschaffte diesem Pflanzenprodukt eine ungeheure Bedeutung, die heute noch immer zunimmt. Den Anstoß zu diesem Aufschwung gab die Entdeckung des Dr. Lüdersdorff in Berlin, daß dem durch Terpentinöl aufgeweichten Kautschuk die nach dem Trocknen zurückbleibende Klebrigkeit genommen wird, wenn man ihm Schwefel beimischt. Auf diese Beobachtung baute Goodyear seine Erfindung auf, die er sofort nach amerikanischer Art im großen technisch verwertete, indem er alle möglichen Gebrauchsartikel daraus anfertigte. Im Jahre 1842 kamen die ersten vulkanisierten Kautschukartikel aus seiner Fabrik nach Europa, aber erst die Weltausstellung vom Jahre 1851 im Kristallpalast in London und noch mehr diejenige von 1855 zu Paris verschafften seinen äußerst mannigfaltigen Erzeugnissen allgemeine Anerkennung und Nachahmung in der ganzen Kulturwelt.

Welchen Aufschwung die Kautschukindustrie seither genommen hat, dessen sind wir alle Zeugen. Tatsächlich gibt es heute kaum einen Zweig der Industrie, der nicht in irgend einer Form Kautschuk verwendet, so daß man ohne Übertreibung sagen kann, dieser Stoff begleite den Menschen von der Wiege bis zum Grabe. Schon der Säugling saugt die ihm als Ersatz oder wenigstens als Ergänzung der Muttermilch verabreichte Tiermilch mit dem Gummisauger und streckt sich behaglich auf seiner weichen Gummiunterlage aus. Dann spielt er mit seiner Gummipuppe oder greift zum Gummiball. Mit einem Schwamm aus weichem Gummi wird er gewaschen und mit einem Kamm aus hartem Gummi wird er gekämmt, und so geht es das ganze Leben hindurch fort. Es ist ganz unmöglich, alle Gebrauchs-, Sport- und Luxusgegenstände aus Kautschuk, die der Kulturmensch der Gegenwart im täglichen Leben verwendet, auch nur aufzuzählen. Es sei hier beispielsweise nur an die Pneumatik der Fahrräder und Automobile erinnert, dann an die mancherlei Verwendung, die dieser Stoff in der Chirurgie, Orthopädie, Chemie, Elektrotechnik, Meteorologie, Luftschiffahrt usw. findet. Es ist im Laufe eines Menschenalters so weit gekommen, daß wir uns die moderne Kultur ohne Kautschuk und seine Derivate überhaupt nicht mehr vorstellen können. Entsprechend dem ins ungeahnte gesteigerten Bedarf ist auch die Gewinnung des so kostbaren Stoffs mit Riesenschritten vorwärtsgegangen. Während der Jahresverbrauch an Kautschuk im Jahre 1840 noch kaum 400000 kg betrug, ist er 1909 auf über 68 Millionen kg im Werte von etwa 500 Millionen Mark gestiegen. Davon lieferte Südamerika 42,8 Millionen kg, Afrika 23,4 Millionen kg und Asien und Polynesien 1,8 Millionen kg. Deutschlands Einfuhr an Kautschuk beträgt rund 153 Millionen Mark.

Der Kautschuk ist eine Substanz, die sich in Form mikroskopisch kleiner Kügelchen in geringem Maße bei den milchenden Pflanzen auch Mitteleuropas wie Mohn, Zichorie oder Wolfsmilch findet, während er in den Milchsäften zahlreicher Tropenpflanzen einen überwiegenden Bestandteil bildet, der sich beim Stehen des Saftes vielfach von selbst abscheidet. Er findet sich im Milchsaft der betreffenden Pflanzen in ähnlich feiner Verteilung wie die Butter in der Milch und sammelt sich beim Stehen desselben wie jene an der Oberfläche in Form eines Rahmes an. Das Zusammenballen der Kautschukkügelchen erfolgt, indem das Ganze durch den Rauch gewisser Nüsse und Hitze oder durch den Zusatz von Alkalien, Säuren oder Salzen zur Gerinnung gebracht wird. Hierbei gerinnen aber die Eiweißstoffe des Milchsaftes, nicht der Kautschuk, und dabei kleben die kleinen Kautschuktröpfchen zusammen, wie im Blute der gerinnende Faserstoff, das Fibrin, die Blutkörperchen zusammenballt. Infolgedessen ist der Kautschuk stets ausgiebig mit Eiweißstoffen durchsetzt und dadurch leicht geneigt, in Fäulnis überzugehen oder einen üblen Geruch anzunehmen. Durch Zentrifugieren kann er allein rein und geruchlos erhalten werden. Chemisch besteht er im wesentlichen aus einem zu den Polyterpenen (C10H16) gehörenden Kohlenwasserstoff, gemengt mit Harz, wenig ätherischem Öl, Wachs, Eiweiß und Fett. Seine chemische Beschaffenheit wechselt aber bei den verschiedenen Pflanzenfamilien, was schon aus der voneinander abweichenden Beschaffenheit der verschiedenen Handelssorten gefolgert werden kann. Diese Kohlenwasserstoffe stehen durch ihre Zusammensetzung den ätherischen Ölen, durch ihre Nichtflüssigkeit, ihr Verhalten gegen Lösungsmittel und ihre Zersetzungsprodukte den Harzen nahe.

Der älteste technisch zur Anwendung gelangte Kautschuk stammt vom brasilianischen Kautschukbaum (Hevea brasiliensis), der am Amazonenstrom und an dessen großen Zuflüssen, besonders in den ausgedehnten Wäldern an der rechten Seite des Stromes, am Madeira, Tapajoz und Purus wächst. Diese Flüsse werden allein der Kautschukgewinnung wegen auf weite Strecken hinauf mit Dampfern befahren. Der hohe, schlanke Baum erreicht eine freie Stammhöhe bis zu 15 m und trägt dann eine lockere, luftige Krone von langgestielten, dreizähligen Blättern, kleinen, unscheinbaren, rispig angeordneten, teils männlichen, teils weiblichen Blüten und dreifächerigen Kapseln, deren Fächer mit zwei Klappen aufspringen und je einen großen, länglichen, gescheckten Samen enthalten. Letzterer enthält ein dem Leinöl ähnliches fettes Öl und wie die Blätter Aceton und Blausäure. Beim Aufspringen der Kapseln wird der Samen eine Strecke weit fortgeschleudert und so durch den Urwald verbreitet. Mit diesem verwandte Heveaarten wachsen in Guiana und weiter südlich bis zum Rio Negro, der sich bei der Stadt Manaos in den Amazonenstrom ergießt, dann in Venezuela am Orinoko und seinen Zuflüssen bis zu den Anden von Peru und Bolivia. Sie bilden keine kompakten Wälder, sondern wachsen zerstreut zwischen anderen Bäumen, so daß man nur selten zwei oder drei Heveabäume nebeneinander findet. Sie sind auf die Niederungen beschränkt, in denen ein heißes, feuchtes Klima herrscht und eine ausgeprägte Regenzeit sich einstellt, infolge deren ihr Besiedelungsgebiet regelmäßig alle Jahre einmal überschwemmt wird.

Infolge unausgesetzter, rücksichtsloser Ausbeutung sind die Kautschukbäume in den zugänglicheren Partien der Flußläufe vielfach ausgerottet worden; doch ist das Gebiet, in dem sie wachsen, so groß, daß gleichwohl noch keine Erschöpfung der Produktion eingetreten ist, obschon das Amazonasgebiet allein jährlich bis 30 Millionen kg Parákautschuk, so genannt, weil er über Pará ausgeführt wird, produziert. Immerhin ist es auffallend, daß trotz der enormen Bedeutung des Kautschuks für das Amazonasgebiet der Baum in seiner Heimat kaum irgendwo kultiviert wird. Die wildwachsenden Bäume werden von den nach den flaschenartigen, als seringas, d. h. Spritzen, bezeichneten Rohformen des Kautschuks seringeros genannten Kautschuksammlern in der Weise angezapft, daß mit einem kleinen Beile Vförmige Einschnitte in die Rinde geschlagen werden, unter deren Verbindungsstelle kleine Blechbecher angebracht werden, deren Seiten mit Ton verschmiert sind, damit nichts von dem reichlich aus den Wunden hervorquellenden Milchsaft daneben fließe und so verloren gehe. Jeder Einschnitt liefert innerhalb 1–3 Stunden durchschnittlich 30 ccm Milchsaft. Die Schnitte, die nur ganz oberflächlich geführt sein dürfen, damit der Holzkörper nicht verletzt werde, da sich sonst leicht Bohrkäfer in die betreffenden Wunden einnisten, werden von unten nach oben fortschreitend in Horizontalreihen angebracht. Dabei erträgt ein Baum von 1,25–2,5 m Stammumfang sehr gut 10–20 Einschnitte alle 2 oder 3 Tage, bis er endlich erschöpft ist und eine weitere Milchsaftabsonderung unterbleibt.

Tafel 107.

Kautschukbäume (Hevea brasiliensis) in Manaos am Amazonenstrom in Brasilien.

Das Einschneiden solcher zur Gewinnung des Kautschuksaftes.

Tafel 108.

Das Anzapfen von Kautschukbäumen (Hevea brasiliensis) vermittelst Spiralschnitt auf einer Plantage Ceylons.

Das Räuchern des vom Kautschukbaum gewonnenen Kautschuks.

Die der Kuhmilch ähnliche, trinkbare, nur etwas nach Ammoniak riechende Flüssigkeit wird dann aus den Blechbechern in ein größeres Gefäß gegossen und zur Beschleunigung der Gerinnung geräuchert. Man bringt zu diesem Zwecke die steinharten Früchte der sogenannten Shevonpalme (Attalea excelsa) oder Paránüsse, oder solche von Maximiliana regia und Euterpe edulis zum Glühen, was einen starken, ölhaltigen Rauch erzeugt. Dieser letztere wird dadurch zusammengehalten, daß man ein krugartiges, irdenes Gefäß mit enger Mündung darüber aufstellt. Der Seringero gießt nun mit einer Kürbisschale etwas vom dicklichen Milchsaft über ein Holz mit spatenähnlich verbreitertem Ende, läßt den Überschuß desselben in die darunter gestellte große Blechschale abtropfen und hält dann den hängengebliebenen Teil in den weißen Qualm, wobei er den Stock in fortwährender Drehung erhält. Durch die Wärme des Feuers und die bei der Verbrennung entstehenden kreosotartigen Bestandteile des Rauches nimmt die Milch in kaum 15 Minuten eine gelbe Farbe an und wird fest. Hierauf wird dasselbe Verfahren wiederholt und eine Schicht legt sich über die andere, bis man einen Klumpen von der Größe einer Kegelkugel erlangt hat, der etwa 15 kg wiegt. Dieser wird dann, nachdem er eine Nacht hindurch getrocknet hat, aufgeschnitten und vom Holze heruntergestreift, das zu dessen leichteren Lösung vorher mit einer dünnen Tonschicht bestrichen wurde, und kommt als seringa in den Handel. Er zeigt auf dem Querschnitt eine deutliche Schichtung, ist außen braun bis braunschwarz, aber schon in einer Tiefe von 1 cm bernsteingelb. Aus dem Reste des Milchsaftes, der in den Gefäßen haften bleibt und deshalb nicht zu Kugeln verarbeitet werden kann, stellt man kleine, formlose Stücke her, die unter dem Namen barrocha oder sernamby de seringa in den Handel kommen, aber nur zwei Drittel vom Preise des Kugelfeingummis erzielen. Dieser sogenannte Speckgummi, an dem man noch an der verschiedenen Farbe die einzelnen Schichten erkennen kann, ist äußerst elastisch und fest und übertrifft alle anderen Sorten des Kautschuks bei weitem an Güte.

Eine geringere Sorte ist der caucho (sprich kautscho), der in der Weise gewonnen wird, daß man die Bäume fällt und ihnen durch angebrachte Einschnitte den Milchsaft entzieht, den man in einem vorher fertiggestellten Erdloch oder in einem ausgehöhlten Holzklotz sammelt. Hierauf löst man in einer Blechschüssel ein Stück Seife auf, mischt das Seifenwasser mit dem zerstampften Kraut der Betilla nigra, einer dort überall vorkommenden Pflanze, und vermengt diese Mischung mit der Kautschukmilch, die sehr bald fest wird. So entsteht eine Art Block, den man mehrere Monate liegen läßt, bis das darin befindliche Wasser zum größten Teil verdunstet ist. Die Herstellung von caucho auf die beschriebene Weise wird weniger in Brasilien als in Peru betrieben. Seine Ausfuhr geht meist über die Anden nach Bolivia, wohin neuerdings auch der feinere Parágummi des hohen Ausgangszolles wegen, womit ihn Brasilien belastet, vielfach transportiert wird, um ihn aus den Hafenplätzen der Westküste Südamerikas zu exportieren.

Wegen der großen Bedeutung des von ihnen gewonnenen Kautschuks hat man die Heveabäume, deren höchste Ertragsfähigkeit, nebenbei bemerkt, erst mit dem 24. Jahre beginnt, auch anderwärts in den Tropen angepflanzt, so besonders auf Ceylon, Malakka und Java in über zehn Millionen Exemplaren. Es gelang auch, sie dort vollkommen einzubürgern, aber überall da, wo der Boden nicht recht naß gehalten werden konnte, war der Ertrag an Milchsaft ein so überraschend geringer, daß die mit großen Hoffnungen auf reichen Gewinn unternommenen Kulturen wieder aufgegeben wurden; die Bäume wurden gefällt und an ihrer Stelle pflanzte man andere Nutzpflanzen an. Da man auch in Südamerika nur im Überschwemmungsgebiet des Amazonenstroms reichlich guten Kautschuk gewinnt und sich mit der weiteren Entfernung von diesem nicht nur die Menge, sondern auch die Güte desselben verringert, obgleich die Bäume selbst vorzüglich gedeihen, so hätte dieser Umstand schon einen Fingerzeig dafür geben sollen, daß die Heveaarten eine ganz besondere Empfindlichkeit gegen Standort und Klima aufweisen, also nur da mit Erfolg angesiedelt werden können, wo regelmäßige Überschwemmungen den Boden sehr stark durchtränken. Von den deutschen Kolonien würde daher besonders das Küstengebiet von Kamerun mit seinen vielen Flußarmen und feuchten Niederungen einige Aussicht auf erfolgreiche Kautschukkultur mit Heveaarten darbieten.

Nun hat man glücklicherweise außer diesen auch weniger anspruchsvolle Kautschukpflanzen kennen gelernt, unter welchen an erster Stelle die ebenfalls Nordostbrasilien angehörende Euphorbiazee Manihot glaziovii, ein 8–15 m hoher Baum mit rötlichgrauer Rinde, von der sich silberweiße Querstreifen in derselben Weise wie bei der Birke ablösen, langgestielten, fingerförmig geteilten Blättern und unansehnlichen, gelbroten Blüten, von denen männliche und weibliche an denselben Blütenständen sitzen, zu nennen ist. Die Frucht ist eine 2–3 cm große, fast kugelige dreifächerige Kapsel, die mit drei Längsschlitzen aufspringt und in jedem Fach einen gescheckten, sehr hartschaligen Samen besitzt. Die Pflanze enthält in fast allen Teilen, den Milchsaft ausgenommen, Blausäure. Sie ist in der Provinz Ceara heimisch und wird deshalb auch Ceara-Kautschukbaum genannt. Sie bildet einen wichtigen Bestandteil der Certâoflora von Nordostbrasilien, einer den Stein- und Sandsteppen ähnlichen Formation, und wird ebenfalls neuerdings zu kultivieren begonnen. Sie läßt sich sehr leicht aus Samen und Stecklingen erziehen und wächst außerordentlich rasch. Diese guten Eigenschaften zeigten sich auch bei ihrer Überführung nach den Tropenländern der Alten Welt. Überall wo man den Baum anpflanzte, auf Ceylon, in Vorder- und Hinterindien, auf Java, in Ost- und Westafrika, gedieh er auch auf ganz geringwertigem Boden vortrefflich bis zu einer Meereshöhe von 1000 m, gab aber eine so geringe und minderwertige Ausbeute an Kautschuk, daß man an allen Orten mit feuchtem tropischen Klima seinen Anbau wieder aufgab. Nur in Gegenden mit einer halbjährigen Trockenzeit liefert er einigermaßen Milchsaft zur Kautschukgewinnung. Schon nach vier Jahren kann er angezapft werden und liefert dann, wenn dies behutsam, ohne grobe Verletzung des Holzes geschieht, eine Reihe von Jahren hindurch das Material zum sogenannten Cearakautschuk, dessen Marktpreis 6,50–7 Mark pro kg beträgt. Noch besser ist es aber, mit dem Anzapfen zu warten, bis der Baum 6–7 Jahre alt geworden ist, da er dann mehr aushält. Als 8–9jährig liefert er dann bei insgesamt 24 Anzapfungen im Jahre höchstens 6 kg Kautschuk, der aber geringwertiger als der echte Parákautschuk ist. Die Gerinnung seines Milchsaftes wird durch Hinzugießen von Alaunlösung, neuerdings auch mit Zitronensaft oder einer billigeren Säure bewirkt. Gegenwärtig wird dieser Kautschukbaum im trockenen, steinigen Gelände von Deutsch-Ostafrika im großen angebaut, doch sind die meisten der Bäume dort noch nicht alt genug, um ertragsfähig zu sein.

Ebenfalls in Nordostbrasilien heimisch und sehr anspruchslos an Boden und Klima ist der 5–7 m hohe Mangabeirabaum (Hancornia speciosa) aus der Familie der Apocynazeen mit schlaff herabhängenden Ästen, ziemlich großen Blüten und einer pflaumengroßen, gelben, rotgestreiften, beerenartigen Frucht. Sie ist in ihrer Heimat als manguba allgemein bekannt und wird hoch geschätzt, da der Fruchtbrei, in welchem die Samen liegen, sehr angenehm süß-säuerlich schmeckt und deshalb gerne gegessen wird. Der Baum wächst in den trockenen Gegenden Brasiliens von Rio de Janeiro bis Pernambuco, besonders in den Campos cerrados den Provinzen Bahia und Pernambuco, geht südlich bis S. Paulo und westwärts durch Matto Grosso bis zu den Grenzen Perus. Die gelernten Kautschuksammler zapfen zwar nur erntereiche Bäume sachgemäß an, die herumziehenden Sammler aber haben arg gehaust und die Bestände stark gelichtet. Der Staat S. Paulo hat daher zum Schutz und zur Aufmunterung der Anpflanzung dieser Bäume ein Gesetz erlassen, das weiteste Beachtung verdient. Seine Genügsamkeit in Verbindung mit früher Ergiebigkeit und verhältnismäßig hoher Ernte lassen ihn für die trockenen Gebiete von Deutsch-Ostafrika und des Hinterlandes von Westafrika geeignet erscheinen; jedenfalls dürfte er bessere Resultate geben als die anderen bisher genannten Kautschuklieferanten.

Ein Baumriese des mittel- und südamerikanischen Urwaldes ist die den Maulbeer- und Feigenbäumen verwandte Castilloa elastica. Einzelne Exemplare des Baumes sollen bis 50 m hoch werden, seine durchschnittliche Höhe ist aber 20–30 m. Die länglich herzförmigen, hellgrünen Blätter werden bis 30 cm lang und 18 cm breit. Die achselständigen Blütenstände weisen einzelne weibliche und gehäufte männliche Blüten auf, aus welch ersteren 3–5 cm breite, flache Früchte mit zahlreichen Einzelfrüchten hervorgehen. Eigentümlich ist, daß der Baum zwei Arten von Zweigen besitzt, von denen die einen, in der Jugend gebildeten, später abgeworfen werden. Der Baum wächst vom südlichen Mexiko bis Ecuador und dem nördlichen Peru, meist in Wäldern, aber auch auf den Grasflächen. Da nun die wilden Bestände durch den rücksichtslosen Raubbau, der beim Abzapfen des Milchsaftes meist getrieben wird, sich schon bedenklich vermindert haben, pflanzte man den Baum zuerst in Westindien und Zentralamerika, dann auch an zahlreichen anderen Orten der Tropen plantagenmäßig an. Er ist nämlich eine der sichersten und ergiebigsten Kautschukpflanzen und läßt sich überall da kultivieren, wo der Anbau von Kakao mit Erfolg betrieben werden kann. Da er dabei in betreff des Bodens nicht zu wählerisch ist und eine 3–4monatliche Trockenzeit verträgt, so sind Aussichten auf erfolgreiche Kultur in vielen Tropenländern vorhanden. Allerdings stehen angepflanzte Bäume in bezug auf die Menge und Beschaffenheit des Milchsaftes wildwachsenden nach, doch wird wohl diesem Übelstande bei mehr Erfahrung in der Pflege einigermaßen abgeholfen werden können. Auch sind die Versuche, den Baum als Schattenbaum für Kakao und Kaffee zu verwenden, beachtenswert. In den deutschen Kolonien scheint er in dem feuchtwarmen Küstenklima von Kamerun, Samoa und Neuguinea fortzukommen. In Kamerun haben allerdings die Kulturen unter einem Bohrkäfer stark zu leiden; auf Neuguinea lieferten dagegen die ersten Anzapfungen recht befriedigende Ergebnisse. Die Gerinnung des Milchsaftes wird in der Heimat dieses Kautschukbaumes meist durch Hinzufügen von Saft der zerquetschten Ipomaea bona nox, eines sehr häufigen Unkrautes aus der Familie der Windengewächse, hervorgerufen. Die von den gewissenlosen Kautschuksammlern vielfach geübte, weil bequemste Art der Kautschukgewinnung besteht auch hier darin, daß die Bäume kurz über der Wurzel gefällt werden. Dabei gewinnt der Sammler eine fünfmal so große Menge Saft als durch das schonende Anzapfen, das den Baum erhält und eine spätere regelmäßige Wiederholung des Anschneidens möglich macht.

Der größte Teil des aus Kolumbien kommenden Kautschuks wird von einem andern hohen Waldbaum aus der Familie der Euphorbiazeen oder Wolfsmilchgewächse mit gestielten lanzettlichen Blättern, einfachen Blütenähren und von Fruchtfleisch umgebenen kugeligen Samen, Sapium verum, gewonnen, der vornehmlich in Höhen von 2–3000 m wächst. Auch andere Arten derselben Gattung, die in niederen Regionen heimisch sind, geben guten Kautschuk, während es zweifelhaft ist, ob Sapium biglandulosum in Mittel- und Südamerika, von der man zuerst die Herkunft des kolumbischen Kautschuks ableiten wollte, überhaupt ein brauchbares Produkt liefert.

Nächst Südamerika ist Afrika das an Kautschukpflanzen reichste Land, dessen Kautschukerzeugung in den letzten Jahren, zusammen mit der wirtschaftlichen Erschließung des Erdteils überhaupt, einen bedeutenden Aufschwung genommen hat. Unter diesen sind die verschiedenen Landolphia-Arten die weitaus wichtigsten. Es sind dies Schlinggewächse aus der Familie der Apocynazeen oder Hundsgiftgewächse mit holzigem Stengel, die sich vermittels Ranken an benachbarte Sträucher oder Bäume klammern und an diesen bis in die höchsten Baumwipfel emporklettern. Sie haben 10 und mehr cm lange, eiförmige Blätter, große, bis 3,5 cm lange trichterförmige Blüten mit aufrechten Zipfeln in dichten Blütenständen und kleinen Orangen gleichende, gelbe oder rote Beerenfrüchte, in deren gelbem, säuerlichem Fruchtfleisch die großen vieleckigen Samen eingebettet sind. Diese Früchte bilden eine Lieblingsspeise der Affen, werden aber auch vom Menschen gerne gegessen. Diese Landolphia-Arten, von denen jetzt 14 als gute Kautschuklieferanten bekannt geworden sind, kommen hauptsächlich in den Urwäldern West- und Mittelafrikas sehr verbreitet vor und bilden durch den aus ihnen gewonnenen Kautschuk den Reichtum, aber auch, wie man es durch die Mißwirtschaft im Kongostaat genugsam erfahren hat, zugleich, wie früher das weiße und schwarze Elfenbein, den Fluch des Landes. Manche Arten sind aber schon so weit vermindert, ja fast ausgerottet worden, daß man sich neuerdings dazu bequemen mußte, sie auch anzubauen, was allerdings seine Schwierigkeiten hat.

Der Kautschuk wird in der Weise aus ihnen gewonnen, daß man die dickeren Triebe der Lianen anschneidet, worauf der Saft ausfließt und mitunter schon an der Luft gerinnt. In den einzelnen Gegenden bedient man sich verschiedener Mittel, um ihn zum Gerinnen zu bringen; meist aber wird der saure Saft der Früchte derselben Schlingsträucher dazu verwendet. Schließlich formt man aus ihm kopfgroße Klumpen, die dann als solche in den Handel gelangen. Bei der Gewinnung des Kautschuks verfahren die Neger sehr unvernünftig, indem sie sich nicht die Mühe nehmen, die Liane anzuschneiden, sondern sie hauen sie einfach kurz über dem Erdboden ab und fangen den auslaufenden Saft auf. Dies ist natürlich die bequemste Art der Gewinnung desselben, die auch eine einmalige größere Ausbeute als das Anzapfen liefert; aber dabei geht die Pflanze zugrunde, und bei der großen Nachfrage und den hohen Preisen des Kautschuks liegt die Gefahr nahe, daß durch diesen Raubbau die ganzen Bestände an Kautschuklianen vernichtet werden. Die Kolonialregierungen suchen deshalb durch Belehrung der Schwarzen und Gesetze dieses verhängnisvolle Raubsystem möglichst einzuschränken und die Eingeborenen zu einer vernünftigen Behandlung der so wertvollen Kautschuklianen anzuleiten.

Den Landolphien nahe verwandt sind die Clitandra-Arten, ebenfalls in den Urwäldern der afrikanischen Tropen wachsende Klettergewächse, die man bis jetzt am häufigsten im Kongobecken und in Kamerun angetroffen hat. Erst in jüngster Zeit hat man ihren hohen Wert für die Kautschukgewinnung erkannt, und sie nehmen heute schon in dieser Industrie eine bedeutende Stellung ein. Der Milchsaft ist bei ihnen außerordentlich reichlich vorhanden, und zwar in derselben Güte wie bei den besseren Landolphia-Arten, wird auch in derselben Weise wie bei jenen gewonnen. In Togo und Kamerun werden versuchsweise neben den Landolphia- auch Clitandra-Arten auf einigen europäischen Pflanzungen angebaut. Von niederen, strauchartigen Apocynazeen derselben Gattung und von mehreren Carpodinus-Arten, die an mehr trockenen Stellen Westafrikas gefunden werden, gewinnt man den in den fingerdicken, weithin verästelten Rhizomen in verhältnismäßig großer Menge abgelagerten Kautschuk, der als Wurzelkautschuk aus dem nördlichen Kongogebiet und Angola in den Handel kommt. Zur Gewinnung desselben werden die Wurzelstöcke der krautigen, schmalblätterigen, etwa meterhohen Pflanzen zerschnitten, einige Tage der Sonne ausgesetzt, dann gegen zehn Tage in Wasser gelegt, hierauf mit Holzlatten geschlagen und schließlich gekocht. Das dabei gewonnene Produkt, dem von den Eingeborenen gewöhnlich Würfelform gegeben wird, ist sehr minderwertig und enthält oft bis zur Hälfte des Gewichts Rinden- und Holzstücke. In Ostafrika und Madagaskar liefert eine andere Apocynazee, Mascarenhasia elastica, die vielfach an sumpfigen Bachufern wächst, einen Kautschuk mittelmäßiger Qualität, der meist mit Landolphiakautschuk vermischt in den Handel kommt.

Als weit besserer Kautschuklieferant als diese genannten afrikanischen Arten wächst in denselben Gegenden Westafrikas von der Goldküste bis zum Kongo ein ebenfalls in die Familie der Apocynazeen gehörender 30 m hoher Baum, Kickxia elastica, mit grauer Rinde, lanzettlichen, lang zugespitzten, lederartigen, dunkelgrünen Blättern und gelblichen Blüten in dichten Trugdolden. Aus ihnen gehen die aus zwei Kapseln bestehenden, zahlreiche Samen enthaltenden, 15–20 cm langen Früchte hervor. Dieser Baum ist erst in neuerer Zeit als Kautschuklieferant entdeckt worden. Im Jahre 1894 brachten eingeborene Händler aus dem Lagosgebiet eine bis dahin unbekannte Kautschuksorte zum Verkauf an die Küstenplätze. Bei näherer Untersuchung erwies sich das neue Produkt als sehr wertvoll; es wurde gern gekauft, gut bezahlt und infolgedessen bald in großen Mengen von den Eingeborenen auf den Markt gebracht. Lange kannte man die Pflanze nicht, die diesen Kautschuk lieferte, bis im Jahre 1898 der Deutsche Dr. Paul Preuß am Mungofluß in Kamerun die Pflanze entdeckte und Kickxia elastica benannte. Von den Franzosen und Engländern wird sie aber nach einem auf der Goldküste einheimischen Namen gewöhnlich Funtumia elastica genannt. Der Baum ist sehr reich an stark kautschukhaltigem Milchsaft, der in zweierlei Weise gewonnen wird. Bei der ersten klettert der Eingeborene auf den Baum und schneidet von der Krone bis fast auf den Erdboden eine Rinne in die Rinde des Baumes, in welche in bestimmten Abständen schräglaufende Seitenrinnen einmünden. Der ausrinnende Milchsaft wird in einem Topf am Boden aufgefangen und nach dem Gerinnen zu Ballen geformt. Wird dieses Anzapfen vorsichtig gemacht, ohne daß man durch die Rinde hindurch in den Holzkörper einschneidet, so wächst der Baum weiter und kann im folgenden Jahre wieder angezapft werden. Bei der zweiten, allerdings bequemeren Methode wird der Baum gefällt und der aus ihm herauslaufende Saft gewonnen. Da durch diesen von den Schwarzen mit Vorliebe geübten Raubbau schon große Kickxiabestände vernichtet wurden, so daß ein erheblicher Rückgang der Kautschukgewinnung in den nächsten Jahren zu befürchten ist, hat man auch diesen Baum neuerdings in Plantagenkultur genommen. So finden sich heute in Kamerun und auf Neuguinea große, in Togo und Ostafrika kleine Anpflanzungen des Kickxiabaumes, dessen Kautschuk an Wert dem echten Parákautschuk nur wenig nachsteht. Da die Nachfrage nach ihm steigt, wird er neuerdings in größerem Maße auch im Kongostaat angepflanzt, weil er bedeutend schneller wächst und ertragsfähig wird als die Kautschuklianen, welch letztere durch die gewissenlose Raubwirtschaft der die Neger dazu mißbrauchenden Beamten schon bedenklich dezimiert sind. Während die ersten Anzapfungen der Kickxia elastica bereits nach 6–7 Jahren ohne irgend welchen nennenswerten Schaden für die Weiterentwicklung des Baumes vorgenommen werden können, tritt eine Verwertungsmöglichkeit der Lianen erst nach 20 Jahren ein. Man kommt daher vom Anbau der Lianen mehr und mehr zurück und pflanzt sie nur noch dort, wo die Kickxia elastica nicht fortkommen will. Der Milchsaft der Kickxia africana dagegen, auf den man wiederholt von England aus aufmerksam gemacht hat, ist nach eingehenden Untersuchungen von Dr. Traun, einer Autorität in der Kautschukindustrie, ein für die Technik völlig unbrauchbarer Rohstoff, der, gutem Kautschuk beigemischt, denselben nur entwertet. Es muß daher vor seiner Verwendung sehr gewarnt werden.

Ein in ganz Westafrika von Senegambien bis an den Kongo vorkommender Kautschukbaum ist auch Ficus vogelii aus der Familie der Morazeen oder Maulbeerbaumgewächse. Er besitzt auf stattlichem Stamm eine breit ausladende Krone von dunkelgrünen, stark glänzenden, großen Blättern, deretwegen er von den Eingeborenen gern als willkommener Schattenspender auf Dorfplätzen angepflanzt wird. Seine haselnußgroßen, runden, grünen Früchte bilden eine gesuchte Speise der Vögel und Affen. Der durch Einschnitte aus ihm gewonnene Milchsaft liefert einen nicht gerade hervorragenden, aber doch gut verkäuflichen Kautschuk, der besonders gern mit besseren Sorten gemischt in den Handel gebracht wird. Deshalb hat man neuerdings in Kamerun begonnen, den Baum in Kultur zu nehmen.

Tafel 109.

Ein der Kautschukgewinnung dienender indischer Gummibaum (Ficus elastica) mit zahlreichen Luftwurzeln auf Sumatra.


GRÖSSERES BILD

Tafel 110.

Allee in einer Anpflanzung von Kixia elastica in Westafrika.

Mit Spiralschnitt versehene Castilloa elastica in Stephansort auf Neuguinea.

Tafel 111.

Blick in eine Gummiwarenfabrik (A.-G. Metzeler & Cie. in München).


GRÖSSERES BILD

Tafel 112.

Figürchen aus roher Guttapercha, wie sie von den Eingeborenen von Brasilien geknetet werden.

Eine Pflanzung von Guttaperchabäumen (Isonandra gutta) auf Java.

Größere Bedeutung als er hatte bis jetzt sein südostasiatischer Verwandter, die auch bei uns als Zierpflanze gehaltene und unter dem Namen Gummibaum allgemein bekannte Ficus elastica, die in ihrer Heimat als die dort beste Kautschukpflanze kultiviert wird. Sie ist ein riesiger, bis 60 m hoher Baum, der in der Jugend meist als Überpflanze auf anderen Bäumen wächst, wohin seine Samen durch die Vögel und Affen verbracht werden. Später wird er ein Baumwürger und schließlich erst ein selbständiger Baum mit stark zerklüftetem Stamm, der von zahlreichen stammartigen Luftwurzeln gestützt wird. Diese Luftwurzeln erreichen oft die Länge von 25 m bei 1,5 m Umfang. Die Zweigenden sind mit tütenförmig eingerollten, schön roten oder weißen Nebenblättern bedeckt, die nach dem Abfallen eine Ringnarbe hinterlassen. Die Blätter sind an den Bäumen bedeutend kleiner als bei den als Zimmerpflanzen gehaltenen Exemplaren. Männliche, weibliche und Gallenblüten bedecken die Innenseite der Feigen, die gereift gelbgrün und ziemlich fleischig werden. Der Baum wächst vom östlichen Himalaja, von Sikkim über Assam durch das ganze westliche gebirgige Hinterindien, über Malakka und Sumatra bis Java und Borneo. Er bevorzugt den unteren Bergwald, steigt aber im Himalaja bis 1600 m hoch. Nirgends bildet er Wälder; er findet sich vielmehr zerstreut im Urwald, und in den kautschukreicheren Wäldern wachsen auf 1 Hektar nicht mehr als 1–2 Gummibäume. Seit einigen Jahrzehnten hat man in Assam, auf Java, Sumatra und Borneo, in neuerer Zeit mit bestem Erfolg auch auf Neuguinea, in Togo, Kamerun und Ostafrika Pflanzungen des Baumes angelegt, da infolge des Raubbaues die Produktion des Kautschuks aus wildwachsenden Bäumen stetig abnimmt und trotz den Bemühungen der Forstverwaltungen ein Schutz der Bäume schwer durchführbar ist. Ein ungünstiger Umstand für die Rentabilität solcher Pflanzungen ist die beträchtliche Anzahl von Jahren, die vergehen müssen, ehe man den Milchsaft in genügender Menge gewinnen kann. Die Anzapfung der Bäume geschieht wie bei den anderen Arten, indem man mit starken Messern oder Äxten Einschnitte in die Rinde macht, aus denen dann meist der geronnene Milchsaft herausgekratzt wird. Ein großer Baum mit einer Laubkrone von 45–50 m liefert bei einem einmaligen Anzapfen mehr als 2 kg Kautschuk, und diese Menge vermag er 40 und mehr Jahre hindurch jährlich zu geben. Das Produkt ist infolge von Verunreinigung häufig schwarz und klebrig und hat im Vergleich zum Parákautschuk einen geringen Wert, ist aber doch für mancherlei Erzeugnisse zu gebrauchen. Die Vermehrung des Baumes erfolgt fast stets durch etwa 1 m lange Stecklinge, die, in die Erde gesteckt, sich sehr schnell bewurzeln und rasch zu jungen Pflanzen heranwachsen, doch müssen sie ungefähr 15 m auseinander gepflanzt werden, weil sie später mächtige Kronen entwickeln und ihre weitausladenden Äste mit Luftwurzeln stützen.

Weiter sind noch Willoughbya coriacea und andere Arten der Gattung zu nennen, die als große, relativ dickstämmige Lianen des Urwaldes Hinterindien und den malaiischen Archipel bewohnen und zur Gewinnung von Kautschuk angezapft werden. Sie haben ebenfalls lanzettliche, lederartige Blätter, dagegen achselständige Blüten mit flacher Blumenkrone in Rispen, aus denen große, innen saftige, kugelige Beeren mit harter Schale und schmackhaftem Fruchtfleisch hervorgehen. Sie winden sich vermittelst langer, fadenförmiger Ranken an Bäumen empor, sind aber niemals in Masse an einem Orte zu finden, was die Ausbeutung erschwert. Der größte Teil des von Borneo ausgeführten Kautschuks stammt von diesen Lianen. Auf Neuguinea gewinnen die Eingeborenen aus Ficus rigo, einem 15 m hohen Baum, einen guten Kautschuk. Da aber der Baum sich nur auf einem beschränkten Gebiet findet und von den Eingeborenen sehr unvernünftig behandelt wird, so dürfte er bald ausgerottet sein, wenn man ihn nicht vorher in Kultur nimmt. Nach seinen Eigenschaften verdient er ernste Beachtung für Kaiser-Wilhelms-Land.

Endlich sind in neuester Zeit noch zwei Kautschukproduzenten in Kultur genommen worden, die es verdienen kurz genannt zu werden. Der eine ist die in Venezuela und Guiana heimische Kautschukmistel, ein Schmarotzergewächs gleich unserer Mistel, die unter anderem auch auf dem Kaffeebaum gedeiht und sich daher dazu eignet, solche Kaffeeplantagen, die aus irgend einem Grunde nicht mehr recht ertragsfähig sind, wieder ertragsfähig zu machen. Der Kautschuk wird aus den alljährlich erzeugten Früchten gewonnen. Die andere ist eine den Guayulekautschuk liefernde Komposite Mexikos, die sich zum Anbau in trockenen Gebieten eignet. Sie bildet niedrige Halbsträucher, die abgeschnitten werden müssen, um einen Ertrag zu liefern. Doch ist ihr Anbau bis jetzt, so lange man andere ergiebigere Kautschuklieferanten besitzt, ein sehr beschränkter.

Im allgemeinen hat die Kautschukproduktion in neuester Zeit nicht in dem Maße zugenommen, wie es beim immer steigenden Bedarfe für die Industrie wünschenswert gewesen wäre; Asien nimmt darin im Durchschnitt eher ab als zu, Afrika erhält sich knapp auf der erreichten Höhe und selbst das Amazonengebiet scheint den Höhepunkt überschritten zu haben. Nun darf man allerdings damit rechnen, daß noch manche wichtige Kautschukpflanzen entdeckt werden, daß die zum Teil recht rohe Art der Gewinnung verbessert wird, daß es gelingen dürfte, die Ergiebigkeit zu steigern und auch aus bisher wenig beachteten Pflanzen guten Kautschuk zu gewinnen. Am meisten ist aber von der Ausbildung der Kulturen in großem Maßstab zu erwarten. Es müssen für die einzelnen Länder und Standorte die geeignetsten Kautschukpflanzen ausfindig gemacht werden, deren Milchsaft wenn immer möglich mit Zuhilfenahme von maschinellen Einrichtungen zu verarbeiten wäre, was die Qualität des Rohproduktes bedeutend verbessern würde.

Aus einem im April 1910 in der Times erschienenen Aufsatz: Rubber developments in 1910 entnehmen wir, daß die Vereinigten Staaten den größten Teil des aus Südamerika auf den Markt gebrachten Kautschuks konsumieren. Im Jahre 1909 belief sich die Produktion an wildgewachsenem Kautschuk auf 64 Millionen kg; davon entfielen auf Brasilien 38 Millionen kg. Man könnte annehmen, daß die fortwährende und enorme Preissteigerung dieses Handelsartikels auch eine stetige Produktion desselben herbeiführen müßte. Aber Brasilien dürfte am Ende seiner Leistungsfähigkeit angelangt sein. Man wird kaum allzusehr fehl gehen, wenn man die Erzeugung von Urwaldkautschuk in den nächsten Jahren auf 66–72 Millionen kg berechnet; zählt man noch 27 Millionen kg aus Plantagen hinzu, so gelangt man zu einer Gesamtproduktion von annähernd 100 Millionen kg. Vorläufig ist sie allerdings noch wohl imstande, die Nachfrage zu decken; da aber diese weit rascher wächst als das Angebot, so werden sich beide binnen kurzem die Wage halten. Deshalb beginnen die großen Kautschukproduzenten ihr Augenmerk darauf zu richten, wie die Kontinuität der Erzeugung erhalten oder gar eine Vermehrung herbeigeführt werden könne. Es ist dies eine für die Weltwirtschaft sehr wichtige Frage, die aber nicht in Afrika, sondern der Hauptsache nach in der Neuen Welt gelöst werden muß. Nicht nur ist der afrikanische Kautschuk qualitativ durchaus minderwertig, sondern er ist durch die jahrzehntelang geübte Raubwirtschaft immer seltener geworden. Von den 70 Millionen kg Kautschuk des Jahres 1908 lieferte Afrika nur 14 Millionen kg und dieser Ertrag hat seither nicht in erwähnenswerter Weise zugenommen, wenn auch in jüngster Zeit englische Gesellschaften auf deutschem Kolonialgebiet größere Landerwerbungen zum ausgesprochenen Zweck der Kautschukgewinnung machten. Es ist geradezu ein Trost, zu vernehmen, daß vor allem das Kongobecken, in welchem die unglückliche Bevölkerung unter dem Zwang des vom hartherzigen Leopold II. eingeführten Systems der Gummierzeugung beinahe zugrunde gerichtet wurde, schon jetzt fast nicht mehr mitkonkurrieren kann. Denn wenn die Kautschukgewinnung am Kongo auf die Dauer nicht mehr rentiert und preisgegeben werden muß, so könnte noch derjenige Teil der schwarzen Bevölkerung, der den Anforderungen der großen Kautschukproduktionsgesellschaften noch nicht erlag, gerettet werden.

Auch in Brasilien fordert das ungesunde Klima der Urwälder am Amazonenstrom, in denen der wichtigste und ertragreichste Kautschuklieferant, die Hevea brasiliensis, die heute noch 60 Prozent der Gesamtproduktion liefert, wächst, zahlreiche Opfer, so daß dadurch der Wert der wildwachsenden Bestände von Kautschukbäumen beeinträchtigt wird. Deshalb beruht die Zukunft der Kautschukindustrie durchaus auf den Anpflanzungen dieses Baumes, der schon im 5. Jahre angezapft werden kann, während die Castilloa elastica dies erst im 7. bis 9. Jahre zu tun gestattet und zudem einen geringeren Ertrag liefert. Diese haben besonders in Malakka, auf Java, Sumatra und Ceylon bereits eine große Ausdehnung erlangt und sind recht einträglich, da der Plantagenkautschuk zurzeit besser als der wilde brasilianische bezahlt wird. Wenn er auch reiner und sauberer als dieser ist, kann sich gleichwohl dieses von nicht ausgewachsenen Bäumen stammende Produkt an innerem Wert nicht mit dem von den wilden, oft bis zu 30 Jahre alten brasilianischen Gummibäumen gewonnenen Erzeugnis messen. Auch weist die in den asiatischen Plantagen gezüchtete Hevea bereits eine gefährliche Krankheit auf, deren Ursache man noch nicht recht auf die Spur gekommen ist. Man ist geneigt anzunehmen, daß das südamerikanische Gewächs dem vulkanischen Boden von Java und Sumatra sich nicht anzupassen vermag. Mit großen Opfern suchen die Pflanzer nach einem Heilmittel dafür; denn ihre ganze Existenz hängt davon ab. Zudem hat die indische Regierung vom Juni 1910 an alle Arbeitsverträge der zahllosen aus Indien stammenden Kulis, die als Plantagenarbeiter auf Kautschukpflanzungen des malaiischen Archipels verdingt sind, aufgehoben, so daß bei der Schwierigkeit, aus der einheimischen malaiischen Bevölkerung die nötigen Arbeitskräfte zu erhalten, neue Heveaplantagen kaum angelegt werden können. Auch in Brasilien und Peru, wo neuerdings eine englisch-französische Finanzgruppe an den Ostabhängen der Anden in Gebieten, die für die Züchtung des Guttaperchabaumes geradezu ideale Vorbedingungen aufweisen, große Heveakulturen angelegt haben, bildet die Beschaffung der nötigen Arbeitskräfte einen Gegenstand der Besorgnis, da auf die trägen und sorglosen Eingeborenen nicht zu rechnen ist. Nun hat die japanische Regierung die Überführung japanischer Arbeiter, die sich durch Fleiß und Genügsamkeit auszeichnen, nach diesen südamerikanischen Kautschukplantagen in großen Massen gestattet, so daß dadurch die für alle Plantagen so wichtige Arbeiterfrage aufs beste gelöst zu sein scheint. Wenn sich dann nur keine Rassenfrage mit der Zeit daraus entwickelt. Schon in wenigen Jahren können aus diesen Heveakulturen allfällige Ausfälle in der Ernte des brasilianischen wilden Kautschuks gedeckt werden. Jedenfalls beruht die Entwicklung und Zukunft der modernen Kautschukindustrie in erster Linie in der sehr zukunftsreichen südamerikanischen Kautschukproduktion aus der Hevea brasiliensis.

Dem Kautschuk sehr nahe verwandt ist die Guttapercha — aus dem Malaiischen getah-pertcha, d. h. Milchsaft von Sumatra, entstanden — die im malaiischen Archipel aus dem Milchsaft einiger zur Familie der Sapotazeen gehörender Bäume gewonnen wird. Merkwürdigerweise war der Gebrauch dieses Pflanzenproduktes zu allen technischen Zwecken bei den Eingeborenen Malakkas und Indonesiens lange nicht so verbreitet, wie derjenige des Kautschuks unter den brasilianischen Indianerstämmen. Die Bekanntschaft der Kulturwelt mit demselben ist noch ziemlich jungen Datums. Zwar waren schon im Jahre 1830 Muster dieses Harzes aus Singapur an die Asiatische Gesellschaft nach London gesandt worden, sie fanden jedoch nicht die geringste Beachtung. Diese wurde erst erregt, als im Jahre 1843 der Engländer Montgomery dem Londoner Gewerbeverein Mitteilungen über diesen Stoff machte, den er als Stiel einer von Eingeborenen benutzten Axt, der sich im warmen Wasser erweichen und biegen ließ, kennen lernte. Kurze Zeit darauf legte der Spanier Joze d’Almeida der Asiatischen Gesellschaft in London eine Probe der Guttapercha vor; daraufhin gelangten 100 kg dieses Materials versuchsweise aus Singapur nach London. Die ausgezeichneten Eigenschaften desselben riefen aber sehr schnell eine bedeutende Nachfrage nach ihm hervor, so daß schon 1845 11000 kg nach England gebracht wurden. Die so schnell hervorgerufene Nachfrage hatte zur Folge, daß die Gewinnung der Guttapercha, die zunächst nur in den Sümpfen von Dschohor auf der Insel Singapur aus dem Guttaperchabaum (Palaquium gutta) von Malaien und Chinesen gesammelt wurde, bald gewaltige Dimensionen annahm. Aber durch die dabei geübte rücksichtslose Raubwirtschaft, der ganze Wälder des so wertvollen Baumes durch Umhauen zum Opfer fielen, wurde dieser Guttaperchalieferant auch in der weiteren Umgebung von Singapur ganz ausgerottet. Da sah sich die englische Guttaperchahandelsgesellschaft gezwungen, einen rationellen Betrieb einzuführen und nur noch das Anzapfen der Bäume wie beim Kautschuk zu dulden. An Stelle des inzwischen gänzlich ausgerotteten Palaquium gutta, eines bis 20 m hohen dickstämmigen Baumes mit glänzenden, lederartigen Blättern, gelben Blüten und Beerenfrüchten, von dem in den ersten vier Jahren der Guttaperchagewinnung über 300000 Exemplare gefällt wurden, traten andere Arten von Palaquium, sowie Payena leeri, welch letztere aber einen leicht faserig werdenden Stoff, der auch weniger elastisch ist, liefert. Ihr Milchsaft ist auch weißer als derjenige der Palaquium-Arten. Um Getah zu sammeln, ziehen die Eingeborenen Sumatras in Gruppen von 3–4 Personen in den Wald, meist in Begleitung eines Mannes, der es versteht, die Geister der zu fällenden Bäume zu beschwören. Haben sie solche gefunden, so werden sie gefällt, die Stämme horizontal gelegt und vermittels eines breiten Messers in Entfernungen von 30–50 cm auf der oberen Hälfte mit 2 cm breiten, um ein Drittel des Umfangs herumlaufenden Einschnitten versehen. Der hierbei herausfließende Saft wird nicht eingesammelt, da er für minderwertig gilt. Die breiten Einschnitte füllen sich aber bald mit einem dickeren Milchsaft, der alsbald mit einem hakenförmigen Werkzeug so gründlich als möglich aus den Rinnen herausgekratzt wird, wo er mit Rindenteilen und Holzsplittern vermischt zu Klumpen gerinnt. Nach Hause zurückgekehrt werfen die Getahsammler die Klumpen in Töpfe mit 70° C. heißem Wasser und kneten die schnell erweichende Masse so lange mit den Händen durch, bis alle Rinden- und Holzstücke entfernt sind, was aber selten vollständig gelingt. Dann formt man die Masse zu kugeligen oder rechteckigen Stücken und bringt sie zur Ausfuhr. Nach Burck liefert ein Baum von 40 cm Stammumfang durchschnittlich 160 g Getah. In Borneo werden nach demselben Gewährsmanne jährlich gegen 26 Millionen Bäume gefällt, um den stets wachsenden Bedarf an Guttapercha zu decken. Es wäre dies aber nicht nötig, wenn man den Milchsaft in ähnlicher Weise gewänne wie den Kautschuk. Deshalb ist es erklärlich, daß die holländische Regierung ihre Aufmerksamkeit diesem Vernichtungswerke zugewandt hat, und da es sich undurchführbar erwies, das Einsammlungsverfahren der Eingeborenen zu verbessern, so begann sie damit, an verschiedenen Orten Kulturen von Guttaperchabäumen anzulegen, die recht gut gedeihen und für später Erfolg versprechen. Die durch Einschnitte erhaltene rohe Guttapercha, von den Malaien getah-muntah genannt, wird, bevor sie nach Europa geschickt wird, mit Wasser und etwas Zitronensaft oder Kokosnußöl gekocht, von Verunreinigungen befreit und in Formen von 10–20 kg gegossen.

Die Guttapercha des Handels ist in den besten Sorten fast weiß, sonst rötlich, oft ziemlich dunkel und marmoriert, auf dem Schnitt heller; sie fühlt sich fettig an und ist im Gegensatz zum Kautschuk bei gewöhnlicher Temperatur nur biegsam und wenig dehnbar, aber nicht elastisch. Sie wird aber bei 45° C. teigig, bei 65° weich und knetbar, läßt sich dann zu dünnen Blättern auswalzen und in Formen pressen, deren feinste Details sie nachher bewahrt. Bei 100° wird sie klebrig und bei 150° schmilzt sie bei teilweiser Zersetzung. Sie widersteht den meisten Lösungsmitteln und besteht aus 78–82 Prozent Gutta (C10H16)n und drei Oxydationsprodukten dieses Kohlenwasserstoffes: Fluovil, Alban und dem sehr unbeständigen Guttan. Außerdem enthält sie Gerbstoffe, Salze und zuckerähnliche Stoffe. An der Luft und am Licht wird sie durch Sauerstoffaufnahme so verändert, daß sie, die vorher ein Nichtleiter der Elektrizität war, ein guter Leiter derselben wird. Man bewahrt sie deshalb am besten in Gruben auf, die mit Wasser gefüllt und vom Licht abgeschlossen sind. Auch im Erdboden hält sie sich sehr gut. So waren unterirdisch gelegte Telegraphenkabel nach mehr als 25 Jahren noch völlig unverändert, ebenso Seekabel, die in den Jahren 1850–69 gelegt worden waren. Gegen Schwefel verhält sich Guttapercha ähnlich wie Kautschuk, nur läßt sie sich schwieriger vulkanisieren. Ein Gemenge von 1 Teil Guttapercha und 2 Teilen Kautschuk steht in bezug auf seine Eigenschaften in der Mitte zwischen beiden Substanzen. Guttapercha wird technisch zu den verschiedensten Gegenständen verwendet, bei denen es auf Undurchdringlichkeit gegen Wasser, Widerstand gegen Alkohol, Laugen und Säuren ankommt und keine höhere Temperatur mitwirkt. Am meisten findet sie in der Elektrizität zur Isolierung der Leitungsdrähte in Kabeln usw. Verwendung. Bei oberirdischen elektrischen Leitungen werden die Drähte einfach mit dem dünn ausgewalzten Guttaperchapapier umwickelt, diese durch die Spiritusflamme zum Schmelzen gebracht und die Isolation ist fertig. Unersetzlich ist die Guttapercha — und darin liegt ihr Hauptwert — bei der Herstellung unterseeischer Kabel, während nämlich alle anderen Isolatoren vom Seewasser angegriffen und endlich zerstört werden, ist sie der einzige Stoff, der sich nicht nur hält, sondern mit der Zeit eher härter und undurchdringlicher wird. Bis jetzt sind sowohl für den Kautschuk, als für die Guttapercha nur schlechte Surrogate bekannt, so daß es für die Industrie sehr wichtig ist, daß diese beiden Stoffe weiterhin in guter Qualität beschafft werden können. Hauptstapelplatz aller Sorten von Rohguttapercha ist Singapur. Zwei Drittel von dessen Ausfuhr, die von 1885–96 32 Millionen kg im Werte von 100 Millionen Mark betrug, gehen nach London und Liverpool; den Rest nehmen die Märkte von Hamburg, Rotterdam und Marseille auf.

In dieselbe Familie der Sapotazeen wie der Guttaperchabaum gehört auch der amerikanische Zapotill- oder Balatabaum (Achras ballota), ein Baum Guianas und sämtlicher Antillen, dessen beim Ausschneiden herausfließender Milchsaft zu einer der Guttapercha ähnlichen, lederartig zähen, schneidbaren und sehr elastischen Masse wird, die gegenwärtig unter dem einheimischen Namen Balata jährlich in Mengen von gegen 100000 kg namentlich von Berbice, dem östlichen Distrikt von Britisch-Guiana, aus in den europäischen Handel gelangt, um als Surrogat der Guttapercha namentlich zu Treibriemen, Schuhsohlen und -Absätzen, sowie zu chirurgischen Zwecken gebraucht zu werden. Der Stamm dient in seinem Vaterlande als Bauholz und kommt auch als Nutzholz unter der Bezeichnung bully tree wood oder Balata rouge in den Handel.

Sehr nahe verwandt mit ihm sind der Zapota- oder Breiapfelbaum (Achras sapota) und die Mammei-Sapote (Lucuma mammosa), die in Westindien und im nördlichen Südamerika heimisch sind. Der Milchsaft beider findet technische Verwendung und beide liefern zugleich eßbare Früchte. Die Mammei-Sapote liefert eine Art Guttapercha, die aber bisher wenig Verwendung fand. Größere Bedeutung kommt dem Zapota- oder Breiapfelbaum zu, dessen guttaperchaähnliches Produkt zur Fabrikation des bei den Bürgern der Vereinigten Staaten so überaus beliebten Kaugummis verwendet wird. Es ist dies der Chiclegummi, der durch Anzapfen des Zapotabaumes gewonnen wird. Die aus den Einschnitten der Rinde dieses Baumes hervortretende milchweiße Flüssigkeit wird über Feuer eingedickt und soll schließlich eine hellgraue Farbe annehmen. Für den Export gibt man dem Chiclegummi eine brotlaibähnliche Gestalt. Ein Gummisammler oder „Chiclero“ kann täglich bis zu 7,5 kg Chicle gewinnen und erhält für das Kilogramm 20–30 Cents (= 85–135 Pfennige). Um einen Teil des Eingangszolls nach den Vereinigten Staaten zu sparen, der zurzeit 20 Cents pro Kilogramm beträgt, läßt man den Chicle zuerst in Kanada reinigen und trocknen, wodurch er etwa die Hälfte seines ursprünglichen Gewichtes verliert. Bei der Weiterverarbeitung wird der Gummi noch mit allerlei Zutaten wie Zucker, Vanille und Pfefferminze versehen. Irgend welche medizinisch wirksame Stoffe sind in dem reinen Chiclegummi nicht vorhanden, gleichwohl wirkt er schon auf mechanischem Wege konservierend auf die Zähne. Die Menge des nach den Vereinigten Staaten eingeführten Chicle belief sich im Jahre 1908/09 auf 2725019 kg im Werte von 1987112 Dollar, während die Einfuhr im Jahre 1885 erst 464979 kg betrug. Der Preis des Gummis, der vor dem Jahre 1888 nur 14–16 Cents pro Kilogramm betrug, ist heute auf 96 Cents gestiegen. Die Jahresproduktion der amerikanischen Fabriken wird auf 3 Milliarden Stück Kaugummi angegeben. Sicherlich ist nicht sowohl das Kauen, als vielmehr das damit verbundene Spucken, in welcher Fertigkeit die Yankees geradezu eine verblüffende Virtuosität erlangt haben, eine für Fremde wenig angenehme Gewohnheit dieses Volkes.

Der den Chiclegummi liefernde Zapotabaum, der teils wild wächst, teils angepflanzt wird, liefert daneben, wie gesagt, auch eine sehr geschätzte Frucht, den Breiapfel. Ferner wird sein Holz, das sehr schwer und hart und dem Mahagoni ähnlich ist, gerne zur Möbelfabrikation verwendet. In den alten mexikanischen Ruinen findet man ausgezeichnet erhaltene Türrahmen und Balken, wie auch Wandschnitzereien aus Zapotaholz als Beweis dafür, wie außerordentlich dauerhaft dieses ist.

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