XXIX. Die Zierblumen.

Schon auf niederer Kulturstufe muß sich der Mensch an den bunten Farben und am Wohlgeruche der Blumen mancherlei Art erfreut haben, die ihm je und je auf seinen Wanderungen entgegentraten. Wenn sie ihm auch nicht Nutzen gewähren konnten, es sei denn als Arznei, so befriedigten sie wenigstens sein erwachendes ästhetisches Empfinden. Deshalb pflückte er sie gelegentlich, um sich damit zu schmücken. So bekränzen sich die leichtlebigen Bewohner der Samoainseln nicht bloß zu festlichen Anlässen, sondern tagtäglich Haupt und Brust mit Girlanden wohlriechender Blumen, was einen sehr hübschen Anblick gewährt. Begreiflicherweise mußten solche Stämme sehr bald darauf verfallen, solche Blütenpflanzen in der Nähe ihrer Wohnungen zu ziehen, damit sie jederzeit den begehrten Schmuck zur Verfügung hatten.

Von den ältesten Blumengärten der Menschheit wissen wir nichts; denn, ganz abgesehen davon, daß damals die Schrift noch nicht erfunden war, hätte es niemand der Mühe wert erachtet, uns davon Kunde zu geben. Das erste Volk, von dem wir Kunde haben, daß es sich gewisser Blumen erfreute und diese teilweise auch anpflanzte, um sie in genügender Menge zur Hand zu haben, war das uralte Kulturvolk der Ägypter, das der weißen und blauen Seerose des Nils (Nymphaea lotus und coerulea) ein besonderes Interesse, ja als Kinder des lebenspendenden, heiligen Stromes geradezu Verehrung entgegenbrachte. Nil und weiße Seerose — von den alten Ägyptern suschin, von den Griechen jedoch lōtós geheißen — gehörten nach seinem Empfinden zusammen wie Mutter und Kind, eines ohne das andere undenkbar. Wenn der heilige Strom nach den starken Regen in seinem äquatorialen Quellgebiet anzuschwellen begann, erwachte der im Schlamme desselben wurzelnde Lotos zu neuem Leben; wenn der Strom das Land weithin mit seinem Fruchtbarkeit spendenden Naß überschwemmte, stand die Pflanze in voller Blüte, und wenn er langsam zu sinken begann, so reiften ihre Früchte heran, deren Samen der Bevölkerung eine willkommene Speise darboten und als Nahrungsmittel eine wichtige Rolle spielten. So berichtet uns der Vater der griechischen Geschichtschreibung, Herodot aus Halikarnaß an der kleinasiatischen Küste (484–424 v. Chr.), der Ägypten selbst bereiste, von der weißen Seerose: „Im Nil wachsen, wenn er die Felder überschwemmt, viele Lilien (krínon), welche die Ägypter lōtós heißen. Deren mohnkapselartigen Früchte sammeln die Leute, dörren sie an der Sonne, zermahlen dann deren Samen und backen mit Hilfe des Feuers Brot daraus. Auch die Wurzel ist eßbar und schmeckt nicht übel; sie ist rundlich und von der Größe einer Quitte. Außer diesem Lotos haben die Ägypter noch andere im Wasser wachsende Lilien, deren Frucht einer Wespenwabe gleicht, worin Samen, so groß wie Olivenkerne, in Menge sitzen; man ißt sie frisch und gedörrt.“ Mit diesen letzteren meint Herodot die erst kurz vor seiner Zeit in Ägypten eingeführte rosenrote indische Seerose (Nelumbium speciosum), deren Blüten wenigstens ein Drittel größer als diejenigen unserer weißen Seerose sind und einen angenehmen Anisduft aushauchen. Sie ist in Indien heimisch, wo sie als padma in Sage und Kult der Inder dieselbe Rolle, wie der heilige Lotos bei den Ägyptern spielt. Auf ihr, die der zweite Gott der indischen Göttertrias (Trimurti), Wischnu, als er auf der Milchstraße das Universum durchschwamm, um die Welt zu erschaffen, als Symbol der entstehenden Erde aus seinem Nabel hervorgehen ließ, ist dessen Gemahlin Lakschmi, die Göttin der Liebe, die Tochter des Weltmeers und der Nacht, schwimmend gedacht. In der eben erschlossenen Blüte sitzt sie in ihrem unvergleichlichen Liebreiz, wie später der zum Gott erhobene Königssohn Siddharta aus dem Geschlecht der Sakja — daher auch Sakjamuni, d. h. Einsiedler der Sakja genannt, besser aber unter dem Ehrennamen Buddha „der Erleuchtete“ bekannt (623–543 v. Chr.) — in ihr sinnend als der Weisheit Fülle von seinen zahlreichen Anhängern, den Buddhisten, dargestellt wurde. Deshalb rufen ihn seine Anhänger tagtäglich unter der stehenden Formel: om mani padme hum, d. h. „du Juwel in der Lotosblume“ an, ein Gebet, das in zahllosen Tempeln, wie auf den Gebetsmühlen der Tibeter geschrieben steht und in dem sich die Religion der gedankenlosen Menge niedergeschlagen hat. Auf einem schwimmenden Blatte der padma ist auch Brahma, der erste Gott der indischen Götterdreiheit, der Ursprung aller Wesen, zu dem sie auch zurückkehren, in der für die Inder charakteristischen Weise mit gekreuzten Beinen sitzend gedacht. Diese heilige Pflanze ist dem Inder das Symbol des sich stets erneuernden Lebens, das sichtbare Zeichen der ungeschwächten Schöpfungskraft der Götter, der Inbegriff alles Schönen und Lieblichen; mit ihren Blättern und Blüten schmückt er heute noch wie vor Jahrtausenden die Tempel und Altäre seiner Gottheiten.

Dieser heilige indische Lotos, deren der Brause einer Gießkanne ähnliche Früchte in ihren nach oben zu offenen Fächern vom Volke grün oder getrocknet gerne verspeiste Samen von der Größe von Olivenkernen enthalten, gelangte in der ersten Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrhunderts aus dem Gebiet des Ganges und Indus nach Persien und eroberte sich erst ums Jahr 500 v. Chr. das Heimatrecht in den Gewässern Ägyptens. Hier wurde er in der hellenistisch-römischen Zeit als Zier- und Nutzpflanze im ganzen Lande viel angebaut, war aber schon im 10. Jahrhundert n. Chr. wieder aus dem Lande verschwunden. Er war also dem alten Ägypten fremd, und die weiße einheimische Seerose (Nymphaea lotos), die heute noch mit der himmelblauen Verwandten in den Wässern des Niltals wächst und zur Zeit der Nilüberschwemmung ihre hübschen Blüten entfaltet, nach deren Zahl der Fellache den kommenden Jahressegen abschätzt, war die heilige Pflanze der Ägypter, das Symbol des Nils selbst und zugleich das hieroglyphische Wortbild für das ganze Land Kemi, d. h. Ägypten. Ihre Blüte galt als Sinnbild der Lebensfülle und des Überflusses, war das Zeichen der Zahl 1000, mit welcher der Ägypter den Begriff der Menge und des Segens verband. Sie war den Gottheiten Osiris, Isis, deren Sohn Horus, wie auch Hathor, der von den Griechen mit ihrer Aphrodite identifizierten Göttin der Liebe und des Lebensgenusses, heilig und wurde von diesen als Diadem getragen. Osiris, der ägyptische Gott der schaffenden Kraft des Lichts und der gleicherweise Leben spendenden Feuchtigkeit, das allverehrte Prinzip des Guten und Schönen, der von seinem Bruder Seth, dem Dämon des Dürre und Mißwachs erzeugenden Glutwindes der Wüste, getötet wurde, um dann in der Unterwelt über die Geister der Verstorbenen zu herrschen, war auf einem Lotosblatt thronend gedacht. Er wie seine Gemahlin Isis, das weibliche, empfangende und gebärende Prinzip, waren mit Lotosblumen geschmückt. Letztere wird mit Vorliebe, den Nilschlüssel, das Zeichen der erschlossenen Fruchtbarkeit, in der Rechten, in einem Papyrusnachen über die prangenden Blütenkelche der heiligen Pflanze gleitend dargestellt, während ihr Sohn Horus (ägyptisch Har), der die dem Leben feindliche Dunkelheit und Dürre überwindende Lichtgott, der Rächer seines Vaters Osiris an dessen Mörder Seth, sich beim Schwinden der Nacht in einer halbgeöffneten Lotosblüte als das Symbol der neu aufwachenden Sonne aus den Fluten des Weltmeers erhebt. Wie er, seine Eltern und seine Amme Hathor, die Göttin des Ehesegens und Freundin der Kinderwelt, waren auch die ägyptischen Königinnen mit den Blüten der heiligen Lotospflanze als ihrer schönsten Zier geschmückt.

Keine andere Pflanze, selbst nicht der in seiner Wurzelknolle ebenfalls eine angenehme Speise darbietende Papyrus, auch ein Geschenk des Nils und in der Hieroglyphik das Zeichen des Nordens, wo er in den Sümpfen des Deltas in Menge wuchs, spielte im täglichen Leben des Ägypters als Zier- und Opferblume eine so wichtige Rolle und hat seine ganze Kunst, die Architektur, Skulptur und Malerei so weitgehend beeinflußt, wie der heilige Lotos. Auf allen Darstellungen aus dem Leben der alten Ägypter begegnen wir ihm, wo auch immer sich jemand auf oder am Wasser beschäftigt, wo Opfertische gedeckt sind, wo Gesellschaften gegeben werden. Wenn reichgeschmückte vornehme Damen beisammensitzen und Sängern oder Lautenspielern zuhören oder Tänzerinnen zusehen, stehen Blumenvasen mit Lotosblüten auf den Tischen und halten sie Lotosblüten in den Händen. Von flüchtigen Skizzen bis aufs Feinste ausgeführte Darstellungen wechseln die Lotosbilder durch die mehrtausendjährige Geschichte Altägyptens. Und zwar war bis zum alten Reich ums Jahr 3000 v. Chr. speziell die weiße Lotosblume die heilige, die auch zur Verzierung der Tempel bei Festen, wie auch zum Schmücken der Sarkophage in Girlanden benutzt wurde. Von da an gewann der blaue Lotos — von den Ägyptern sarpat genannt — die Überhand über den weißen und war im mittleren und neuen Reiche die fast ausschließlich benutzte, bis erst wieder zur Ptolemäer- und Kaiserzeit (333 vor bis 362 n. Chr.) die weiße Lotosblume einigermaßen zu Ehren kam. Wie bei uns seit alter Zeit die Rose, so war die Blüte des Lotos im alten Ägypten die Königin der Blumen, die man überall antraf, die auf allen Märkten zu kaufen war und an deren Farbe und zimtartigem Duft man sich in frohen Tagen erfreute. Sie war auch das bevorzugte Geschenk der Liebenden und wurde als Amulett aus Holz oder gebranntem Ton auf der Brust getragen. Wie eintretenden Gästen als Zeichen des Willkomms eine einzelne Blüte oder ein Strauß derselben von Dienern oder Dienerinnen überreicht wurde, so prangte sie im schwarzen Haar der sorgfältig frisierten Dame. Im neuen Reiche (1580–1205 v. Chr.) war es in feinen Kreisen Sitte, zu Gastmählern Geladenen einen Kranz aus Lotosblüten um den Hals zu hängen und ihr Haupt mit Blumengewinden zu zieren, aus denen eine halberschlossene Lotosblüte über die Stirne herabhing.

Bild 76–78. Altägyptische Darstellungen von Lotosblumen.
Links ein Diener mit abgeschnittenen Blütenstengeln, in der Mitte und rechts Vasen mit Lotosblüten. (Nach Lepsius und Woenig.)

Bei keinem Opfer fehlte die heilige Pflanze, das Attribut der höchsten Gottheiten. Weizenähren oder Lotosblüten in den Händen sehen wir die mächtigen Herrscher sich den Götterbildern opfernd nahen und die Götter sich gegenseitig beschenken. Und einst selbst eine „reine, in den Strahlen der Sonne leuchtende, heilige Lotosblume im Garten des Sonnengottes Ra“ zu werden, war, wie in den Totengebeten steht, der sehnlichste Wunsch eines jeden Ägypters. Mehrere der in der Totenstadt westlich von Theben aufgefundenen Königsmumien fanden sich noch mit Kranzresten geschmückt, in denen sie vorherrscht. So war die noch im Tode Ehrfurcht gebietende Mumie des großen Ramses II. der 19. Dynastie (1292–1225 v. Chr.) mit Gewinden aus Blättern des von alters her der Isis geheiligten Baumes Mimusops schimperi, des „Lebensbaumes“ mit in Form und Farbe den Hagebutten nicht unähnlichen Früchten mit dünnem Überzug von mehligem, wohlschmeckendem Fruchtfleisch, abwechselnd mit den blauen Blumenblättern des Lotos verflochten. Und zwar wurden diese Blumengewinde dem beigegebenen Totenbuche zufolge bei einer zur Zeit der 21. oder 22. Dynastie (1090 bis 745 v. Chr.) vorgenommenen prunkvollen neuen Bestattung um die Mumie des großen Toten geschlungen.

Von anderen altägyptischen Gartenblumen sind uns nur spärliche Reste erhalten geblieben. So fanden sich in einem die Brust der Mumie des Königs Amenhotep II. aus der 18. Dynastie (1580–1547 v. Chr.) bedeckenden Blumengewinde Reste des arabischen Jasmins, der feigenblätterigen Malve und einer blauen Ritterspornart, die in Westasien heimisch sind und im Niltal in Gärten gezogen worden sein müssen. Zwischen ihnen hingen gelbe Blütentrauben der im Lande selbst wachsenden Nilakazie und eines andern Schmetterlingsblütlers (Sesbania aegyptiaca) mit rotgelben Blüten. In den Weidenlaubgewinden der Prinzessin Nsi-Chonsu, der Tochter des Tont-hont-huti der 22. Dynastie (945–745 v. Chr.) fanden sich neben Blüten der asiatischen Kornblume diejenigen einer in Ägypten nur im April blühenden Komposite, eines Bitterkrautes, die uns sogar von der Jahreszeit der Schmückung dieser Leiche genaue Kunde geben. In einem Grabe der 20. Dynastie (1200–1090 v. Chr.) lagen die Blüten und vollständig geschwärzten Blätter der Pfefferminze. Mehrfach haben sich auch bei Mumien dieser und späterer Perioden Überreste der hochgelben Blüte einer Komposite, der kretischen Wucherblume, neben denjenigen des rotblühenden Schotenweiderichs gefunden.

Neben Girlanden sind auch Blumensträuße in größerer Zahl in den Katakomben der Totenstadt von Theben gefunden worden. Sie lagen in den Sarkophagen auf den Mumien, zwischen diese und die innere Sargwand eingezwängt. Diese Sträuße, aus Feld- und Gartenblumen, Wedeln der Dattelpalme (altägyptisch utu genannt) und verschiedenartigen Laubblättern gefertigt, sind länglich, ähren- oder zapfenförmig und kurz oder lang gestielt. Sie wurden in der Weise hergestellt, daß man die Blumen und Blätter um einen kürzeren oder längeren Stab mit Baststreifen umwickelte. Auch die Holzstiele der Sträuße waren häufig kunstvoll mit Bast umflochten. Noch heutigentags werden die Blumensträuße in Ägypten, wie im ganzen Orient, auf diese Weise gebunden.

Wie zierlich geflochtene Hals- und Brustkränze trugen die alten Ägypter, wie wir aus zahlreichen Darstellungen von Festen und Gelagen besonders auf den Köpfen der Sängerinnen und Tänzerinnen bemerken, auch mancherlei Stirnkränze. Zu allen Festen und Gelagen gehörten im alten Ägypten nicht nur eine Ausschmückung der betreffenden Räume mit blumengezierten Girlanden und auf den Tischen aufgestellten Blumen in zierlichen Alabastervasen oder Krügen von gebranntem Ton mit einem bis drei engen Hälsen, in denen auf den bildlichen Darstellungen noch die hineingesteckten Blumen zu erkennen sind, sondern vor allem auch Blumengewinde um Haupt, Hals und Brust, mit denen der Gastgeber seine Gäste schmückte. Eine Korridorinschrift am großen Tempel der Hathor in Denderah, welche die ausgelassene Techufeier zu Ehren der Göttin zum Gegenstand hat, lautet: „Die Erde ist in Freude. Die Einwohner von Denderah sind trunken von Wein, ein Kranz von Blumen ist auf ihren Häuptern.“ Überhaupt sind die alten Ägypter nicht die düstern, vom Gedanken an den Tod beherrschten Menschen gewesen, als die wir sie wegen der weitgehenden Fürsorge für das Leben nach dem Tode zu betrachten gewohnt sind. Sie waren vielmehr ein recht lebenslustiges Volk, als welches sie uns bereits Herodot, der älteste griechische Geschichtschreiber (484–424 v. Chr.), aus eigener Anschauung schildert. Feste wurden viel gefeiert, und an ihnen ging es sehr hoch her. Der Bedarf an Kränzen war demnach ein großer und das Kranzwinden galt im Lande als geachtete Kunst, die gut lohnte. Der römische Schriftsteller Plinius (23–79 n. Chr.) erwähnt unter den von den ägyptischen Kranzwindern mit Vorliebe benutzten Blumen den brennend roten alexandrinischen Amarant, dessen hahnenkammartig ausgebreitete Blumenähre jedenfalls eine prächtige Zierde für Kränze abgab.

Eingehendere Nachrichten über die Bedeutung der Kränze im Altertum haben uns verschiedene griechische Schriftsteller überliefert. So berichtet der um 200 n. Chr. in Alexandreia und Rom lebende griechische Grammatiker Athenaios aus Naukratis in Ägypten in seiner Schrift Deipnosophistai: „Es ist eine alte Sitte, den Gästen vor dem Nachtisch Kränze und Salben herumzugeben. — Hellanikos erzählt, daß Amasis, welcher ursprünglich ein Mensch aus gemeinem Stande war (er stürzte den König Hophra, regierte von 570–526 v. Chr., begünstigte den Verkehr mit den Griechen, denen er die Stadt Naukratis überließ, und war ein Freund des Tyrannen Polykrates von Samos), durch einen Kranz König von Ägypten geworden sei. Er hatte nämlich den Kranz aus den prächtigsten Frühlingsblumen geflochten und dem damaligen Könige Ägyptens, Patarmis, gesandt, als dieser seinen Geburtstag feierte. Dieser freute sich sehr über den herrlichen Kranz, lud den Amasis zur Tafel, behandelte ihn seitdem als Freund und sandte ihn einstmals mit einem Heer gegen rebellische Truppen. Diese wählten aber den Amasis als König.“

Dieser Autor bespricht eingehend die verschiedenen Arten von Kränzen, die man zu seiner Zeit trug, aus Lotosklee, wie ihn schon der jonische Lyriker Anakreon (550–478 v. Chr.) schildert, aus Dill, wie ihn die griechische Dichterin Sappho aus Mytilene auf Lesbos (um 600 v. Chr.) beschreibt, aus andern wohlriechenden Kräutern, wie Majoran, Thymian, Salbei, Seifenkraut, dann aus Lorbeer, Myrte und verschiedenen wohlriechenden Blumen. „Im schönen Alexandreia gibt es auch Kränze, die man (zu Ehren des schönen Lieblings des Kaisers Hadrian, Antinoos aus Bithynien, der sich im Jahre 130 als Opfer für den Kaiser unweit Besa in den Nil stürzte und ertrank, worauf der Kaiser sein Andenken vielfach feierte und auch ein Sternbild in der Milchstraße dicht beim Adler nach ihm benannte) Antinoeios nennt; sie werden aus der ägyptischen Seerose (lōtós) angefertigt. Diese Blume wächst in Sümpfen und zeigt sich in der Mitte des Sommers. Sie kommt in zwei Farben vor, entweder rosa, und dann nennt man den Kranz eigentlich Antinoéios stéphanos, oder himmelblau, und dann heißt der Kranz lṓtinos stéphanos.“ — Ein ägyptischer Dichter namens Pankrates hatte den Einfall, dem römischen Kaiser Hadrian (76–138 n. Chr.), als er in Alexandreia war, die rosenfarbene Seerose zu zeigen, sie für ein Wunder auszugeben und zu sagen, sie sei aus dem Blute des maurusischen Löwen entsprossen, den Hadrian in Libyen, nicht sehr weit von Alexandreia, auf einer Jagd mit eigener Hand erlegt hatte. Dieser Löwe war ein ungeheures Tier und hatte lange so arg in Libyen gehaust, daß ein Teil des Landes von den Bewohnern hatte verlassen werden müssen. Hadrian fand seinen Spaß an der Erfindung des Pankrates und befahl, daß er auf Staatskosten im Museion leben solle. — In dem von Pankrates dem Hadrian übergebenen Gedicht kam auch folgende Stelle vor: „Ehe die Blume des Antinoos (der Lotos) von der Erde erzeugt war, dienten behaarter Feldthymian, weiße Lilie, purpurrote Hyazinthe und Blätter des weißen Schwalbenkrauts nebst Rosen, die sich beim Zephyr des Frühlings öffnen, zu Kränzen.“

Athenaios fügt dem hinzu, daß es auch Sitte sei, die Türen derjenigen, die man liebt, mit Kränzen zu schmücken. Homer habe den Gebrauch von Kränzen noch nicht erwähnt, er müsse bei den Griechen erst späteren Ursprungs sein. Später sei er sehr häufig getragen worden. Anakreon spreche von Myrtenkränzen, die mit Rosen durchzogen waren, und Theopompos erzählt im dritten Buch seiner Hellenika, die Ägypter hätten dem Agesilaos, als er in ihr Land kam, unter andern Geschenken auch Papyros zu Kränzen geschickt. Die Sybariten stellten oft öffentliche Schmausereien an und ehrten diejenigen, die die größten Beiträge dazu lieferten, mit goldenen Kränzen; ja sie bekränzten auch diejenigen Köche, die die Speise am delikatesten zubereiteten. — „Bei dem großen Feste, das Ptolemaios Philadelphos (der Gründer des Museions und der Bibliothek in Alexandreia, regierte 285–247 v. Chr.) zu Alexandreia in der Mitte des Winters gab, war sein Prachtzelt von Lorbeer, Myrte und andern Bäumen umschattet und der ganze Boden mit Blumen aller Art bestreut. Ägypten bringt nämlich sowohl durch sein mildes Klima, als durch die Kunst seiner Gärtner zu jeder Jahreszeit Blumen im Überfluß hervor, so daß man z. B. Rosen, Levkojen usw. zu jeder Zeit in beliebiger Menge haben kann. Bei dieser Gelegenheit war in einer Jahreszeit, da in einer andern Stadt kaum zu einem Kranze Blumen aufzutreiben gewesen wären, bei diesem Feste in Alexandreia Überfluß an Blumenkränzen für die ungeheure Menge der Festgäste, und der Boden war so dick mit Blumen bestreut, daß er wirklich einer göttlichen Wiese glich. Bei dem feierlichen Umzug, der bei dieser Gelegenheit abgehalten wurde, kam auch alles zur Schau, was sich auf die Geschichte der einzelnen Gottheiten bezog. Im Gefolge des Bacchos erschienen 40 Satyrn, um deren Lampen von Gold strahlende Efeublätter gewunden waren. Viktorienbilder trugen Räucherpfannen von 6 Ellen Länge, die mit Efeuranken und goldenen Zweigen umgeben waren. Ein Altar von 6 Ellen folgte, geschmückt mit goldenem Efeulaub und einem Kranze von goldenem Weinlaub. Dem Altare folgten 120 Knaben, in Purpur gekleidet und Weihrauch, Myrrhe und Safran in goldenen Gefäßen tragend. Nach ihnen kamen 40 Satyrn, die mit goldenen Efeukränzen geschmückt waren und einen großen, aus goldenen Reb- und Efeuranken bestehenden Kranz trugen. Ihnen folgte ein ausgezeichnet großes und stattliches, reich mit Gold geschmücktes Weib, das in der einen Hand einen Kranz aus Myxa, in der andern einen Stab aus Dattelpalmenholz trug. Hinter ihr gingen wieder Viktorien mit Räucherpfannen, die mit goldenen Efeugirlanden geschmückt waren, und Satyrn mit goldenen Efeukränzen einher. Ihnen folgte ein von 180 Menschen gezogener Wagen, der die Bildsäule des Bacchos trug; diese goß aus einem goldenen Becher Wein und hatte neben sich ein großes Weingefäß und eine Räucherpfanne mit zwei Schalen, die mit Zimtkassia und Safran gefüllt waren. Über dem Bacchos wölbte sich eine Laube, die aus Efeu, Weinrebe und allerlei Bäumen gebildet war. Rings hingen auch Kränze, Bänder und mit Efeu und Reblaub umwundene Stäbe. Hinter diesem Wagen gingen Bacchantinnen einher mit fliegendem Haar, mit Schlangen oder Eichenlaub, Reben- und Efeuzweigen bekränzt. Dann folgte ein von 300 Mann gezogener Wagen, 20 Ellen lang und 16 breit; auf ihm stand eine mit Trauben gefüllte Kelter, die 24 Ellen lang und 14 Ellen breit war. 60 Satyrn traten die Trauben und sangen unter Flötenspiel ein Kelterlied; dabei floß der Most auf den ganzen Weg hin. Der nachfolgende von 60 Mann gezogene Wagen war 25 Ellen lang und 14 Ellen breit, und trug einen ungeheuren, aus Pantherfellen genähten Schlauch, aus welchem auf den ganzen Weg allmählich auslaufender Wein floß usw. usw.“

Das Tragen von goldenen Kränzen galt im Altertum als besonders feierlich und wird uns ziemlich häufig angegeben. So erzählt Athenaios an einer andern Stelle: „Bei einem feierlichen Umzuge, den der König von Syrien, Antiochos der Tolle (im 2. Jahrhundert v. Chr.) hielt, befanden sich 3000 leicht bewaffnete, in Purpur gekleidete, mit goldenen Kränzen geschmückte Kilikier, 2000 Reiter in Purpurkleidern, von denen die meisten goldene Kränze trugen, und hinter den Soldaten folgten 800 Jünglinge mit goldenen Kränzen.“

Im gewöhnlichen Leben waren Kränze von allerlei bunten und wohlriechenden Blumen die gebräuchlichsten. Dabei sagt uns das Onomastikon des Pollux: „Die Blumen, welche man zu Kränzen verwendet, sind Rosen, Veilchen, Lilien, Minze, Anemonen, Feldthymian, Safran, Hyazinthen, gelbe Strohblumen, rotgelbe Taglilie, grauer Thymian, Königskerze, Nadelkerbel, Narzissen, Steinklee, Hundskamille, Kamille und andere Blumen, die entweder schön oder wohlriechend sind.“ So sagt ein nicht genannter Dichter: „Hier schicke ich dir einen Kranz, den ich mit eigenen Händen aus schönen Blumen gewunden habe, aus Lilien, Rosen, Anemonen, Narzissen und blauen Veilchen.“ Ein anderer singt: „Ich will Levkojen, zarte Myrten, Narzissen und leuchtende Lilien winden, ich will süßduftenden Safran, purpurrote Hyazinthen und liebliche Rosen winden, und damit das lockige Haar der Heliodora bekränzen.“

Die Sitte, sich bei Festen zu bekränzen, übernahmen dann die Römer von den Griechen. Der ältere Plinius (23–79 n. Chr.) schreibt darüber in seiner Naturgeschichte. „Anfangs kannte das römische Volk nur Kränze, die durch Kriegstaten erworben wurden; jetzt aber hat es mehr Arten von Kränzen als alle andern Völker zusammen. Und zwar werden zumeist Blumen dazu verwendet, die die Natur nur für Tage erschuf. Einst hat das römische Volk nur einen Scipio, der den Beinamen Serapio führte, mit Blumen geehrt. Er starb als Tribun und war beim Volke sehr beliebt. Da er kein Vermögen hinterließ, so besorgte das Volk auf eigene Kosten das Begräbnis, indem jeder das Seinige dazu beitrug, und warf ihm überall, wo der Leichenzug vorbeiging, Blumen zu. Während in Athen Jünglinge noch vor der Mittagsstunde die Versammlungen weiser Männer mit einem Kranze auf dem Kopfe besuchten, herrschte in solchen Dingen bei den Römern stets große Strenge. So wurde beispielsweise im zweiten punischen Kriege (218–201 v. Chr.) der Geldwechsler Lucius Fulvius kraft eines Senatsbeschlusses ins Gefängnis geführt und erst am Ende des Krieges wieder in Freiheit gesetzt, als er sich unterfing, bei hellem Tage aus seiner Bude mit einem Rosenkranze auf dem Kopfe auf das Forum hinauszusehen. Auch den Publius Munatius ließen die Triumvirn fesseln und ins Gefängnis abführen, als er von der Bildsäule des Marsyas einen Blumenkranz nahm und sich aufsetzte. Er bat zwar die Tribunen, ihm beizustehen; doch taten diese keinen Einspruch. — Unter allen Kränzen aus Blumen haben diejenigen aus Rosen den größten Vorzug, und zwar legt man denen den höchsten Wert bei, die nur aus zusammengehefteten Rosenblättern bestehen. Heute aber nimmt man den Stoff zu Kränzen aus Indien oder aus Ländern, die jenseits von Indien liegen. Für die herrlichsten gelten die aus Nardenblättern, oder die mit bunten, von wohlriechenden Salben triefenden Seidenstoffen durchflochtenen. So weit geht jetzt die Verschwendung der Weiber!“

„In Sicyon wetteiferte die Kranzflechterin Glycera durch immer schönere natürliche Kränze mit dem Maler Pausias, der ihre Kränze malte, so daß Natur und Kunst sich gegenseitig zu übertreffen suchten. Auf dem berühmten Gemälde, das Die Kranzflechterin (stephanoplocos) heißt, und noch heutigentags vorhanden ist, hat er die Glycera gemalt. Dies geschah nach der hundertsten Olympiade (um 380 v. Chr.). — Wie man nun einmal angefangen hatte, Blumen in die Kränze zu flechten, wurden auch die Winterkränze Mode, deren Blumen, weil dann die Jahreszeit keine natürlichen liefert, aus künstlich gefärbten Hornspänen bestehen. In Rom schlich sich auch allmählich für die Kränze, wegen ihres zarten Wesens, der Name corolla, und dann der Name corollarium für Kränze aus vergoldetem oder versilbertem Kupferblech ein. — Zuerst ließ sich der reiche Crassus (der wegen seines ungeheuren Reichtums von 30 Millionen Mark den Beinamen dives „der Reiche“ führende Triumvir, geboren 115 v. Chr., besiegte als Prätor 72 den Sklavenaufstand unter Spartacus, ward 70 mit Pompejus Konsul, schloß sich dann an Cäsar an und bildete 60 mit diesem und Pompejus das 1. Triumvirat, ward 55 zum zweitenmal Konsul, ging als Prokonsul nach Syrien und ward 53 nach der Niederlage bei Carrhae gegen die Parther hinterlistig getötet) die Blätter aus Gold nachbilden und verschenkte die daraus verfertigten Kränze bei den Spielen, die er gab. Es kamen dann noch zur Erhöhung der Schönheit der Kränze Bänder hinzu; an den etruskischen durften nur goldene Bänder angebracht werden. Lange Zeit hindurch waren sie einfach; erst Publius Claudius Pulcher ließ sie in getriebener Arbeit darstellen und brachte sogar am Baste, womit die Kränze gewunden waren, Goldblättchen an.“

„Zwei griechische Ärzte, Mnesitheos und Kallimachos, haben eigens über die Kränze geschrieben, die dem Kopfe und somit der Gesundheit schaden. Bei Wein und Fröhlichkeit kann der Blumenduft schaden, ohne daß man daran denkt. — Daß aber auch absichtlich durch die Kränze, die man bei Gastmählern zu tragen pflegt, Unheil gestiftet werden kann, ersieht man aus folgendem Beispiel: Vor der Schlacht bei Actium (Stadt und Vorgebirge Aktion an der Westküste Griechenlands, südlich vom Eingang des Ambrakischen Golfes, wo Octavianus — der spätere Augustus — am 2. September 31 v. Chr. durch seinen Seesieg über Antonius und Kleopatra die Alleinherrschaft gewann) begann Antonius den Verdacht zu fassen, Kleopatra möchte einmal den Versuch machen, ihn durch Gift aus dem Wege zu räumen, und genoß nichts mehr, bevor es von andern gekostet war. Dies merkte nun die Königin. Bei einer lustigen Mahlzeit setzte sie sich einen Kranz auf, dessen Blumen sie mit Gift bestrichen hatte, und tat im Laufe des muntern Gesprächs den Vorschlag, die Blumen des Kranzes zu zerpflücken und mitzutrinken. Antonius ahnte nichts Böses, ließ die Blumen in seinen Becher werfen, setzte an und wollte trinken. Da hielt Kleopatra schnell die Hand vor und sagte: „Sieh, Antonius, du denkst dich dadurch zu schützen, daß du alle deine Speisen und Getränke erst kosten lässest; aber das würde dir alles nicht helfen, wenn ich nicht wüßte, daß ich ohne dich nicht leben kann.“ Sie ließ nun, um zu beweisen, wie sie über Tod und Leben gebiete, einen Menschen aus dem Gefängnis kommen und befahl ihm, aus dem Becher zu trinken. Er tat’s und sank auf der Stelle nieder.“

Derselbe Plinius sagt, daß in alten Zeiten nur Göttern Kränze gegeben worden seien; später sollen auch die Opfernden zu Ehren der Götter Kränze auf ihr Haupt gesetzt und zugleich die Opfertiere bekränzt haben. Dann seien sie auch bei den heiligen Kampfspielen in Gebrauch gekommen, wurden aber eigentlich nicht dem Sieger, sondern dessen Vaterland zugesprochen. Solche Siegeskränze pflege man als Weihgeschenke in den Tempeln aufzuhängen. — Der ums Jahr 1000 n. Chr. lebende Suidas gibt dem Empfinden der antiken Welt Ausdruck, wenn er sagt: „Den Toten gab man einen Kranz, weil sie den Kampf des Lebens bestanden hatten.“ In diesem Sinne erzählt Valerius Maximus vom karthagischen Feldherrn Hannibal, er habe den römischen Feldherrn Marcus Marcellus, als er im Lande der Bruttier kämpfend gefallen war, mit einem Lorbeerkranze schmücken und standesgemäß begraben lassen. Auch der Scheiterhaufen, auf dem die Leiche verbrannt wurde, pflegte mit Blumen, Weihrauch und anderem kostbarem Räucherwerk und wohlriechenden Essenzen bestreut zu werden. War der Leichnam verbrannt, so löschte man die glimmende Asche mit Wein, füllte sie in eine Urne und stellte sie in einem Grabmal an der Heerstraße auf.

In der Biographie des Feldherrn des Achäischen Bundes, Philopömen, der 183 v. Chr., als er von den Messeniern gefangen genommen wurde, den Giftbecher trinken mußte, sagt Plutarch, daß bei dessen Beerdigung der Sohn des achäischen Feldherrn, Polybios, die Aschenurne trug, die aber vor der Menge der Bänder und Kränze kaum zu sehen war. In den Grabschriften der Heroen des um 309 in Burdigala (Bordeaux) geborenen und nach 393 verstorbenen römischen Dichters Ausonius, der Christ und Erzieher des Kaisers Gratian war, wird der Besucher aufgefordert: „Besprenge die Gebeine mit Wein und lieblich duftendem Nardenöl, füge purpurfarbige Rosen und Balsam hinzu.“ Der Dichter Properz (45–22 v. Chr.) singt in einer seiner Elegien: „Wäre ich gestorben und legte jemand meine Gebeine in zarte Rosenblätter, so würde mir die Erde leicht sein.“ Sein Zeitgenosse Tibull (43 vor bis 20 n. Chr.) aber meint: „In schwarzem Trauergewande mögen sie meine Gebeine sammeln, sie mit Wein und dann mit Milch abwaschen, sie mit Tüchern wieder abtrocknen, in ein Marmorgefäß tun und die Zwischenräume mit morgenländischen Gewürzen füllen.“ Gerade diese letztere Sitte muß bei den Vornehmen Roms zu Beginn der Kaiserzeit sehr beliebt gewesen sein. So beschwört der produktivste und phantasiereichste aller römischen Dichter, Ovid, der im Jahre 7 n. Chr. 50jährig von Augustus wegen einer Skandalaffäre mit dessen Tochter Julia nach Tomi am Schwarzen Meer verbannt wurde und 17 daselbst starb, seinen besten Freund mit den Worten: „Bin ich tot, so lege meine Gebeine mit Blättern und Pulver von amomum (den aus Indien bezogenen Kardamomen) in eine kleine Urne und bestatte sie in der Vorstadt Roms.“

Auch die Gräber wurden in der Antike mit Vorliebe durch Blumen geschmückt. Schon Sophokles (497–406 v. Chr.) läßt in seiner Elektra sagen: „Als ich an das alte Grab des Vaters kam, sah ich, daß auf die Mitte frische Milch gegossen und der Rand rings mit Blumen aller Art belegt war.“ In der Äneis Vergils (70–19 v. Chr.) läßt der Dichter den Äneas, als er das Grab seines Vaters Anchises wieder besuchte, zwei Becher Wein, dann zwei mit frischer Milch und zwei mit heiligem Blute ausgießen und purpurfarbige Blumen darauf streuen; und an einer andern Stelle jenes Epos, das den Ahnherrn des julischen Geschlechts verherrlichen sollte, heißt es: „Streut mit vollen Händen Lilien und purpurne Blüten auf das Grab!“ Tibull sagt in einer seiner Elegien: „Bist du gut gewesen, so werden Tränen bei deiner Bestattung fließen und werden deine alten Freunde jährlich deinen Grabeshügel mit Blumengirlanden schmücken und sagen: „Schlummre sanft den Todesschlummer!“ Selbst von dem Scheusal Nero weiß sein Biograph Suetonius zu melden, daß es doch Leute gab, die noch viele Jahre lang sein Grab mit Blumen schmückten.“

Bei diesem zweifellos großen Bedarf an Blumen, der uns nach den Berichten der Schriftsteller des Altertums im ganzen Bereich der hellenisch-römischen Kultur entgegentritt, ist es sehr merkwürdig, daß so überaus selten von Blumengärten, die doch überall in der Nähe der Städte vorhanden gewesen sein müssen, die Rede ist. Nur der prosaische Cato (234–149 v. Chr.) rät in seiner Schrift über den Landbau: „Wer einen Garten bei der Stadt hat, der ziehe Kranzblumen aller Art.“ Schon der Vater der griechischen Botanik, der Schüler des großen Aristoteles, Theophrast (390–286 v. Chr.), zog in seinem durch die Freigebigkeit seines Kollegen Demetrios Phalereus, der von 318 bis 307 Athen verwaltete und für kurze Zeit dessen Blüte herstellte, unterhaltenen Garten in Athen auch allerlei Blumen, wie Veilchen, Nelken und Klebnelken, von denen er sagt, daß sie zur Ausschmückung von Kränzen verwendet werden. Und der ältere Plinius weiß uns zu melden: „Um die Pflanzen kennen zu lernen, bin ich bei Antonius Castor in die Lehre gegangen, der zu unserer Zeit in dieser Wissenschaft das größte Ansehen genoß. Ich besuchte ihn sehr oft in seinem Gärtchen, in welchem er die meisten Pflanzen zog. Dabei war er schon über hundert Jahre alt, hatte nie eine Krankheit gehabt und durch sein hohes Alter weder an seinem Gedächtnisse, noch an seiner körperlichen Munterkeit eine Abnahme erfahren.“

Wie wir aus einigen literarischen Angaben und Darstellungen auf Vasen wissen, pflegten die Griechen der klassischen Zeit mit Erde gefüllte, meist mit Henkeln versehene irdene Töpfe mit allerlei rasch aufsprießenden Pflänzchen zu besäen. Wenn sie dann grün bewachsen waren, trug man sie am Adonisfeste im feierlichen Zuge daher. Mit diesen rasch dahinwelkenden „Adonisgärtlein“ wollte man den frühen Tod des Jünglings andeuten, der ein Sinnbild des südlichen Sommers darstellte, in welchem alles Grün unter der Glut der erbarmungslosen Sonne allzuschnell dahinstirbt. Dieser Adonis war eigentlich ein syrischer Naturgott, ein Abbild der nach kurzer Blüte immer wieder ersterbenden Vegetation. Nach griechischem Mythos war er der Sohn des Kypriers Kinyras und dessen Tochter Myrrha und wurde aus einem Myrrhenbaum geboren, in welchen letztere verwandelt worden war. Er erwuchs zu einem wunderschönen Jüngling, in den Aphrodite, die Liebesgöttin, und Persephone, die Beherrscherin der Unterwelt, die mit Bewilligung ihres Vaters Zeus zwei Drittel des Jahres bei ihrer Mutter Demeter, der Erdgöttin, auf der Oberwelt zubringen durfte, sich gleicherweise verliebten. Als er dann auf der Jagd von einem Eber getötet wurde, stritten beide Göttinnen um seinen Besitz. Da entschied Vater Zeus, daß er abwechselnd bei der ersteren auf der Oberwelt und bei der letzteren in der Unterwelt leben sollte.

Wie schon bei den ältesten Ägyptern und Babyloniern wurden auch bei den Griechen und Römern allerlei fremdländische, gegen die klimatischen Verhältnisse empfindliche Pflanzen in Töpfen gezogen, die man über die kälteste Zeit zum Schutze in die Häuser stellen konnte. So schreibt Theophrast in seiner Pflanzengeschichte: „Die Stabwurz (abrótonon) wird öfters in Blumentöpfe (óstrakon) gepflanzt wie die Adonisgärten im Sommer.“ In späterer Zeit baute man zum Zwecke des Überwinterns gegen Kälte empfindlicher Pflanzen eigentliche, mit Glimmerplatten statt wie bei uns mit Glas gedeckte Treibhäuser. So berichtet uns der witzige Epigrammendichter Martial, 40–102 n. Chr., daß man hinter Scheiben von „durchsichtigem Edelstein“ feinere Obstsorten vor der Winterkälte schütze; er dagegen habe in seinem Stübchen nicht einmal einen ganzen Fensterladen und müsse dann beim eisigen Nordwind nicht übel frieren. Und in der wahrscheinlich ums Jahr 912 n. Chr. veranstalteten, Geoponika genannten Sammlung von Auszügen guter alter griechischer Schriften über die Land- und Gartenwirtschaft steht zu lesen: „Frühzeitige Rosen nennt man diejenigen, die in Körben oder Töpfen gezogen und wie Kürbisse oder Gurken behandelt werden (d. h. im Winter bei kaltem Wetter in sonnigen, mit Glimmer gedeckten Räumen geschützt, bei mildem aber ins Freie getragen werden). Im Freien stehende treibt man, wenn man will, dadurch, daß man zwei Hände breit um sie herum einen Graben zieht und täglich zweimal Wasser in diesen gießt.“

Als in den Wirren der Völkerwanderung die antike Kultur zu Grunde gegangen war und nur noch in Byzanz eine länger dauernde, den Arabern, nicht aber den Christen des Abendlandes zugute kommende Nachblüte erlebte, ging auch die künstliche Zucht und das Treiben von Blumen in Europa verloren. Erst mit dem Erwachen der Geister in der Neuzeit kam sie, vom Morgenlande beeinflußt, bei uns in Flor. Der erste, der die Treiberei von Blumen in größerem Maßstabe in Mitteleuropa ausübte und zur Modesache bei den Vornehmen erhob, war der berühmte Gärtner Ludwigs XIV., La Quintinie, der dafür sorgte, daß sein Herr und Gebieter, der ein großer Blumenfreund war, stets in den Räumen seines Schlosses irgend welche Blütenpflanzen, besonders Rosen, Tulpen, Hyazinthen, Narzissen und Anemonen besaß. In der Folge ist dieser Zweig der gärtnerischen Tätigkeit in hohem Maße gepflegt und mit allem Raffinement ausgebildet worden.

Mit dieser gärtnerischen Kunstfertigkeit hängt auch die Einführung neuer Blumenarten und die Züchtung neuer Sorten aus denselben und den schon vorhandenen zusammen. Diese Zucht neuer Zierblumen ist im wesentlichen eine Errungenschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie ist der Ausfluß des Strebens der Handelsgärtner, immer neue Formen hervorzubringen, um damit bei dem danach lüsternen Publikum ein gutes Geschäft machen zu können. Für gewisse seltene Formen und Neuheiten werden von den reichen Blumenfreunden tatsächlich Unsummen bezahlt, und der große Gewinn treibt die Züchter zu fortgesetzten Anstrengungen an, etwas Seltenes oder noch nie Dagewesenes auf den Markt zu bringen. Das Hauptmittel dabei bildet das Warmhaus, das die Kultur von Blumen und Ziergewächsen von der örtlichen Lage unabhängig macht und die Vereinigung aller möglichen Pflanzen gestattet, mit denen dann experimentiert wird.

Am häufigsten tritt in der Kultur, zunächst schon durch die bessere Ernährung bedingt, eine Vergrößerung der Blüte ein. Solche Riesenformen kehren aber bei der Weiterkultur, wenn sie nicht sehr kräftig ernährt werden, leicht zur Stammform zurück. Nicht selten sind Änderungen der Farbe, doch beschränken sie sich gewöhnlich auf einen bestimmten Farbenkreis. So variiert Blau (durch Hinzutreten einer Säure zu dem betreffenden Farbstoff) in Violett oder Rosa und schließlich Weiß, Blutrot in Rosa oder Weiß, Zinnoberrot in Orange und Gelb, Violett in Blau und Weiß, seltener in Rosa, Gelb fast nur in Weiß, Weiß meist gar nicht oder allenfalls in Zartrosa oder Zartblau. Neben den Farbenvariationen treten gefüllte Formen auf, indem sich Staubblätter in Blumenblätter verwandeln. Diese beiden Veränderungen der Farbe und die Füllung oder Petalodie (von pétalon Blumenblatt) der Blumen hängen nun ebenfalls vielfach mit Ernährungsursachen zusammen. So füllen sich beispielsweise vielfach die Blüten der Levkojen, wenn man die betreffenden Pflanzen eine Zeitlang kümmerlich ernährt. In den weitaus meisten Fällen aber lassen sich solche Veränderungen nicht erzwingen, sondern treten spontan, ohne für uns erkennbare Ursache auf. Der Mensch muß sie abwarten und entdecken; dann aber kann er großen Gewinn daraus ziehen. Da solche neue Varietäten ihre besonderen neuen Eigentümlichkeiten auf ihre Nachkommen vererben, hat der Mensch nichts anderes zu tun, als diese, wenn er sie zufällig fand, weiter zu züchten. Dieses merkwürdige, für uns völlig unerklärliche Auftreten neuer, bis dahin nicht existierender Formen bezeichnet man als Mutationen oder Sprungvariationen. Das älteste, historisch beglaubigte Beispiel einer solchen Sprungvariation ist das schlitzblättrige Schillkraut, das jetzt schon über 300 Jahre bekannt ist. Eine der jüngsten dagegen ist die Erdbeere ohne Ausläufer. Vilmorin fand sie in einem einzigen Exemplar unter einer Aussaat der gewöhnlichen Erdbeere. Solche neue Formen sind je und je aufgetreten, nur nahm man davon keine Notiz, bis in der Gegenwart die Wissenschaft die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Tatsache lenkte. In dieser Beziehung waren die Beobachtungen des holländischen Botanikers Hugo de Vries bahnbrechend, die er an solchen neuen Sprungvarietäten einer aus Nordamerika bei uns eingeführten gelbblühenden Nachtkerzenart (Oenothera lamarckiana) machte. Über diese und andere bisher an Mutationen festgestellten Beobachtungen und die daraus zu ziehenden Schlüsse habe ich eingehend auf S. 464–471 des zweiten Bandes meiner gemeinverständlichen Entwicklungsgeschichte des Naturganzen, betitelt „Vom Nebelfleck zum Menschen“[3], berichtet, so daß ich Interessenten darauf verweise.

Solche Sprungvarietäten und seltene, neue, wilde Arten nun hat der Pflanzenzüchter unter Beobachtung gewisser Vorsichtsmaßregeln zu kultivieren, bis er eine für den Verkauf genügende Menge Samen, Wurzelknollen oder Zwiebeln besitzt. Dieses Ziel ist dann meist in 4–5 Jahren erreicht. In der Regel ist aber seine Aufgabe durchaus nicht so einfach. Er muß in vielen Fällen erst ungünstige Eigenschaften der neuen Arten ausmerzen und durch andere, bessere ersetzen. In anderen Fällen ist es überhaupt nur eine einzige Eigenschaft, durch die sich die neue Art auszeichnet, dann gilt es, diese auf die schon bekannten alten Sorten zu übertragen. Dies geschieht durch Kreuzung oder Hybridisation, wie der technische Ausdruck lautet. Das Ergebnis ist eine Nachkommenschaft von Bastarden oder Hybriden, die wie die Kinder verschieden gearteter Eltern die Mischung der mütterlichen und väterlichen Eigenschaften in verschiedenem Grade zeigen. In der ersten Generation sind sie noch einförmig. Der ganze Reichtum der Formenfülle bricht erst bei weiteren Kreuzungen hervor. Der Züchter setzt die Kreuzung so lange fort, bis die von ihm gewünschte Kombination von Eigenschaften erreicht ist. Ist dies geschehen, so sucht man sie samenbeständig zu machen. Dies gelingt oft durch wiederholte Inzucht. Je länger die Inzucht fortgesetzt wird, um so größer wird die Samenbeständigkeit. Dieser Weg muß bei den Pflanzen, die nur einmal blühen und Frucht tragen und dann absterben, in den meisten Fällen eingeschlagen werden. Bei allen Pflanzen, die erst nach mehreren Jahren zur Blüte gelangen, also sehr vielen Stauden und Holzgewächsen, wählt man die vegetative Vermehrung. Jede aus einem Steckling oder Edelreis der neuen Form erwachsene Pflanze zeigt genau dieselben Eigenschaften wie die Mutterpflanze, von der sie stammt. Hierauf beruht die Vermehrung unserer meisten Obstarten, der Kartoffeln, Georginen, Canna-, Coleusarten usw. Manche Pflanzen, wie Blattbegonien, Gloxinien, Peperonien u. dergl., lassen sich auch ganz einfach durch abgeschnittene Blätter vermehren, die im Boden alsbald Wurzel fassen.

Noch viel mehr als der höchst zufälligen und selten eintretenden Mutation verdanken wir es der planmäßigen Hybridisation, daß wir heute über eine solch ungeahnte Menge von Zierblumen, die noch nie in der Vorzeit existiert haben, sondern erst in unserer Zeit aus oft sehr unscheinbaren, einheimischen oder ausländischen Stammformen hervorgezaubert wurden, besitzen. Wir werden im folgenden sehen, wie überaus bescheiden und begrenzt der Besitz an Zierpflanzen bei den Kulturvölkern des Altertums war, und wie unermeßlich dagegen die Blumenfülle ist, über die wir heute verfügen. Alle Weltteile haben ihren Tribut geliefert, um unsere Gärten und Gewächshäuser damit zu füllen und unser Auge mit deren Farben- und Formenreichtum, wie unsere Nase mit ihren teilweise herrlichen Düften zu erfreuen.

Beginnen wir nun mit der Betrachtung und kulturgeschichtlichen Würdigung der wichtigsten Zierpflanzen des Menschen, unter denen schon im Altertum die Rose als die vornehmste galt. Wie wir dies heute noch tun, betrachteten die alten Kulturvölker Vorderasiens, wie auch die Griechen und Römer, die Rose als die Königin der Blumen. Dieser Anschauung gibt Achilles Tatius beredten Ausdruck, wenn er sagt: „Wenn Zeus der Blumenwelt eine Königin hätte geben wollen, so hätte er die Rose dazu gemacht; denn sie ist die Zierde der Erde, der Stolz der Pflanzenwelt, die Krone der Blumen, der Purpur der Wiesen, der Abglanz des Schönen. Sie ist der Liebe voll und steht im Dienste der Aphrodite; sie prangt mit duftenden Blüten und wiegt sich auf beweglichem Laube, das sich des fächelnden Zephyrs erfreut.“ Sie war aber nicht blos das Symbol der Liebesgöttin und ihr geweiht, sondern soll nach alter griechischer Sage direkt von deren Blut die rote Farbe erhalten haben. So sagt uns ein ungenannter griechischer Dichter in den Geoponika: „Die Rose, so erzählt man, war ursprünglich weiß und geruchlos. Einst ritzte Aphrodite ihren Fuß an einem Rosenstachel und von dem hervorquellenden Blute der Göttin nahm die Rose ihre rote Farbe und den Wohlgeruch an.“

Diese also von der Liebesgöttin selbst gefärbte Blumenkönigin kam mit der weißen Lilie erst nach dem ersten Viertel des letzten vorchristlichen Jahrtausends von Westasien her nach Griechenland. Die griechischen Bezeichnungen vródon und leírion dafür sind Entlehnungen der Sprache Irans. Und wie die Namen, so stammen auch die Pflanzen selbst aus dem Hochlande von Persien, wo aus einer nahe Verwandten der in Südeuropa wachsenden wohlriechenden Provencerose (Rosa gallica) mit fünf weißen bis rosenroten Blumenblättern durch Umwandlung fast aller Staubblätter in Blumenblätter die als Centifolie, d. h. Hundertblumenblättrige, bezeichnete gefüllte Form hervorging. Weil diese Füllung auf Kosten der Möglichkeit Samen tragen zu können geschah, so können diese Edelrosen nicht gesät werden, sondern müssen auf vegetativem Wege vermehrt und fortgepflanzt werden. Dies geschieht meist durch Okulieren, d. h. Einsetzen einer Knospe („Auge“) der edeln Pflanze auf einen Wildling. Als hochstämmige Wildlinge dienen in erster Linie die ein- oder zweijährigen Stämmchen der einheimischen Hundsrose (Rosa canina), die selbst zur Züchtung von Edelrosen nicht verwendet wird.

Jedenfalls waren aber die Centifolien der Alten noch lange nicht in dem Maße gefüllt, wie sie es heute sind. Gleichwohl haben sie dieselben in hohem Maße entzückt. In den homerischen Epen erscheinen sie mit der Lilie als der Inbegriff des Wunderbaren und Göttlichen. Die Pflanzen selbst scheint der Dichter derselben überhaupt noch nicht gekannt zu haben; er nennt sie, oder besser gesagt, gewisse Eigenschaften von ihnen, wenn er etwas unbestimmt Herrliches ausdrücken will. So bezeichnet er die Morgenröte als rosenfingerig, und Aphrodite salbt den Leichnam des ihr sympathischen Hektor mit rosenduftendem, d. h. besonders herrlich duftendem Öl. Ajax soll eine lilienzarte Haut besitzen, die Hektor mit seinem Speer durchbohren will. Auch bei dem im 8. vorchristlichen Jahrhundert in Böotien lebenden griechischen Dichter Hesiod war es nicht anders. In seiner Theogonie spricht er von zwei rosenarmigen Töchtern des Meergottes Nereus und bezeichnet die Stimmen der Musen und Zikaden als Lilienstimmen, aber was Rosen und Lilien tatsächlich sind, ist ihm völlig dunkel geblieben. Wie hätte er auch diese Blumen kennen sollen, wenn noch in einem von der Forschung in die Mitte des 7. vorchristlichen Jahrhunderts gesetzten Hymnus des alteleusinischen Demeterdienstes erzählt wird, wie Persephone, die Tochter des Zeus und der Erdgöttin Demeter, auf der Wiese mit ihren Gespielinnen gespielt und außer Veilchen, Krokos, Hyazinthen und Schwertlilien auch Rosen (nicht vom Strauch gebrochen und nicht mit Stacheln bewehrt, wie wirkliche Rosen, sondern Phantasierosen) gepflückt habe und die Wunderblume Narkissos „— ein Wunder zu sehen für Menschen und Götter — die sich mit hundert Häuptern aus der Wurzel erhebt, deren Duft Himmel, Meer und Erde erfreut“ (also ebenfalls nicht die wirkliche, sondern eine Phantasienarzisse, die, wie der Name bezeugt, der mit dem Wort Narkose zusammenhängt, eine exotische Blume mit berauschendem Dufte bezeichnen sollte). An einer späteren Stelle desselben Hymnus erzählt Persephone ihrer Mutter, wie sie auf einer reizenden Wiese gespielt und „Kelche der Rosen und Lilien — ein Wunder zu schauen“ gepflückt habe. Dieser Zusatz des Wunderbaren erhebt ja an sich schon diese Blumen ins Fabelhafte, Unglaubliche, noch nie Geschaute.

In einem Fragment des um ein Menschenalter älteren griechischen Lyrikers Archilochos von Paros (um 700 v. Chr.), der aber weiter in der Welt herumgekommen zu sein scheint als der Verfasser jener eleusinischen Tempelpoesie und außer den Ägäischen Inseln auch Thrakien und Lydien kannte, tritt uns erst unverkennbar die Kenntnis des Rosenstrauches entgegen, dessen schöne Blüte (rodḗs te kalón anthós) der Dichter neben dem Myrtenzweig als Schmuck des Mädchens, ohne Zweifel seiner Geliebten, der Neobule, erwähnt. Hundert Jahre später war die Rose ein Liebling der Dichterin Sappho aus Mitylene auf der Insel Lesbos (um 600 v. Chr.), von der sie häufig gepriesen und als Gleichnis schöner Mädchen herangezogen wurde. Nach ihr hat der lebensfrohe Lyriker Anakreon aus Teos in Ionien (550–478 v. Chr.), der in Samos und Athen lebte, sie vielfach in seinen Gedichten verherrlicht. Er sagt von dieser Blume: „Mit schönblühenden Rosen bekränzt wollen wir trinken. Die Rose ist die herrlichste Blume; sie ist bei den Göttern beliebt; mit ihr bekränzt sich der Sohn Kytherens (der Liebesgott Eros — bei den Römern Amor genannt), wenn er mit den Grazien tanzt. So will auch ich mit Rosen bekränzt tanzen.“

Von da an finden wir die Rose neben der Lilie als beliebten Blumenschmuck eingebürgert und bei keinem griechischen Feste fehlend. Zweifellos war sie aus der Landschaft Phrygien im mittleren Kleinasien über Thrakien und Makedonien nach Griechenland eingewandert. Das nyseische Gefilde, auf dem Persephone nach dem homerischen Hymnus Rosen und Lilien pflückt, ist nach den Angaben in der Ilias in Thrakien zu denken, und der Name einer ihrer Gespielinnen, Rhodope, ist zugleich derjenige des thrakischen Gebirges, in welches jene Nymphe verwandelt sein sollte. Und Herodot aus der dorischen Stadt Halikarnassos an der kleinasiatischen Küste südlich von Milet (484–424 v. Chr.) sagt: „In einer Landschaft Makedoniens liegen die sogenannten Gärten des Midas, des Sohnes des Gordios (eines phrygischen Königs und der Kybele, dem Dionysos den Wunsch gewährte, daß alles, was er berühre, sich in Gold verwandle, von welcher lästigen Wohltat er sich dann durch ein Bad im Flusse Paktolos befreite, der seitdem Gold führt). In diesem Garten wachsen die Rosen wild, jede hat 60 Blätter, und sie riechen besser als andere Rosen.“ Gleicherweise drückt sich der bei Athenaios erwähnte alexandrinische Dichter Nikander im zweiten Buche seiner Georgika aus, wenn er sagt: „Midas von Odonien (einer Landschaft in Thrakien) erzog, nachdem er die Herrschaft von Asis (in Kleinasien) verlassen, zuerst in den Gärten von Emathia (einer Landschaft in Makedonien) die Rosen, die mit 60 Blumenblättern umsäumt sind.“ Schon diese bei ihm und Herodot hervorgehobene altbabylonische Zahl 60 weist auf die Herkunft dieses Mythos aus Asien, woher mit dem Dienst der Aphrodite und des Gottes des Natursegens Dionysos auch die ihnen geweihte Blume zu den Griechen kam.

Noch der pflanzenkundige Schüler des großen Aristoteles, Theophrast (390–286 v. Chr.), schreibt in seiner Pflanzengeschichte, daß die meisten reichgefüllten Rosen, die er bereits hekatonphylla, d. h. hundertblätterig — identisch mit dem römischen centifolia — nennt, in der Gegend von Philippi in Makedonien wachsen. An der diesbezüglichen Stelle teilt er uns sein ganzes Wissen über diese Pflanze mit: „Es gibt verschiedene Arten von Rosen (ródon); sie haben mehr oder weniger Blumenblätter (phýllon), sind mehr oder weniger rauh oder glatt, an Farbe und Wohlgeruch verschieden. Die meisten sind fünfblätterig; es gibt aber auch zwölf- bis zwanzigblätterige, ja die Zahl der Blumenblätter soll bis auf hundert steigen, und solche nennt man hekatonphylla. Die meisten Hekatonphyllen wachsen um Philippi, wohin man sie vom (benachbarten) Pangaiosgebirge, woselbst sie in Menge vorkommen, verpflanzt hat. — Im allgemeinen richtet sich bei den Rosen die Schönheit der Farben und der Wohlgeruch nach dem Standort; jedoch kann auf demselben Boden der Geruch verschieden sein. Den besten Geruch haben die Rosen von Kyrene (in Nordafrika zwischen Tripolis und Ägypten); daher wird dort die kostbarste Rosensalbe (mýron) gemacht. Man kann den Rosenstrauch (rodōniá) auch durch Samen vermehren; dieser liegt unter der Blüte in der Frucht (mélōn, eigentlich Apfel) und ist mit Wolle umgeben. Da aber das Wachstum aus den Samen sehr langsam vor sich geht, so pflegt man die Rosen durch Stecklinge zu vermehren. Übrigens trägt der Rosenstrauch schönere Blumen, wenn man ihn abgebrannt oder abgeschnitten hat; dagegen treibt er wilde Schößlinge, wenn man ihn nach Belieben wachsen läßt. Auch durch oftmaliges Verpflanzen werden seine Blumen schöner. Die wilden (ágrios) Rosen haben rauhere Zweige und Blätter, weniger stark gefärbte und kleinere Blüten.“

Die ältesten Babylonier haben so wenig wie die übrigen vorderasiatischen Völker und die Ägypter der älteren Zeit die Rose gekannt. Erst bei den jüngeren Assyriern tritt sie uns als viel gebrauchtes Ornament, nämlich stilisiert als Rosette, entgegen, und bei den jüngern Babyloniern, wie sie uns der griechische Geschichtschreiber Herodot aus eigener Anschauung um die Mitte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts schildert, hatte sie auch erst durch Vermittlung ihrer persisch-medischen Überwinder Eingang gefunden. So schreibt er im ersten Buche seines Geschichtswerks: „Jeder Babylonier trägt auf seinem Stock das Bild entweder eines Apfels oder einer Rose oder einer Lilie oder eines Adlers oder irgend eines andern Gegenstandes.“ Auch die alten Hebräer zur Zeit Salomos (993–953 v. Chr.), der in seinen wohlgepflegten Gärten eine Menge aus dem Auslande eingeführter neuer Kulturpflanzen ziehen ließ und sich an seinem prunkhaften Hofe gern mit einer so schönen Blume geschmückt hätte, wenn er es hätte tun können, kannten die Rose, dieses herrliche Geschenk Irans, noch nicht. Wenn Luther, der Auslegung der Rabbinen folgend, das hebräische susan mit Rose übersetzt, so ist dies ein heute vollständig klargelegter Irrtum; es bedeutet vielmehr Lilie, und zwar nicht sowohl die weiße, sondern die farbige Feuerlilie oder noch wahrscheinlicher eine überall in Palästina wildwachsende, ebenfalls glockenförmige Blüten besitzende Kaiserkrone. Dahin sind die Stellen zu berichtigen, wie z. B. bei dem (im 8. Jahrhundert v. Chr. lebenden) Hosea, wo es in den bisher gebräuchlichen Bibelübersetzungen heißt: „Ich will Israel wie ein Tau sein, daß er soll blühen wie eine Rose“, oder an mehreren Stellen des nicht lange nach der Salomonischen Zeit gedichteten Hohen Liedes, wie: „Ich bin eine Blume zu Saron und eine Rose im Tal“, oder: „wie eine Rose unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Töchtern“ usw. Erst den Verfassern der schon in die griechische Zeit fallenden Apokryphen war die Rose bekannt. Nach allem scheint diese Zierpflanze von dem im Jahre 536 aus dem Exil in Babylon, wohin sie Nebukadnezar nach der Zerstörung Jerusalems 586 geführt hatte, auf Grund der vom Perserkönige Kyros erteilten Erlaubnis nach Palästina zurückgekehrten, etwa 42000 Juden nach Syrien gebracht worden zu sein. Demgemäß wird sie zuerst in den nach dieser Zeit verfaßten Büchern der Weisheit und Jesus Sirach erwähnt.

Auch nirgends in den altägyptischen Inschriften und Papyri wird die Rose angeführt. Auch Herodot, der Ägypten aus eigener Anschauung kannte, erwähnt wohl die Lotosblume, die er als Lilie des Nils bezeichnet, aber nicht die Rose als Zierpflanze Ägyptens. Erst etwa ums Jahr 600 v. Chr. kam die Rose wahrscheinlich von Syrien her und nicht durch Griechen, die allerdings der Handel schon damals zu den Nilmündungen führte, wo ihnen dann König Amasis II. (570 bis 526 v. Chr.), der Freund des Polykrates von Samos, die Stadt Naukratis überließ, nach dem Niltal, wo sie in der Folge besonders in der Landschaft Arsinoe, dem heutigen Fajum, viel angepflanzt wurde. Zur Zeit der Herrschaft der Ptolemäer (323–30 v. Chr.) und der Römer war diese Landschaft bei allen Völkern des Mittelmeerbeckens wegen ihrer Wein- und Rosengärten berühmt. Schon Theophrast berichtet, daß die Rosen und Veilchen Ägyptens, die wie alle Blumen des Landes, außer der Myrte, geruchlos sein sollten, um zwei Monate früher blühen als in Griechenland. Diesen Umstand benutzten die üppigen Einwohner Roms zur Kaiserzeit, um sich zu einer Zeit, da es noch keine blühenden Rosen im eigenen Lande gab, welche von dort kommen zu lassen. So sagt Martial (40–102 n. Chr.), der unter Nero aus seinem Vaterlande Spanien nach Rom kam, in einem seiner Epigramme: „Im Winter schickt der Nil Rosen nach Rom, aber mehr und schönere sendet Paestum (die griechische Pflanzstadt Poseidonia in Unteritalien, dessen verhältnismäßig noch gut erhaltener Poseidontempel aus Abbildungen genugsam bekannt ist).“ Diesen Tatsachen entsprechend hat man erst in den der griechisch-römischen Periode angehörenden Gräbern der Nekropole von Hawara im Fajum Überreste der Rose gefunden, für die es auch keine einheimische ägyptische Bezeichnung gab. In demotischen Texten findet sich dafür der Name uartu, der semitischer Herkunft zu sein scheint, da er sich als uard im Arabischen wiederfindet. Dies würde für einen Import der Rose durch semitische und nicht griechische Vermittlung sprechen. Bekanntlich hat der Ägyptologe Georg Ebers diese Bezeichnung der Rose als Name der Heldin seines Romanes Uarda benutzt.

Nach Unteritalien kam die orientalische Gartenrose schon früh mit den ihre Kolonien daselbst gründenden Griechen. In ihrer Gesellschaft befand sich jedenfalls auch die morgenländische weiße Lilie, deren griechischer Name leírion in das lateinische lilium, und der griechische Pluralis róda in rosa verwandelt wurde. Im späteren Italien hat diese heilige Blume der Aphrodite-Venus bei den Festen der Vornehmen eine sehr bedeutende Rolle gespielt. Schon der Redner Cicero (106–43 v. Chr.) nennt die Rose da, wo er ein Leben voll Üppigkeit bezeichnen will. Und es war in der Tat orientalische Ausschweifung, wenn, wie Athenaios (um 200 n. Chr.) uns berichtet, Kleopatra in Kilikien, wohin sie dem Marcus Antonius, um ihn für sich zu gewinnen, entgegengezogen war, diesen in Speisezimmern bewirtete, deren Boden eine Elle hoch mit Rosen bedeckt war. Damit man sich nicht in ihnen mit den Füßen verfing, war über sie ein feines Netz gezogen. Die Kosten für diese kleine Überraschung betrugen ein Talent, d. h. 4500 Mark. Derselbe Athenaios berichtet von dem im 4. Jahrhundert v. Chr. über Syrakus herrschenden grausamen Tyrannen Dionysios, daß er die Fußböden seines Palastes mit Feldthymian und Rosen bedecken ließ und sich dann darauf herumwälzte, um in Wohlgerüchen zu schwelgen. Es war eine Nachahmung der üppigen Sitten bithynischer Fürsten, wenn sich der römische Beamte Gajus Verres, der von 73–71 v. Chr. Statthalter von Sizilien war und während seiner dortigen Amtsführung nicht weniger als 40 Millionen Sesterzien, d. h. 6 Millionen Mark erpreßte, weswegen er im Jahre 70 angeklagt wurde, wobei Cicero als Anwalt der Bewohner Siziliens seine berühmten Verrinischen Reden hielt, den für die Begriffe der Römer der damaligen Zeit ganz unerhörten Luxus leistete, mit Rosen bekränzt in seiner Sänfte auf Rosenkissen zu ruhen und dabei ein mit Rosen gefülltes Netzchen an die Nase zu halten. Die diesbezügliche Stelle in der Rede Ciceros gegen Verres lautet wörtlich: „Als unser Feldherr Verres seine Residenz in Syrakus aufgeschlagen hatte, ließ er sich, sobald es Rosen gab, in einer Sänfte herumtragen, in welcher das Polster mit Rosen ausgestopft war; dabei hatte er einen Kranz von Rosen auf dem Kopfe und einen andern solchen um den Hals, und vor die Nase hielt er sich ein aus ganz zarten Leinfäden gestricktes, engmaschiges, mit Rosen gefülltes Netzchen.“

Solche Verschwendung wurde noch bei weitem von den an Größenwahn leidenden Cäsaren Roms übertrumpft. Berichtet doch Spartianus von dem römischen Kaiser Aelius Verus, dem Adoptivsohn des Antoninus Pius, der 161 von Mark Aurel zum Mitregenten erhoben wurde und 169 zu Altinum in Venetien starb, er habe auf einem Bett geschlafen, das mit Rosenblättern gefüllt war, denen das Weiße, also der Nagel, genommen worden war. „Seine Decke bestand aus Lilien und sein Körper war mit persischen Salben parfümiert. Von ebenso gereinigten Rosenblättern und von Lilien ließ er oft die Polster machen, worauf beim Schmause die Gäste lagen, desgleichen auch die Tische selbst.“ Es handelt sich also hier um mit Rosen- und Lilienblättern gefüllte Kissen, die gelegentlich auch von anderen üppigen Kaisern benutzt wurden, wenn es sich um besonderen Pomp bei festlichen Anlässen handelte. So berichtet uns der Geschichtschreiber Aelius Lampridius in seiner Biographie des Kaisers Heliogabalus (der auf Anstiften seiner Großmutter Julia Maesa, der Schwägerin des Kaisers Septimius Severus, 218 17jährig als Oberpriester des Gottes Elagabal, dessen Namen er annahm — er hieß eigentlich Avitus Bassianus — in Emesa in Syrien von den syrischen Legionen zum Kaiser ausgerufen wurde, 219 in Rom einzog, wohin er den orgiastischen Dienst seines syrischen Gottes verpflanzte und wo er schwelgerisch und wollüstig lebte, bis er 222 von den Prätorianern ermordet wurde): „Kaiser Heliogabalus speiste öfter auf Kissen, die mit Rosen(blättern) gefüllt waren, hatte mit Rosen(blättern) ausgestopfte Betten und spazierte in Säulenhallen, deren Boden mit Rosen bedeckt war. Er wechselte auch mit der Blume und gebrauchte statt der Rosen Lilien, Veilchen, Hyazinthen oder Narzissen. Er füllte auch Bassins mit Rosen- oder Wermutwein, badete sich darin, trank sich dabei an dem Wein, worin er saß, voll und lud zugleich das Volk ein mitzutrinken.“

Von Kaiser Gallienus (253 Mitregent seines Vaters Valerianus, von 260 an Alleinherrscher, bis er 268 in Mailand ermordet wurde) berichtet uns Trebellius Pollio: „Kaiser Gallienus baute öfter im Frühjahr ganze Villen von Rosen und Burgen aus Obst, bewahrte Trauben drei Jahre lang auf, traktierte seine Freunde mit Melonen und setzte ihnen in Monaten, in welchen eigentlich keine zu haben waren, frische Feigen und andere Obstarten vor.“

Sich mit Rosen zu umgeben galt bei den Machthabern des Altertums als ein Zeichen fürstlichen Prunkes. So berichtet Florus von dem syrischen Könige Antiochos III., dem Großen, der seine Herrschaft über Kleinasien auszudehnen suchte und infolge davon 192 mit den Römern in Krieg geriet und nach zwei unglücklich verlaufenen Schlachten 190 ganz Kleinasien diesseits des Taurus an jene abtreten mußte: „Als Antiochus, König von Syrien, gegen die Römer Krieg führte, hatte er sich zur Winterszeit auf Euboea gelagert; seine Zelte bestanden aus Gold und Seide, von allen Seiten waren Rosen herbeigeschafft und Flötenspieler sorgten für gute Unterhaltung.“ In diesem Bericht und in anderen ähnlichen Inhalts besteht das Luxuriöse gerade darin, im Winter Rosen haben zu wollen, wenn sonst niemand welche hatte. Dazu wurden sie entweder in mit Marienglas gedeckten Kästen getrieben, wie uns dies Martial in einem Epigramm für Rosen und Lilien mitteilt und auch Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. noch erwähnt, oder aus wärmeren Gegenden, besonders Nordafrika, bezogen. Auch Süditalien, wo, wie in Paestum nach der Angabe des Dichters Vergil in seiner Georgica die Rosen zweimal Blüten trugen, lieferte solchen Leuten, die sich nach der Bezeichnung des Seneca, des Erziehers und Leiters des jugendlichen Nero (2–65 n. Chr.), in einer seiner Episteln „durch naturwidrige Mittel im Winter Rosen zu verschaffen suchen“, das Gewünschte. Hier wurden die Rosen nach der Angabe des Plinius (23–79 n. Chr.) in der Weise vorzeitig zum Blühen gebracht, daß man „einen Fuß von der Wurzel des Stockes entfernt einen Graben zog und in diesen warmes Wasser goß“. Dasselbe empfiehlt auch drei Jahrhunderte später Palladius, der rät, zweimal täglich warmes Wasser hineinzugießen. Auf solche Weise war es den Herren der Welt möglich, wie der jüngere Claudius Mamertinus in seinem Panegyricus Juliani, d. h. der Lobschrift über den Kaiser Julianus Apostata (361–363), sagt, an den Tafeln bei ihren Gastmählern „wunderbare Vögel und Fische aus fernen Meeren, Obstsorten, die zu ganz anderer Zeit reifen, Schnee im Sommer, Rosen im Winter beim Schmause zu verbrauchen“. Daß solche Extravaganzen nicht billig zu stehen kamen, ist sehr wohl begreiflich. Doch in Rom, das so viele andere Völker ausgeraubt hatte, gab es genug sehr reiche Leute, die sich diese Vergnügungen leisten konnten. So berichtet der römische Geschichtschreiber Suetonius (70–140 n. Chr.), der einstige Geheimschreiber des Kaisers Hadrian, daß bei einer Festlichkeit, die ein Freund des Kaisers Nero (geboren 37, regierte von 54–68 n. Chr.) mitten im Winter gab, die Beschaffung der Rosen allein die Kleinigkeit von 4 Millionen Sesterzien = 600000 Mark kostete.

Diese nun einmal zum Lebensgenuß gehörende schöne Blume zierte auch die Liebenden, um so mehr, weil sie das Sinnbild der Liebesgöttin selbst war. Wie die Reichen beim Schmause in Rosen lagen, schenkte der Liebende seiner Geliebten die Blume Aphrodites. Schon beim römischen Komödiendichter Plautus (254–184 v. Chr.) treffen wir als liebkosende Anrede den Ausdruck rosa, mea rosa, meine Rose. Wie das Haupt der Tänzerin, der Flötenspielerin und des weinschenkenden Knaben von einem Rosenkranze umwunden war, bekränzte der Trinkende sich selbst und seinen Becher mit der Dionysos selbst geheiligten Blumenzier. Von Anakreon im 6. vorchristlichen Jahrhundert an tönt uns bei den Lyrikern immer wieder als Ausdruck ausgelassener Lebensfreude die Aufforderung entgegen: Laßt uns mit schönblühenden Rosen bekränzen und trinken! Vom Griechen lernte der Römer, so daß bald auch bei ihm Sinnentaumel und Rosen zusammengehörten. So singt Martial: „Wenn der Sorgenlöser rast, wenn die Rose herrscht, wenn die Haare feucht sind vom Taumel, dann...“ Und wie Dionysos, der Gott des Natursegens, zugleich auch der Führer und Herrscher der Abgeschiedenen war, so schmückte man auch die Toten und deren Gräber mit Rosen. Wie der Lorbeer Ruhm, so bedeutete die Rose Liebe und Verehrung, und beides wollten die Einwohner von Cremona dem Kaiser Vitellius bezeugen, als er, nachdem sein Heer bei jener Stadt im Herbst 69 von den Legionen Vespasians geschlagen worden war, das Schlachtfeld besichtigte. „Da“, so sagt uns der Geschichtschreiber Tacitus, „bestreuten die Cremonenser seinen Weg mit Lorbeer und Rosen, errichteten ihm Altäre und brachten ihm Opfer dar.“

Auch zu wohlriechenden Essenzen und Salben fand die Rose vielfach Verwendung. So findet Plinius, daß kein Land so passend sei zur Bereitung wohlriechender Salben, als Ägypten und dann Campanien wegen seines Überflusses an Rosen. Derselbe Autor gibt an, daß aus Rosen das Rosenöl (oleum rhodinum) bereitet werde, worunter aber nicht das von uns verstandene Produkt zu verstehen ist; denn die Kunst der Destillation war dem Altertum noch unbekannt. Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. sagt uns, wie solches bereitet wurde: „Um Rosenöl (oleum roseum) zu bekommen, braucht man auf 1 Pfund Olivenöl 1 Unze gereinigte Rosenblätter und hängt die Mischung 7 Tage lang in Sonnen- und Mondenschein.“ Sehr beliebt war auch der Rosenhonig und der Rosenwein, deren Herstellung uns derselbe Autor in folgender Weise schildert: „Rosenhonig (rhodomeli) entsteht, wenn man Rosensaft mit Honig mischt und die Masse 40 Tage an die Sonne hängt. — Der Rosenwein (vinum rosatum) ist ein Wein, in welchem 30 Tage lang Rosenblätter gelegen haben und der alsdann einen Zusatz von Honig erhält.“ Plinius aber rät den Rosenwein in der Weise zu bereiten, „daß man zerstoßene Rosenblätter in einem Leinwandsäckchen drei Monate in Most liegen läßt. Man preßt auch die Blumenblätter entweder für sich samt den Nägeln (unguis, d. h. den farblosen Blumenblattstielen), oder man legt sie, nachdem man die Nägel abgeschnitten hat, in Öl oder Wein, läßt sie so an der Sonne stehen und sondert sie dann durch Pressen von der Flüssigkeit. Einige fügen auch Salz bei. Man nimmt auch recht gut riechenden Blumenblättern die Nägel, zerreibt sie, preßt sie in dichter Leinwand aus und kocht den Saft bei gelindem Feuer bis zur Honigdicke ein.“ Auch Rosenplätzchen (rodís), die uns der griechische Arzt Dioskurides um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. erwähnt, waren beliebt, und sein 150 Jahre später in dem üppigen Alexandreia lebender Volksgenosse Athenaios empfiehlt als Leckerbissen: „Es gibt eine herrlich duftende Speise, welche rodoniá heißt. Um sie zu bereiten, mischt man Rosenblätter, die im Mörser zerrieben sind, Gehirn von Hühnern und Schweinen, Eidotter, Olivenöl, Fischsülze, Pfeffer, Wein, reibt alles gut durcheinander und kocht bei gelindem Feuer.“

Plinius schreibt der Rose zusammenziehende und kühlende Eigenschaften zu. Er sagt von ihr in seiner Naturgeschichte: „Von den Blumen unserer Gärten werden fast nur Rosen und Veilchen zu Kränzen verwendet. Aber noch mehr Rosen als zu Kränzen werden zu anderen Zwecken gebraucht. Man legt sie in Öl, was schon zur Zeit Trojas geschehen ist; man verbraucht sie zu Salben; auch werden sie zu Pflastern und Augenmitteln verwendet; sie würzen die Speisen und solche Würze schadet nicht. Unsere Gärtner geben den Rosen aus Praeneste (in Latium) und aus Campanien den Vorzug; andere rühmen die milesischen (von Milet an der kleinasiatischen Küste), welche die glühendste Farbe, aber nicht über 12 Blumenblätter haben. Überhaupt unterscheidet man die Rosen nach der Menge der Blumenblätter, nach Farbe und Geruch und danach, daß sie mehr rauh oder glatt sind. Die kleinste Zahl der Blumenblätter ist 5; es gibt aber auch welche mit mehr, und selbst eine mit 100 Blumenblättern (centifolia), sie wächst in Campanien und bei Philippi (in Mazedonien), zeichnet sich aber nicht durch Wohlgeruch aus. Caepio, der unter Kaiser Tiberius schrieb, daß man die Centifolie nicht zu Kränzen verwende, sie höchstens an den Enden solcher anbringe, da sie sich weder durch ihren Geruch, noch durch Schönheit empfehle. Die in der Cyrenaika (zwischen Tripolis und Ägypten) heimischen Rosen riechen am besten und geben daher die beste Salbe. Die Rosen zu Karthago und in Spanien blühen den ganzen Winter hindurch. Nur eine Rosenart wird gepfropft, nämlich die blasse, stachelige mit 5 Blumenblättern.“ Und Palladius empfiehlt: „Um Rosenknospen lange frisch zu erhalten, macht man in ein grünes, stehendes Pfeilrohr (canna = Arundo donax) von der Seite einen Spalt, schiebt die Knospe hinein und läßt das Rohr sich wieder schließen. Zur Zeit, da man die Knospe wieder haben will, schneidet man das Rohr durch. Manche tun auch Rosen in einen weder ausgepichten, noch glasierten Topf, schließen ihn gut und vergraben ihn unter freiem Himmel.“

Bei solchem großen Bedarf an Rosen ist es begreiflich, daß die Rosen sehr häufig neben anderen Blumen in den Gärten der Griechen und Römer gezogen wurden und vielfach von stationären und wandernden Blumenhändlern feilgeboten wurden. Schon Varro empfiehlt in der republikanischen Zeit Roms als vorteilhaft für solche, die in der Nähe der Stadt ein Grundstück besitzen, Veilchen- und Rosengärten (violaria ac rosaria) anzulegen. Wie solche zu behandeln seien, erklärt Palladius. „Im Februar werden die Rosenbeete (rosarium) angelegt, und zwar durch Stecklinge (virgultum) oder durch Samen. Nicht die gelben Blütenteile (also die Staubbeutel) mitten in der Rose sind die Samen, diese stecken vielmehr in den birnförmigen Beeren, deren Reife man daran erkennt, daß sie braun und weich werden. Alte Rosenbeete werden im Februar behackt und alle dürren Zweige an den Sträuchern werden dann abgeschnitten. An leere Stellen pflanzt man aus Stecklingen gezogene junge Stöcke. — An warmen Stellen kann man die Rosenbeete auch im November anlegen. Hat man nicht Reiser genug, um Stecklinge zu machen, so schneidet man Zweige ab, legt sie wie Ableger (propago) in die Erde und hilft mit Dünger und Wasser nach.“ Und in den Geoponika rät ein griechischer Autor: „Will man Rosen haben, die früh blühen, so setzt man sie in Blumentöpfe, stellt diese in der kalten Jahreszeit bei Kälte in ein sonniges Zimmer, bei Sonnenschein und warmem Wetter aber ins Freie, wie man es mit den Kürbissen und Gurken macht. Hält man Rosen, die sich eben öffnen, in Schwefeldampf, so werden sie augenblicklich weiß.“

Wie die Rose das Sinnbild der blühenden Jugend, der Liebe und Fruchtbarkeit war, so galt sie den Römern auch, weil die zahlreichen Blumenblätter das Innere verhüllen, als Zeichen der Verschwiegenheit und wurde deshalb in den Speisesälen über der Tafel aufgehängt und bei Trinkgelagen in Kränzen um die Becher gewunden, um vor Plauderhaftigkeit in der Weinseligkeit zu warnen. Eine Nachahmung dieses altrömischen Brauches war es, wenn der mönchisch strenge Papst Hadrian VI. (1522–1523), der auf die Abstellung der kirchlichen Mißbräuche und Zurückführung des römischen Hofs auf apostolische Einfachheit bedacht war, als Symbol der Verschwiegenheit Rosen an den Beichtstühlen anbringen ließ. Der bekannte Ausdruck: sub rosa (unter der Rose, d. h. im Vertrauen) hat hierin den Grund seiner Entstehung.

Bei der Christianisierung des sich zersetzenden Römerreiches zog mit dem Eindringen der neuen Religion die sogenannte Arkandisziplin, d. h. Geheimlehre, welche die von den heidnischen Mysterien herübergenommene Praxis, Taufe, Abendmahl, Salbung, Glaubensbekenntnis und Herrengebet vor den Nichtgetauften geheim zu halten gebot, auch die Rose in ihren symbolisierenden Kreis, indem sie das rote Blut Christi und rote Rosen in Wechselbeziehung zueinander treten ließ, wie verschiedene Katakombenbilder andeuten. Rosen und Rosenkränze wurden zu Symbolen des Martyriums und dienten den die Gedenktage solcher Feiernden zum Ausschmücken der Martyrergräber. Da mit der Erklärung des Christentums als Staatsreligion durch Konstantin im Jahre 323 die heidnischen Kulte unter christlichem Gewande weiterbestanden, so ging die Rose von dem Dienste der Isis mit dem Horusknaben auf dem Arm in denjenigen der gleicherweiser dargestellten und verehrten Maria mit dem Jesusknaben auf dem Arm über. Als Himmelskönigin wurde Maria durch die Rose symbolisiert (rosa mystica) und diese Blume — einst der Aphrodite-Isis heilig — wurde die Marienblume par excellence, mit der man die Marienbilder im Marienmonat, dem Mai, vorzugsweise schmückte und über die sich die Dichter des Mittelalters in überschwenglichen Allegorien ergingen. In vielen Legenden wird sie gefeiert und dient öfter als Veranlassung zur Gründung einer Kirche oder Kapelle. Man denke nur an die berühmte Sage, die sich an den uralten Rosenstock von Hildesheim knüpft. In anderen Fällen wird sie als Liebeszeichen der Himmelskönigin vom Himmel auf die Erde gesandt, und dieser zu Ehren wird auch die bei Buddhisten und Muhammedanern gebräuchliche Gebetschnur, als deren Vorgänger sich christliche Mönche und Einsiedler zum Abzählen ihrer Gebete und Psalmen loser kleiner Steinchen bedienten, Rosenkranz genannt.

Im Mittelalter, wo so viele Kulturen zugrunde gingen, blieben doch Rose und Lilie als besonders der Himmelsmutter geweihte und mit ihr in Zusammenhang gebrachte Blumen, die zudem verhältnismäßig leicht zu ziehen waren, in den Gärten Mitteleuropas gewöhnlich. Die Dichter dieser Zeit, denen keine große Auswahl solcher Blumen für ihre Schilderungen zu Gebote standen, sprechen öfter von diesen beiden Edelblumen, die die himmlische Anmut und Reinheit der heiligen Jungfrau darstellen sollten. Und wie gotische Kirchen sich mit steinernen mystischen Rosen schmückten, so pflegte auf den Bildern der Verkündigung der Erzengel Gabriel den schlanken Lilienstengel zu tragen, deren weiße Blüten aber charakteristischerweise nur Blumenkelche ohne Staubfäden — zur Versinnbildlichung der unbefleckten Empfängnis — aufweisen.

Auch in die Wappensprache jener infolge des starken Vorherrschens der Analphabeten bildlich denkenden Zeit gingen beide Blumen über. Wie drei Lilien, die angeblich aus Lanzenspitzen hervorgegangen sein sollten, seit 1150 das königliche Wappen und das Sinnbild des legitimen Königtums Frankreich waren, die auch der Jeanne d’Arc, der Jungfrau von Orleans, bei ihrer Erhebung in den Adelstand durch Karl VII. am 17. Juli 1492 verliehen wurden, so bildete im 15. Jahrhundert die rote und die weiße Rose das Abzeichen der Parteigänger der Häuser Lancaster und York in den Wirren, die bei der Schwäche des Königtums in England wüteten.

Auch auf Münzen erscheint die Rose nicht selten; ferner gewann sie als geheimnisvolles Symbol der mittelalterlichen Bauhütten eine große Bedeutung, die sich bei den Freimaurern bis auf den heutigen Tag erhielt. In den Kelchblättern der Rosenknospe ist nämlich deutlich das Pentagramm oder der Drudenfuß, das wahrscheinlich von den alten Ägyptern übernommene geheime Erkennungszeichen der Pythagoräer, das auch bei den Kelten als Druidenfuß ein heiliges Zeichen war und auf alten gallischen Münzen nicht selten abgebildet ist, in der spiraligen Aufeinanderfolge der einzelnen Blätter zu erkennen. Die geometrischen Proportionen desselben bezeichneten die Jünger der Baukunst seit dem hohen Altertum als göttliche Proportionen oder goldenen Schnitt, weil alle ästhetisch schöne Baukunst von den altägyptischen Tempeln bis zu den gotischen Domen des Mittelalters bewußt oder unbewußt in deren Gesetzen wurzelt. Am häufigsten sind sie im Grundriß des Hauptschiffes und in der Fassadengliederung zu erkennen.

Wie bei den Kulturvölkern des Altertums wurden auch bei den Deutschen und den anderen europäischen Völkern des Mittelalters als Frühlingsfeier Rosenfeste in sogenannten Rosengärten gefeiert; es waren dies von Rosenhecken umgebene Plätze, in denen die Festfeiernden mit Rosen geschmückt zusammenkamen. Solche Rosengärten gab es bei allen größeren Städten, in Worms sogar zwei. Und da später statt rosa mehrfach die Bezeichnung flos campi benutzt wird, so läßt sich daraus schließen, daß sich die Rosengärten allgemein als mit Blumen eingefaßte Plätze zur Abhaltung von Volksfesten umschreiben lassen. Schon der altdeutsche Sänger sagt: „Diu rôse ist diu schoenste under aller blüete“, daher ist auch jener höchst anspruchslosen Zeit der Rosengarten der schönste unter allen Gärten, mit dem die herrlichsten Dinge verglichen werden. Bei dieser großen Beliebtheit und Volkstümlichkeit der Rosengärten ist es kein Wunder, daß sie dann auch in Sage und Dichtung eine nicht unwichtige Rolle spielten. Es sei hier nur an den zu Ende des 13. Jahrhunderts von einem ritterlichen Sänger gedichteten „Kleinen Rosengarten“, der die Kämpfe Dietrichs von Bern (des Ostgotenkönigs Theoderich des Großen, der 489 Odoaker bei Verona besiegte und deshalb in der Sage als Dietrich von Bern weiterlebt) mit dem Zwergkönig Laurin und dessen Zaubergarten schildert, und an den von demselben Verfasser stammenden „Rosengarten von Worms“ erinnert, welch letzterer, der neben Rosen auch andere schöne Blumen trug, vom Nibelungenhelden Siegfried mit elf anderen Helden für die von ihm in Liebe umworbene Kriemhild, der Tochter des Königs Giebich von Worms, bewacht wurde. Auch bei den festlichen Veranstaltungen der Ritterzeit, besonders des 14. Jahrhunderts, spielte die Rose mit anderen Blumen eine große Rolle. In diesem kriegerischen Zeitalter wurden mit Vorliebe, wie wir auch auf zeitgenössischen Malereien und Elfenbeinschnitzereien sehen, von festlich geschmückten Damen eine für diesen besondern Zweck erbaute sogenannte Minneburg verteidigt, die dann von den Herren eingenommen werden mußte. Als Wurfgeschosse dienten allerlei Blumen, besonders Rosen, dann kleine Früchte, Kuchen und andere Leckereien, statt siedenden Wassers wurden Parfüms herabgegossen, bis endlich die Ritter unter einem Blumenregen die Burg erstürmten und die Damen gefangen nahmen.

Die bei den Römern noch in spätester Zeit gefeierten Rosenfeste, rosaria oder rosalia genannt, bei welchen man an verschiedenen Tagen des Mai und Juni die Gräber mit Rosen schmückte und gemeinsame Mahlzeiten abhielt, bei denen den Teilnehmern Rosen als die Gabe der Jahreszeit verabreicht wurden, erhielten sich in Illyrien und auf der Donauhalbinsel als rusalia weiter, und aus diesem mit Pfingsten in Zusammenhang gebrachten Frühlingsfest entwickelte sich bei den Serben, Slowenen, Weiß- und Kleinrussen, in ähnlicher Weise auch bei den Walachen und Albanesen das fröhliche Naturfest rusalija. Bei diesem wurde dann in Mißverstehung des ursprünglichen Sinnes des von rosa her genannten Festes die Sage von Russalky geheißenen überirdischen weiblichen Wesen abgeleitet, die um diese Zeit Feld und Wald beleben und Fruchtbarkeit spenden sollen.

Mit diesem römischen Rosenfeste hängt auch die im Frühling, am vierten Fastensonntage, dem Sonntage Lätare, vom Papst in feierlichem weißem Gewande in Gegenwart des Kardinalkollegiums in einer mit Rosen geschmückten Kapelle am Altare geweihte goldene Rose, die hernach als segenbringend an Fürsten und Fürstinnen, auch Kirchen und Städte verschenkt wurde. Er tauchte sie zuerst in Balsam, bestreute sie dann mit Weihrauch, besprengte sie mit Weihwasser und betete indessen zu Christus als der Blume des Feldes und zu Maria als der Lilie des Tales. Als besondere Auszeichnung erhielt unter anderen auch Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen kurz vor der Einführung der Reformation, ebenso in jüngster Zeit die wahnsinnige Kaiserin Charlotte von Mexiko und die bei aller Lasterhaftigkeit höchst bigotte Königin Isabella II. von Spanien die goldene Rose. Nachrichten über diesen Gebrauch, der auf altrömische Vorstellungen von der Bedeutung der Rose als Symbol des Lebens und der Vergänglichkeit zurückgeht, gehen bis ins 11. Jahrhundert, in die Zeit Leos XI., zurück. Dann werden in der katholischen Kirche als weiterer Überrest der altrömischen rosalia bis auf den heutigen Tag am Pfingstsonntage, den pascha rosata (italienisch domenica de rosa), Rosen von der Höhe der Kirche auf den Boden herabgelassen.

Bei solch großer Bedeutung, die der Rose in Volkssitte und Religion zukam, kann es uns nicht wundern, daß ihre von den Römern durch Vermittlung der Klöster übernommene Kultur auch in den trüben Zeiten des Mittelalters in Europa erhalten blieb und mancherorts sogar die Kunst des Treibens derselben geübt wurde. So berichtet uns der Chronist Johann von Beka von einem am 6. Januar 1249 vom gelehrten Dominikaner Albertus, wegen seiner ausgedehnten Gelehrsamkeit Magnus, der Große, zubenannt (1193–1280), in Köln Wilhelm von Holland gegebenen großen Bankett, an welchem „durch wahrhaft magische Kunst“ — wie sich der erstaunte Berichterstatter ausdrückt — blühende Rosen zu sehen waren. Wenn diese Blume auch späterhin bei allen Völkern Europas die wohlverdiente Wertschätzung genoß, so spielt sie doch im Leben des an bunten Farben und Wohlgerüchen sich ganz besonders erfreuenden Orientalen eine noch viel wichtigere Rolle. Speziell in ihrer alten Heimat Persien blüht sie beinahe das ganze Jahr hindurch in köstlicher Fülle und in herrlich duftenden gefüllten Sorten, die bei den auch dort noch seit alter Zeit gefeierten Frühlingsfesten eine wichtige Rolle spielen. Wie haben die persischen Dichter seit dem Firdûsi, d. h. der Himmlische, genannten Abul Kâsim Mançûr (940–1020) bis heute die Rose als Königin der Blumen immer wieder gefeiert und die Liebe zwischen ihr und der Nachtigall (einer Bülbül genannten Kurzfußdrossel aus der Gattung Pycnonotus und nicht unsere einheimische Nachtigall) besungen. Welche Wichtigkeit kommt ihr nicht zur Herstellung des dort allgemein beliebten Rosenzuckerwerks und der köstlichen Rosenessenz zu, welch letztere persische Ärzte im 9. Jahrhundert zuerst destillierten. Ersteres, das wie im ganzen Orient, so auch in der Türkei und in Griechenland durch Einlegen der wohlriechenden Rosenblätter in Zucker gewonnen wird, ist der volkstümlichste Leckerbissen, während mit Honig gekochte Rosenblätter in Limonaden das beliebteste Volksgetränk der muhammedanischen Welt bilden.

Der Gesandte des deutschen Kaisers Ferdinand II. am türkischen Hofe in Konstantinopel, Ghislenius Busbequius, erzählt im ersten, 1554 geschriebenen Briefe aus jener Stadt, die Türken dulden nicht, daß ein Rosenblatt auf der Erde liege, denn sie glauben, die Rose sei aus den Schweißtropfen hervorgegangen, die Muhammed auf seiner nächtlichen Himmelfahrt vergoß — also die alte, nur islamisierte und ins Prosaische übertragene Adonissage! Auf dem angeblichen Grabe des von den schiitischen Persern verehrten 4. Kalifen Ali ben Abu Taleb, dem treuesten Gefährten Muhammeds und Gemahl seiner Tochter Fatime, der 656 nach Othmans Ermordung zum Beherrscher der Gläubigen erhoben, aber 661 in Kufa ermordet wurde, bei Messar in der Nähe des heutigen Belch — früher Bactra — sah der Reisende Vambéry die wunderwirkenden roten, angeblich aus dessen Blut hervorgesprossenen Rosen (güli surch), die ihm in der Tat an Geruch und Farbe alle andern zu übertreffen schienen und die, weil sie nach der islamitischen Lokalsage nirgends anderswo gedeihen sollen, auch nirgends angepflanzt werden.

Diese aus Persien stammende und im Altertum über die Mittelmeerländer verbreitete Centifolie, von der bisher ausschließlich die Rede war, ist diejenige Unterart der in Südeuropa und Westasien heimischen Provencerose (Rosa gallica), die hier im Altertum und Mittelalter ausschließlich bekannt war. Nun wurde in der Folge die Centifolie vielfach mit der Provencerose gekreuzt und ergab die ältesten Rosenhybriden der Ziergärten des Menschen. Eine uralte Gartenrose ging auch durch Kreuzung der Centifolie mit der Hundsrose hervor; es ist dies die Damascenerrose, die uns wohl schon im Altertum als zweimal blühend gerühmte Rose von Paestum entgegentritt. Wie die Centifolie 1332 aus Persien zunächst nach Südeuropa gelangte, so brachte der französische Ritter Robert von Brie schon vorher, zur Zeit der Kreuzzüge, die Damascenerrose nach seinem Schloß Provins in der Champagne, wo sie kultiviert und durch Ableger weiter verbreitet wurde.

Alle diese Rosen der älteren Gärten empfehlen sich durch Widerstandskraft und Frosthärte von selbst, blühen aber nur einmal im Jahre. Diesem Übelstand wurde erst in der Neuzeit abgeholfen durch das Aufkommen der „Remontant“-Rosen, die auf verschiedene, sehr lange Zeit blühende ostasiatische Arten zurückzuführen sind. Durch die Einführung dieser hochkultivierten prächtigen ostasiatischen Rosenarten nahm erst die Rosenkultur den großen Aufschwung, der diese Pflanze heute noch mehr als früher zum bevorzugten Liebling zahlreicher Blumenfreunde machte. Und zwar ist die indische Rose (Rosa indica) die Ursprungsform der prächtigen ostasiatischen Rosen, die besonders in China und Japan seit sehr alter Zeit kultiviert werden, frühe nach Indien kamen und um 1698 aus China auch in unsere Gärten gelangten. Zu ihnen gehören die Bengalrosen, die Teerosen und die Monatsrosen. Letztere werden meist niedrig gehalten und sind zur Einfassung von Rabatten, wie auch in Töpfen gezogen als Stubenpflanzen beliebt und besitzen mehr flatterige, weniger gefüllte, hellrosa Blüten. Bemerkenswerte Formen unter ihnen sind die Hermosa und die Zwergröschen. Eine echte Edelrose ist die von Rosa chinensis abstammende Teerose, deren Kreuzung mit der Provencerose die Bourbonenrose, die Gloire de Dijon und Malmaison (nach der Besitzung der rosenfreundlichen Gattin Napoleons I., Josephine, so genannt), wie auch die La France, die bevorzugte Rose der deutschen Kaiserin, hervorgehen ließ. Letztere, die erst 1868 in den Handel gelangte, will, wie so manche andere, nur durch Ableger auf ungeschlechtlichem Wege sich fortpflanzende Form, schon jetzt nicht mehr recht gedeihen. Alle diese prächtigen Rosen, zu denen auch die angenehm duftende, gelbblühende Marschall Niel gehört, besitzen die vorzügliche Eigenschaft, zu „remontieren“, d. h. nicht die Periode des Blühens auf eine kurze Zeit zu beschränken, sondern ihre prächtigen Blüten Wochen und Monate hindurch unausgesetzt zu entfalten. Sie verdanken diese Eigenschaft der Einwirkung der indischen Rose, welche überhaupt keiner Winterruhe bedarf und deshalb auch zur Kultur in den Tropen empfohlen werden kann. Da aber die Stammart ein Kind der Tropen ist, so müssen diese gegen Kälte empfindlichen Rosensorten im Winter sorgfältig vor dem Erfrieren geschützt werden.

Schon in England, aber noch viel häufiger in Südeuropa, besonders der Riviera, begegnet uns die in Südwestchina (Yün-nan) heimische kletternde, stachellose Banksrose (Rosa banksiae) mit halbgefüllten hellgelben oder weißen Blüten und kleinen Früchten. In unsern Gewächshäusern ist es nicht möglich, sie in so prächtiger Entfaltung wie beispielsweise an der Riviera zu erhalten. Auch die eigentlichen Kletterrosen mit kleinen weißen oder rosenroten Blüten in Büscheln sind in China und Japan heimisch. Zu ihnen gehört vor allem die japanische Büschelrose (Rosa multiflora), die mit ihren pyramidenförmigen, reichblühenden Rispen in vielen Farben und Formen unsere Lauben und Hauswände zieren. Die in dunkelroten, kleinblütigen Büscheln blühende Crimson Rambler dagegen stammt von der Prärierose des östlichen Nordamerika. Sie dauert auch in unserem Klima gut aus und ist eine sehr anspruchslose, reichblühende Pflanze, die deshalb sehr häufig bei uns angetroffen wird. Von Abessinien bis Yünnan in Südwestchina heimisch ist die in den Mittelmeerländern verwilderte Bisamrose (Rosa moschata) mit weißen, angenehm nach Moschus duftenden, kleinen Blüten in großen Endrispen. Sie wird neuerdings auch bei uns kultiviert, muß aber gegen Kälte geschützt werden. Ähnlich wie die schwarze Johannisbeere leicht nach Wanzen riechen dagegen die dottergelben Blüten der von Kleinasien bis Afghanistan heimischen, ebenfalls im Mittelmeergebiet häufig verwilderten gelben Rose (Rosa lutea), die mit den ostasiatischen Teerosen in keinerlei verwandtschaftlicher Beziehung steht. Eine ähnliche Blütenfülle und denselben Duft entwickelt die wahrscheinlich nur als eine Abart dieser aufzufassende zweifarbige Kapuzinerrose (Rosa bicolor), deren Blumenblätter außen gelb, innen aber scharlachrot gefärbt sind. Die Zimtrose (Rosa cinnamomea) mit rosa bis karminroten Blüten und braunroten Zweigen ist auf den Gebirgen Mittel- und Südeuropas heimisch, während die auch bei uns als Fruchtstrauch kultivierte „Kaiserin des Nordens“ mit rundlichplatten, großen, roten Früchten in Nordasien zu Hause ist. Es ist dies ein Abkömmling der durch ihre Frosthärte ausgezeichneten chinesischen Runzelrose (Rosa rugosa), die sich durch kräftiges, etwas runzliges Laubwerk auszeichnet, von dem sich die großen dunkelpurpurroten Blüten ebenso prächtig abheben, wie im Herbste die hochroten, kleinen Äpfeln nahekommenden Früchte, deren Kelchblätter nicht einschrumpfen, sondern frisch und grün stehen bleiben. Japan eigentümlich ist die Chamäleonrose, so genannt, weil sie ihre Farbe wechselt. Im Schatten ist sie weiß, im Lichte dagegen rot. Bei Nacht nimmt sie eine wachsartig weiße Farbe an. Dies geschieht nicht auf einmal, sondern die Blüten wechseln durch einen blauen Ton schnell zum blassen Rosa, um schließlich wachsweiß zu werden. Bringt man die Rose dann wieder an das helle Sonnenlicht, so nimmt sie sehr rasch wieder ihre Scharlach- oder Päonienfarbe an. Die reizende Moosrose aber ist ein Abkömmling der Centifolie, wie die französische oder Essigrose mit gefüllten und halbgefüllten, wohlriechenden, roten Blüten, die man zur Herstellung von Rosenbonbons und Rosenlikör verwendet, ein solcher der Provencerose ist. Wie man bei uns gelegentlich die Marschall Niel-Rose wegen ihres feinen Duftes zur Herstellung von Bowle benutzt, so wird die herrlich duftende morgenländische Centifolie zur Herstellung des kühlenden Scherbets, d. h. arabisch Trank, wovon das italienische sorbetto stammt, verwendet. Ihr gehören auch die Ölrosen von Kasanlik an, aus denen das Rosenöl dargestellt wird. Aus zerstampften Rosenblättern fertigt man in der Türkei mit Zusatz von Gummi schwarze Perlen an, und schwach eingesalzene Rosenblätter finden in der Schnupftabakfabrikation Verwendung.

Im Winter versorgt uns die Riviera mit Rosen, wie mit andern Blumen. So führt Deutschland von dort jährlich für 3 Millionen Mark ein, führt aber andererseits für 15 Millionen Mark veredelte Rosenpflanzen aus. Überhaupt hat die Rosenzucht für die Gärtnerei eine sehr große Bedeutung. Die Rosen variieren ungemein leicht und bis 1850 hat man Neuheiten unter denselben fast nur durch Sammeln und Vermehren der spontan entstandenen Sprungvarietäten gewonnen. Eine solche ist beispielsweise die aus der Centifolie hervorgegangene Moosrose und die Bourbonrose. Bei allen Pflanzen entstehen solche neue Formen unvermittelt und zufällig. Der Mensch kann sie nicht erzeugen, nur entdecken. Er kann dann allerdings nachträglich durch Kreuzung mit einer verwandten Art, die gewisse, der Sprungvarietät abgehende Vorzüge besitzt, diese seinen Wünschen entsprechend zu vervollkommnen suchen. Die Kreuzung setzt er so lange fort, bis die gewünschte Kombination von Eigenschaften bei seinen Pfleglingen eingetreten ist. Auf solche Weise sind die meisten Neuheiten geschaffen worden, deren die Rosenzüchter in ihren Katalogen insgesamt etwa 4000 aufzählen.

Noch der 1560 in Basel geborene und von 1588 bis zu seinem Tode 1624 als Professor der Botanik und Medizin daselbst wirkende gelehrte Pflanzenkenner und Schöpfer der binären Nomenklatur, Kaspar Bauhin, unterschied außer 19 wilden bloß 17 zahme Rosenarten. In solch ungeahnter Fülle hat sich also seither unser Besitztum an Kulturrosen, besonders seit der Einführung der ostasiatischen hochgezüchteten Sorten, vermehrt. Und zwar kam zuerst 1780 die Bengalrose von niedrigem Wuchs aus Kanton zu uns, dann 1807 die Banksrose aus Japan und China und erst 1825 die hochstämmige Teerose ebenfalls von dorther. Die neue Zeit vermehrte dieses Material durch Einführung weiterer neuer Sorten und durch systematische Kreuzung. In Frankreich erreichte die Rosenkultur durch Kaiserin Josephine in den Gärten ihres Schlosses Malmaison und den wissenschaftlichen Begleiter Alexanders von Humboldt auf seiner berühmten südamerikanischen Reise, den Botaniker Bonpland, seit 1800 ihre höchste Entwicklung. In England geschah dies durch verschiedene Privatpersonen, besonders in der Grafschaft Hertford. In Deutschland war die Rosensammlung des kurfürstlichen Gartens in Kassel berühmt; auch die Rosenau bei Koburg und die Pfaueninsel bei Potsdam wiesen bedeutende Rosenkulturen auf. Die bedeutendste Rosensammlung findet sich zurzeit im Schloßgarten zu Friedrichshof bei Kronberg im Taunus, in denjenigen des Schlosses Monrepos bei Geisenheim am Rhein und des Schlosses Königstein unweit von Homburg vor der Höhe.

Die Vermehrung der Edelrosen geschieht in der Weise, daß man ein Auge auf einen Wildling der Hundsrose (Rosa canina) überträgt, und zwar am Wurzelhals, wenn man Buschrosen ziehen will, sonst aber auf einem niedrigen, mittelhohen oder hohen Stamm. Auch durch Ableger, Wurzelschnittlinge, Ausläufer und Stecklinge werden die Rosen vermehrt. Sie können unter Umständen ein Leben von mehreren hundert Jahren erreichen. So galt der mit seinen Ausläufern 6,5 m hohe und 7,5 m breite Rosenstrauch auf dem Friedhof an der Außenmauer der Apsis des Domes von Hildesheim schon im 17. Jahrhundert als uralt. Nach Alexander von Humboldts „Ansichten der Natur“ wird dieses Rosenstocks vermutlich schon im 11. Jahrhundert Erwähnung getan, und zwar durch die Haushaltungsregister des Doms, in denen Ausgaben für die Pflege eines Rosenstocks verzeichnet sind. Er ist über der Erde 50 cm dick. Im Garten der Marineverwaltung von Toulon steht ein von Bonpland eingesandter, 1813 gepflanzter Banksrosenstock, der heute über dem Boden 90 cm Umfang hat und mit seinen Zweigen eine 25 m breite und 6–8 m hohe Mauer bedeckt und während seiner Blütezeit im April und Mai oft 25000 Blüten zu gleicher Zeit aufweist. Der größte Rosenstock Europas befindet sich aber im Wehrleschen Garten in Freiburg im Breisgau. Dieser, ein Wildstamm, wurde von seinem Besitzer im Jahre 1881 mit einer Teerose okuliert. Diese Veredlung machte gleich gute Fortschritte und trug im folgenden Jahre bereits 27 Blüten. Vor einem Jahrzehnt hatte der Baum einen Flächenraum von 88 qm erreicht und trug 7400 Blüten. Ein Jahr später entwickelte er 8000 Blüten; zwei Jahre später nahm er schon einen Flächenraum von 89 qm ein und besaß über 10000 Blüten. Heute wird diese Zahl noch weit überschritten. Der 1,10 m hohe Stamm besitzt einen Umfang von 34 cm. Das an Draht gezogene Zweigwerk bildet eine große Laube.

Auch in China, das uns so herrliche Kulturrosen lieferte, wurde die Rose seit dem hohen Altertum aus den einheimischen Wildlingen als bevorzugte Gartenblume gezogen. Die Chinesen exportieren große Mengen Rosenwasser, machen auch Riechkissen und Rosenbutter. In den Gärten des chinesischen Kaisers werden Rosen in solcher Menge gezogen, daß die daraus gewonnene Essenz jährlich gegen 100000 Mark einträgt. Aber nur die kaiserliche Familie und die Mandarinen dürfen sich dieses Parfüms bedienen.

Nächst der Rose ist die weiße Lilie (Lilium candidum) eine der vornehmsten und geschätztesten Zierpflanzen. Diese auf 1 m hohem Stengel 5–20 reinweiße Blüten mit 5 langgestielten, in große gelbe Antheren endigende Staubfäden tragende Pflanze wächst im östlichen Mittelmeergebiet bis Persien und zum nördlichen Kaukasus wild, verwildert auch sehr leicht und wurde ebenfalls in Westasien zuerst vom Menschen in den Gärten kultiviert. Sie wird schon in den ältesten auf uns gekommenen Gesängen der Perser und Syrier hoch gefeiert und galt wegen der schneeweißen Farbe ihrer Blüten als das Sinnbild der Unschuld und Reinheit. Wir sahen bereits, daß die im Alten Testament als schuschan bezeichnete Blütenpflanze nicht die Rose, sondern eine Lilienart, und zwar nicht sowohl die weiße, als eine farbige Lilie, wahrscheinlich die ebenfalls glockige Blüten aufweisende Kaiserkrone bedeutet. Mit dieser Bezeichnung einer auf dem Felde wildwachsenden Lilie hängt auch der Name der persischen Hauptstadt Susa zusammen; und zwar bedeutete dieses persische susan höchstwahrscheinlich die weiße Lilie, nach der die Stadt genannt wurde. Spricht doch noch der griechische Arzt Dioskurides im 1. Jahrhundert n. Chr. von einer Liliensalbe (chrísma leírinon), „die auch die von Susa stammende (súsinon) genannt wird“, und meint damit bestimmt eine aus der weißen Lilie hergestellte wohlriechende Salbe. Wenn nun in der Bibelübersetzung Luthers steht, daß die Baumeister den Säulen und deren Kapitälen die Gestalt von Lilienstengeln mit deren Blüten gaben, so ist dies dahin zu berichtigen, daß damit die auch von den Griechen als Lilie (leírion) bezeichnete weiße Lotosblume, die heilige Blume des Nils, verstanden war, die die phönikischen Baumeister in Nachahmung der ägyptischen Vorbilder an den Stützen des reich mit Gebälk aus Zedernholz vom Libanon ausgestatteten Tempels Jahves in Jerusalem darstellten.

Tafel 141.

Die Wasserrose des Amazonenstromes (victoria regia) im Botanischen Garten von Buitenzorg auf Java.

Der „tausendjährige“ Rosenstock am Hildesheimer Dom.

Tafel 142.

Eine Tulpenanpflanzung in Hillegom (Holland).

Eine Hyazinthenanpflanzung in Hillegom (Holland).

Bei den alten Griechen erwähnt schon Homer die weiße Lilie als leírion mit dem schmückenden Beiwort tháuma idésthai, d. h. ein Wunder zu sehen, und nennt die als besonders schön weiß zu bezeichnende Haut des Helden Ajax als leírios, d. h. weiß wie die Lilie. Wie die orientalische gefüllte rote Rose der Liebesgöttin Aphrodite-Venus, so war die hehre weiße Lilie bei den Griechen und den später von jenen hochgradig beeinflußten Römern der Hera-Juno, der Gattin des höchsten der Götter, Zeus-Jupiter, heilig. Ein in den Geoponika uns überlieferter griechischer Mythos tut uns kund, daß diese Blume aus der Milch der Himmelsfürstin hervorgegangen sei. Es heißt dort nämlich: „Als Alkmene (die Tochter des Königs Elektryon von Mykene und Gemahlin des Amphitryon, Enkels des Perseus und Sohnes des Alkaios, Königs von Tiryns) den Herakles — den sie von Zeus empfing — geboren hatte, welcher eigentlich sterblich war, wollte ihm Zeus (sein Vater) die Unsterblichkeit verleihen und legte ihn zu diesem Zwecke heimlich an die Brust der schlafenden Hera. Der Knabe trank sich da tüchtig satt, aber wie er abließ, floß noch Milch in Strömen aus, und was davon an den Himmel kam, bildete dort die Milchstraße, was aber auf die Erde lief, das brachte die Lilie hervor, die demnach die milchweiße Farbe trägt.“

Im alten Griechenland wurde im Gegensatz zur einheimischen wilden Lilie, die krínon hieß, die aus dem Orient dahin gelangte weiße Lilie als leírion bezeichnet. Der griechische Komödiendichter Aristophanes (455–387 v. Chr.) erwähnt aus ersterer hergestellte Kränze, letztere dagegen beschreibt Theophrast in seiner Pflanzengeschichte. Von den Griechen Unteritaliens lernten dann die Römer die weiße Gartenlilie des Orients kennen, wobei sie das griechische leírion sich als lilium mundgerecht machten. In einer der Eklogen Virgils (70–19 v. Chr.) trägt der altitalische Wald- und Feldgott Silvanus einen Kranz von (vermutlich bunten wilden) Lilien, und an einer Stelle der Aeneis summen die Bienen um weiße Lilien (candidum lilium). Bei Columella werden weiße Lilien für die Bienen in Gärten gezogen, und in einer Elegie läßt Properz (45–22 v. Chr) das Wohlwollen der Nymphen durch weiße Lilien gewinnen. Plinius schreibt über sie: „Fast so edel wie die Rose ist die Lilie, die ebenso zur Herstellung von Salbe und Öl benutzt wird; letztere heißt lirinon. Die Lilie beginnt in der Zeit zu blühen, da die Rosen in voller Blüte stehen, und gewährt dann, zwischen ihnen stehend, einen herrlichen Anblick. Der Stengel, auf dem die Blume steht, hat oft drei Ellen Höhe, die Blume selbst aber steht auf einem schwachen Stiele, der nicht imstande ist, sie aufrecht zu tragen. Sie ist blendend weiß, auswendig gestreift, am Grunde schmal, nach außen allmählich becherförmig erweitert, mit zurückgebogenen Rändern. Der Stempel (pilum) ist dünn, die Staubgefäße (stamina) haben die Farbe des Safrans (crocus). Der Geruch des Kelches (calyx) ist von demjenigen der Staubgefäße etwas verschieden: bei Bereitung der Salbe und des Öles werden aber auch die Blätter nicht verachtet.“

Wie die Lilie nach griechischem Vorbild der Juno heilig war, galt sie den Römern auch als Sinnbild der Hoffnung und in der Kaiserzeit als Emblem des Thronfolgers. Auf einigen römischen Münzen, die solchen Thronfolgern galten, findet sich auf der Rückseite eine Lilie abgebildet mit der Umschrift: spes populi romani (Hoffnung des römischen Volkes). Die ältere antike Auffassung, die in dieser reinweißen Blume ein Symbol der Reinheit und Unschuld sah, übernahm dann die christliche Kirche, die die schöne, feierliche Blume der Himmelskönigin Maria als Sinnbild ihrer reinen, unbefleckten Empfängnis in die Hand gab. Später bemächtigte sich der Aberglaube dieser Blume und ließ sie aus den Gräbern unschuldig Hingerichteter hervorwachsen. Allgemein herrschte im Mittelalter der Glaube, daß der Mönch, der eine Lilie in seinem Chorstuhle fand, drei Tage hernach sterben müsse. Ein hochbegabter Abt der Benediktinerabtei Corvey an der Weser wurde, wie eine Chronik meldet, durch einen solchen Fund in so gewaltigen Schrecken versetzt, daß er den Tod davontrug. Sein Nachfolger bekannte sich in seiner letzten Beichte schuldig, die Lilie selbst hingelegt zu haben, um sich die angesehene Stellung seines Opfers zu verschaffen.

Wie in der Geschichte Englands die rote und weiße Rose, so spielte in Frankreichs Geschichte die Lilie eine bedeutende Rolle. Nach der Legende überreichte ein Engel dem Frankenkönig Chlodwig aus dem Geschlechte der Merovinger, der 16jährig seinem Vater Childerich als König der salischen Franken im heutigen Belgien folgte, 486 durch den Sieg bei Soissons über den römischen Statthalter Syagrius das Seinegebiet eroberte und 496 die Alamannen schlug, als er darauf mit 3000 Franken in Reims zum Christentume übertrat, einen Lilienstengel. Später waren — seit 1150 nachweisbar — vermutlich aus Lanzenspitzen zu stilisierten Blumen umgewandelte Lilien das königliche Wappen Frankreichs, das von da an durch die ganze Geschichte Frankreichs als Symbol des legitimen Königtums eine wichtige Rolle spielte, und zwar waren es seit Karl VI. (1380–1422) deren in der Regel drei, während vorher ihre Zahl unbestimmt gewesen war. Nicht nur in Wappen und Siegel, auch auf Szepter, Kronenreifen, in Stickereien auf den Gewändern der Könige und auf Wappenröcken der Herolde erschienen die berühmten fleurs de lis. Und nach dem Aussterben der Kapetinger mit Karl IV. im Jahre 1328 hielt die Seitenlinie der Valois bis zur Hinrichtung Ludwigs XVI. und dann von 1815–1830 die Bourbonen die drei Lilien als königliches Abzeichen bei.

Daß eine solche schon in ihrem stolzen Aussehen wahrhaft königliche Blume auch sonst ohne sinnbildliche Bedeutung dekorativ eine große Rolle spielte und auf allerlei Geweben, besonders Tapeten, nachgebildet wurde, ist selbstverständlich. Außerdem wurden von mehreren Regenten auch Lilienorden gestiftet, so z. B. um 1413 von Ferdinand, König von Arragonien, 1546 vom Papste Paul III. (Alexander Farnese, geb. 1468, regierte von 1534–1549, bestätigte den Jesuitenorden, ordnete 1542 eine allgemeine Inquisition zur Unterdrückung des Protestantismus an, eröffnete 1445 das bis 1563 dauernde Konzil von Trient, war ein Gönner der Künstler und Literaten), und zuletzt 1814 von dem nach dem Sturze Napoleons I. zum Könige erhobenen Ludwig XVIII. Die Anhänger der mit ihm zur Herrschaft gelangenden Bourbonen trugen die Lilien als Protest gegen das Veilchen, womit sich die Getreuen des gestürzten Korsen kenntlich machten.

Wie im Altertum war auch im Mittelalter die Lilie neben der Rose der Stolz der europäischen Gärten; während aber letztere in der Neuzeit seit der Einführung der edlen ostasiatischen Schwestern durch Kreuzung und Variation eine große Fülle verschiedener Sorten bildete, hat sich die Lilie unverändert in ihrem alten Adel erhalten und bildet den vornehmsten Repräsentanten der Zierblumen des ländlichen Gartens, während sie in den Städten eher zurücktrat und erst neuerdings wieder neben ihren seither eingeführten farbenprächtigen ostasiatischen Schwestern einige Bedeutung erlangte. Schon im Altertum hören wir einige Stimmen, die von bunten Lilien reden. So sagt Dioskurides im 1. Jahrhundert n. Chr.: „Manche behaupten, es gebe auch purpurfarbige Lilien,“ damit soll wohl eine Abart der weißen Lilie verstanden sein, die er selbst noch nie sah. Wie eine solche erzeugt werden könne, sagen uns die Geoponika, in denen es heißt: „Florentinus behauptet, man könne die Lilien rot färben, wenn man zwischen die Schuppen der Zwiebel die Farbe streue, welche cinnabari heißt (damit ist das Drachenblut genannte dunkelrote Harz des Drachenbaums der Insel Sokotra gemeint). Mit anderen Farben kann man die Lilie anders färben.“ Ein anderes Rezept dazu gibt ein anderer griechischer Schriftsteller in diesem Sammelwerke: „Will man Lilien von Purpurfarbe haben, so reißt man 10 oder 12 blühende Lilienstengel aus und hängt sie in Rauch. Aus ihnen wachsen kleine, zwiebelförmige Wurzeln hervor. Ist dann die Zeit des Pflanzens da, so legt man den Stengel in Hefe von rotem Wein, bis sie durch und durch rot sind. Nun pflanzt man sie in Erde und begießt sie gehörig mit Hefe. Die aus solchen Stengeln wachsenden Lilien blühen rot.“ Dieses phantastische Verfahren gibt dann Plinius als erwiesene Tatsache wieder. Palladius (um 380 v. Chr.) schreibt: „Im Februar bringt man die Lilienzwiebeln in die Erde, oder behackt sie, wenn sie schon darin sind, mit großer Sorgfalt, damit die jungen Zwiebeln nicht verletzt werden. Diese kann man später von der Mutterzwiebel ablösen, verpflanzen und auf solche Weise neue Lilienbeete (lilietum) erzielen.“ Nach Dioskurides wurden Lilienblätter auf Schlangenbiß- und Brandwunden und mit Essig auf Quetschwunden gelegt und die gebratene und mit allerlei anderen Stoffen vermischte Wurzel zu Heilzwecken verschiedener Art benutzt; daneben war das Lilienöl als Arznei berühmt und erhielt sich bis in die Gegenwart beim Volke in Ansehen. Ein Rezept dazu gibt uns Palladius: „Um Lilienöl (oleum liliaceum) zu bereiten, gießt man 1 Pfund Olivenöl auf 10 Lilienblüten, die sich in einem Glase befinden, und stellt dieses 40 Tage an die Sonne.“ Ein Konservierungsmittel für Lilien teilt uns ein Grieche in der Geoponika mit: „Um Lilien das ganze Jahr hindurch frisch zu erhalten, verfährt man folgendermaßen: Man pflückt die Blüten, ehe sie sich öffnen, samt den Blütenstielen und legt sie in neue, irdene, nicht ausgepichte Töpfe, deckt diese zu, und so bleiben die Blüten das ganze Jahr frisch. So oft man welche brauchen will, nimmt man sie heraus, setzt sie der Sonne aus, und sie öffnen sich, sobald sie warm werden.“

Im frühen Mittelalter wurde die Lilie, wie auch die Rose, mehr als Arzneipflanze zur medizinischen Verwendung, denn als Zierpflanze in den Gärten Mitteleuropas angepflanzt. Das besondere Lob der Schönheit, das ihr der 849 verstorbene fränkische Mönch Walahfrid Strabo spendet, als er sie im Klostergarten wachsen sah, beweist aber, daß neben der Nützlichkeit auch die Freude an deren Schönheit für die Kultur dieser Pflanze maßgebend war. Im späteren Mittelalter bedienten sich die Ritter gerne der Gilgen oder Ilgen, wie damals die Lilien im deutschen Sprachgebiet genannt wurden, als Zier, und auch beim Volke waren sie beliebt, bis im Laufe der Neuzeit nach und nach das Interesse an ihnen abnahm und sie infolgedessen nur noch selten angepflanzt wurden. Erst in unserer Zeit ist wiederum eine erhöhte Wertschätzung dieser prächtigen Zierpflanze, die nicht bloß den schlichten Bauerngärten, sondern auch den schönen Parkanlagen der Vornehmen sehr wohl ansteht, eingetreten. Dazu trug ganz wesentlich die Einführung der nicht minder schönen ostasiatischen Lilien bei. Eine erste Auswahl solcher brachte der 1796 in Würzburg geborene und 1866 in München gestorbene Arzt Philipp Franz von Siebold, der 1822 als Sanitätsoffizier in holländischen Diensten nach Batavia ging und von 1823–1830 und abermals von 1859–1862 sich in Japan aufhielt, aus letzterem Lande nach Europa. Unter diesen ist vor allem die auch als Königin aller Lilien bezeichnete japanische Goldlilie (Lilium auratum) zu nennen, die wie die weiße westasiatische Lilie 1 m hoch wird und bis 26 cm große, perlweiße, wohlriechende Blüten mit rotbraun bis purpurn punktierten und dem Mittelnerv entlang, goldgelb gebänderten Blumenblättern besitzt. Auch sie wird heute wie die weiße Lilie in mehreren Varietäten bei uns kultiviert. Ebenso die prächtige Lilie (Lilium speciosum) aus Japan mit 0,6–1 m hohem Stengel, eirunden Blättern und sehr großen, überhängenden, mit zurückgeschlagenen rosenroten Blumenblättern gezierten, nach Vanille riechenden Blüten und die getigerte Lilie (Lilium tigrinum) aus China und Japan, die an der Spitze des 2 m hohen Stengels zahlreiche feuerrote, schwarzpunktierte Blüten in pyramidenförmiger Rispe trägt. Von den feuchten Bergwäldern des Himalaja in 2000–3000 m Höhe stammt die Riesenlilie (Lilium giganteum) mit 2–3,6 m hohem Stengel, gestielten, herzförmigen Blättern und weißlichgrünen, innen schwach purpurgeflammten, höchst wohlriechenden Blüten, während die dem einheimischen Türkenbund sehr nahe stehende Lilium superbum mit 2 m hohem Stengel und scharlachroten Blüten aus Nordamerika zu uns kam. Von Sibirien erhielten wir die Prachtlilie (Lilium pomponium — seitdem Plinius eine gewisse Birnensorte nach einem gewissen Pomponius benannte, pflegte man überhaupt schöne Früchte und auch Blumen pomponisch zu nennen) mit einfarbigen, mennig- bis scharlachroten Blüten. Ihr in bezug auf Gestalt und Farbe der Blüte sehr ähnlich ist die im Orient und in Kleinasien heimische Scharlachlilie (Lilium chalcedonicum), die Frank-Leunis für die eigentliche krínon Theophrasts und die hēmerokallís des Dioskurides hält. Jedenfalls scheinen die alten Griechen sie gekannt und gelegentlich auch in ihren Gärten angepflanzt zu haben. Neben allen diesen werden aber auch bescheidenere Lilienarten bei uns angepflanzt, so die aus dem Piemont zu uns gekommene Feuerlilie (Lilium croceum) und der in Laubwäldern Mitteleuropas wachsende Türkenbund (Lilium martagon) — so genannt weil seine Blüte mit den zurückgeschlagenen Blumenblattzipfeln an einen türkischen Turban erinnert. Alle diese verschiedenen Zierlilien werden bei uns besonders in Südfrankreich und den englischen Scillyinseln im Ärmelkanal, in Nordamerika hauptsächlich in Südkarolina und auf den Bermudasinseln im großen kultiviert, um von dort aus die Zwiebeln in den Handel zu bringen. Noch viel mehr als hier werden aber die schönen farbigen Zierlilien in Japan angepflanzt, von wo aus jährlich über 5 Millionen Zwiebeln derselben ausgeführt werden.

Eine der schönsten Zierpflanzen Ostindiens, speziell Malabars, ist die auch bei uns in Gewächshäusern gezogene rankende Prachtlilie (Gloriosa superba), während die aus Südrußland und der Tartarei eingeführte Zahnlilie (Erythronium dens canis) — so genannt, weil die Zwiebeln in 3–4 Zähne gespalten sind — auch bei uns eine nicht selten angetroffene Gartenzierpflanze ist. Die Zwiebeln der letzteren Art dienen den Tartaren als Nahrungsmittel und Aphrodisiacum, werden in Rußland auch als Mittel gegen Eingeweidewürmer und Fallsucht verwendet.

In Persien, Afghanistan und Kaschmir heimisch ist die häufig in unseren Gärten angetroffene Kaiserkrone (Fritillaria imperialis, ersteres Wort stammt von fritillus, Knobelbecher, aus dem die Würfel geworfen werden), die zu Anfang des 16. Jahrhunderts von Persien nach Konstantinopel und 1570 durch Vermittlung des deutschen Gesandten am türkischen Hofe Gislenius Busbequius in die kaiserlichen Gärten zu Wien eingeführt wurde, von wo aus sie sich bald in fast allen Gärten Mitteleuropas einbürgerte. Sie wird bis 1,2 m hoch und trägt unter einem Schopfe grüner Blätter hängende gelblich- bis bräunlichrote Blüten in Büscheln. Sie wird in vielen Varietäten mit gelben, orangefarbenen bis feuerroten Blüten kultiviert und blüht im ersten Frühling, wenn noch wenig andere Blüten zu finden sind. Die Zwiebeln werden alle drei Jahre verpflanzt. Sie sind stärkemehlreich, riechen höchst unangenehm, sind sehr scharf, selbst giftig, und wurden früher auch arzneilich benutzt. Sie sind nach dem Kochen genießbar, indem dadurch der scharfe Stoff sich verflüchtigt. Seit einiger Zeit wird sie besonders in Frankreich zur Stärkegewinnung kultiviert. Von 1 Hektar soll man 6300 kg Stärkemehl erhalten. Der reichlich von den Blüten zur Anlockung der die Befruchtung besorgenden Insekten ausgeschiedene Honigsaft soll brechenerregend wirken. Die ihr nah verwandte schwarze Lilie (Fritillaria kamtschatcensis) mit schwarzpurpurnen Blüten wächst in Ostsibirien, Kamtschatka, Japan und dem westlichen Nordamerika. Für die Bewohner Ostsibiriens und Kamtschatkas sind ihre rundlichen, stärkemehlreichen Zwiebeln ein wichtiges Nahrungsmittel. Zu dem Zwecke werden sie den Sommer über mühsam auf den Grasfluren eingesammelt, weil die Pflanze nie gesellig wächst; jedoch gewährt ihnen dabei die Tätigkeit der Kamtschatkaratten oder Sammelmäuse (Hypudaeus oeconomus) große Erleichterung, weil sie in ihren Vorratskammern vorzüglich diese Zwiebeln als Winterproviant anhäufen, die dann der Mensch für sich in Anspruch nimmt.

Als letzte Verwandte ist noch die Brettspiel- oder Schachblume, in Norddeutschland Kibitzei genannt (Fritillaria meleagris — letzteres Wort heißt Perlhuhn, wegen der ähnlich gescheckten Zeichnung der Blüte), zu nennen, die in Mitteleuropa bis Norwegen und Südrußland sehr zerstreut auf feuchten Wiesen wächst. Die 30–40 cm hoch werdende Pflanze treibt 1–2 hängende Blüten mit roten und weißlichen viereckigen Flecken und wird in verschiedenen Varietäten: weiß, gelb, gefleckt, rot, purpurrot, schwarz, braungefleckt und aschgrau als Zierpflanze gezogen. Schon Kaspar Bauhin (1560–1624), der von seiner Doktorpromotion im Jahre 1581 an als Botaniker in seiner Vaterstadt Basel wirkte und von 1614 an an Stelle des verstorbenen Felix Platter als Stadtarzt und Professor der Anatomie und Botanik daselbst amtete, kannte früh- und spätblühende Spielarten der Schachblume. Diese muß also schon recht früh in die Gärten übergesiedelt und in Kulturpflege genommen worden sein.

In dieselbe Familie der Liliazeen gehören auch die Tulpen, die ihren Namen vom türkischen tulbend, d. h. Turban, erhielten. So nannten die Türken die Gartentulpe, die wir von ihnen bekamen. Von den etwa 50 Arten, die von Mittel- und Südeuropa bis Japan am zahlreichsten wildwachsend angetroffen werden, ist bei uns die 25 bis 50 cm hohe gelbe Tulpe (Tulipa silvestris) heimisch, die früher auf Waldwiesen häufig war und jetzt vielfach in Obstgärten und Weinbergen in Menge angetroffen wird. Sie hat als Kulturpflanze keinerlei Bedeutung erlangt, wohl aber die Gartentulpe, die ein durch Kultur veredelter Abkömmling der in den Steppen am Kaspischen Meer, im Gebiet des Don und in der Krim heimischen Tulipa suaveolens mit sehr kurzem Stengel und roten, am oberen Ende gelben, wohlriechenden Blüten ist. Unsere Gartentulpe (Tulipa gesneriana, so genannt weil sie vom Züricher Naturforscher Konrad Gesner 1559 zuerst beschrieben wurde) ist aber keine einheitliche Art, sondern ein Sammelbegriff für zahlreiche in den Gärten kultivierte Tulpensorten der verschiedensten, zum größten Teil unbekannten Herkunft. Dem vorhin bei der Einführung der Kaiserkrone in die Gärten Mitteleuropas erwähnten Gislenius Busbequius, dem Gesandten Kaiser Ferdinands I. am türkischen Hofe in Konstantinopel, verdanken wir die Einführung der türkischen Gartentulpe — wohl der Tulipa suaveolens — im Abendlande. Im Frühjahr 1554 sah er auf einem Ritte zwischen Adrianopel und Konstantinopel die von den Türken in mehreren Arten in Gärten kultivierte rotgelbe Tulpe zusammen mit Narzissen und Hyazinthen blühen. Sie gefiel ihm so gut, daß er sich alsbald Samen von ihr zu verschaffen suchte. Dies gelang ihm auch nach einiger Mühe, und diesen sandte er nun an einen Freund in Deutschland, dessen Name uns unbekannt ist. Auch dessen Wohnort kennen wir nicht; wir wissen nur, daß der Züricher Naturforscher und Arzt Konrad Gesner (1516–1565) die damals neu in Europa eingeführte Zierpflanze im April 1559 in Augsburg blühen sah und sie als erster Abendländer beschrieb. Im Jahre 1573 erhielt sie der Botaniker Clusius (Charles de l’Ecluse, geb. 1526 in Arras, 1573–1587 Hofbotaniker in Wien, von 1593 bis zu seinem Tode 1609 Professor in Leiden) und kultivierte sie als große Rarität in den kaiserlichen Gärten Wiens. Auch von Leiden aus war er für die Verbreitung dieser schönen neuen Blumenart sehr tätig. Diese war aber schon lange vor ihm nach den Niederlanden gekommen; denn wir wissen, daß sie schon ums Jahr 1570 in Mecheln blühte und damals bei den Holländern freudige Bewunderung gefunden hatte. 1577 kam sie nach England und eroberte sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte ganz Mittel- und Westeuropa.

Bevor wir uns weiter mit dem Triumphzuge der Gartentulpe durch das Abendland beschäftigen, ist es am Platze, hier einige Worte über die Türken, die sie uns mit der Kaiserkrone und den Hyazinthen verschafften, und ihre Freude an Blumen zu sagen. Schon der französische Reisende Belon spricht mit Bewunderung von den Gärten, die er 1558 in der Türkei sah. Er sagt darüber: „Es gibt kein Volk, das mehr die Blumen als Zierde liebt und sie höher schätzt, als die Türken; dabei würdigen sie weniger deren Geruch, als besonders deren Formen und Farben. Sie tragen mehrere Arten derselben in den Falten ihres Turbans mit sich, ja, die Handwerker haben bei der Arbeit Blumen von verschiedenen Farben in Wassergefäßen vor sich stehen. Das Gartenwesen ist bei ihnen so gut als bei uns in großem Ansehen und sie scheuen keine Kosten, sich fremde Bäume und Pflanzen zu verschaffen, besonders solche, die schöne Blüten besitzen.“ Ähnlich drückt sich Gislenius Busbequius aus, der von 1550 an als deutscher Gesandter in Konstantinopel weilte, und fügt dem hinzu, daß die Türken häufig Blumen verschenken und, obwohl geizig in andern Dingen, viel Geld dafür ausgeben. Außer Rosen, Flieder, Veilchen, Anemonen, Lilien und Hyazinthen zögen sie mit Vorliebe Tulpen. In jedem Frühjahre feierten sie ein Tulpen- oder Lampenfest, indem sie den Tulpenflor abends mit verschieden gefärbten Lampions beleuchteten. Einmal habe ein Großvezier den Einfall gehabt, lebende Schildkröten zu Trägern seiner Lampen zu verwenden; diese wandelnden Leuchter zwischen den blühenden Tulpen- und Hyazinthenbeeten müssen allerdings dem Feste einen eigenartigen Reiz verliehen haben.

Das türkische Erbe der Tulpen- und Hyazinthenverehrung traten die Holländer an, die außer der Freude am Kleinen, Zierlichen besonders die Farbenpracht der einzelnen Blüten schätzten. Und das Bestreben, diese in immer neuen Farben und Formen zu züchten, beherrschte bei ihnen vollständig die Gartenkunst. Diese sonst so nüchternen und ruhig abwägenden Leute wurden bald von einer geradezu leidenschaftlichen Begeisterung für diese schönen türkischen Ziergewächse ergriffen. Schon lange vorher waren sie ja große Blumenfreunde gewesen. Der französische Botaniker Lobel — nach welchem die schönen Lobelien den Namen erhielten — betont in der Vorrede seiner 1576 erschienenen Histoire des plantes die Liebhaberei der Vlämen für die Blumen schon während der Kreuzzüge und zur Zeit der reichen, prunkliebenden burgundischen Herzöge. Als dann die Holländer deren Erbe antraten, brachten sie von ihren ausgedehnten Handelsreisen aus der Levante und beiden Indien verschiedene Blumensorten mit nach Hause und zogen sie mit Erfolg in ihren Gewächshäusern. Lobel urteilt, daß sie besser als irgend eine andere Nation die exotischen Pflanzen zu behandeln wüßten, so daß man in ihren Gärten mehr seltene Gewächse finde als im ganzen übrigen Europa. Leider seien dann durch die Bürgerkriege und den Kampf der protestantisch gewordenen Bewohner gegen das sie bedrückende katholische Haus Habsburg viele der schönsten Gärten zerstört und die Blumenkultur vielfach vernachlässigt worden.

Vorbildlich wirkte später in Holland der 1577 angelegte botanische Garten der Universitätsstadt Leiden, in welchem als erstem in Europa 1599 ein Gewächshaus für ausländische Pflanzen angelegt wurde. Im Jahre 1633 enthielt das Pflanzenverzeichnis des dortigen botanischen Gartens bereits 1104 Arten. Damals beschäftigten sich Magistratspersonen, Gelehrte und wohlhabende Bürger der verschiedensten Berufszweige mit Vorliebe damit, durch Einführung neuer Pflanzen die Botanik und besonders die Blumenzucht zu fördern. Kein Kauffahrteischiff verließ, wie ein damaliger Gelehrter bemerkt, einen holländischen Hafen, dessen Kapitän nicht dazu verpflichtet wurde, von allen Orten, an denen er landete, Samen, Wurzelknollen und, wenn möglich, auch lebende Pflanzen mit nach Holland zu bringen. Die angesehensten Bürger Hollands zeichneten sich besonders durch oft recht kostspielige Bepflanzung ihrer Gärten mit ausländischen Gewächsen aus, und es war ihnen eine Freude, Ableger davon dem botanischen Garten in Leiden zu schenken. Dieser Garten enthielt, als der berühmte Hermann Boerhave (geb. 1668 in Voorhout bei Leiden, seit 1709 Professor der Medizin und Botanik, später auch der Chemie in Leiden bis zu seinem 1738 erfolgten Tode) dort als Lehrer wirkte und alles tat, um ihn zu mehren, bereits 6000 Pflanzenarten. Dieser Gelehrte gab zuerst den Fenstern der Treibhäuser eine schiefe Lage, indem so, wie er sagte, die größte Menge von Sonnenstrahlen Einlaß finden konnte. In diesem für ganz Europa als Vorbild dienenden Garten wurden übrigens zuerst zu Anfang des 18. Jahrhunderts Pelargonien (Geranien) vom Kap der Guten Hoffnung und andere ausländische Zierpflanzen, die bald die Gunst auch der Laien erlangten, eingeführt und zu Zierpflanzen mit größeren Blüten gezüchtet.

Als zu Anfang des 17. Jahrhunderts in Holland zuerst aus den orientalischen Gartentulpen gefüllte gezogen wurden, brach eine neue Ära in der niederländischen Blumenzucht an. Im Jahre 1629 zählte der Engländer Parkinson bereits 140 Spielarten von Tulpen auf, die dort kultiviert wurden. Bald brach in Holland eine eigentliche Tulpomanie aus, deren Hauptsitz das diese Zierpflanze vor allem züchtende Harlem war und hier in den Jahren 1634–1640 ihren Gipfel erreichte. Diese Tulpenliebhabersucht, die auf einmal in Tulpenzwiebeln das höchste, kostbarste Gut der Erde sah, ergriff Hoch und Niedrig, Arm und Reich. Fabelhafte Preise wurden für neu auftauchende Spielarten bezahlt, so daß ein wahrer Taumel die sonst so kaltblütigen Holländer ergriff. Jedermann spekulierte in Tulpen und ganze Vermögen wechselten ihre Besitzer. Durch die Tulpe Van Eyck wurde ein blutarmer Handelsgehilfe zum mehrfachen Millionär. Eine einzige blühbare Zwiebel der Sorte Semper Augustus brachte dem glücklichen Besitzer 13000 und eine solche von Admiral Erckhuizen 6000 holländische Gulden ein, während eine solche von Admiral Lietkens bis 5000 Gulden eintrug. Eine Zwiebel der Marke Vive le roi wurde gegen 2 Lasten Weizen, 4 Lasten Roggen, 4 fette Ochsen, 8 Ferkel, 12 Schafe, 2 Oxthoft (= 450 Liter) Wein, 4 Tonnen Achtguldenbier, 2 Tonnen Butter, 1000 Pfund Käse, 1 Bündel Kleider und einen goldenen Becher eingetauscht. Im Jahre 1637 wurden nach Hirschfeld laut vorgelegtem Register in der kleinen Stadt Alkmar zugunsten des Waisenstifts 120 Tulpen mit ihren Brutknollen für 9000 Gulden verkauft und ein einziges Exemplar der Sorte „Vizekönig“ trug 4203 Gulden ein. In Anbetracht des damaligen Geldwertes sind das ungeheure Summen; denn zu jener Zeit galt ein Gulden in Holland so viel, daß man damit 1 Bushel (= 36 Liter) Weizen kaufen konnte. Ganze Vermögen wurden in Tulpen angelegt, so daß manche Reiche in ihren Tulpenbeeten mehr als 500 klassifizierte Varietäten besaßen. Erst als die Behörde 1637 ein Gesetz gegen das schwindelhafte Gebaren vieler Tulpenhändler erließ, verlor sich nach und nach dieses Tulpenfieber und wurde die Zucht dieser Zierblume, von der man später über 1000 Spielarten unterschied, in normale, gesunde Bahnen gelenkt.

Unsere Gartentulpen entstammen also mehreren Kreuzungsprodukten, die allerdings nicht näher bekannt sind. Der wichtigste Grundstamm derselben bildet jedenfalls die vorgenannte, in den Steppen Südrußlands und Westasiens heimische Tulipa suaveolens, von der auch direkt mehrere Varietäten, zum Teil mit gefüllten Blüten gezüchtet wurden. Eine der beliebtesten Formen derselben ist die bekannte Duc van Toll. Andere, im Orient wildwachsende Arten gelangten durch Kauffahrer nach Italien und Südfrankreich, wo sie sich teilweise einbürgerten und verwilderten, unter ihnen vor allem Tulipa clusiana, die 1606 von Konstantinopel nach Florenz kam und von hier nach Südfrankreich weitergegeben wurde. Von ihr und von der aus der Türkei eingeführten Tulipa turcica, wie auch von der in Südfrankreich, Italien und Kleinasien gedeihenden Tulipa praecox zog man die verschiedensten Varietäten. Von Tulipa turcica speziell stammen die monströsen Perroquetten oder Papageitulpen mit sehr großen Blumen von schöner gelber und roter Farbe mit weit abstehenden, zerrissenen und gefransten Blumenblättern. Auch die Tulipa greigi aus Turkestan mit bräunlich gefleckten Blättern und purpur- oder scharlachroten, am Grunde schwarzen Blumenblättern ist mehrfach zur Kreuzung herbeigezogen worden. Durch Hybridisation dieser Wildlinge mit den bereits vorhandenen Arten von Gartentulpen und der letzteren wieder unter sich sind seit 1800 die verschiedenen, in der Färbung von Violett- bis Blutrot durch alle Schattierung von Gelb ins Weiße spielenden, ein- oder mehrfarbigen bis gefleckten „Neutulpen“ entstanden. Unter diesen unterscheidet man gegenwärtig als Hauptvarietäten Früh- und Spätsorten. Erstere, die Frühtulpen, mit kürzerem Stengel, blühen an einem warmen Standorte schon im April oder noch früher und lassen sich gut treiben. Unter den Spät- oder Landtulpen — so genannt, weil ihre Zwiebeln kaum je in Töpfe, sondern direkt ins Gartenland gepflanzt werden — unterscheidet man einfarbige oder Muttertulpen (couleurs), buntfarbige oder gebrochene (parangons), und unter diesen wiederum Bizarden mit gelbem und Flamandes mit weißem Blütengrund. Violette Flamandes heißen mit einem holländischen Namen bijbloemen, rote dagegen nach den Franzosen roses. Die gefüllt blühenden Varietäten werden von den Blumisten den einfachen Sorten nachgesetzt und meist zu Teppichbeeten und Gruppen benutzt. Die Kultur der Tulpen stimmt im wesentlichen mit derjenigen der Hyazinthen, die alsbald besprochen werden soll, überein. Die zur Erlangung neuer Spielarten aus Samen gezogenen Tulpen blühen meist erst im 7. Jahre, während die aus Zwiebeln gezogenen dies im 3., ja teilweise schon im 2. Jahre tun.

Südeuropäische Gartenzierpflanzen sind die gelbe Taglilie (Haemerocallis flava) mit reingelber Blumenkrone, wie auch deren Abarten, die H. fulva mit rotgelben und H. alba mit weißen Blüten. Schon Theophrast und Dioskurides nennen sie unter der Bezeichnung hēmerocallís und sagen, daß namentlich ihre Zwiebel arzneilich gebraucht werde. Noch viel mehr war dies im Altertum mit der Meerzwiebel (Scilla maritima) der Fall, die nach diesen beiden Autoren roh und noch häufiger, in Teig oder Lehm gehüllt, auf glühenden Kohlen gebraten oder in Wasser oder Honig gekocht als Medizin gegessen wurde. Außerdem diente sie zur Schärfung des Essigs. Plinius beschreibt in seiner Naturgeschichte ausführlich die Herstellung des Meerzwiebelessigs, der auch als Arznei genossen wurde. Er sagt von ihm: „Er macht die Augen hell, ist bei Magenschmerz und Seitenstechen heilsam, wenn man alle zwei Tage davon einnimmt. Übrigens ist er so stark, daß man von ihm auf kurze Zeit halb ohnmächtig werden kann, wenn man davon trinkt.“ Dieses an den Küsten des Mittelländischen wie auch des Atlantischen Meeres wachsende Zwiebelgewächs wurde schon von den alten Ägyptern arzneilich verwendet und hieß bei ihnen askili, woraus später das arabische askil hervorging, während die Griechen es skílla und die Römer nach ihnen scilla nannten. Im Altertum pflanzte man diese Zwiebelart auf Gräber und hing sie als Amulett vor die Türe, um vor Zauber und namentlich Vergiftung geschützt zu sein. In Arkadien pflegten die Landleute die Bilder des Wald- und Weidegottes Pan bei dessen Festen mit Meerzwiebel zu bewerfen. In welch hohem Ansehen diese Pflanze im Altertume als Arzneimittel stand, beweist auch die Stelle des Plinius, worin gesagt wird: „Unter den Zwiebeln (bulbus) steht die Meerzwiebel (scilla), obgleich sie nur als Heilmittel und zur Schärfung des Essigs dient, in höchstem Ansehen. Sie zeichnet sich durch Größe und scharfen Geschmack aus und wächst vorzugsweise auf den balearischen Inseln, auf Ebusus (der Insel Iviza) und in Spanien. Der Philosoph Pythagoras hat ein Buch über diese Pflanze geschrieben, in welchem er ihre Heilkräfte zusammenstellt.“ Später wurde sie besonders durch die Klöster verbreitet; auch Karl der Große hieß sie in seinen Gärten anpflanzen. Das ganze Mittelalter hindurch bis in die Gegenwart wurde sie bei uns in Töpfen gezogen, um als geschätztes Heilmittel zu dienen. Es gibt wohl kaum ein besseres Bauernhaus, in welchem sie nicht zu finden wäre. Hier fristet sie mit ihren faust- bis kindskopfgroßen Zwiebeln zwischen den blühenden Geranien und Nelken auf den Gesimsen vor den Fenstern ein beschauliches Dasein. Durch ihre harntreibende Wirkung findet sie besonders bei der Behandlung von Wassersucht Verwendung, während die zerquetschten und dann schleimigen Blätter auf Wunden gelegt werden. Von ihren näheren Verwandten hat einzig die an bewaldeten Orten Süddeutschlands häufige, in Norddeutschland dagegen seltene Scilla bifolia wegen ihrer schönen blauen bis violetten Blüten besonders zur Einfassung von Blumenbeeten in unsern Gärten Eingang gefunden.

Eine weit größere Rolle als diese bescheidene Frühlingsbotin spielt in der modernen Blumenzucht die Gartenhyazinthe (Hyacinthus orientalis), die wie die Tulpe von den Türken aus den Gärten von Bagdad und Aleppo nach Konstantinopel gebracht wurde und von da um die Mitte des 16. Jahrhunderts nach Mitteleuropa gelangte. Die Stammform derselben ist in den Steppen Westasiens heimisch und gelangte schon im Altertum nach Kleinasien und Griechenland, wo sie verwilderte. Bei den alten Griechen bedeutete sie die Blume der Trauer, die ihren Namen nach der Sage von einem schönen spartanischen Jünglinge, dem Sohne des Königs Amyklas von Lakonien, einem Lieblinge Apollons, erhielt, der sich mit ihm gerne in Wettkämpfe einließ. Zephyros (der Westwind) gönnte dem jungen Manne nicht die Gunst des Gottes, die er vielmehr gerne besessen hätte, und beim Diskuswerfen lenkte er die schwere Scheibe aus Erz so, daß sie den Kopf des Hyakinthos traf und ihn tötete. Darüber war Apollon sehr betrübt. Wohl verstand er sich auf die Heilkunst, aber über den Tod war ihm keine Macht gegeben. Um wenigstens das Andenken an seinen Liebling der Nachwelt zu erhalten, ließ er aus dessen Blut die würzig duftende Hyazinthe erstehen, deren dunkelblaue Farbe Trauer bedeutet. Später war die hyákinthos auch der Demeter ein Zeichen der Klage und der Trauer um ihre vom Gotte der Unterwelt geraubte Tochter Proserpina. Doch wird sie bei den alten Schriftstellern kaum je genannt. Der Grieche Pollux erwähnt sie einmal in seinem Onomastikon als eine zu Kränzen verwendete Blume, mit der sich vornehmlich junge Mädchen als Zeichen der Trauer beim Verluste ihrer Gespielin bei deren Hochzeit schmückten. Und der Römer Columella nennt die hyacinthus als die Blaue, in der Farbe des Himmels Leuchtende, von der er auch eine weiße Abart als die schneeige (niveus) erwähnt. Jedenfalls wurde sie im Altertum nur ausnahmsweise als Gartenpflanze, höchstens etwa auf Gräbern wegen des ihr anhaftenden Beigeschmacks der Trauer, kultiviert. Dem Morgenlande verdanken wir ihre Zucht. Von den Arabern erhielten sie die Türken, die sie gerne in ihren Gärten anpflanzten. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts gelangte sie aus Konstantinopel nach dem Abendlande, wo sie noch weiter veredelt wurde und die violenblaue Farbe der Blumenblätter in Purpur, Karmin, Rosa, Dunkelblau bis fast Schwarz, ferner in Weiß, Gelb und selbst Orange verwandelte. In Holland, wo sie besondere Pflege gefunden hatte, verdrängte sie sogar mit der Zeit ihre Schwester, die vormals so vergötterte Tulpe. Besonders in Harlem wurde sie im großen gezogen und aus ihr durch immer weitergeführte Kreuzung neue Spielarten geschaffen, die für teures Geld ihren Besitzer wechselten. Außer einfachen erzielte man auch zwei- und dreifach gefüllte Hyazinthen von großartiger Pracht. Sie galten für wenigstens so wertvoll als die schönen und seltenen Tulpensorten, und wenn eine neu auftauchende Varietät ihren Namen erhalten sollte, gab es ein feierliches Tauffest, zu dem außer den Verwandten und Nachbarn auch die Bewohner der Umgegend eingeladen wurden und bei dem es hoch herging. Man konnte sich solches leisten; denn trotz der hohen Spesen war das Geschäft infolge der sehr hohen für neue Arten bezahlten Preise sehr einträglich.

Die erste Konkurrenz erwuchs der holländischen Hyazinthenkultur in Berlin, dessen Sandboden diese Zucht in hohem Maße begünstigte. Der aus Frankreich eingewanderte Kunstgärtner David veranstaltete hier 1740 die erste bedeutendere Tulpenausstellung und brachte dadurch diese Blume in der Hauptstadt Preußens in Mode. Die in der napoleonischen Zeit über Mitteleuropa hereinbrechenden kriegerischen und politischen Ereignisse lenkten aber die Aufmerksamkeit des Publikums wieder davon ab, doch erwachte sie nach den Freiheitskriegen von neuem. Die Nachkommen Davids, seine Söhne Peter und David, unterhielten in der Kommandantenstraße in Berlin prächtige Hyazinthenkulturen, die zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Berlins gehörten. Den Höhepunkt erreichte hier die Hyazinthenzucht im Jahre 1830. Vor dem Schlesischen Tor breitete sich ein 24 Morgen umfassendes Blumenparadies aus, in welchem unter anderen Zwiebelgewächsen 4½ Millionen Hyazinthen gezogen wurden. Ungezählte Scharen Neugieriger kamen zur Zeit der Blüte herbei, um dieses wirklich sehenswerte Farbenwunder zu bestaunen.

Bis zum Jahre 1860 war sonst die Kultur der für den Handel gezogenen Tulpen- und Hyazinthenzwiebeln fast ganz auf das Gebiet von Harlem in Holland konzentriert. Hier wachsen diese schönen, genügsamen Kinder der westasiatischen Steppe vorzüglich im Sandboden unmittelbar hinter den Dünen. Jeder Gärtner spezialisiert sich begreiflicherweise für eine gewisse Zahl von Typen, wodurch eine große Regelmäßigkeit in der Produktion der Zwiebeln gewährleistet wird. Unbestritten werden vor allem die Hyazinthen aus Harlem bezogen, wo man über 300 Spielarten derselben züchtet. Man zählt gegenwärtig in Holland mehr als 2000 Blumenzwiebelzüchter und etwa 150 Exporthäuser, die diese als Winterflor in Töpfen oder als erste Bepflanzung der Gartenbeete sehr geschätzte Handelsware nach allen Weltteilen versenden. Jedes Frühjahr gibt es öffentliche Versteigerungen in den Hyazinthen- und Tulpenfeldern selbst. Außerdem wird wöchentlich einmal eine Spezialbörse dafür in Harlem abgehalten. Die Blumenzwiebelkulturen nehmen eine Oberfläche von etwa 3500 Hektaren ein und der Wert der während der Saison exportierten Blumenzwiebeln erreicht 16 Millionen Mark, was einem Bruttoertrag von beinahe 4800 Mark pro Hektar der Kultur entspricht. 40 Prozent des Produkts wandern nach England; Deutschland und Österreich nehmen 25 Prozent, die Vereinigten Staaten 18, die Nordländer, vor allem Dänemark, Schweden und Norwegen 9, Frankreich und die übrigen latinischen Länder kaum 5 Prozent davon.

Die Vermehrung der holländischen Blumenzwiebeln, also der Hyazinthen und Tulpen, erfolgt auf ungeschlechtlichem Wege durch Pflanzen der Brutzwiebeln, von denen erstere mehrere, letztere dagegen meist nur eine produzieren. Die Vermehrung durch Samen erfolgt, weil sehr langsam vor sich gehend, nur, um die alten Varietäten zu regenerieren oder neue zu erzielen. Während eine unverletzte Hyazinthenzwiebel nur eine kleine Zahl Brutzwiebeln — zwischen 1–6 oder höchstens 8, oft aber auch gar keine — bildet, liefert eine verletzte um die Verletzungsstellen herum deren zahlreiche. Deshalb macht man zur Vermehrung der Blumenzwiebeln gewöhnlich vier Schnitte durch den untern Teil derselben oder höhlt ihn aus. Letzteres Verfahren liefert nämlich weitaus am meisten Brutzwiebeln, während man vermittelst des Kreuzschnittes durch den Zwiebelboden weniger, dafür aber, weil sie besser ernährt werden, größere erhält, die sich rascher entwickeln und schneller zum Blühen gelangen, nämlich meist schon ein Jahr nach der Verletzung der Mutterzwiebel. Diese Operation wird meist im Juni vorgenommen, wenn die Zwiebeln, die im Frühling blühten, aus dem Boden herausgenommen werden, um erst wieder im Herbst ausgepflanzt zu werden. Früher trocknete man sie einfach an der Sonne; jetzt aber setzt man sie nach dem Einschneiden ihres Bodens der Luft aus, nachdem man sie mit Asche oder Kalk bestäubt hat, wodurch die Wunden alsbald heilen. Sie werden an einem luftigen Orte aufbewahrt und bilden an den Schnittstellen bis zu 40 Brutzwiebeln. Im Oktober oder November pflanzt man die Zwiebeln mit den Brutzwiebeln wie die gewöhnlichen Hyazinthenzwiebeln in Erde, die das Jahr vorher mit Kuhmist gedüngt wurde. Viele dieser Brutzwiebeln bilden im folgenden Jahre Blätter. Im Juni werden sie mit den Mutterzwiebeln dem Boden entnommen, von letzteren abgelöst und von der anhaftenden Erde gereinigt, getrocknet und an einem luftigen Orte aufbewahrt. Im Oktober werden sie wieder wie gewöhnliche Zwiebeln gepflanzt. Erst nach dem dritten Pflanzen erreichen sie eine genügende Größe, um im folgenden Jahre blühen zu können. Als solche kommen sie dann zum Verkauf.

Von den Verwandten der Gartenhyazinthe werden auch die auf Kulturboden wie Äckern und Weinbergen bei uns wildwachsenden perlblütige und Trauben-Bisamhyazinthe (Muscari botryoides und racemosum) mit nach Moschus beziehungsweise Pflaumenduft riechenden, einfachen blauen Traubenblüten gelegentlich als Zierpflanzen in den Gärten kultiviert. Noch beliebter als diese, weil schöner blühend, ist die aus China stammende eiblätterige Funkie (Funkia ovata), mit gestielten, breiteiförmigen Blättern und hellrosenroten Blüten. Ihr nahe steht die aus Südasien, besonders Ceylon und Java stammende Tuberose (Polyanthes tuberosa) — Tuberose, d. h. die Knollenwurzelige (von tubera Knollen) genannt —, deren 10–20 in langgestielter, endständiger Traube stehenden wohlriechenden, weißen Blüten besonders in Südfrankreich, wie übrigens auch die Hyazinthen, zur Parfümgewinnung gepflanzt werden. In Amerika, wohin sie früh gelangte, ist sie zum Liebling besonders der Bewohner Perus geworden, die mit ihr vorzugsweise die Altäre in den Kirchen schmücken, während die Damen sich mit Sträußen von ihr versehen, um möglichst oft daran riechen zu können.

Als Topfzierpflanze ist bei uns auch die der vorigen ähnliche doldenblütige Schmucklilie oder blaue Liebesblume (Agapanthus umbellatus) — von agápē Liebe und ánthos Blume — mit reicher Dolde von blauen Blüten auf 0,6 bis 1 m hohem Schafte vom Kap der Guten Hoffnung beliebt, während das wohlriechende Maiglöckchen (Convallaria majalis) mit seiner zierlichen Traube überhängender, weißer Blüten zu unseren beliebtesten Frühlingsgartenpflanzen gehört. Als sehr frühblühende Pflanze wird sie besonders in Berlin wie der Flieder getrieben und die blühbaren Keime überallhin in die Blumengeschäfte versandt. Ihre getrockneten Blüten bilden den Hauptbestandteil des Nießpulvers und geben mit den gepulverten Samen der Roßkastanie den bekannten „Schneeberger“ Schnupftabak, so genannt, weil er zu Schneeberg im Königreich Sachsen zuerst bereitet wurde.

Auch der in Südeuropa heimische ästige Asphodill (Asphodelus ramosus) wird wie sein Verwandter, der gelbe Asphodill (A. luteus) in manchen Gärten gezogen. Ersterer, der an der Küste überall auf Wiesen üppig wächst, wurde als Sinnbild der Trauer von den alten Griechen auf die Gräber gesetzt und seine Wurzelknollen, die nach Porphyrius auch der Philosoph Pythagoras gerne gegessen haben soll, für die bevorzugte Speise der Geister der Abgeschiedenen gehalten. Nach verschiedenen Stellen in der Odyssee wandeln nach homerischer Anschauung die Geister der Verstorbenen in der Unterwelt auf Asphodillwiesen (asphodēlós leimṓn), auf denen von ihnen auch große Jagden abgehalten werden sollen. Plinius sagt von ihm: „Der asphodelus soll ein vorzügliches Mittel gegen Vergiftungsversuche sein, wenn man ihn vor dem Tore der Villa pflanzt. Man ißt den Samen und die Wurzel, nachdem man sie geröstet hat, was bei der letzteren in der Asche geschieht, worauf man Salz und Öl hinzufügt und sie auch noch mit Feigen zusammenstampft; es ist dies ein Gericht, das Hesiodus (der im 8. Jahrhundert v. Chr. in Böotien lebende griechische Dichter) für vorzüglich wohlschmeckend hält. Seine Wurzel gleicht einer mittelgroßen Kohlrübe (napus), und keine Pflanze hat mehr Knollen (bulbus), denn es sind deren oft 80 zu gleicher Zeit vorhanden. Es ist eine Erfahrungstatsache, daß mit Gerstengrütze gekochte Asphodelusknollen abgezehrten und schwindsüchtigen Leuten sehr gut bekommen und daß sie, mit Mehl zusammengeknetet, ein sehr gesundes Brot geben. Nikander braucht Stengel, Samen und Knollen gegen den Biß von Schlangen und Skorpionen, legt sie auch als Schutzmittel gegen die genannten Tiere unter das Kopfkissen. In Kampanien gehen die Schnecken dem Stengel dieser Pflanze eifrig nach und saugen ihn aus. Man heilt übrigens mit asphodelus eine Menge Krankheiten, verjagt und tötet auch die Mäuse damit, indem man mit ihm deren Löcher verstopft.“ Nach Hesiod dienten die Wurzelknollen des Asphodill trotz ihres scharfen Geschmackes den alten Pelasgern als Speise und lieferten in Verbindung mit Malven ein „köstliches Gericht“ (wörtlich eine königliche Speise), während Theophrast (im 4. Jahrhundert v. Chr.) sagt, daß sie nur von Armen gegessen werden. Der Asphodill diente im Altertum auch als Schutzmittel gegen Zauberei und wurde bei den mittelalterlichen Ärzten zu einem der sieben Kräuter der Planeten erhoben, auf welche besonders Saturn einen Einfluß ausüben und ihm die Eigenschaft erteilen sollte, jeden, der ein Stück der Pflanze bei sich trage, vor bösen Geistern zu schützen. Noch heute dienen die Wurzeln zur Bereitung eines nahrhaften Mehles, das aus dem Orient, wo die Pflanze sehr gemein ist, in den Handel gebracht wird. Wegen des reichen Gehaltes an einer schleimigen, klebenden Substanz verwenden die Buchbinder, Schuster und Sattler Toskanas und anderer Gegenden Italiens die gepulverten Wurzeln als Kleister. Die goldgelbe, deshalb auch Goldwurz genannte Wurzelknolle des gelben Asphodills diente früher äußerlich als Amulett und innerlich als harntreibendes Mittel, während sie neuerdings besonders in Algerien zur Zuckerfabrikation und Schnapsbereitung dient. Auf den Höhen des Libanons dagegen wächst der Asphodelus kotschyi (nach dem österreichischen, 1866 in Wien verstorbenen Botaniker Theodor Kotschy, der Syrien bereiste und sie zuerst beschrieb, so genannt), dessen stärkemehl- und gummireichen Wurzeln als nurtoak im Orient an Stelle von Salep (Orchideenwurzelknollen) häufig Verwendung finden. Der deutsche Reisende Strelack ernährte sich und seine Begleiter auf der zweiten Reise durch Syrien vier Tage lang damit und brachte 1863 gegen 11000 kg derselben mit nach Deutschland, um das daraus gewonnene Mehl als neues, billiges Nahrungsmittel in den Handel zu bringen.

Als Dekorationspflanze für Treppenaufgänge, Säulenhallen und in Blumenbeeten dient die Flachslilie, der neuseeländische Flachs (Phormium tenax), so genannt, weil ihre Blätter zur Gewinnung einer äußerst zähen Faser gewonnen werden. Sie wurde von Solander und J. Banks, den Begleitern von James Cook auf dessen erster Reise um die Welt (1768–1771), in Neuseeland entdeckt, wo sie weite Strecken bedeckt. Ihre Wurzelknolle ist wegen des Gehaltes an einem sehr bittern Stoff nicht eßbar und dient den Maorimüttern dazu, ihre Brustwarzen damit einzureiben, wenn sie ihre Kinder entwöhnen wollen.

Beliebte Treibhauszierpflanzen sind dagegen die wegen ihrer zwischen Palmen und Lilien in der Mitte stehenden Tracht als Palmlilien bezeichneten Yuccas, die sämtlich amerikanischen Ursprungs sind. Namentlich wird die 1–1,3 m hohe, schöne Palmlilie (Yucca gloriosa) aus Peru in verschiedenen Formen mit oft bunten Blättern in großen Töpfen gezogen. Sie treibt umfangreiche, rispige Ähren von prächtigen, hängenden, weißen Blüten. Ihre Wurzelknollen werden von den Indianern zu Mehl zerrieben und zu Brot verbacken; die Blätter dagegen liefern einen Faserstoff. Wichtiger ist derjenige der in Virginien heimischen fadigen Palmlilie (Yucca filamentosa). Deren Blattfäden werden in ihrer Heimat zur Herstellung von Geweben und Stricken benutzt. Gleicherweise verwendet man die der in Westindien und Mexiko heimischen aloeblätterigen Prachtlilie (Yucca aloifolia), deren Blüten als Gemüse verzehrt werden und deren Blätter in Mexiko zur Herstellung von Papier dienen, während aus der Blattoberhaut künstliche Blumen verfertigt werden. Alle Yuccaarten werden durch bestimmte kleine, meist weißlich gefärbte Motten in der Weise befruchtet, daß sie den Pollen in die ausgehöhlte Narbe der Blüte stopfen, damit die aus den daraufgelegten Eiern sich entwickelnden Räupchen die zur Erhaltung der Art nötige Nahrung finden. Wenn sie auch später einen Teil der sich entwickelnden Samen verzehren, so hat dies nichts zu bedeuten, da die Pflanze auch so über genügend Sämlinge verfügt, so daß der Dienst dieses Tierchens, ohne den sie aussterben müßte, nicht zu teuer belohnt ist. Weil diese kleinen Motten in Europa fehlen, tragen die bei uns gezogenen Yuccaarten, auch wenn sie noch so schön blühen, niemals Samen.

Im Altertum spielte auch die rauhe Stechwinde (Smilax aspera) — rauh, wegen der Stacheln an Stengeln und Blättern genannt — als Arznei- und Zierpflanze eine gewisse Rolle, während eine amerikanische Verwandte die offizinelle Sarsaparillwurzel liefert. Diese südeuropäische Schlingpflanze, welche in Italien und Griechenland bis 16 m hoch, namentlich an den Platanen hinaufklettert, besitzt wohlriechende, weiße Blüten, die bei den alten Griechen mit Efeu zusammen bei den Dionysosfesten zu Kränzen gewunden wurden. Nach alter Sage sollte das Gewächs durch Verwandlung der Nymphe Smilax entstanden sein, welche aus unerwiderter Liebe zu dem Jüngling Krokos starb. Theophrast beschreibt sie ausführlich als smílax, Dioskurides sagt: „Der rauhe Smilax (smílax tracheía) wird als ein wichtiges Mittel gegen Gifte gebraucht,“ und Plinius schreibt über sie: „Der smilax stammt ursprünglich aus Kilikien, ist in Griechenland häufig, hat kleine, nicht ausgeschnittene, übrigens denen des Efeu ähnliche Blätter. Die Blüten sind weiß und riechen wie Lilien. Er ist bei allen Opfern und Kränzen ein Unglückszeichen, weil er Trauer bedeuten soll, indem ein unglückliches Mädchen namens Smilax in diesen Strauch verwandelt wurde. Der großen Masse des Volkes ist dieser Umstand nicht bekannt; es entheiligt daher seine Feste oft dadurch, daß es ihn statt des Efeus verwendet, wiewohl doch eigentlich jedermann wissen sollte, daß die Dichter dem Vater Bacchus und dem Silenus (nach griechischer Sage Sohn des Hermes oder Pan, Erzieher und Gefährte des Bakchos, wird in der Kunst als dickbäuchiger Alter mit Glatzkopf, Stumpfnase und Ziegenohren mit einem Weinschlauch dargestellt) Efeukränze zuschrieben. Aus dem Holze des smilax macht man auch Schreibtäfelchen; dieses hat die Eigentümlichkeit, daß es, ans Ohr gehalten, einen leisen Ton von sich gibt.“ An einer andern Stelle sagt dieser Autor: „Werden Blätter zu Kränzen verwendet, so sind es vorzugsweise diejenigen des smilax und des Efeus.“ Noch jetzt sind weit mehr als die Blüten die kugeligen, roten Früchte dieser Stechwinde in Griechenland eine Zierde fast aller Blumensträuße und dienen den jungen Damen, in die Haare geflochten, als schöner Kopfputz.

Als Arznei dagegen diente bei den alten Griechen und Römern der stechende Mäusedorn (Ruscus aculeatus), ein 30–60 cm hoher, immergrüner Strauch mit blattförmigen, in einen Stachel auslaufenden grünen Zweigen, auf deren Mitte die 3–5 grünlichen Blüten stehen. Während aus dieser Pflanze in Italien häufig Besen gemacht werden, wird sie bei uns nicht selten als Zierpflanze in Gärten gepflanzt. Früher war sie als harntreibendes Mittel gebräuchlich. Theophrast erwähnt sie als alexandrinischer Lorbeer und Dioskurides, wegen ihrer Ähnlichkeit mit dem Myrtenstrauch, als wilde Myrte (myrsínē agría). Er sagt von ihr: „Sie dient als Arznei, auch verspeist man die jungen Sprossen als Gemüse; sie schmecken etwas bitter.“ Plinius aber schreibt von ihr: „Der alexandrinische Lorbeer wächst in größter Menge am Ida und bei Heraklea am Pontus, aber nur auf dem Gebirge. Er dient der Kunstgärtnerei und zum Kranzflechten; die Wurzel dient als Heilmittel.“

Auch der in den Mittelmeerländern wildwachsende gemeine Tamus (Tamus communis) mit kugeligen, roten Früchten war bei den Alten offizinell. Dioskurides bezeichnet ihn als „wilde Rebe“ und sagt von ihm: „Wurzel und Früchte dienen als Arznei, die jungen Sprossen als Speise.“ Soweit die Liliazeen.

Unter den Amaryllideen sind das Schneeglöckchen (Galanthus nivalis), das auf Bergwiesen Süddeutschlands wild wächst und bisweilen verwildert auch in Obstgärten angetroffen wird, und die Frühlingsknotenblume (Leucojum vernum, — ersteres Wort kommt aus dem Griechischen leukón íon, d. h. weißes Veilchen), die in schattigen Laubwäldern Süd- und Mitteldeutschlands, sehr selten in Norddeutschland angetroffen wird, beliebte Frühlingsgartenzierpflanzen. Ihre Zwiebeln sind brechenerregend und giftig, während die viel giftigeren der nahe verwandten südafrikanischen Buphone toxicaria den Buschmännern einen Bestandteil ihres gefürchteten Pfeilgiftes liefern.

Was die Lilien für die Alte Welt bedeuten, das sind gewissermaßen die Amaryllisarten der Neuen. Diese Pflanzenfamilie hat ihren Namen von der vom römischen Dichter Vergil (70–19 v. Chr.) in seinen Hirtengedichten besungenen Hirtin oder Nymphe Amaryllis, einer griechischen Bezeichnung, die die Glänzende, Leuchtende bedeutet. Diese amerikanischen Lilien verdienen denn auch in der Tat wegen ihrer schönen Blüten diesen sie auszeichnenden Namen. Unter ihnen ist besonders Amaryllis formosissima zu nennen, die in ihrem Vaterlande Südamerika oft ganze Ebenen bedeckt und zur Zeit der Blüte einen wundervollen Anblick gewährt. Wegen ihrer großen, gelbroten, aber duftlosen Blüten wird sie nebst den übrigen Arten und zahlreichen, sehr verschieden gefärbten Bastarden häufig bei uns in Töpfen kultiviert. Durch mannigfache Kreuzungen der Wildlinge wurden von englischen, deutschen, holländischen und amerikanischen Gärtnern wahre Wunderblumen gezüchtet. Die hauptsächlichste Stammutter der modernen, im Herbste blühenden Sorten ist die schon im Jahre 1777 von den Ufern der Batafogobai nach Europa eingeführten Amaryllis reticulata, während die im Winter und Frühling blühenden Sorten von anderen Arten abstammen. Die aus Westindien stammende Amaryllis belladonna mit sehr giftiger Zwiebel hat Dolden von zart rosafarbigen Blüten, während die gerade zu Weihnachten blühende Amaryllis tettaui feuerrote Blüten besitzt. Die übrigen, zu Ausgang des Winters und im Frühling blühenden Formen wechseln vom zartesten Rosa bis zum dunkelsten Rot. Weiße Formen sind sehr selten und werden, obschon sie noch unvollkommen in der Form sind, beinahe mit Gold aufgewogen. Zu den schönsten Zwiebelgewächsen aus der Gattung der Amaryllideen gehören auch die Eucharisarten, von denen Eucharis amazonica und candida bei uns vielfach gezogen werden.

Häufig gezogene Gartenzierpflanzen sind ferner die Narzissen, von denen die gelbe oder gemeine Narzisse (Narcissus pseudonarcissus) mit langer, glockiger, am Rande welliger, goldgelber Krone an der blaßgelben Blüte — die jonquille der Franzosen — auf Bergwiesen wild wächst und manchenorts verwildert ist. Auf Bergwiesen Griechenlands, Norditaliens und der Schweiz — z. B. am Nordufer des Genfersees bei Les Avants — wächst dagegen die echte Narzisse (Narcissus poeticus) mit weißer Blüte und sehr kurzer, schüsselförmiger Krone mit feingekerbtem, scharlachrotem Rande in Menge wild, während die ebenfalls höchst wohlriechende Tazette (Narcissus tazetta) in Griechenland, an der Riviera und in Südspanien in feuchten Niederungen und die späte Narzisse (Narcissus serotinus) in mittleren Lagen Südeuropas heimisch ist. Beide letztgenannte Arten tragen mehrere Blüten auf einem Stengel, sind weiß und höchst wohlriechend; letztere unterscheidet sich von der ersteren wesentlich dadurch, daß sie regelmäßig im Herbste blüht. Tazetta ist das Verkleinerungswort des italienischen tazza für Tasse, Schale und wurde dieser Narzissenart wegen der Ähnlichkeit ihrer Blüte mit einem Täßchen gegeben. Sie wurde durch Clusius (1526–1609) 1565 am Fuße des Berges von Gibraltar und die Jonquille mit gelben Blüten und langer, gelber Krone ebenfalls von ihm auf den Wiesen bei Cadix und Sevilla gefunden und dann in unsere Gärten eingeführt. In Südfrankreich bereitet man aus den wohlriechenden Blüten der Narzissen und Tazetten feine Parfüms.

Unter Narzisse verstanden die alten Griechen und Römer die echte und die späte Narzisse. Nárkissos hieß nach der griechischen, uns in den Geoponika und durch Ovids Metamorphosen erhaltenen Sage ein schöner Jüngling, der sich durstend an einer Quelle lagerte, dabei im Wasserspiegel sein Bild sah, von dessen Schönheit bezaubert er es umarmen wollte, dabei ins Wasser fiel und ertrank. Die mitleidigen Götter sollen ihn dafür in jene schöne Blume verwandelt haben. Theophrast meint offenbar die späte Narzisse, wenn er schreibt: „Der nárkissos wird von vielen auch leírion (Lilie) genannt. Er trägt wie die Lilie eine weiße Blume auf dem Stengel und erzeugt in einer häutigen Hülle eine große, schwarze, längliche Frucht. Fällt diese ab, so wächst aus ihr eine neue Pflanze; man sammelt sie aber auch absichtlich zum Kultivieren oder pflanzt die Wurzel. Diese ist fleischig, rund und groß. Die Blüte erscheint erst spät, nach dem Aufgang des Arkturos und zur Zeit der Herbst-Nachtgleiche.“ Auch Vergil spricht von ihr, wenn er in seiner Georgica sagt: „Gern möchte ich die üppig prangenden Gärten besingen, die zweimal im Jahre blühenden Rosenbeete (rosarium) in Paestum, die bewässerten Endivien (intybum), den am Ufer grünenden Sellerie (apium), die sich im Grase dahinschlängelnde Gurke (cucumis) mit ihren schwellenden Früchten, die spät in reichlicher Fülle blühende Narzisse, die gebogenen Acanthusblätter, den bleichen Efeu, die den Strand liebenden Myrten.“

Dioskurides dagegen meint mit seiner Beschreibung offenbar die echte Narzisse, von der er sagt, daß sie am schönsten auf den Gebirgen wachse und wohlriechend sei. Die gekochte zwiebelartige Wurzel bewirke Erbrechen, werde aber mit Honig zusammengerieben auf Brandwunden gelegt und sonst als Arznei gebraucht. Das aus ihr für den arzneilichen Gebrauch mit Kalmus, Myrrhe und wohlriechendem Wein hergestellte Narzissenöl werde zu arzneilichem Gebrauche bereitet, verursache aber Kopfweh. — Wegen des roten Saums der Blütenkrone wurde diese Narzisse von Vergil als purpureus narcissus und von Plinius als purpureum lilium bezeichnet. Letzterer schreibt in seiner Naturgeschichte: „Es gibt auch purpurfarbige Lilien, deren Stengel zuweilen doppelt, deren Wurzel eine einzige große Zwiebel ist; man nennt sie narcissus. Die eine Art hat eine weiße Blüte mit purpurfarbigem Becher (calyx). Sie unterscheidet sich dadurch von den eigentlichen Lilien, daß sie nur an der Wurzel Blätter hat. Die besten Narzissen wachsen auf den Gebirgen Lykiens. Bei einer dritten Art ist alles ebenso, nur der Becher ist krautartig. (?) Alle blühen spät, nämlich nach dem Aufgang des Arkturus und während der Herbst-Nachtgleiche.“ Letztere Behauptung hat er kurzweg dem Theophrast nachgeschrieben, der dies nur von der späten Narzisse aussagt. Ein Grieche bemerkt in den Geoponika, daß die Narzisse aus der Zwiebel gezogen werde.

Unter den Irideen oder Schwertliliengewächsen sind vor allem die Schwertlilien selbst zu nennen. Unter ihnen haben wir die überall in stehenden Gewässern Europas wildwachsende, 0,6–1 m hohe gelbe Schwertlilie (Iris pseudacorus, d. h. falscher Acorus, weil sie vor der Blütezeit mit dem Kalmus Ähnlichkeit hat). Sie hat große, gelbe Blüten und einen kurzen, innen rötlichen, ausdauernden Wurzelstock mit scharfem Saft, der früher als falscher Kalmus oder Gilgenwurzel (Gilge ist die im Mittelalter gebräuchliche Bezeichnung für Lilie) benutzt wurde. Dann die bis 1 m hohe blaue oder deutsche Schwertlilie (Iris germanica) mit dunkelblauen Blüten. Sie hat ihre Heimat im Mittelmeergebiet und wurde jedenfalls schon von den Römern über die Alpen gebracht, wuchs vermutlich auch in den Gärtlein der mittelalterlichen Burgen, und ist nicht nur an Orten, wo solche standen, sondern auch sonst an sonnigen Abhängen und felsigen Örtlichkeiten, an denen es ihr warm genug ist, völlig verwildert. Sie zählt von alters her zu den beliebtesten Gartenpflanzen, ist bei aller Anspruchslosigkeit äußerst dankbar und hat sich infolgedessen überall leicht eingebürgert. Auch in England wurde sie vor dem Jahre 1597 angepflanzt. Sie hat mit der Zeit zahlreiche Spielarten mit dunkelvioletten, bläulichweißen, hellgelben und andern Blumenblättern hervorgehen lassen und findet vielfach zur Ausschmückung von Böschungen Verwendung.

Tafel 143.

Beet verschiedenfarbiger Schwertlilien in einem japanischen Garten bei Tokio.

Eine Chrysanthemum-Ausstellung im kaiserl. Palast in Tokio.

Tafel 144.

Unter einer blühenden japanischen Glycine.

Mit Blumen geschmückte japanische Sänfte.

Ebenfalls in Südeuropa wie auch im Orient heimisch ist die bleiche Schwertlilie (Iris pallida) mit blaßvioletten, wohlriechenden Blüten und die florentinische Schwertlilie (Iris florentina) mit weißen, an der Basis braun geaderten, wohlriechenden Blüten. Der knollige Wurzelstock dieser drei Arten kommt als angenehm duftende „Veilchenwurzel“ in den Handel. Zu dessen Gewinnung werden besonders die blaue und bleiche Schwertlilie in Italien, speziell in Toskana um Florenz herum, auf Hügeln oder an Bergabhängen zwischen Weinbergen kultiviert. Nach drei Jahren wird der fleischige Wurzelstock geschnitten, geschält, gereinigt und an der Sonne getrocknet. Dadurch bekommt der frisch widerlich riechende und scharf bitter schmeckende Wurzelstock einen angenehmen veilchenartigen Geruch und milden Geschmack. Sein riechendes Prinzip Iron ist identisch mit dem Jonon der Veilchenblüten. Es ist also der Name Veilchenwurzel sehr wohl angebracht. Sie diente früher als Amulett gegen die Pest, während man jetzt aus ihr Rosenkränze und kleine Schmucksachen schnitzt, Stäbchen zum Daraufbeißen für zahnende Kinder schneidet und sie zur Herstellung von Zahnpulver, Brusttee, Pulver zum Bestreuen von Pillen und Aromatisieren von Haarpudern verwendet. Im Orient dient der gepulverte Wurzelstock zum Schminken, indem die darin enthaltenen spitzigen Kristallnadeln von kleesaurem Kalk beim Reiben die Haut für kurze Zeit entzündlich röten. Aus den Abfällen der Wurzel destilliert man ein ätherisches Öl.

Schon bei den alten Griechen und Römern fand die Veilchenwurzel arzneiliche Verwendung. Theophrast sagt von ihr: „Es gibt eine wohlriechende íris, die in Illyrien besser ist als in Makedonien; in Thrakien und kälteren Ländern hat sie gar keinen Geruch. — Die Heilpflanzenverkäufer und Wurzelgräber geben die Vorschrift, man solle beim Ausgraben der wilden Iris einen aus Mehl von Sommerweizen und Honig gebackenen Kuchen der Erde zur Belohnung geben; man solle ferner drei Kreise mit einem zweischneidigen Schwerte beschreiben, das zuerst abgeschnittene Stück der Wurzel in die Höhe halten und dann erst das übrige ausgraben.“ Dioskurides teilt mit, daß die Pflanze den sonst dem personifizierten Regenbogen zukommenden Namen Iris von der Vielfarbigkeit ihrer Blüten erhielt, „die entweder weiß oder blaßgelb oder quittengelb oder purpurfarbig oder blau sind. Die wohlriechenden Wurzeln werden zerschnitten, im Schatten getrocknet und, an Fäden aufgereiht, aufbewahrt. Die beste Iriswurzel kommt aus Illyrien und Makedonien, und von dieser sind diejenigen die besten, die dicht, zäh, blaßgelb, sehr wohlriechend und von brennendem Geschmack sind, auch müssen sie, während sie gestampft werden, Nießen erregen. Die libysche ist kraftloser, weiß, von bitterem Geschmack. Alle werden, wenn sie altern, von Würmern durchfressen, riechen aber dann noch besser; man gebraucht sie gegen vielerlei Leiden.“ Auch Plinius bespricht die Iris in seiner Naturgeschichte ausführlich und sagt, die beste Iriswurzel wachse in Illyrien, nicht an der Küste, sondern im Innern; ihr nahe komme die makedonische und zuletzt komme die afrikanische, die die größte ist und am bittersten schmeckt. „Auch die pisidische ist brauchbar. Leute, welche Iriswurzeln sammeln, begießen sie drei Monate vorher mit Honigwasser, um durch diese Opfer die Erde zu versöhnen. Dann ziehen sie um die Iris mit der Spitze eines Schwertes einen dreifachen Kreis und, haben sie dieselbe herausgenommen, so heben sie sie sogleich zum Himmel empor. Sie ist von Natur hitzig und erzeugt beim Anfassen eine Art Brandflecken. Früher wurde das beste Irisöl (irinum) auf der Insel Leukas und in Elis bereitet, wo man die Iris seit langer Zeit zu diesem Zwecke anpflanzt. Jetzt bekommt man auch vortreffliches aus Pamphylien, Kilikien und aus dem Norden. — Man bindet den Kindern zum Schutz gegen Krankheit eine Iriswurzel um, vorzüglich, wenn sie Zähne bekommen oder am Husten leiden; auch kaut man die Wurzel, um den Geruch des Atems zu verbessern, braucht sie ferner gegen viele Übel. Beim Sammeln wird die Vorschrift beobachtet, daß man sie mit der linken Hand ausreißt und dabei sagt, welchen Menschen und welche Krankheit man damit heilen will. Die Kräutersammler verfahren übrigens beim Sammeln der Iris und einiger anderer Pflanzen, z. B. des Wegerichs (plantago), ganz heimtückisch. Sie behalten nämlich einen Teil der Pflanze zurück und graben ihn wieder am Fundorte ein, wenn sie schlecht bezahlt werden, gewiß, um so die Krankheit, welche durch die Pflanze geheilt wurde, wieder zum Ausbruch zu bringen.“ Endlich wird in den Geoponika gesagt: „Die illyrische Iris wird vom Januar bis zum April in Gärten gezogen, indem man Wurzelsprossen von alten Stämmen trennt und einpflanzt.“

Neben diesen werden noch viele andere Arten von Schwertlilien in unseren Gärten gezogen, so die ebenfalls aus den Mittelmeerländern zu uns gekommene bunte Schwertlilie (Iris variegata) mit gelben, dunkelviolett geaderten Blüten, die englische Schwertlilie (Iris anglica) mit wohlriechenden, weißen Blüten, an deren Grunde sich blaue oder purpurrote Flammen und Flecken befinden, die ähnlich gezeichnete, nur noch farbenreichere spanische Schwertlilie (Iris hispanica), die Zwergschwertlilie (Iris pumila) mit niedrigem Stengel und dunkelvioletten Blüten, die in zahlreichen Varietäten besonders zur Einfassung von Blumenbeeten verwendet werden. Ferner die sibirische Schwertlilie (Iris sibirica) mit schmalen Blättern und hellblauen, violett geaderten Blüten, die auch in mehreren Varietäten besonders in feuchtem Boden kultiviert wird. Gleichfalls viel Wasser verlangt die prächtige, große Blüten besitzende Iris laevigata aus Sibirien und Japan und die Iris kämpferi aus Japan, die eine besondere Ähnlichkeit mit unserer gelben Schwertlilie aufweist. Beide wurden in verschiedenen Varietäten bei uns eingeführt und können, da sie auch bei uns winterhart sind, zur Einfassung von Teichen und Wasserläufen sehr empfohlen werden. Im Jahre 1830 kam aus Persien die düstere, fast schwarzblühende Iris susiana und später aus dem Kaukasus die Iris iberica zu uns. Alle diese Schwertlilienarten lieben die Sonne, die für ihr reichliches Blühen unerläßlich ist. Neben den bunteren Schwestern behauptet immer noch die mit am reichsten blühende, in ihren Ansprüchen äußerst bescheidene deutsche Schwertlilie eine wichtige Stellung unter dem Schwertlilienflor. In den alten Sorten ziert sie die prunkvollen Herrschaftsgärten so gut wie die bescheidenen Bauerngärtchen, in denen sie neben Rose und weißer Lilie zum althergebrachten eisernen Bestande gehört. Besonders schön macht sie sich in einer größeren Gruppe im grünen Rasen oder am Gebüschrande.

An die Irisarten schließen sich als deren nächste Verwandte die Gladiolen an, von denen die meisten Arten in Südafrika heimisch sind. Ihr wichtigster südeuropäischer Vertreter ist die Siegwurz (Gladiolus communis), die 1 m hoch wird mit purpurroten, weißen oder fleischfarbigen Blüten. Siegwurz heißt sie, weil ihr süßlicher, schwach veilchenartig riechender Zwiebelknollen unter dem Namen Siegwurz oder Allermannsharnisch zum Heilen von Wunden und besonders als Amulett gegen Verwundung besonders von den Soldaten getragen wurde. Die wichtigsten, der abgeschnitten zu Bucketts und als Einzelpflanzen in Vasen höchst beliebten modernen bunten Spielarten stammen von Gladiolus cardinalis mit scharlachroten Blüten und Gladiolus psittacinus mit scharlachroten und gelben Blüten. Beide stammen aus Südafrika und ergaben durch Kreuzung eine große Zahl von Hybriden. Eine solche, besonders reichblühende und farbenprächtige Varietät sind die von Van Houten in Gent gezüchteten Genter Gladiolen, die zunächst, als von wärmeliebenden Eltern stammend, noch nicht bei uns winterhart waren, bis sie es durch Kreuzung mit einer von William Bull 1870 eingeführten winterharten Varietät aus Natal wurden. Sie waren aber gleichwohl wegen verschiedener Schönheitsfehler noch minderwertig und konnten deshalb nicht direkt als Zierpflanzen verwendet werden. Dies war erst möglich, als Lemoine in Nancy durch Kreuzung dieser Hybriden mit der schönen südafrikanischen Gladiolus sandersi, die nicht nur winterharten, sondern auch buntgefärbten Nancyer Gladiolen mit auffallend großen, punktierten Blumenblättern züchtete. Sie können nun im freien Lande kultiviert werden, ohne daß ihre Knollen herausgenommen und wie noch diejenigen der Genter Gladiolen in frostfreiem Raume überwintert werden müssen.

Der eßbare Schwertel (Gladiolus edulis) in Südafrika hat eine fast zusammengesetzte Blütenähre mit schönen Blüten und eßbaren Zwiebelknollen. Die Zwiebeln des als Feldunkraut unter Getreide in Südeuropa häufig anzutreffenden Gladiolus segetum mit 4 cm langen purpurroten, rachenförmigen Blüten — dem Xíphion der alten Griechen und dem gladiolus der alten Römer, beides „Schwertchen“ wegen der schwertförmigen Gestalt der aufrechtstehenden Blätter bedeutend — diente im Altertum als Arznei und wurde zu Theophrasts Zeit mit Mehl verbacken gegessen. Plinius sagt von ihr: „Man gräbt sie vor der Ernte aus und trocknet sie zum Arzneigebrauch im Schatten.“

Wegen ihren bunten Farben als Gartenzierpflanzen sehr beliebte Frühlingsblumen sind die in über 30 Spielarten gezogenen Crocusarten, die zumeist Abkömmlinge des auf Bergwiesen Südeuropas wildwachsenden Frühlingssafrans (Crocus vernus) sind. Schon bei Homer wird der Crocus erwähnt, indem es in der Ilias heißt: „Als Zeus sich auf dem Berge Ida lagerte, ließ die Erde unter ihm frisches Gras, betauten lotós-Klee, krókos und hyákinthos dicht und weich emporwachsen.“ Varro schreibt: „Im Herbste pflanzt man im Garten Lilien und Crocus“, und Vergil in seiner Georgika: „Abends kehren die arbeitssamen Bienen zum Stocke zurück; ihre Beine sind belastet mit Pollen vom Thymian, auch suchen sie Nahrung am Erdbeerbaum (arbutus) an den grauen Weiden (salix), an casia (wahrscheinlich einer Daphne-[Seidelbast-]Art), rötlichem Crocus, fetten Linden (tilia), rostbraunen Hyazinthen.“ Columella schreibt in seinem Buche über Landbau: „In den Gärten suchen die Bienen Nahrung an weißen Lilien, auch pflanzt man für sie Zwiebelknollen von korykischem und sizilischem Crocus (Safran).“ Auf der Balkanhalbinsel, wo meist Crocus sativus, der Safran, zur Gewinnung der Blütennarben kultiviert wird, werden seine Knollen roh und geröstet gegessen, wie in den Steppen Westasiens diejenigen der dort wildwachsenden weißen Lilie. Solche eßbare Zwiebeln haben auch Ixia bulbifera und I. crocata, schönblühende Verwandte des Crocus, von denen bei uns über 20 Arten, meist vom Kap der Guten Hoffnung, in den mannigfachsten Farben kultiviert werden, dann der bermudische Schweinsrüssel (Sisyrinchium bermudianum), eine beliebte Gartenpflanze von den Bermudasinseln mit violettblauen, im Schlunde gelben Blüten und Haemodorum panniculatum Australiens, dessen blutrote, scharfe Zwiebeln von den Eingeborenen geröstet gerne verspeist werden. Endlich ist noch als letzte der Amaryllideen die rote Tigerlilie Mexikos zu nennen, die nach dem gelehrten Jesuiten Giov. Battista Ferrari (1584–1653), der auch mehreres über Botanik schrieb, Ferraria tigrina genannt wurde. Wegen ihrer prachtvollen, innen scharlachroten, schwarzrot getigerten oder marmorierten Blüten wird sie nicht selten in Gewächshäusern gezogen.

Unter den Liliazeen sind noch die in 16 Arten im Kapland, in Ostafrika und in Madagaskar heimischen Tritomaarten zu nennen, von denen mehrere wegen ihren schönen Blütenähren bei uns als Zierpflanzen kultiviert werden, zum Teil auch im freien Lande aushalten. Besonders die über 1 m hohe Tritoma uvaria mit 30 cm langer Ähre scharlachroter, zuletzt gelber Blüten wird in vielen Varietäten kultiviert. Ebenso schöne Gartenzierpflanzen haben die Tradescantien geliefert. Es sind dies auf Amerika beschränkte krautartige Pflanzen mit oft rispig zusammengestellten Blüten in kurzen Trugdolden, von denen besonders häufig die Tradescantia virginica aus den südlichen Vereinigten Staaten und aus Mexiko mit violettblauen Blüten, weil winterhart, in unseren Gärten angetroffen wird. Viel empfindlicher ist Tr. discolor aus Brasilien mit weißen Blüten, die als Topfpflanze im Zimmer gezogen wird. Als Ampelpflanzen dienen dagegen T. guianensis mit langen, hängenden Zweigen und selten erscheinenden weißen Blüten und die ihr ähnliche, nur etwas empfindlichere T. zebrina mit braunen, silberigweiß gestreiften Blättern.

Ebenfalls aus dem tropischen und subtropischen Amerika kamen die verschiedenen Cannaarten als beliebte Blattdekorationspflanzen, die in Töpfen im Kalthause überwintern und im Frühjahr zu Gruppen ins freie Land gesetzt werden, zu uns. Die älteste, schon im Jahre 1570 in Europa eingeführte und am meisten gepflanzte Art ist die 1,5–2,5 m hohe Canna indica mit roten Blüten, deren erbsengroße, schwarze, harte Samen zu Rosenkränzen und Halsbändern benutzt werden. Zu ihr kamen erst im 19. Jahrhundert auch gelbe und buntgefärbte Arten, von denen der Blumenzüchter Crozy in Lyon (Depart. Hyères) die wichtigsten seit dem Jahre 1875 einführte. Diese wurden untereinander gekreuzt, so daß eine Menge von Spielarten vorhanden sind. Die Wurzelstöcke müssen frostfrei überwintert werden. Im Garten gedeihen sie besonders in sehr nahrhafter, lockerer Erde auf einer meterhohen Unterlage von Pferdemist bei reichlicher Bewässerung. Aus dem Wurzelstock der westindischen, in Peru Adeira genannten Canna edulis, die im nördlichen Südamerika, besonders Brasilien, aber auch sonst in den Tropen kultiviert wird, bereitet man das westindische Arrowroot. Auch von anderen Arten wird der Wurzelstock als Gemüse gegessen. Mit den verschiedenen Cannaarten wird meist die Rizinusstaude und werden einige kleine Bananen, wie die seit 1829 aus Südchina in unsere Gewächshäuser eingeführte Musa cavendishi (so genannt nach dem Londoner Chemiker Henry Cavendish, 1731 bis 1810, der 1777 das Wasserstoffgas entdeckte) in Gruppen angepflanzt. Nur wenig über 1 m hoch wird die von Südafrika in unsere Warmhäuser eingeführte Strelitzia reginae mit eigentümlich vogelartigen, blaugelben Blüten.

Dann werden von den drei am Kap der Guten Hoffnung heimischen Arten der Amaryllideengattung Clivia, Zwiebelgewächsen mit langen, rinnenförmigen Blättern und glocken- oder röhrenförmigen Blüten, in Dolden auf starken Schäften, Clivia miniata mit mennigroten Blüten und C. nobilis mit scharlachroten Blüten, beide in mehreren Varietäten im Gewächshaus wie im Zimmer kultiviert.

Als weitaus aristokratischste Mitglieder sind endlich unter den Monokotylen die Orchideen zu nennen, die in bezug auf Mannigfaltigkeit und absonderliche Gestaltung und Färbung der Blüten im Pflanzenreich ganz einzigartig dastehen. Sie erhielten ihren Namen vom griechischen órchis, was Hoden bedeutet, weil die damit zunächst bezeichneten Erdorchideen der Gattung Orchis an dieses Organ erinnernde doppelte Wurzelknollen besitzen, von denen die eine jeweilen für das nächstfolgende Jahr angelegt wird. Schon im Altertum wurden diese Knollen vom Menschen gesammelt und gegessen. Wegen ihrer hodenartigen Gestalt glaubte man, daß ihr Genuß die sexuelle Potenz beeinflusse. So schreibt schon Theophrast im 4. vorchristlichen Jahrhundert: „Die órchis hat zwei Wurzelknollen, einen großen und einen kleinen; der große soll sexuell kräftig machen, wenn man ihn in Milch von einer auf den Bergen weidenden Ziege kocht, der kleine soll aber die Kraft mindern.“ Dioskurides im 1. Jahrhundert n. Chr. schreibt: „Die órchis hat ihre Blätter an der Erde um den Stengel; dieser wird eine Spanne hoch und trägt purpurrote Blüten. Die Wurzel ist knollig, länglich, doppelt, olivenförmig; die eine steht höher, die andere tiefer. Diese ist voll, jene weich und runzlig. Sie werden zum Verspeisen gekocht. Die Pflanze wächst in steinigem und sandigem Boden.“ Noch heute werden die Knollen von verschiedenen Orchisarten gesammelt und getrocknet, um als Salep oder Geilwurz in den Handel zu kommen. Das Wort Salep ist aus der arabischen Bezeichnung für diese Doppelknollen chusjata sslalab, d. h. Fuchshoden verstümmelt. Bei allen polygamen Orientalen steht diese Speise als angeblich die sexuellen Funktionen beförderndes Mittel in hohem Ansehen und wird von vielen derselben mit Honig gekocht regelmäßig zum Frühstück gegessen.

Von Erdorchideen finden wir am häufigsten verschiedene der in schattigen Bergwäldern Asiens, Europas und Nordamerikas auf kalkreichem Humusboden wachsenden Frauenschuharten in Gärten angepflanzt. So zumeist den europäischen Frauenschuh (Cypripedium calceolus), der bis nach Ostsibirien vorkommt und in Deutschland besonders in Buchenwäldern auf Kalkboden vorkommt. Von anderen, noch prächtigeren Arten, die als dankbar blühende und leicht zu erhaltende Zierpflanzen im Zimmer kultiviert werden, sind zu nennen Cypripedium venustum aus Neapel mit hellgefleckten Blättern, schönen rötlichgrünen, purpurrötlichen und blaßbraun gezeichneten Blüten und C. barbatum in Südindien und auf Java mit schwärzlichgrün, netzartig gezeichneten Blättern und schönen, violett und weißgefärbten Blüten.

Gleich den Erdorchideen legen auch die als Überpflanzen (Epiphyten) auf Bäumen der dichten, feuchten Wälder der Tropen lebenden Baumorchideen, die ihre Nahrung und die zum Wachstum nötige Feuchtigkeit vermittelst mehr oder weniger langer, weißer Luftwurzeln aus der umgebenden Luft schöpfen, solche Reservestoffbehälter an. Wie sie durch ihren buntfarbigen Blütenschmuck in Gesellschaft mit den leuchtenden Blüten der Schlingpflanzen dem Urwald der heißen Landstriche ihren besonderen Reiz verleihen, haben sie sich durch ihre aparte Schönheit die Liebe vieler vornehmer Blumenfreunde erworben und sind besonders beim Geburts- und Geldadel Englands zu eigentlichen Modepflanzen geworden, für deren Kultur besondere Gewächshäuser erstellt werden. Auch werden einzelne seltene Arten um ein Vielfaches ihres Gewichtes mit Gold aufgewogen. Um diese verführerische Blumenkönigin der von Malaria durchseuchten, von reißenden Tieren und feindlich gesinnten Menschen bevölkerten Baumwildnis der Tropen zu erlangen, sind schon unzählige, von den großen Orchideenimporteuren ausgesandte Europäer in den Tod gegangen. Das gefährliche Geschäft des Orchideensammelns im Urwald hat für die kühnen Menschen, die sich damit abgeben, einen besonderen Reiz, sonst würden sie nicht ihr Leben wagen; außerdem ist es eine sehr lohnende Arbeit und ein höchst einträgliches Geschäft. Da ein solcher Mann seinen Auftraggeber nahezu 60000 Mark jährlich kostet, und damit dessen Arbeit noch nicht einmal bezahlt ist, kann es uns nicht wundern, daß es nur wenige Orchideenimporteure gibt. Die vier bedeutendsten derselben leben in St. Albans in England, in New Jersey in den Vereinigten Staaten, in Paris und in Berlin. Die englische Firma besitzt ungefähr 15 Sammler in den dafür einträglichsten Gebieten, nämlich in Mexiko, Venezuela, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Columbia, Brasilien, Bolivia, Peru, Neuguinea, Holländisch-Indien, besonders Java und Sumatra, dann Borneo, Birma, Assam und in den Gegenden am Fuße des Himalaja.

Wenn auch die Orchideen über die ganze Erde verbreitet sind, so nimmt ihre Zahl nach dem Äquator hin bedeutend zu, und der heißen Zone gehören alle Baumorchideen mit den mannigfaltigsten, größten und schönsten Blüten an. Bis in die Neuzeit kannten die Europäer nur die Erdorchideen mit weniger auffallenden Blüten. Schon die Väter der Botanik beschäftigten sich eingehend mit ihnen, und manche Tierähnlichkeit der schon unter ihnen auftretenden bizarren Blüten verführte zu dem wunderlichsten Aberglauben. Mit der Entdeckung Indiens und der Neuen Welt traten erst die tropischen Orchideen in den Gesichtskreis der diese Länder zu Handelszwecken aufsuchenden Europäer. Da diese Pflanzen keinen praktischen Nutzen gewährten, nahmen die Krieger und Kaufleute, die die Tropenländer zuerst betraten, keinerlei Notiz von ihnen. Als erster erwähnte der große französische Arzt und Botaniker Clusius (Charles de l’Ecluse, 1526 in Arras in Nordfrankreich geboren und 1609 als Botanikprofessor in Leiden in den Niederlanden gestorben) die Frucht der Vanille, als dem einzigen dem Menschen Nutzen gewährenden Produkt der Orchideen im Jahre 1605. Erst am Ausgange des 17. Jahrhunderts kamen Beschreibungen und Abbildungen tropischer Baumorchideen nach Europa. Karl von Linné, der Begründer der modernen Botanik (1707–1778), kannte 1764 nur insgesamt 102, meist der gemäßigten Zone angehörende Orchideenarten und nur 30 Baumorchideen. Der Berliner Botaniker Karl Ludwig Willdenow (1765–1812), der bedeutendste Systematiker seiner Zeit, beschrieb 1805 391 Arten mit 140 Epiphyten. In seinem 1830–1840 erschienenen Hauptwerk beschrieb der Engländer Lindley bereits gegen 2000 Arten, unter denen sich fast 1000 Baumorchideen befanden, und 1880 schätzte de Puydt die Zahl aller bekannten Orchideen auf 6000! So sehr hat sich unser Gesichtskreis in diesem Gebiet erweitert. Dennoch kennen wir noch lange nicht alle überhaupt auf der Welt existierenden Orchideenarten, von denen sich viele ganz hoch im Astwerk der Tropenbäume verstecken, so daß man sie erst erlangt, wenn man aufs Geratewohl Bäume fällt und sie von den höchsten Ästen jener ablöst.

Tafel 145.

Gruppe verschiedener Orchideen, zusammengestellt von der Orchideengärtnerei von Otto Beyrodt in Marienfelde b. Berlin.


GRÖSSERES BILD

Tafel 146.

Blumenstand am Viktualienmarkt in München.


GRÖSSERES BILD

Was die Kultur der tropischen Orchideen betrifft, so gelang es erst am Ausgange des 18. Jahrhunderts einige Epidendronarten in einem europäischen Treibhause zu ziehen. Im Jahre 1813 kultivierte man in dem weltberühmten botanischen Garten von Kew bei London nicht mehr als 40 Orchideenarten. In den 1830er Jahren befanden sich Orchideen in Privatgärten Hamburgs und Dresdens, und 1851 kultivierte man im Garten des Grafen Thun schon gegen 500 tropische Arten derselben. Bald wurden an den verschiedensten Orten eigene Orchideenhäuser gebaut, und vor etwa 40 Jahren begann das Populärwerden dieser Zucht bei den Vornehmen besonders Englands. Gegenwärtig schätzt man die Zahl der kultivierten Orchideenarten auf etwa 2000. Dabei hat die Liebhaberei für diese eigenartig zierlichen Blütenpflanzen eine erstaunliche Höhe erreicht und werden einzelne derselben mit Zehntausenden von Mark bezahlt.

Unglaublich mannigfaltig ist wie die ganze Form, so auch die Gestalt und Farbe der verschiedenen Orchideenblüten. Manche der letzteren sehen aus wie gewisse Insekten, Kraken, Vögel, besonders Pinguine, dann kleine Gnomen usw.

In Mittelamerika wächst die San Espiridoorchidee, die ihren Namen und eine sich daran anschließende fast abgöttische Verehrung bei den bigotten Spaniern in ihrer Heimat davon erhielt, daß ihre zierliche Blüte an eine herabschwebende weiße Taube erinnert, in Gestalt welcher der heilige Geist sich auf Christus bei seiner Taufe im Jordan herabgesenkt haben soll. Von den winzigsten, zu lang herabhängenden Trauben vereinigten Blüten gibt es alle Übergänge zu solchen, die so groß sind wie zwei zusammengelegte Männerhände, von weißen, einfachen bis zu den in den leuchtendsten, buntesten Farben gefärbten, von duftlosen bis zu solchen, die weithin einen fast betäubenden Wohlgeruch aushauchen. Dabei sind die Orchideenblüten noch mehr als diejenigen der anderen Blütenpflanzen dem Besuche ganz spezieller Insekten angepaßt; und daß solche Besucher sie an ihren oft sehr versteckten Standorten finden und die Befruchtung der Blüten vornehmen können, sind sie mit einer im übrigen Pflanzenreich meist beispiellosen Dauerhaftigkeit der vielfach sehr dicken, mit wachsglänzender Oberfläche versehenen Blüten begabt, so daß sie unter Umständen viele Wochen warten können, bis endlich das zur Vornahme der Befruchtung erwartete Insekt erscheint und dieselbe vornimmt. Gerade diese Dauerhaftigkeit ihrer wunderbaren Blüten macht sie zu besonderen Lieblingen aller Blumenfreunde, die sich den Luxus einer solchen Kultur leisten können.

Der hohe Preis der für viele dieser Orchideen bezahlt wird, findet sehr leicht seine Erklärung in der oft äußerst schwierigen und mit Lebensgefahr verbundenen Beschaffung derselben; denn kaum eine andere Beschäftigung bringt so viel Mühen und Abenteuer mit sich als diejenige eines Orchideensammlers. Nur gesunde, intelligente, kühne und dabei im Verkehr mit den Eingeborenen höchst diplomatisch handelnde, sprach- und lebensgewandte Männer eignen sich zu diesem schweren, aber schönen und gutbezahlten Beruf. Die besten unter ihnen sind die Deutschen, die alle nach einem gewissen, bewährten System arbeiten und an Ort und Stelle zahlreiche Eingeborene in ihren Dienst nehmen, ohne die sie nur wenig ausrichten würden. Es ist eine überaus schwierige Sache, den Standort seltener Orchideen, die sich so hoch in den Wipfeln angesiedelt haben, daß man sie vom Boden aus überhaupt nicht zu sehen vermag, auszukundschaften. Und ist dies endlich gelungen, so beginnt erst die Mühe des Sammlers; denn, um sie zu erlangen, muß er oft mächtige Urwaldstämme mit der Axt umhauen lassen, bis er endlich zum heißerstrebten Ziele gelangt.

So wurde festgestellt, daß für drei Exemplare des schönen, durchaus nicht seltenen Odontoglossum mindestens ein solcher Baum mühsam gefällt werden muß. Wieviel Urwaldriesen haben schon ihr Leben lassen müssen, um die zahlreichen Orchideensorten von oft sehr beschränkter Verbreitung in unsere Orchideenhäuser zu liefern! Und sind endlich die Orchideen glücklich erlangt, so heißt es, sie durch kunstgerechtes, vorsichtiges Trocknen überhaupt versandfähig machen. Diese Prozedur nimmt oft viele Wochen in Anspruch. Wenn dadurch alle austreibbare Feuchtigkeit aus ihnen entwichen ist, werden sie in luftdurchlässige Behälter gepackt und müssen auf den Köpfen von Menschen oft viele Tagereisen weit über reißende Ströme und bodenlose Sümpfe, durch gefährliche Dschungeln und schwer passierbare Gebirge mühsam transportiert werden, bis sie auf die Eisenbahn gebracht und dann in Schiffe verladen werden, und so die Reise nach ihrem Bestimmungsorte antreten können. Wie vor Feuchtigkeit müssen sie gleicherweise auch vor zu großer Hitze und vor Licht geschützt werden. Und hat man auch alle diese Bedingungen sorgsam erfüllt, so ist es gleichwohl möglich, daß schließlich die meisten oder gar alle Exemplare unterwegs Schaden gelitten haben und zugrunde gegangen sind, so daß alle Arbeit und alle Auslagen umsonst waren. Für solche Verluste kann der Sammler natürlich nicht verantwortlich gemacht werden; sie gehören eben zum selbstverständlichen Geschäftsrisiko, der oft viele Tausende von Mark beträgt und deshalb diese wunderbaren Erzeugnisse der Tropen so teuer macht.

Wie manche durch ihre Größe ausgezeichnete Diamanten, haben gewisse Orchideen ihre eigene, vielfach höchst interessante Geschichte aufzuweisen, die über ganze Menschenschicksale entschied und nicht selten den Kühnen, die sie für die Bewunderung der Kultureuropäer zu erobern suchten, den Tod brachte. Manche derselben sind an ganz bestimmte Standorte und Höhenlagen, andere wieder an kleinere Bezirke des Vorkommens gebunden, sterben leicht vollständig aus und verschwinden vom Schauplatz, und an ihrer Stelle erscheinen dann plötzlich zum Erstaunen der Blumenfreunde neue, bis dahin gänzlich unbekannte Orchideenarten.

Ein Kenner, Oliver Bartlett, schreibt in bezug auf die Gewinnung solcher seltener Orchideenarten: „Vor einigen Jahren bot eine Firma in St. Albans ihrem Vertreter in Kalkutta die Summe von 1000 Pfund (also 20000 Mark) für die Beschaffung eines blühenden Exemplars von Cypripedium fairrieanum, von welchem ein Forscher eine einzelne Art zufällig entdeckt hatte. Diesen hatte ein wilder Volksstamm auf dem abgeschlossenen Gebiet von Bhutan ergriffen und gezwungen, an ihren Kämpfen teilzunehmen, bei denen er schließlich den Tod fand. Noch tragischer ist das Ende des berühmten französischen Orchideensammlers Leon Humblot. Er ging vor einigen Jahren mit seinem Bruder und sechs französischen Landsleuten nach Madagaskar. Sie alle waren engagiert, um Insekten aller Art, Schmetterlinge, Vögel und Orchideen zu sammeln. Humblot, der eine völlig unbekannte Gegend durchforschte, hatte das Unglück, eine Ladung Vogelschrot in ein Götzenbild der Eingeborenen zu schießen, worauf die erzürnten Priester des Stammes ihn mit Öl begossen, anzündeten und lebendig verbrannten.“

Eine weniger tragische Geschichte weist die berühmte Cattleya skinneri auf, die eine hervorragend schöne, fleckenlose Blüte aufweist. Ihre Heimat ist Costarica, wo sie ursprünglich von Jesuitenpatres entdeckt wurde, die sie schleunigst auf die Dächer ihrer Kirchen verpflanzten; diese bedeckt sie nun zur Zeit der Blüte mit ihren reizenden, schneeigen Blüten.

Auch die Cattleya labiata hat ihre Geschichte. Sie war die erste ihrer Art, die, wie man vermutete, aus dem brasilianischen Organgebirge bei Rio de Janeiro stammend, in Europa eingeführt wurde. Plötzlich ging die Kenntnis ihres Standortes verloren, und da keine neuen Exemplare eingeführt werden konnten, wurde sie, selbst unter der geschicktesten Pflege, ganz außerordentlich selten. Verschiedene kostspielige Expeditionen wurden nach Brasilien und den angrenzenden Ländern gesandt, doch wurden nur andere wertvolle Cattleyas, nicht aber sie entdeckt. So fanden z. B. Arnold die Cattleya gaskelliana im schwer zugänglichen Carribogebirge und Seydl die herrliche Cattleya laurentiana. Jahre danach sandte der Forscher Bungeroth eine Pflanze in die Heimat, die er als eine neue Abart mit dem Namen Cattleya warroqueana bezeichnete, und die sich dann schließlich als die langgesuchte Cattleya labiata erwies.

Ein deutscher Orchideensammler, der dem Ufer des gewaltigen Flyflusses in Neuguinea entlang ging, stieß plötzlich auf eine papuanische Begräbnisstätte, auf welcher die gewaltige, hochrotblühende Orchidee mit dem Übernamen „Elefantenmotte“ in üppiger Fülle zwischen Knochen und Schädeln wucherte. Als er sich daran machte, einige derselben auszugraben, widersetzten sich die ihn begleitenden Eingeborenen aufs energischste gegen solches nach ihrem Glauben frevelhaftes und gefährliches Vorhaben. Erst nach langen Unterhandlungen und durch Geschenke an Baumwollstoff, Kupferdraht und Perlen vermochte er die abergläubischen Eingeborenen dazu zu bringen, ihn ungestört gewähren zu lassen. Als diese Orchideen in London zur Versteigerung kamen, war ein Exemplar derselben am meisten begehrt, das mit seinen prächtigen Blüten aus der Augenhöhle eines menschlichen Schädels herauswuchs. Diese Orchidee wurde für 120 Pfund (= 2400 Mark) verkauft.

Den Wert neu eingetroffener Orchideen kann auch der beste Kenner nicht genau beurteilen. So durchstreifte eines Tages ein gewisser Herr Harvey, ein begüterter Advokat aus Liverpool, die Treibhäuser von Herrn Frederick Sander, als er plötzlich auf ein Exemplar der Laelia anceps stieß, welche das Merkzeichen auf der Knolle viel höher trug, als dies sonst üblich ist. Da Herr Harvey schon viel von den „Launen“ der Orchideen gesehen und gehört hatte, kaufte er die Pflanze sofort für 48 Schilling (ebensoviel Mark), und in einer der späteren Saisons verkaufte er sie wiederum an Herrn Sander um den Preis von 200 Pfund Sterling (= 4000 Mark). Sie hatte Blüten getrieben, die einzig in ihrer Art waren.

Ein anderes Mal erhielt Herr Sander eine große Anzahl von Cypripedium insigne und bemerkte unter den Pflanzen eine, die statt der typischen braunen Blütenstengel solche von hellgelber Farbe aufwies. Er stellte die Pflanze besonders, und als sie zum Blühen kam, trieb sie Blumen von einem herrlichen Goldgelb — es war eine neue Spielart einer sehr kostbaren Sorte.

Wenn eine solche Abart einzig in ihrer Art und als das Produkt einer von der Natur selbst herbeigeführten Kreuzung dasteht, so wird sie niemals ergiebig sein; denn die Blüten können nicht, wie dies sonst üblich ist, mit dem Blütenstaub anderer Blüten befruchtet werden, und das einzige Mittel, sie zu vermehren, besteht darin, das Original zu teilen.

Für eine einzige Orchidee sind schon 2080 englische Pfund (gleich 41600 Mark) angeboten und abgelehnt worden, und 100 Pfund (gleich 2000 Mark) sind für einen mikroskopisch kleinen Fleck Blütenstaub zum Bastardieren bezahlt worden. In Privatgeschäften wurden von wohlhabenden Amateuren 1200 Pfund Sterling (24000 Mark) für ein Exemplar einer besonderen Gattung und 700 Pfund Sterling (14000 Mark) für ein Duplikat oder eine geteilte Pflanze bezahlt.

In den großen Treibhäusern bemüht man sich soviel wie möglich die Bedingungen zu erfüllen, die zum Gedeihen der einzelnen Spielarten unerläßlich sind. So muß man beispielsweise ein Gewächshaus, in welchem Orchideen aus dem heißen Borneo kultiviert werden, fast noch einmal so warm halten als ein anderes, in welchem Orchideen aus den Hochtälern Mexikos und den luftigen Abhängen der Kordilleren Südamerikas untergebracht sind. In einem dritten Treibhaus muß die Luft mit Tabakrauch erfüllt sein. Ein großer europäischer Händler empfängt jährlich 2 Millionen Pflanzen; dabei ist man so unsicher in bezug auf ihr Fortkommen, daß sie auf der Versteigerung meist ohne Garantie verkauft werden. Selbstverständlich sind so kostbare Pflanzen auf die mannigfaltigste Weise miteinander gekreuzt worden und haben sehr wertvolle Blendlinge ergeben. Man hat schon Bastarde von ihnen erzielt, in welchen drei verschiedene Gattungen vertreten sind. Darin hat sich der bereits erwähnte deutsche Gärtner Friedrich Sander, der in St. Albans bei London und in Brügge in Belgien gärtnerische Riesenbetriebe besitzt und seiner reichen Orchideengeschäfte wegen in England allgemein als Orchideenkönig bekannt ist, hervorgetan. So hat er u. a. zwei durch seinen Sammler Godseff in Neuguinea und Neukaledonien gesammelte Acalyphaarten miteinander gekreuzt und damit wunderbar schöne Hybriden erzielt, deren erste schon im April 1898 auf der großen internationalen Gartenbauausstellung zu Gent in Belgien allgemeines Aufsehen erregte. Die Blüten haben bis 50 cm lange Schwänze, sind zuerst grünlichweiß und gehen dann in Rosa und Orangerot, bei manchen auch in Gelb über. Sie sind, wie übrigens viele andere Orchideen, besonders auch dadurch wertvoll, daß ihre Blütezeit sehr lange währt.

Von den Ranunkelgewächsen sind von den bei uns einheimischen nur wenige als Zierpflanzen in unsere Gärten aufgenommen worden. Unter ihnen ist die auf Wiesen auch in Deutschland wachsende Trollblume (Trollius europaeus) mit großen, geschlossenen, gelben Blüten zu nennen, die wie ihre nordasiatische Verwandte (T. asiaticus) und andere Arten als Zierpflanzen in Gärten kultiviert wird. Die weitaus schönste der altweltlichen Ranunkeln ist die in Südeuropa heimische Pfingstrose (Paeonia officinalis) mit unterirdischem, knollig verdicktem Wurzelstock, 30–60 cm hohem Stengel und 5 cm im Durchmesser haltenden karminroten Blüten. Sie wird in zahlreichen Varietäten von Purpur bis Weiß meist in gefüllten Formen in Gärten kultiviert. Wurzel und Samen wurden früher arzneilich benutzt. Die Blumenblätter verwendet man wegen ihrer Farbe zu Räucherungen. Im Altertum galt sie als Schutzmittel gegen die Neckereien der Faune, d. h. der als „Wohlwollenden“ bezeichneten guten Geister der Fluren und Felder, die nach dem Volksglauben namentlich dem Vieh Fruchtbarkeit und Schutz gegen die Wölfe verliehen. Sie wurde von den alten Griechen paiōnía und von den Römern, die sie durch jene kennen lernten, paeonia genannt. Noch mehr als ihre wurden aber von ihnen die Wurzeln der in den Mittelmeerländern heimischen korallensamigen Pfingstrose (Paeonia corallina) arzneilich besonders gegen Gicht gebraucht, weshalb die rosenrot blühende Pflanze auch Gichtrose genannt wird. Bei deren Gewinnung mußten gewisse Riten geübt werden. Gegen die gebräuchlichste, das Ausgraben bei Nacht, wendet sich schon der pflanzenkundige Grieche Theophrast im 4. Jahrhundert v. Chr. indem er sagt: „Es wird aber wohl ohne Grund vorgeschrieben, man solle die Päonie (paiōnía), welche auch glykysídē heißt, bei Nacht ausgraben; denn wenn man bei Tage danach grübe und dabei von einem Specht gesehen würde, so erlitte man Unglück.“ Ihre roten Samen wurden als Amulett getragen und sollten, auf Fäden gereiht und um den Hals befestigt, Kindern das Zahnen erleichtern, weshalb sie beim Volke Zahnkorallen heißen. Neben der offizinellen Pfingstrose Südeuropas werden auch die schmalblättrige Pfingstrose (Paeonia tenuifolia) aus Südrußland mit tiefroten Blüten und die weißblühende Pfingstrose (P. albiflora) aus Südsibirien, dem Himalaja und Japan, wie auch die 1–2 m hohe baumartige Pfingstrose (P. moutan — letzteres ist ihr chinesischer Name) mit 5–10blätteriger Blumenkrone in zahlreichen, auch gefüllten Varietäten bei uns als Zierpflanzen kultiviert. Letztere, die in China und Japan hochgezüchtet wurde, eignet sich besonders zu Einzelpflanzungen in Rasen, verlangt aber Winterschutz. Ihre stechend aromatische Wurzelrinde wird in Japan arzneilich viel gebraucht.

Scharf giftig ist der blaue oder echte Eisenhut oder Sturmhut (Aconitum napellus), so genannt nach der helmartigen Form seiner hübschen Blüten. Anderswo heißt er Mönchskappe, in Norwegen Tor- oder Tyrhialm, d. h. Helm der Kriegsgötter Tor oder Tyr. Akṓniton, d. h. auf felsigem Boden (im Gebirge) wachsende Pflanze, nannten sie die Griechen, und nach den Metamorphosen des römischen Dichters Ovid (43 v. bis 7 n. Chr.) soll sie aus dem Geifer des Höllenhundes Cerberus entstanden sein, als dieser von Herkules aus der Unterwelt heraufgeschleppt wurde. Ihre giftige Wurzel wurde schon im Altertum zum Vertilgen von Raubtieren, denen sie im Köder gegeben wurde, benutzt, daneben auch als Arzneimittel gegen Gicht, Rheumatismus und Lungenkrankheiten gegeben. Als offizinelle Pflanze kam sie dann im Mittelalter in die Bauerngärten und hat sich hier das Bürgerrecht erworben. Ebenso verhält es sich mit dem Rittersporn, dessen südeuropäische, blau oder weißblühende Abart (Delphinium staphisagria), die staphís agría der Griechen, ebenfalls arzneiliche Verwendung fand. Ihre scharfschmeckenden, schwarzgelblichen Samen dienten gepulvert und mit Olivenöl vermischt, wie uns der griechische Arzt Dioskurides berichtet, zum Vertilgen von Läusen und Krätze. Deshalb wurden sie von den Römern pedicularia (von pediculus Laus) und bei uns Läuserittersporn genannt. Meist werden in unseren Gärten der in den Gebirgen Mitteleuropas wachsende hohe Rittersporn (Delphinium intermedium), dann der aus dem Orient stammende Gartenrittersporn (D. ajacis, nach dem homerischen Helden Ajax so genannt, weil die Pflanze aus dessen Blut hervorgewachsen sein soll, nachdem er sich aus Unmut, im Streite mit Odysseus besiegt worden zu sein, selbst den Tod gab) und der aus Nordamerika zu uns gebrachte dreifingerige Rittersporn (D. exaltatum) kultiviert.

Beliebte Gartenzierpflanzen sind auch die einheimische gemeine Akelei mit blauen und die kanadische Akelei mit scharlachroten Blüten (Aquilegia vulgaris und canadensis). Letztere stammt aus den östlichen Vereinigten Staaten und Kanada. Beide werden auch in gefüllten Spielarten gezogen. Ihrem Safte wohnen betäubende Eigenschaften inne; doch werden sie nicht medizinisch verwendet. Dies ist jedoch beim Schwarzkümmel (Nigella sativa) der Fall, der aus Südeuropa als Heilpflanze zu uns kam und nach den Verordnungen Karls des Großen in den Gärten seiner Meierhöfe angebaut werden sollte. Wie damals wurden schon im Altertum seine wohlschmeckenden Samen ins Brot geknetet. Die Pflanze hieß bei den Griechen melánthion und bei den Römern git und wurde gegen mancherlei Übel gebraucht. Gleicherweise stammt aus den Mittelmeerländern die ihr nahe verwandte Jungfer im Grünen oder Gretel im Busch (Nigella damascena), die häufig in Bauerngärten gefunden wird, wie auch die verschiedenen Adonisröschen (Adonis flammea u. a.). Oft auch finden sich in Stadtgärten zur Einfassung der Blumenbeete oder an Felspartien die blauen, selten roten oder weißen Leberblümchen (Hepatica triloba), die den Vorzug haben, zu unsern ersten Frühlingsboten zu gehören. Wegen ihrer leberförmigen Blätter wurde die Pflanze früher als Heilmittel gegen Leberleiden verwendet.

Von den eigentlichen Anemonen ist vor allem die Gartenanemone (Anemone coronaria) zu nennen, die in Südeuropa und im Orient heimisch ist und große, dunkelrote oder weiße Blüten besitzt. Schon der griechische Arzt Dioskurides unterschied die wilde anemṓnē von der zahmen, in Gärten gepflanzten und sagt, letztere habe scharlachrote Blüten, während die wilde weiße oder purpurrote Blüten besitze. „Beide dienen als Arznei.“ Dem fügt sein Zeitgenosse Plinius bei, daß die Anemonen (anemone) außerdem zu Kränzen dienen, wie auch die Adonisröschen (adonion, von Adonis autumnalis). In der Gegenwart werden die Gartenanemonen in zahlreichen Varietäten mit großen dunkelroten, blauen oder weißen Blüten, namentlich in Holland als Zierpflanzen kultiviert. Ihr Wurzelstock wird nach dem Verblühen aus der Erde genommen und bis zum Frühjahr trocken aufbewahrt. Ebenfalls als Zierpflanzen geschätzt sind: die Sternanemone (Anemone hortensis) aus Istrien und Italien, die Anemone fulgens mit scharlachroten Blüten aus dem Mittelmeergebiet, die Pfauenanemone aus Südfrankreich mit großen, aus 10–12 lanzettförmigen, spitzen, schmalen, feurig karminroten Blumenblättern bestehenden Blüten, dann von ausländischen die japanische Anemone mit rosa und weißen Blüten, deren bekanntester Abkömmling die prächtige Honorine Joubert ist, und besonders die großblütigen, in satten Farben von Rot bis Violett und Weiß prangenden Himalajaanemonen, die die Zierde unserer Gärten bilden und leicht zu ziehen sind.

An die Ranunkeln schließen sich die Mohnblütigen an, unter denen neben Klatschrose und Schlafmohn in den mannigfaltigsten Farben und mit gefüllten Blüten besonders der morgenländische Mohn (Papaver orientale) als Zierpflanze unserer Gärten kultiviert wird. Letzterer trägt auf dem bis 1 m hohen, borstigen Stengel nur eine bis 13 cm im Durchmesser haltende scharlachrote, oft im Grunde mit schwarzblauem Kreuze bezeichnete Blüte. Bescheidener als sie sind die ebenfalls als Zierpflanzen kultivierten Nachtviolen, die eigentliche Nachtviole (Hesperis tristis) mit schmutziggelben, purpurrot geaderten Blüten, die abends herrlich duften — sie wird in Südeuropa wegen der als treffliches Viehfutter dienenden Blätter und ölreichen Samen angebaut — und die Gartennachtviole oder Matronale (H. matronalis) — von den Gärtnern auch Viola matronalis, d. h. Frauenveilchen, genannt —, deren rote, lila oder weiße, wohlriechende Blüten häufig gefüllt sind. Vielfach ist sie aus den Gärten entwichen und verwildert.

Diesen nahe verwandt sind die Levkojen, die ihren Namen vom griechischen leukóion, d. h. Weißveilchen (leukós weiß und íon Veilchen), ableiten. Unter dieser Bezeichnung verstanden die alten Griechen die an den Mittelmeerküsten wild wachsende Winterlevkoje (Matthiola — nach dem 1500 in Siena geborenen und 1577 in Trient gestorbenen kaiserlichen Leibarzt in Wien Peter Andreas Matthiolus so genannt — incana, d. h. die weißlichgraue), die wegen ihrer wohlriechenden Blüten geschätzt wurde. Theophrast im 4. Jahrhundert v. Chr. sagt von ihr: „Die Leukoje (leukóion) erscheint von den schöneren Blumen zuerst, und zwar schon im Winter, wenn die Luft mild ist. Sie dauert gewöhnlich drei Jahre, wird im Alter kleiner und bringt dann weißere Blumen hervor.“ Vergil (70–19 v. Chr.) bezeichnet sie in einer seiner Eclogen als paliens viola, d. h. bleiche Viole, und Dioskurides im 1. Jahrhundert n. Chr. sagt von ihr: „Die Levkoje ist allgemein bekannt, sie hat verschieden gefärbte, weiße, gelbe, blaue und purpurrote Blüten. Die gelbblütige ist als Arznei im Gebrauch.“ Ebenso mannigfaltig gefärbt sind die Blüten der etwas größeren, gleichfalls in Südeuropa heimischen Sommerlevkoje (Matthiola annua), die einjährig ist und wegen ihrer schönen, wohlriechenden Blüten eine der beliebtesten Topfpflanzen bildet. Außer Sommer- und Winterlevkojen in mehreren Klassen unterscheidet man auch mehrjährige Levkojen, von denen manche Sorten mehr als zwei Jahre dauern und strauchartig werden, dabei jedoch an Schönheit verlieren. Man zieht sie deshalb jedes Jahr neu heran und behandelt sie wie zweijährige. Die Levkojenkultur ist ein wichtiger Zweig der Handelsgärtnerei und wird besonders in Erfurt stark betrieben.

Die gelbe Viole (viola) der Alten, von der die antiken Dichter, so besonders Ovid und Vergil, häufig sprechen, die in besonderen Feldern (violaria) kultiviert wurde und zu Kränzen gewunden auf den Markt kam, ist unser Goldlack (Cheiranthus cheiri — letzteres Wort, das auch in der ersten Hälfte des Gattungsnamens enthalten ist, ist die arabische Bezeichnung der Pflanze, die „Kraut mit wohlriechenden Blüten“ bedeutet). Die Stammpflanze findet man an steinigen Stellen der Küsten Griechenlands häufig wild. Sie wurde wegen ihrer wohlriechenden Blüten sehr frühe in die Gärten herübergenommen und bildet bis auf den heutigen Tag eine beim gemeinen Volke sehr beliebte Zierpflanze. Ursprünglich nur mit braunen und violetten Blüten begabt, hat man aus ihr sehr verschieden gefärbte Varietäten, auch mit gefüllten Blüten, erzielt. Mit den Levkojen wurde sie auf eine sehr hohe Stufe blumistischer Vollkommenheit gebracht und nimmt unter allen Sommerblumen eine sehr wichtige Stellung ein. Auch sie wird besonders in Erfurt angepflanzt.

Zum Unterschied vom weißen Veilchen, der Levkoje, nannten die alten Griechen das wohlriechende Veilchen (Viola odorata) schwarzes Veilchen (mélan íon). In den Geoponika sagt ein griechischer Autor: „Das Veilchen (íon) hat seinen Namen Ion daher bekommen, daß die Erde es zu Ehren der von Zeus geliebten Jungfrau Io erschuf.“ Bei den Hellenen war es das Symbol der jährlich wieder auflebenden Erde und der jungen Freundschaft. Nach der Sage wurde die Tochter des Atlas, als sie sich vor Apollon verbarg, in ein Veilchen verwandelt. Mit Veilchen und Rosmarin wurden im Mai die Bildnisse der Hausgötter geschmückt und verzierten die Bacchantinnen ihre Thyrsosstäbe. Unter allen Griechen hatten die Athener eine besondere Vorliebe für diese Blume. Mit Veilchen bekränzten sie sich und mit Veilchenwasser parfümierten sie sich; deshalb hieß die Stadt bei den Alten „das veilchenduftende Athen“. Um dem großen Bedarf zu genügen, wurden Veilchen in der Umgebung Athens im großen kultiviert. Theophrast (im 4. Jahrhundert v. Chr.) sagt: „Das Veilchen blüht, wenn es gut gepflegt wird, das ganze Jahr hindurch.“ Der Komödiendichter Aristophanes (455–387 v. Chr.) sagt an einer Stelle seiner Acharner: „Früher nannte man die Athener veilchenbekränzt (iostéphanos).“ Außer Varro (116–27 v. Chr.) spricht Vergil (70–19 v. Chr.) von Veilchenbeeten (violarium), und letzterer sagt, sie müssen naß gehalten werden. Columella im 1. Jahrhundert n. Chr. schreibt: „Veilchen (viola) werden auf gut gedüngtem und gegrabenem Boden gezogen. Man setzt Pflanzen vom vorigen Jahre in fußweite Gruben vor Anfang März. Übrigens sät man den Veilchensamen entweder im Frühjahr oder im Herbst.“ Sein Zeitgenosse Plinius sagt in seiner Naturgeschichte: „Das purpurne Veilchen (viola purpurea) wächst an sonnigen und magern Stellen wild, wird aber auch in Gärten aus Pflanzen gezogen. Man setzt Veilchenkränze gegen Rausch und Schwere des Kopfes auf.“ Wie in den reichen Griechenstädten, wurde auch im Rom der Cäsaren gelegentlich ein großer Luxus wie mit anderen, so auch mit diesen Blumen getrieben. So berichtet Älius Lampridius in seiner Biographie des Heliogabalus (geb. 201, regierte 218–222): „Kaiser Heliogabalus ließ manchmal zum Spaß über Gäste, die bei ihm schmausten, Veilchen (viola) und andere Blumen in solcher Menge schütten, daß mehrere sich aus der Masse nicht herausarbeiten konnten und erstickten.“

Im Mittelalter wurde das bescheidene Veilchen zwar gelegentlich von Dichtern erwähnt, doch spielte es als Gartenpflanze eine sehr unbedeutende Rolle. In der Neuzeit hat besonders Napoleons I. erste Gattin Josephine es als ihre Lieblingsblume und ihren bevorzugten Schmuck zu Ehren gezogen. Bei ihrer Hochzeit im Jahre 1796 mit dem genialen, um 6 Jahre jüngeren Korsen, genügte ihr ein Veilchenstrauß, und mit Veilchen war ihr Hochzeitsrock bestickt. Zu jeder Wiederkehr dieses glücklichen Tages wünschte sie sich Veilchen als Festgeschenk aus ihres Mannes Hand, und selbst im Donner der Schlachten vergaß dieser nicht, für die Erfüllung dieses Wunsches zu sorgen, auch dann, als er die Kaiserkrone trug. Als jedoch 1809 das bittere Wort der Scheidung ausgesprochen war und die zu solch unerhörtem Glanze emporgestiegene Tochter des einstigen Kapitäns von Martinique aus Staatsraison der österreichischen Prinzessin Marie Luise weichen mußte, blieben die Veilchen von Bonapartes Hand aus. Und als die gedemütigte Frau am 29. Mai 1814 in Malmaison starb, lag auf ihrem Sarge im Gartensaal unter Rosen und Zypressen ein frischer Veilchenstrauß auf weißseidenem Kissen. 60 Jahre später schmückte Josephinens Lieblingsblume, die inzwischen zum Sinnbild der Napoleoniden geworden war, in unzähligen prachtvollen Sträußen und Kränzen ein anderes Totenlager in Cambdenhouse zu Chiselhurst als letztes Lebewohl, das dem dritten Napoleon von seinen Anhängern aus Frankreich nachgerufen wurde. Das Veilchen war auch ein Liebling Goethes, der sich im Frühjahr auf seinen Spaziergängen in Weimars Umgebung gern mit ihm schmückte. Stets trug der Dichterfürst Veilchensamen bei sich, um ihn zu Seiten des Wegs auszustreuen; und die Erde erwies sich dankbar für die Gabe des Poeten und ließ den bescheidenen Frühlingsboten überall, wo er gestreut ward, aufsprießen, damit sich die Vorübergehenden an ihm erfreuen konnten. Zu der einfachen Sorte gewann man im Laufe des 19. Jahrhunderts auch gefüllte und immerblühende Arten, ebenso solche mit roten und weißen Blüten. Auch praktischen Zwecken wurden sie dienstbar gemacht. Man benutzt sie zur Bereitung von Veilchensirup, Creme, Gelee, Gefrorenem, feinem Backwerk, auch werden sie überzuckert gegessen und in der Parfümerie verwendet. Doch wird das meiste Veilchenparfüm nicht aus ihnen, sondern aus der Veilchenwurzel — der früher besprochenen Schwertlilie — gewonnen.

Aus dem zwei- bis dreifarbigen Ackerveilchen (Viola bicolor und tricolor), das auf Äckern und Brachen gemein ist, hat die Kunst zuerst der englischen Gärtner die äußerst mannigfaltig gefärbten, großblütigen, fast das ganze Jahr hindurch blühenden Stiefmütterchen oder Pensées gezogen, die mit ihren zahllosen Spielarten einen nicht unbedeutenden Handelsartikel der Kunstgärtner bilden. Das dreifarbige wilde Stiefmütterchen (Viola tricolor) mit mannigfach variierenden Blüten, bei denen alle oder nur die oberen Blumenblätter violett oder blaßblau und die übrigen oder alle gelb sind, findet sich in ganz Europa, Nordafrika, Kleinasien, Sibirien und Nordamerika. Seine Kultur als Gartenzierpflanze kam erst im 19. Jahrhundert in England auf. Man kultiviert jetzt sehr großblütige Varietäten, auch Bastarde mit Viola altaica, Viola lutea, dem gelben Veilchen, das auf Galmeiboden variiert, und Viola cornuta als beliebte Gartenstiefmütterchen und unterscheidet grundfarbige, gestreifte, weißrandige, goldrandige, fünffleckige (Odier), Cassier-, Riesen- oder Trimardeau-Pensées. Diese Samtveilchen spielen in England und Frankreich dieselbe Rolle wie das Vergißmeinnicht in Deutschland und dienen besonders zum Schmucke der Gräber. Alle diese hochkultivierten, großblütigen Formen hat natürlich weder das Altertum, noch das Mittelalter gekannt; es sind ganz moderne Neuschöpfungen der Gärtnerkunst, die uns beweisen, wie Großes durch Zuchtwahl und Kreuzung geleistet werden kann. Die im Umriß dreieckige Blume der Stammpflanze mit leuchtend gelbem, von schwarzen Strahlen durchzogenem Saftmal galt im Mittelalter als Symbol der Dreieinigkeit. Seit dem 16. Jahrhundert wird das Kraut des wilden Stiefmütterchens bei Hautausschlägen verwendet, sei es zu Umschlägen, sei es innerlich als Tee. Da es nachgewiesenermaßen Salizylsäure enthält, ist dies durchaus zweckmäßig und recht wirksam.

Eine neuerdings in Mode gekommene Warmhaus- und Zimmerpflanze, die wie die Gloxinien kultiviert wird und sich leicht durch Blattstecklinge fortpflanzen läßt, ist das zu den Gesnerazeen gehörende Usambaraveilchen (Saintpaulia ionantha), eine in Felsspalten der Usambaraberge in Deutsch-Ostafrika wachsende, ausdauernde, niedrige Pflanze mit dicken, fleischigen Blättern und blauvioletten Blüten mit dottergelben Staubgefäßen. Von den eigentlichen Gesnerien — nach dem schweizerischen Naturforscher Konrad Gesner in Zürich (1516 bis 1565) so genannt — mit knolligen Wurzelstöcken, gezahnten Blättern und meist sehr schönen, scharlachroten, röhrenförmigen, fünflappigen Blüten, sämtlich im tropischen Südamerika, besonders in Brasilien heimisch, werden verschiedene, so vor allem Gesnera magnifica und cardinalis in mehreren Varietäten, in Warmhäusern und auch im Zimmer kultiviert. Ebenso werden von der Gesnerazeengattung Achimenes mit 25 Arten mit meist roten bis violetten Blüten im tropischen Amerika mehrere, wie besonders A. grandiflora mit purpurnen oder violetten Blüten, A. mexicana mit großen blauen oder purpurroten Blüten, A. amabilis und tubiflora mit violetten Blüten bei uns in Warmhäusern ähnlich den ihnen nahe verwandten Gloxinien kultiviert. Durch Kreuzungen sind aus ihnen verschiedene dankbare Gartenpflanzen erzielt worden.

Den Gesnerazeen nahe stehen die Akanthazeen oder Bärenklaugewächse, von denen der südeuropäische echte Bärenklau (Acanthus mollis) dadurch bekannt ist, daß die malerische Form seiner 50 cm langen und 16–26 cm breiten, buchtiggelappten und gezähnten Blätter dem genialen griechischen Bildhauer Kallimachos das Motiv zum Schmucke des korinthischen Kapitäls gaben. Er wurde schon im Altertum zur Einfassung der Gartenbeete benutzt. Vergil sagt: „Der Akanthus bildet eine Zierde der Gärten;“ ähnlich drückt sich der ältere Plinius aus, der dazu bemerkt, er werde an den Rand erhabener Beete gepflanzt. Wurzel und Blätter dienten als Arznei. Eine in den Tropen der Alten Welt, namentlich in Afrika, heimische Gattung der Akanthazeen sind die Thunbergien, von denen viele Arten mit violetten oder blauen Blüten bei uns in Warmhäusern kultiviert werden. Thunbergia alata aus Südostafrika dagegen kann einjährig in freiem Lande kultiviert werden. Sie klettert 1,5 m hoch und hat gelbe, schwarzgefleckte Blüten.

Unter den Resedagewächsen ist außer dem an Ackerrändern und auf Schutthalden verbreiteten gelben Wau (Reseda lutea) der Färberwau (Reseda luteola) mit kleinen, gelblichweißen Blüten in Mitteleuropa heimisch. Letzterer wurde schon von den neolithischen Pfahlbauern zum Gelbfärben benutzt und zu diesem Zwecke im Altertum und Mittelalter angepflanzt. Heute wird er zu diesem Zwecke nur noch in England und Holland kultiviert. Der als Topf- und Gartenzierpflanze häufig kultivierte wohlriechende Wau oder die Gartenreseda (Reseda odorata) ist ein Import aus Nordafrika. Sie erschien plötzlich um die Mitte des 18. Jahrhunderts und verbreitete sich innerhalb weniger Dezennien durch ganz Europa und überall, wohin europäische Kultur vorgedrungen ist. Die Zeichen ihrer großen Beliebtheit finden sich in der französischen Bezeichnung mignonette, das als miglionet ins Italienische, als miñoneta ins Spanische und auch ins Englische überging. Ihre so geheimnisvolle Herkunft wurde erst 1887 durch die botanische Forschungsreise von Taubert nach der Cyrenaica, der sie dort wildwachsend fand, aufgeklärt. Wegen ihres Wohlgeruches wurde sie teilweise schon von den alten Ägyptern, besonders aber von den dort heimischen Arabern zu Totenkränzen benutzt. Der französische Arzt N. Granger, der 1733 nach dem Orient ging und 1737 in Basra starb, sandte Samen der wohlriechenden Reseda, die er in der Cyrenaica gesammelt hatte, an die Direktion des Jardin du roi, des heutigen Jardin des plantes in Paris. Von jenem Garten aus, wo sie zuerst in Europa gepflanzt wurde, verbreitete sie sich über die botanischen Gärten Europas. 1753 war sie aber noch nicht nach Upsala gelangt, sonst hätte sie Carl von Linné in der ersten Ausgabe seiner Species plantarum erwähnt. Allmählich fand sie auch in Privatgärten Aufnahme und erlangte trotz ihrer Unansehnlichkeit wegen des lieblichen Geruches ihrer Blüten, der langen Blütezeit und der leichten Kultur weite Verbreitung. Es existieren von ihr zahlreiche, wenn auch wenig vom Typus abweichende Spielarten. Bei der Destillation liefern die Resedenblüten 0,002 Prozent dunkles, festes ätherisches Öl. Für praktische Zwecke destilliert man 1 kg Geraniol (Geraniumöl) mit 500 kg frischen Resedenblüten und bringt das Produkt als Resedageraniol in den Handel.

Die in allen Teilen durch einen reichen Gehalt an ätherischem Öl starkriechende Gartenraute (Ruta graveolens) wurde schon im Altertum als beliebtes Gewürz und magenstärkendes, Blähungen vertreibendes Heilmittel gepflanzt. Der Geruch des Krautes ist den Katzen und Ratten zuwider. Sie hieß schon bei den Griechen rúta und bei den Römern im Gegensatz zur wilden Raute ruta hortensis, d. h. Gartenraute. Der griechische Arzt Dioskurides schreibt in seiner Arzneimittellehre: „Die Bergraute und überhaupt die wilde Raute wirkt viel heftiger als die Gartenraute, ist deshalb zum Essen unbrauchbar, kann, in Menge genossen, sogar töten. Am besten ist diejenige Gartenraute, die neben Feigen wächst. Die Gartenraute wird als Gewürz und auch sehr vielfach als Arznei verwendet.“ Durch Vermittlung der Klöster kam dann diese Heilpflanze in die Bauerngärten nördlich der Alpen, wo sie sich teilweise bis auf unsere Tage erhielt und stellenweise auch verwilderte.

Während die zahlreichen einheimischen und ausländischen Geraniumarten oder Storchschnabelgewächse nur ganz ausnahmsweise in besonders großblütigen Arten zu Gartenzierpflanzen erhoben wurden, war dies in hohem Maße bei den vom Kap der Guten Hoffnung zu uns gekommenen Pelargonien oder Kranichschnäbeln der Fall. Fast alle 175 Arten derselben sind auf Südafrika beschränkt. Da viele derselben durch prächtige Blüten, wohlriechende, schöngezeichnete Blätter, den anhaltenden Blütenreichtum und leichte Kultur ausgezeichnet sind, ist es kein Wunder, daß sie zu Anfang des 19. Jahrhunderts allgemein beliebte Modeblumen wurden, die meist in Töpfen gezogen wurden. Später wurden sie meist wieder von Kakteen, Camellien und anderen Neuheiten verdrängt, sind aber seit einigen Dezennien durch zahllose, besonders von England eingeführte großblütige Spielarten und Hybriden wieder beliebter geworden. In den Bauernhäusern haben sie sich mit den Nelken die alte Gunst bewahrt. Die strauchartigen unter ihnen sind sehr leicht zu kultivieren, während die krautartigen mit Knollenwurzel eine sorgfältige Behandlung erheischen.

Die Mutterpflanze unserer meist rotblühenden Pelargonien, die vom Volke gewöhnlich als Geranien bezeichnet werden, ist das in Südafrika heimische, in Südspanien verwilderte Pelargonium inquinans mit strauchigem, dickem, fleischigem Stengel, kreisrund nierenförmigen, etwas gekerbten, gleich dem Stengel filzig schmierigen Blättern und leuchtend scharlachroten Blüten in langgestielten Dolden. Neben ihm ist auch das als „Brennende Liebe“ bezeichnete Pelargonium zonale mit langgestielten Dolden mit rosaroten Blüten die Mutterpflanze vieler Gartenpelargonien. Das Zitronengeranium (Pelargonium odoratissimum) mit kleinen, weißen Blüten und das Rosengeranium (P. roseum), eine Abart des raspelblätterigen Geraniums (P. radula), die 1,6 m hoch wird und hellrote Blüten besitzt, werden besonders in Frankreich, Spanien, Algerien und auf der Insel Réunion zur Gewinnung des angenehm rosenartig riechenden, farblosen bis grünlichen ätherischen Geraniumöls im großen kultiviert. Das darin wirksame Prinzip, das Geraniol, ist, wie früher gesagt, identisch mit dem Rhodinol, dem ätherischen Öl der Rosen. Es dient außer zu Parfüms — auch zum Parfümieren des Schnupftabaks — hauptsächlich als Surrogat und zum Verfälschen des Rosenöls, wird aber selbst wieder mit dem ätherischen Lemongrasöl von Andropogon schoenanthus u. a. verfälscht.

Vom blumistischen Standpunkte aus unterscheidet man: 1. Die sehr großblumigen englischen Pelargonien, die meist von P. grandiflorum und P. quinquevulnerum abstammen. Sie sind teilweise auch französischen Ursprungs und umfassen außerdem die für die Topfkultur sehr geeigneten Odierpelargonien (nach ihrem Züchter, dem Franzosen Odier, so genannt) mit 40–60 cm hohem, holzigem Stamm und großen, fünffleckigen Blumen. Ihnen ähnlich sind die Diadempelargonien. 2. Die Fancy- (vom englischen fancy, Einbildungskraft, Phantasie) oder Phantasiepelargonien von niedrigem Wuchs, mit zahlreichen zierlichen Blumen von unregelmäßiger Form, aber lebhafter Zeichnung. Sie wurden meist in Frankreich gezüchtet. 3. Die Scharlachpelargonien, die aus den erwähnten P. zonale und inquinans gezüchtet wurden. Sie sind meist von robustem Wuchs, mit einförmigen, nur mit einem Auge versehenen oder anders gerandeten, roten, rosenroten, lachsroten oder weißen Blüten, einfach, gefüllt und buntblätterig. Zu ihnen gehören die Nosegay- oder Straußpelargonien mit sehr großen Blütendolden. Die Mutterpflanze der Efeupelargonien (oder Efeugeranien), von denen einige mit niederliegenden Stengeln als Ampel- und Balkonpflanzen kultiviert werden, ist das strauchige, fast 1 m hohe Pelargonium peltatum mit ziemlich großen, blaßroten, auch weiß und roten Blüten. Die ersten Pelargonien wurden 1690 vom Kap nach Europa gebracht. Ihre Kultur zur Gewinnung von ätherischem Öl begann 1847 in Frankreich und wurde später in Algerien eingeführt. In Spanien kultiviert man sie besonders um Valencia und Almeria. Seit Ende der 1880er Jahre liefert die französische Insel Réunion nächst Algerien das meiste Geraniumöl. Die knollige Wurzel des ebenfalls südafrikanischen Pelargonium triste ist eßbar.

Tafel 147.

Anlegung eines Nutz- und Ziergartens durch die Schuljugend in der Gartenstadt Port Sunlight (Südengland).
(Nach Berlepsch-Valendas, Die Gartenstadt München-Perlach.)


GRÖSSERES BILD

Tafel 148.

Gärten von Arbeiterwohnhäusern in Port Sunlight.


GRÖSSERES BILD

Tafel 149.

Blumengarten in Verbindung mit einem Gemüsegarten in Port Sunlight.


GRÖSSERES BILD

Tafel 150.

Der Garten von Tafel 147 drei Monate nach seiner Anlegung.


GRÖSSERES BILD

Ebenso werden die knolligen Wurzeln der mittelamerikanischen Sauerkleearten Oxalis tuberosa und esculenta gegessen. Zu diesem Zwecke werden diese Pflanzen in ihrer Heimat angebaut, wie auch der dickstengelige Sauerklee (Oxalis crassicaulis), dessen in Aussehen und Geschmack unsern Kartoffeln ähnliche Wurzelknollen verspeist werden, während die Blätter als Salat dienen. Die dicken Stengel sind reich an oxalsaurem Kalk, der aus dem ausgepreßten Safte derselben in Kristallen aufschießt. Die ganze Pflanze dient auch zu Rabatteneinfassungen. Gleicherweise enthält das Kraut des gemeinen Sauerklees (Oxalis acetosella) viel Oxalsäure, das früher daraus gewonnen wurde und als Sauerkleesalz in den Handel kam. Zu 1 kg desselben waren 150 kg Blätter nötig. Neuerdings wird dieses künstlich hergestellt. Die Blätter des Sauerklees werden indessen wie Sauerampfer zu Salat benutzt. Sie standen früher als heraldische Pflanze im Wappen der Irländer. Als shamrock wurde die Pflanze von englischen Dichtern häufig besungen. Alljährlich am 17. März, am Tage des heiligen Patricius (Patrik), des Schutzpatrons von Irland, wird ein Sauerkleeblatt von jedem patriotischen Irländer im Knopfloch oder am Hut getragen, da jener Schutzheilige des Landes durch dieses Sinnbild den Iren das Geheimnis der heiligen Dreifaltigkeit erklärt haben soll. Mit der Ausrottung der Wälder auf dieser Insel wurde auch der nur in Wäldern wachsende Sauerklee ausgerottet und der kriechende Klee (Trifolium repens) erschien durch die Kultur. Deshalb werden nun die Blätter dieser Pflanze an Stelle derjenigen des Sauerklees als shamrock getragen und vielfach für das echte Nationalabzeichen der Irländer gehalten.

Von den Malvengewächsen sind die Moschus- und Rosenmalve (Malva moschata und alcea), beide mit rosenroten, erstere ausnahmsweise auch mit weißen Blüten, zu Gartenzierpflanzen erhoben worden. Die wilde oder Roßmalve (Malva silvestris), auch Käsepappel genannt, mit hellpurpurnen, dunkler gestreiften Blüten, die beim Kochen ihres Krautes eine schleimige Lösung liefert, wird seit dem frühen Altertum äußerlich zu erweichenden Umschlägen und innerlich zu Gurgelwässern und als beruhigendes Mittel gebraucht. Außerdem wird sie auch als Gemüse angepflanzt. Schon der griechische Dichter Hesiod erwähnt sie unter der Bezeichnung maláchē als eßbar. Dioskurides im 1. Jahrhundert n. Chr. sagt in seiner Arzneimittellehre: „Die im Garten gezogene Malve (maláchē) paßt besser zur Speise als die wilde. Man braucht die Pflanze auch äußerlich und innerlich als Heilmittel.“ Palladius (um 380 n. Chr.), der sie, wie schon der ältere Plinius, malva nennt, rät, sie im Oktober zu säen und sagt, daß man sie auch im Februar säen könne. Sie liebe einen fetten, feuchten, gedüngten Boden. „Haben die Pflänzchen 4–5 Blätter, so versetzt man sie; denn ist sie größer, so wächst sie nicht leicht an. Sie schmeckt übrigens besser, wenn sie nicht versetzt wird. Man kann sie dadurch zwingen, nicht emporzuschießen, daß man auf ihre Spitze ein Steinchen oder Erdklümpchen legt. Sie gedeiht am besten, wenn sie fleißig gehackt wird, wobei man aber ihre Wurzeln nicht berühren darf.“

Von der in Syrien heimischen krausen Malve (Malva crispa) wird der Bast des Stengels als Gespinstmaterial gebraucht, ebenso von der ostindischen Hanfrose (Hibiscus cannabinus), einer einjährigen, krautigen Pflanze, welche in ihrer Heimat seit alter Zeit in ausgedehntem Maße kultiviert wird und den weißlichen, geschmeidigen, weichen, dem Flachs ähnlichen Gambohanf liefert. Auch der veränderliche Eibisch (Hibiscus mutabilis), dessen schöne Blüten morgens beim Aufblühen weiß, mittags rosenrot und abends beim Verblühen purpurrot sind, liefert einen guten Bast. Blätter und Blüten werden in China und Ostindien als Heilmittel benutzt. Die Pflanze wird in Südspanien kultiviert.

Ebenfalls strauchartig ist der chinesische Roseneibisch (Hibiscus rosa chinensis), der gleich dem vorigen in Ostindien und China als schöne Zierpflanze kultiviert wird. Seine großen, stark variierenden Blüten dienen dazu, Kopfhaare, Augenbrauen und auch Schuhe schön schwarz zu färben. Auch sein Bast wird technisch verwendet. Der syrische Eibisch (Hibiscus syriacus), ein Strauch von 1,5–3 m Höhe mit 8 cm breiten, violetten, roten oder weißen, im Grunde schwarzroten Blüten, ist bei uns eine beliebte, im Freien unter Bedeckung überwinternde Zierpflanze. Winterhärter ist der noch häufiger in Gärten angetroffene, aus Südeuropa stammende Stundeneibisch (Hibiscus trionum), dessen zarte Blüten sich zu bestimmten Tageszeiten öffnen und nur wenige Stunden offen bleiben. Wegen dieser Eigentümlichkeit wird er auch Stundenblume oder Wetterrose genannt.

Der arzneilich von uns gebrauchte gemeine Eibisch (Althaea officinalis) mit bis 1,25 m hohem, aufrechtem Stengel, beiderseits weichfilzigen Blättern und weißen, ins Rötliche spielenden Blüten wächst auf feuchten Wiesen, besonders auf Salzboden, wild und wird in Mitteldeutschland im großen kultiviert. Er stand wegen seiner Heilkraft seit den ältesten Zeiten bei den europäischen Völkern in hohem Ansehen. Schon der griechische Pflanzenkenner Theophrast im 4. Jahrhundert v. Chr. erwähnt ihn als althaía, Vergil (70–19 v. Chr.) in einer seiner Eclogen als hibiscus. Der griechische Arzt Dioskurides schreibt von ihm: „Die althaía heißt auch ibískos, ihre Blätter sind rund, flaumig; die Blüte ist rosa, der Stamm zwei Ellen hoch, die Wurzel schleimig, inwendig weiß. Die Pflanze leistet, innerlich und äußerlich angewendet, treffliche Dienste und heißt eben deswegen althaía (von althaínein heilen).“ Noch heute sind Blätter und Blüten, besonders aber die Wurzel wegen ihres Schleims offizinell.

Ein beliebtes Hausmittel bei Bronchitis mit Husten zur leichteren Lösung des Schleims und Beförderung des Auswurfs ist die aus einer Abkochung der Eibischwurzel mit Eiweiß, arabischem Gummi und Zucker hergestellte Eibischpaste oder weiße Lakritze. Bei Landleuten ist auch die gelbe Eibischsalbe als Heilmittel sehr beliebt. Eine aus dem Orient in unsere Gärten gekommene und als beliebte Zierpflanze in den mannigfaltigsten Farben darin kultivierte Malvenart ist die 2,5 bis 3,8 m hohe Stockmalve oder Stockrose (Althaea rosea) mit einer langen, aufrechten Ähre von ursprünglich roten bis weißen Blüten. Letztere enthalten sehr viel Schleim und werden, wie diejenigen des gemeinen Eibischs, zu schleimlösenden Medizinen gebraucht. Besonders aber dienen die Blumenblätter der als schwarze Malve bezeichneten schwärzlich blühenden Spielart zum Färben, speziell zum Rotfärben des Weins. Jetzt geschieht dies noch mehr als mit dem Safte der Heidelbeeren; deshalb sind sie von den Weinhändlern sehr gesucht. Aus diesem Grunde breitet sich die Kultur der schwarzen Malve immer mehr aus. Besonders groß ist ihr Verbrauch zum Färben von Zuckerwaren in der Türkei. Die Bastfasern der Stengel können zur Papierfabrikation verwendet werden.

Zu den Malven gehören auch die Staudenpappeln (Lavatera), deren 20 Arten meist im Mittelmeergebiet heimisch sind. Mehrere derselben dienen als Zierpflanzen, so Lavatera olbia, ein schöner 2–2,5 m hoher Halbstrauch mit purpur- bis rosaroten Blüten, der auf den Inseln Südfrankreichs zur Umzäunung der Gärten benutzt wird, bei uns aber im Kalthaus überwintert werden muß; dann die schöne, 1,25–2 m hohe Sommerpappel (Lavatera trimestris) mit rosenroten, dunkler geäderten oder weißen Blüten und die ausdauernde Lavatera arborea mit 4 cm im Durchmesser haltenden purpurroten Blüten. Sie wächst in den Mittelmeerländern und auf den Kanaren und eignet sich zur Anpflanzung auf Rasenplätzen; doch muß sie bei uns im Kalthaus überwintert werden.

Außer als Küchengewächs findet sich wegen seiner großen Blätter sehr häufig Rheum undulatum, der Rhabarber mit am Rande welligen Blättern, als Zierpflanze in Anlagen angebaut. Die saftigen, dicken Blattstiele geben mit Zucker gekocht ein treffliches Kompott. In Schlesien wie in England wird die Pflanze auch zur Weinbereitung angepflanzt. Nahe verwandt damit ist der Amarant oder die Samtblume. Von ihnen sind beliebte Gartenzierpflanzen: der aus Persien stammende rote Fuchsschwanz (Amarantus caudatus), der oft über und über rot ist, mit sehr langer, schlaff überhängender, hellroter Blütenähre. Dann der aus Ostindien zu uns gekommene dreifarbige Fuchsschwanz (Amarantus tricolor) mit grün, gelb und hochrot gefärbten Blättern. Der mehlreiche Fuchsschwanz (A. frumentaceus) liefert ein stärkemehlreiches, als wichtiges Nahrungsmittel verbackenes Samenmehl und wird deshalb in Ostindien im großen angebaut. In Brasilien dagegen dient als Gemüse und in Westindien als Heilmittel Amarantus melancholicus, dessen rote Spielart als Dekorationspflanze in Gärten sehr beliebt ist. Nicht minder häufig treffen wir in Gärten den in Mittelamerika heimischen blutroten Fuchsschwanz (A. sanguineus) mit sehr langer, aufrechter, blutroter Rispenähre. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist der auf bebautem Boden und auf Schutt angetroffene rauhhaarige Fuchsschwanz (A. retroflexus) aus Amerika zu uns eingewandert.

Von den Glockenblumen (Campanula) wird der einjährige Frauenspiegel (C. speculum) in mehreren Varietäten als Zierpflanze kultiviert. Von den zweijährigen zieht man ebenso das Marienveilchen (C. media) aus Südeuropa mit großen, blauen, auch rosaroten und weißen, traubig oder rispig angeordneten Blüten, nicht selten mit mehreren Kronen, auch kronenartigem Kelch und eßbarer Wurzel, und C. pyramidalis aus den Mittelmeerländern mit noch größeren Blüten in straußförmiger Rispe. Von den ausdauernden Arten eignet sich die von den Gebirgen Mitteleuropas stammende rasenartige C. caespitosa mit hellblauen Blüten in Trauben zur Verschönerung künstlicher Felsenpartien und zu Einfassungen, ebenso die aus europäischen Gebirgen genommene zierliche C. pusilla mit überhängenden, hellblauen Blüten. Auch die in fast ganz Europa, wie auch in Sibirien heimische C. persicifolia mit wenigen, aber schönen, großen, blauen Blüten wird als Zierpflanze gezogen, während die zweijährige C. rapunculus aus den Wäldern Europas wegen ihrer fleischigen, wohlschmeckenden Wurzel in Frankreich und England als Gemüse gepflanzt wird.

Sehr zahlreiche Zierpflanzen für Garten- und Topfkultur hat die Familie der Nelken geliefert, deren wilde Vertreter die Poesie unserer Wiesen bilden. Sie sind vorzugsweise in der gemäßigten, ja teilweise in der kalten Zone und in höheren Gebirgsregionen heimisch. Bei den Kulturvölkern des Altertums spielten sie als Gartenpflanzen keinerlei Rolle. Der Gattungsname Dianthus (verkürzt aus dem Griechischen Diós ánthos Zeusblume), den Karl von Linné den Nelken im engeren Sinne verlieh, war schon den Alten bekannt. So spricht der Grieche Theophrast im 4. Jahrhundert v. Chr. von ihr als einer zu Kränzen beliebten Blume, und der Grammatiker Athenaios um 200 n. Chr. überliefert uns ein Fragment des Dichters Nikandros, in welchem von der wohlriechenden Zeusblume (enôdēs Diós ánthos) die Rede ist. Damit dürfte wohl die strauchartige Baumnelke (Dianthus arboreus), welche an den felsigen Küsten des Ägäischen Meeres wild wächst, gemeint sein.

Jedenfalls haben die Griechen und Römer unsere klassische Gartennelke (Dianthus caryophyllaceus — letzteres Wort bedeutet Nußblatt) nicht gekannt. Die Stammpflanze derselben ist im Mittelmeergebiet heimisch, wächst an felsigen Stellen und hat einzeln stehende, höchst angenehm gewürzhaft riechende Blüten und treibt zahlreiche ästige, verlängerte Stengel. Sie variiert in der Färbung der Blüten ganz außerordentlich und wurde in der Neuzeit in allen nur erdenkbaren Farbenvarietäten gezüchtet. Diese heute so außerordentlich beliebte Zierblume wurde im muhammedanischen Orient zur Kulturpflanze erhoben und kam im 13. Jahrhundert durch Kreuzfahrer von dort nach Mitteleuropa. In einer noch wenig hochgezüchteten, fünfblättrigen Form finden wir sie in der Hand des „Mannes mit der Nelke“ von Jan van Eyck (zwischen 1430 und 1440 in Brügge gemalt, jetzt in Berlin) als eine für die damalige Zeit moderne Blume dargestellt, während sie in dem ebenfalls in Berlin befindlichen, 1532 entstandenen Ölgemälde des deutschen Kaufmanns Georg Gisse im Stahlhof in London von Hans Holbein dem Jüngeren, wo deren drei in einer durchsichtigen Glasvase mit zwei Henkeln stehen, schon in mehreren Nuancen von Rot in teilweise gefüllten Exemplaren zu sehen sind. In dem noch später entstandenen Porträt des englischen Edelmannes Simon George aus Cornwall von demselben Maler (jetzt im Städtischen Museum zu Frankfurt a. M.) ist in der rechten Hand des mit hübschem Barett geschmückten Mannes eine ungefüllte rote Nelke mit fünf ziemlich großen Blumenblättern dargestellt. Damals müssen die einfachen, ungefüllten Nelken in dunkleren und helleren Tönungen von Rot die fast ausschließlich in Europa gezogenen Nelken gewesen sein.

In Frankreich begann die Nelkenzucht schon seit der Zeit Ludwigs IX. des Heiligen (geb. 1215, folgte seinem Vater 1226 unter der Vormundschaft seiner Mutter Blanca von Kastilien, unternahm 1248 einen Kreuzzug, von dem er gegen ein Lösegeld von 100000 Mark Silber von den Sarazenen in Ägypten mit seinen Brüdern Karl und Alfons 1254 nach Frankreich zurückkehrte, unternahm im Juli 1270 einen Zug gegen Tunis, auf welchem er am 25. August 1270 im Lager von Tunis starb). Aber erst im 17. Jahrhundert war die Kultur dieser Gartenpflanze in Mitteleuropa zu einiger Blüte gelangt. Der erste, von dem wir wissen, daß er die Gartennelke leidenschaftlich liebte, war Ludwig II. von Bourbon, Prinz von Condé, der große Condé genannt (1621–1668), einer der hervorragendsten französischen Feldherren in den Kriegen des 17. Jahrhunderts. Ihm zu Ehren trugen seine Soldaten, die er in der Schlacht bei Rocroi am 19. Mai 1645 zu ruhmreichem Siege über die Spanier, und am 3. August desselben Jahres zum Sieg über den bayerischen General Mercy bei Allersheim geführt hatte, die Nelke als Sinnbild der Tapferkeit und Unerschrockenheit. Zur Zeit der großen französischen Revolution von 1793 war die rote Gartennelke, von der bisher allein die Rede war und die wohl bis dahin allein gezüchtet wurde, das Emblem der in stolzer Todesverachtung das Schaffot besteigenden Royalisten. Wie sie heute die Blume des Volkes ist, war sie damals noch die Blume der Aristokratie, wie in Frankreich, so auch in England und den übrigen Kulturstaaten Europas. Bei den Briten heißt der ganze Farbenbegriff Rot nach der roten Nelke pink. Erst später wurde sie beim Volke populär und wurde bei ihm die Blume der Liebe. Zuletzt spielte sie eine vorübergehende Rolle als Erkennungsmittel der Anhänger des revanchelustigen französischen Generals Boulanger, der dann, als er seinen ehrgeizigen Plan scheitern sah, sich in Belgien am Grabe seiner einstigen Geliebten erschoß.

Mit Vorliebe trägt der Torrero die rote Nelke als Kampfesschmuck und weiht sie nach erlangtem Sieg über seinen spitzgehörnten Feind der Dame seines Herzens. Wenn die junge Spanierin in Begleitung ihrer Duenna, d. h. Hüterin, nach der Messe aus der Kirche tritt, richtet sich der erste Blick ihres verstohlen draußen auf sie wartenden Amorosos auf die Nelke, die auf einen Moment unter der graziös gelüfteten Mantilla sichtbar wird. Die Farbe der Nelke bezeichnet ihm die Stunde, zu der er die Angebetete ungestört sprechen kann. Auch bei anderen Romanen wird ihr solch stumme Liebesbotschaft anvertraut, wie der Hyazinthe bei den Türkinnen. Die Italienerin weiht vor dem Muttergottesbilde am Kreuzweg den für ihren Geliebten bestimmten Nelkenstrauß durch inbrünstiges Gebet und steckt ihn jenem als Schutz- und Gedenkzeichen zu, bevor er mit den beladenen Maultieren den gefahrvollen Weg über das Gebirge antritt. Auch der rote Nelkenstrauß am Hute des „Jagers“ gibt von der guten Aufnahme bei seinem „Dearndel“ Bescheid. Diese selbst trägt Sonntags beim Kirchgang eines ihrer blutroten „Nagerle“ auf ihrem „Betbüchel“ als schönste Zier. Von Bauernhaus zu Bauernhaus und von Pfarre zu Pfarre werden Nelkensenker getauscht und wird so die schöne Blume, der besondere Liebling der Landbevölkerung, überallhin verbreitet. In den Alpen heißt es, man soll die Nelken beim Glockenklang säen, dann werden sie reich gefüllt. Überall ist sie neben den als Geranien bezeichneten, in allen Farbennuancen von Rot leuchtenden Pelargonien in Töpfen auf den Fenstersimsen der Bauernhäuser zu finden und ist hier gleichsam das Symbol des glücklichen Zusammenlebens und häuslichen Friedens. Und je höher man ins Gebirge steigt, um so herrlicher leuchten die bunten Farben dieser Wunderblume. So sind die Engadiner Nelken wegen der Intensität ihres Kolorits und der Größe ihrer Blüten weltberühmt; auch die Blüten von 14: 9 cm Durchmesser aufweisenden, meist lachsrosa gefärbten Harznelken erfreuen sich besonderer Beliebtheit.

Das Wort Nelke ist aus Nägelein, Nägelken — wie sie heute noch beim Volke heißt — verkürzt. Ursprünglich bezeichnete man damit die Gewürznägelein wegen ihrer Ähnlichkeit mit Nägeln; und als die Blume aus dem Oriente bei uns eingeführt wurde, übertrug man diesen Namen auf die ähnliche Nagelgestalt und nicht minder aromatischen Geruch aufweisende Blütenpflanze. Gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts machte der Lyoner Gärtner Léon Lille die Nelkenkultur zu seiner Spezialität und von da an wurde die Zucht dieser schönen Blume auch von zahlreichen anderen Gärtnern mit besonderem Eifer betrieben, so daß es heute gegen 2000 Varietäten der Nelke gibt. Am beliebtesten sind die Remontantnelken, d. h. solche, die nach dem Hauptflor an neugebildeten Trieben nochmals blühen.

Ebenfalls als Gartenzierpflanze sehr geschätzt ist die leider duftlose chinesische Nelke (Dianthus chinensis), eine, wie schon der Name sagt, aus China zu uns gekommene, hochgezüchtete, ein- oder zweijährige Pflanze mit prachtvollen, bis 8 cm im Durchmesser haltenden, in allen Nuancen von Rot, Purpur, Schwarzrot und Weiß leuchtenden, außerordentlich zierlich gezeichneten, sowohl einfachen als gefüllten Blüten. Die schönste derselben ist die von einem russischen Gärtner eingeführte D. heddewigi (Dianthus chinensis imperialis), eine ungefüllte Art mit fünf ganz zerschlissenen, karminroten Blumenblättern mit weißen Saftmalen und schwärzlicher Zone. Die in Südosteuropa heimische, ausdauernde Federnelke (D. plumarius) mit 2–5 sehr wohlriechenden, weißen oder blaßroten Blüten, die auch in gefüllten Spielarten vorkommen, wird häufig zur Einfassung von Blumenbeeten benutzt. Auch die Studenten- oder Bartnelke (D. barbatus), eine rosenrot blühende süddeutsche Alpenpflanze, und ihre Spielart mit breiteren Blättern (D. latifolius) sind beliebte Gartenzierpflanzen. Nur ausnahmsweise kultiviert werden dagegen die auf feuchten Waldwiesen ziemlich selten angetroffene Prachtfedernelke (D. superbus) mit fein zerschlitzten, blaßlila oder blaß rosenroten Blumenblättern, die nach dem botanischen Schriftsteller und Reisenden Joh. Franz Suegier genannte Dianthus seguieri in Süd- und Mitteldeutschland und die zu Ehren der beiden Naturforscher Joh. Karthauser († 1777) und Friedrich Karthauser († 1796) getaufte Karthäusernelke (D. carthusianorum), die ebenfalls blutrot, nur mit drei dunkleren Purpurstreifen durchzogen ist. Einige dieser Nelken, besonders die Gartennelke, dienten früher als Heilmittel.

Von den 10 Arten Lichtnelken (Lychnis, nach der Theophrastischen Bezeichnung lychnís d. h. Leuchte), die in der Alten Welt, vornehmlich in Sibirien, wachsen, ist die 50–80 cm hoch werdende „brennende Liebe“ oder Feuernelke (Lychnis chalcedonica) mit scharlachroten Blüten und zweiteiligen Blumenblättern aus Westsibirien, Mittel- und Südrußland zu nennen. Sie wird auch in Varietäten mit fleischfarbenen und weißen, auch gefüllten Blüten bei uns als Rabattpflanze gezogen. Ihre Wurzel enthält Saponin und wird wie die Seifenwurzel zum Waschen gebraucht. Auch die Kranzlichtnelke (L. coronaria) mit an die Kornrade erinnernden purpurroten Blüten und ungeteilten Blättern aus Südosteuropa wird bei uns häufig als Zierpflanze kultiviert. Ebenso dienen die 20–30 cm hohe L. fulgens aus Sibirien mit lebhaft roten, vierteiligen Blumenblättern, L. haageana aus Japan, wohl nur eine Kulturform der vorigen, mit orangeroten, rosenroten oder weißen Blüten, L. grandiflora aus Japan mit sehr großen, scharlachroten, ungeteilten Blumenblättern und L. sieboldi, ebenfalls aus Japan, mit noch größeren, weißen Blüten als auch bei uns sehr geschätzte Gartenzierpflanzen.

Von Abendlichtnelken (Melandryum) werden M. album mit weißen, seltener rötlichen Blüten aus Mittel- und Nordeuropa, wie auch Sibirien und die im arktischen Gebiete wachsende M. rubrum mit hellpurpurnen Blüten, auch in gefüllten Formen als Zierpflanzen kultiviert. Ebenso wird von Pechnelken (Viscaria) besonders V. viscosa aus Mittel-, Nordeuropa, dem Kaukasus und Westsibirien mit roten Blüten in mehreren Varietäten, auch gefüllt, gezogen. Von den Klebnelken der Gattung Silene werden besonders das einjährige Marienröschen (S. armeria) aus Mitteleuropa, das aber auch nach Nordamerika, Brasilien und Ostindien verschleppt wurde, mit karminroten Blüten in großen Doldentrauben, dann die im Mittelmeergebiet heimische S. pendula mit rosaroten Blüten in mehreren Varietäten als Zierpflanzen kultiviert. Sie dienen namentlich auch zu Einfassungen auf Teppichbeeten und Felsgruppen. Für letztere eignet sich besonders die niedrige, rotblühende, arktische und hochalpine stengellose Klebnelke (S. acaulis). Endlich werden auch verschiedene Arten der Gattung Statice, deutsch Strandnelken genannt, weil sie meist in Küstengegenden oder Salzsteppen heimisch sind, aus Süd- und Osteuropa, von den Kanarischen Inseln und aus Mittelasien als Zierpflanzen kultiviert. Ihre ährigen oder traubigen Blütenstände dienen in der Blumenbinderei, werden auch getrocknet für Dauersträuße benutzt.

Bei den alten Griechen und Römern wurde das Seifenkraut (Saponaria officinalis) an Stelle der fehlenden Seife verwendet und zu diesem Zwecke auch kultiviert. Es enthält besonders in den Wurzeln das Glykosid Saponin, das in Wasser wie Seife schäumt. Die Griechen nannten es strúthion. Theophrast sagt von ihm, es habe eine schöne, aber geruchlose Blume. Columella gibt an, daß die Schafe vor der Schur mit der Wurzel desselben gewaschen wurden, und Dioskurides meint: „Das Seifenkraut, das die Walker zur Reinigung der Wolle gebrauchen, ist allgemein bekannt. Seine Wurzel besitzt Schärfe und Heilkraft.“ Sein Zeitgenosse Plinius sagt: „Das Seifenkraut (herba lanaria) hat eine große Wurzel, die man in Stücke schneidet und zum Waschen der Wolle benutzt; diese wird dadurch außerordentlich weiß und weich. Man kultiviert sie eigens zu diesem Zwecke.“ Ihre Wichtigkeit verlor sich, als die in Germanien erfundene Seife den Römern bekannt wurde und ihre Stelle einnahm.

Die fleischigen Portulakarten mit gelben oder roten Blüten, die sehr kurze Zeit blühen und sich dann wie eine Gallerte auflösen, haben vielsamige Fruchtkapseln, die sich mit einem Deckelchen (portula, Türchen) öffnen. Daher der Name. Die mehr als 20 Arten derselben wachsen in den Tropen und Subtropen der Alten, besonders aber der Neuen Welt. Der in den Mittelmeerländern heimische gemeine Portulak (Portulaca oleracea) mit kleinen, gelben oder gelblichweißen Blüten wird in Gärten in mehreren Spielarten als P. sativa kultiviert. Die jungen, sehr saftigen Blätter werden als Zutat zu Salat oder Suppenkraut gegessen, auch mit Essig eingemacht. Früher wurden Kraut und Same arzneilich benutzt. Die Pflanze hieß bei den Griechen andráchnē. Dioskurides sagt von ihr, sie werde als Speise genossen und gegen alle Übel gebraucht. Mehrere Arten werden als Zierpflanzen angebaut, so besonders die einjährige Portulaca grandiflora aus Brasilien mit hellpurpur- oder karminroten, weißen oder gelben, auch gefüllten Blüten. Sie ist unter dem Namen „Portulakröschen“ bekannt.

Verschiedene Mauerpfefferarten der Gattung Sedum werden in Gärten kultiviert, so vor allem der weiße Mauerpfeffer (Sedum album) aus den Mittelmeergegenden, dessen Kraut früher medizinisch verwendet wurde. Jetzt noch dienen die zarten Blätter als Salat und Suppenwürze. Dasselbe geschieht mit dem großen Gartentripmadam (S. anacampseros) mit purpurroten oder weißen Blüten. Die Stengel dieser Pflanze werden in Spalten der Häuser gesteckt und dienen als Orakel für das Glück und die Lebensdauer junger Ehepaare oder der Familienglieder. Auch der Felsenpfeffer (S. reflexum) wird hier und da kultiviert und in derselben Weise benutzt. Die an sonnigen Plätzen Südeuropas bis Kleinasiens wachsende Schmerwurzel (S. maximum) mit 30–60 cm hohem, aufrechtem Stengel mit weißen, grünlichgelben oder roten Blüten wird noch heute arzneilich gebraucht. Zahlreiche ausländische Arten werden als Zierpflanzen kultiviert, so vor allem die prächtige, 1830 von v. Siebold aus Japan eingeführte S. sieboldi. Sedum japonicum mit blaugrünen, rotgesäumten Blättern und roten Blüten verwendet man als Ampelpflanze oder zur Einfassung in Gärten. Auch das in Sibirien heimische Sedum crassifolium mit roten Blüten in gedrängter Rispe, dessen Blätter von den Kalmücken als Teesurrogat gebraucht werden, wird bei uns häufig in Gärten gezogen.

Wie der scharfe Mauerpfeffer (Sedum acre) als kleines aeízōon (d. h. immerlebend), wurde die gemeine Hauswurz (Sempervivum tectorum) als großes aeízōon schon im Altertum auf Dächern zur Abhaltung des Blitzes gepflanzt. Daneben wurde sie nach Plinius als Zierpflanze auch in irdenen Töpfen gezogen und ihr aus den zerquetschten Blättern gewonnener Saft nach Dioskurides als kühlendes, zusammenziehendes Mittel auf Brandwunden gelegt. Karl der Große befahl die Anpflanzung der Hauswurz auf seinen Gütern. So wurde sie, auch mit Hilfe der Klöster, in Mitteleuropa populär und spielte bis in die Gegenwart in der ländlichen Arzneikunde eine wichtige Rolle, indem der aus ihr gepreßte Saft gegen Halsentzündungen, wunde Brustwarzen, Bienenstiche und Brandwunden verwendet wurde. Zur Hexensalbe mußten die Blätter des „Donnerkrautes“ am Donnerstage gepflückt werden.

Von den Steinbrechen (Saxifraga) dient die in den Pyrenäen und in Irland heimische Saxifraga umbrosa mit weiß, gelb und rot punktierten Blüten in länglichen Rispen ebenfalls zur Einfassung in Gärten, während die aus China und Japan stammende S. sarmentosa mit rotbehaarten Blättern und weißen oder blaßroten Blüten sich als Zierpflanze häufig in Zimmern und Gewächshäusern findet.

Die Primeln oder Schlüsselblumen sind meist Hochgebirgsbewohner. Die Mehrzahl der etwa 140 Arten wächst in Europa und Asien, wenige kommen in Nordamerika vor und bilden auch hier den ersten Frühlingsschmuck der Bergwiesen, weshalb sie überhaupt ihren Namen erhielten. Primula, das Verkleinerungswort des weiblichen prima, bedeutet nämlich der kleine Erstling. Diese Bezeichnung bekam die Pflanze, weil sie mit dem Veilchen als erster Bote des Lenzes erscheint und als solcher die Gemüter der aus der winterlichen Enge in die ergrünenden Fluren Hinausziehenden doppelt erfreut. Im Deutschen erhielt sie den Namen Schlüsselblume, weil sie als die erste Frühlingsblume den Himmel gleichsam erschließt. Als Heilmittel war seit dem Altertum besonders die arzneiliche Schlüsselblume (Primula officinalis) mit gelben Blüten sehr hochgeschätzt. Daraus bereiteter Tee galt als sehr nervenstärkend und heilsam gegen Krämpfe, Nervenzufälle und Gemütsverstimmung. Schon die später heilig gesprochene Hildegard, Äbtissin des Klosters Rupertsberg bei Bingen im 12. Jahrhundert, pries den hymelsloszel (Himmelschlüssel) wegen seiner Heilkraft. Außer solcher sollte er aber auch noch das Vermögen besitzen, den Zugang zu verborgenen Schätzen zu erschließen. Er hieß deshalb auch Marien- oder Petersschlüssel. Bis in unsere Zeit wurden wenigstens die Blüten arzneilich und die Wurzel als Niesmittel gebraucht. Mit ihr wurde auch die gelbblühende Primula elatior von den Wiesen und Rainen in die Gärten verpflanzt und in Kulturpflege genommen. Beide Pflanzen werden jetzt in mehreren gelb, rot, braun, auch gefüllt blühenden Varietäten als Zierpflanzen kultiviert, ebenso die Hybriden oder Bastarde derselben mit Primula acaulis. Letztere mit sehr kurzgestielter Dolde und fünf safrangelben Flecken auf dem flachen Saum der hellgelben Blumenblätter wächst im Mittelmeergebiet und in Mitteleuropa. Bei manchen Varietäten entwickelt sich der Kelch in der Form und Farbe der Blumenkrone, so daß zwei gleiche Blumen ineinander zu stecken scheinen.

Noch beliebter als die Primeln waren im vergangenen Jahrhundert, während welchem sie sehr viel gepflanzte, spielartenreiche Modeblumen waren, die in der Gegenwart stark an Beliebtheit eingebüßt haben, die Aurikeln, die ihren Namen von der ohrförmigen Gestalt ihrer Blätter erhielten. Früher hieß man sie auricula ursi, d. h. Bärenöhrchen. Die Ausgangsform der Gartenaurikeln ist die auf Torfboden und an Felsen der Voralpen und Alpen, wie auch des Schwarzwalds wachsende Primula auricula mit mehlig bestäubten Blättern und schwefelgelben, wohlriechenden Blüten mit flachem Saum. Diese traf der Botaniker und Arzt Clusius (Charles de l’Ecluse, 1526 bis 1609), damals Hofbotaniker in Wien im Jahre 1582 im Gschnitztal südlich von Innsbruck und nahm sie mit sich nach Wien und 1593 bei seinem Wegzuge nach Leiden. Zugleich mit ihr führte Clusius die rotblühende Primula pubescens, die als ein Bastard der vorigen mit Primula hirsuta anzusehen ist und bei Innsbruck wächst, in die Gärten ein. In der Mitte des 17. Jahrhunderts wurden beide Primelarten besonders in Belgien, Holland, England und Deutschland in mehreren Farbenvarietäten mit Vorliebe gezogen. In der Folge aber verschwand die beständigere P. auricula wieder vollständig aus den Gärten und P. pubescens war ausschließlich der Ausgangspunkt der mächtig aufblühenden Aurikelzucht, die in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte. Unter den über 1000 Spielarten unterscheidet man einfarbige, zweifarbige (Dublettenaurikeln), mehrfarbige (Bizardaurikeln) und verschiedenfarbige Aurikeln (Picottaurikeln). Eine holländische Art heißt Luiker, d. h. Lütticher. Englische Sorten werden als „gepuderte“ unterschieden, weil sie eine starke Bestäubung der Oberfläche mit Wachskügelchen aufweisen.

Wichtiger als die einheimischen sind aber gegenwärtig die ostasiatischen Aurikeln, vor allem die Primula chinensis aus Südchina mit Dolden sehr großer, hell lilafarbiger, rosenroter oder weißer Blüten. Obschon sie erst im Jahre 1824 von China nach England kam, zählt sie heute sehr viele Spielarten mit weißen und roten, einfachen und gefüllten Blüten. Sie ist als Zimmer- und Gewächshauspflanze gleich wertvoll, blüht das ganze Jahr hindurch und liefert gutes Material für Buketts, was sehr wichtig ist. Besonders die weißen, gefüllten Blüten sind für die Blumenbinderei von großer Bedeutung. Ebenso stammt die sehr reichblühende Primula obconica aus China; sie ist dadurch allgemeiner bekannt geworden, daß die Drüsenhaare an der Oberfläche der Blätter eine gelblichgrüne Flüssigkeit ausscheiden, die bei Berührung der Pflanze empfindliche Hautentzündung mit beträchtlich gestörtem Allgemeinbefinden verursacht. Es scheint bei gewissen Individuen eine besondere Disposition vorhanden zu sein; oft tritt die Erkrankung erst mehrere Stunden oder Tage nach der Berührung der Pflanze ein. Auch Primula cortusoides aus dem Osthimalaja und aus Jün-nan, wie auch Pr. japonica werden in mehreren Spielarten in unseren Gärten kultiviert. Nicht minder geschätzte Winterblüher als die chinesische lieferte die nach ihr eingeführte Himalajaprimel, die mit den ostasiatischen und europäischen Arten mehrfach gekreuzt wurde. Gelegentlich werden auch der blaue Speik (Primula glutinosa) mit violetten, wohlriechenden Blüten mit abstehendem Saum, der in den Zentralalpen auf Urgestein zu finden ist, und die zierliche, im hohen Norden heimische, als Relikt der Eiszeit auf feuchten Alpenwiesen und auf Torfboden des norddeutschen Tieflandes — aber auch in der Magelhaensstraße — angetroffene mehlig bestäubte Primel (Primula farinosa) mit fleischroten oder violetten Blüten mit gelbem Schlunde in Töpfen angepflanzt oder in Gärten gehalten. Gelegentlich geschieht dies auch mit der Alpensoldanelle (Soldanella alpina) mit ihren zierlichen bläulichen oder violetten Blütenglöckchen mit gefranstem Saume.

Eine weitere, sehr geschätzte Zierpflanze der Alpen und Voralpen ist das Alpenveilchen (Cyclamen europaeum), wegen seiner plattkuchenförmigen, fleischigen Knolle auch Erdscheibe genannt. Letztere schmeckt in frischem Zustande brennend scharf und enthält das Alkaloid Cyclamin, das, in den Magen gebracht, heftiges Erbrechen bewirkt und ins Blut eingespritzt tötet. Früher wurden die Wurzelknollen als drastisches Purgiermittel benutzt; sie verlieren aber durch Kochen oder Braten in Asche ihre Schärfe und werden deshalb von den Russen gegessen. Die Wildschweine sollen sie gerne und ohne Nachteil fressen, deshalb wird das Cyclamen auch Saubrot genannt. Das im einheimischen Gebirge wachsende südeuropäische Cyclamen war unter dem Namen kykláminon schon bei den alten Griechen bekannt und seine Wurzelknolle wurde als Heilmittel und zu Zauberei benutzt. Plinius, der sie selbst in Anlehnung an die griechische Bezeichnung cyclaminon nennt, sagt, sie werde von den Römern Erdknollen (tuber terrae) genannt, wachse im Schatten, habe purpurrote Blüten und eine breite, einer Rübe ähnliche Wurzel mit schwarzer Rinde. Sie diene gegen Schlangenbiß. „Sie sollte bei allen Häusern gezogen werden, wenn es wahr ist, daß da, wo sie steht, kein Zaubermittel wirkt, weswegen sie auch Amulett (amuletum) heißt. Wein, worin sie liegt, soll sogleich berauschen. Die Wurzel wird zerschnitten und getrocknet oder bis zur Honigdicke eingekocht und aufbewahrt.“ Wie die einheimische Art wird auch das persische Alpenveilchen (Cyclamen persicum) aus Vorderasien mit weißen, im Schlunde roten Blüten viel in Töpfen gezogen und ist durch Kulturpflege zu Formen mit sehr großen Blättern und Blüten in allen Nuancen von Rot neben Weiß gezüchtet worden. Dadurch, daß es im Winter zum Blühen gebracht werden kann und lange Zeit hindurch im Flor steht, ist es eine der am häufigsten angetroffenen Topfpflanzen der Städter geworden. Durch Kreuzung des bunt gezeichneten efeublätterigen Alpenveilchens mit kleinen Blüten mit dem persischen Alpenveilchen mit weit schöneren, größeren Blüten wurden Hybriden erzeugt, die die hübschen Blätter der ersteren neben den schönen Blüten der letzteren aufweisen.

Ebenfalls als Blatt- und Zierpflanzen sehr beliebt und deshalb häufig in Töpfen kultiviert angetroffen werden die Begonien oder Schiefblätter. Von den über 400 Vertretern der in den Tropen wachsenden Familie haben sehr viele prachtvoll gefärbte Blätter, wachsen sehr schnell und lassen sich sehr leicht aus Stecklingen ziehen. Legt man nämlich ein von ihnen abgeschnittenes Blatt auf feuchte Erde, so wachsen aus allen Stellen, an denen die Blattnerven verletzt wurden, junge Pflänzchen hervor. Unter den vielen bei uns in Gewächshäusern und als Zimmerpflanzen gezogenen Arten unterscheidet man 1. Blattbegonien, die wegen ihrer prachtvoll gefärbten, teilweise sehr bunten Blätter gehalten werden. Sie sind seit dem Anfang der 1850er Jahre höchst beliebt geworden und stammen hauptsächlich von dem ostindischen Königsschiefblatt (Begonium rex), dessen große, dunkelgrüne Blätter ein breites Silberband mit gleichgefärbten Flecken aufweisen. Es wurde mit anderen Formen aus den Tropen der Alten Welt gekreuzt und ergab zahlreiche schöne Spielarten. 2. Blüten- oder Knollenbegonien, die sämtlich aus Südamerika stammen und in bezug auf Effekt, Blütenfülle und Blütendauer mit den außerordentlich effektvollen Scharlachpelargonien wetteifern. Die wichtigsten Stammformen sind Begonia boliviensis mit leuchtendroten Blüten aus Bolivia, B. veitchi und davisi aus Peru und B. froebeli aus Venezuela. Die Blüten der durch Kreuzung dieser untereinander erhaltenen Blendlinge variieren von Weiß und sattem Gelb bis zum dunkelsten Rot, auch gibt es gefüllte Formen. Von den immergrünen, strauch- oder halbstrauchartigen Begonien werden mehrere Arten besonders aus Brasilien wegen ihrer Monate hindurch und mehrfach im Winter erscheinenden Blüten kultiviert.

Südamerika lieferte uns auch die häufig als Zierpflanze, besonders als Schlingpflanze zur Bekleidung von Lauben gezogene vielblumige Feuerbohne (Phaseolus multiflorus), die weiße oder hochrote Blüten und eßbare Samen hervorbringt. Beliebte Gartenzierpflanzen liefern auch die verschiedenen Wicken, vor allem die in Südeuropa heimische wohlriechende Wicke (Lathyrus odoratus) mit sehr großen, rot und violetten oder rot und weißen, wohlriechenden Blüten. Sie blüht fast den ganzen Sommer hindurch und eignet sich vorzüglich zur Verzierung niedriger Geländer. Dann die nordafrikanische Wicke (Lathyrus tingitanus) mit großen, einfarbigen, violetten oder dunkelpurpurnen Blüten, die griechische Wicke (L. climenum) aus Griechenland und Kleinasien mit blauen Blüten, an denen nur die Fahne rot ist, die Bukettwicke (L. latifolius) mit einer Traube von großen, purpur- bis rosenroten Blüten, die großblütige Wicke (L. grandiflorus) mit besonders großen, aber schwach wohlriechenden, purpurroten Blüten, beide aus Südeuropa. Alle diese werden in mehreren Varietäten kultiviert.

Die Gattung der Winden (Convolvulus) mit trichterförmigen Blüten ist in den Gärten besonders durch die nichtwindende dreifarbige Winde (C. tricolor) aus dem Mittelmeergebiet mit himmelblauen, im Grunde gelben, in der Mitte weißen Blüten, dann durch C. mauretanicus mit ebenfalls himmelblauen und durch C. dahurica mit rosenroten Blüten vertreten. Verwandt damit sind die schlingenden Mina lobata und M. lex aus Mexiko mit gelb und rot gefärbten Blüten in langgestielten, gabeligen Blütenständen, die ebenfalls bei uns als Zierpflanzen kultiviert werden.

Ebensolche windende Kräuter sind die in 24 Arten ausschließlich im wärmeren Mittel- und Südamerika heimischen Wunderblumen (Mirabilis) mit großen, in der Nacht geöffneten Blüten. Unter ihnen werden die 60–120 cm hohe Mirabilis longiflora mit sehr langohrigen, weißen, am Schlund purpurnen, sehr wohlriechenden Blüten aus den Bergen Mexikos und die ebendort heimische M. jalapa, die falsche Jalape, mit schönen roten, gelben oder weißen, oder auch in diesen Farben gestreiften und gesprenkelten, geruchlosen Blüten in zahlreichen Varietäten bei uns kultiviert. Die Wurzel wirkt abführend und wurde früher wie die offizinelle Jalape verwendet.

Zur Gattung der Boretschgewächse gehört außerdem der als Gewürz und geschätzte Bienenweide in nicht nur dunkel- bis hellblauen, sondern auch roten und weißen Formen gezogene gemeine Boretsch (Borago officinalis), das in der gemäßigten Zone der Alten Welt in 30 Arten wachsende Vergißmeinnicht oder Mäuseohr (Myosotis); unter diesen ist das bei uns auf feuchten Wiesen und an Bächen wachsende gemeine Vergißmeinnicht (Myosotis palustris) mit in der Knospe rötlichen, später himmelblauen Blüten mit gelbem Schlund ein sehr beliebtes, auch in Gärten angepflanztes Blümchen. Neben ihm werden die zweijährige, mitteleuropäische M. silvatica mit der Abart M. alpestris mit rauhhaarigen Stengeln und himmelblauen Blüten und noch manche andere kultiviert. Das strahlendste Blau haben die Blüten von M. azorica. Blendlinge von ihr mit M. alpestris sind die M. semperflorens mit sehr langer Blütezeit und andere Formen, wie „Elise Fonrobert“. Ebenso werden von Hundszungen der Gattung Cynoglossum purpurrote, himmelblaue und weiße Arten in Gärten gezogen.

In der Bukett- und Kranzbinderei, besonders für Gräberschmuck viel verwendet werden die Immortellen, wie der französische Name sagt „unvergängliche“ Blumen, aus der Familie der Kompositen oder Korbblütler mit trockenhäutigen Blumenhüllblättern, die lange Zeit nach dem Abschneiden ihre Form und ihr frisches Aussehen bewahren. Im Deutschen bezeichnet man sie meist als Strohblumen, weil sie trocken wie Stroh erscheinen. Durch diese völlig trockenhäutigen Hüllblätter sind sie wie das ihnen sehr nahestehende, neuerdings ebenfalls als Zierpflanze kultivierte Edelweiß (Gnaphalium leontopodium) und andere filzige Kräuter, mit diesem die Wärme schlecht leitenden Überzug gegen zu starke Verdunstung an ihren von heißer Sonne beschienenen felsigen Standorten geschützt. Die wichtigste derselben ist die in ganz Südeuropa auf sonnigen, trockenen Felsabhängen wachsende gemeine oder gelbe Strohblume oder Gold-Immortelle (Helichrysum stoechas) mit am Rande — ebenfalls zum Schutze gegen zu starke Verdunstung — zurückgerollten, gerieben wohlriechenden Blättern und goldgelben Blüten. Wegen letzteren nannten sie die alten Griechen helichrýsos, d. h. Sonnengold. Sie, wie auch die Römer, verwandten sie vielfach zum Winden von sehr dauerhaften Kränzen und als Arznei. Der griechische Arzt Dioskurides (im 1. Jahrhundert n. Chr.) schreibt: „Die Gold-Immortelle (helíchrysos) wird auch chrysánthemon (d. h. Goldblume) und amáranton (d. h. die Unverwelkliche) genannt und dient zur Bekränzung von Götterbildern. Sie wächst an trockenen, felsigen Stellen und hat trockenen Trauben ähnliche, goldgelbe, runde Blüten. Man gebraucht sie als Arznei, legt sie auch zwischen die Kleider, um diese vor fressendem Gewürm zu schützen.“ Ähnlich meldet sein Zeitgenosse, der ältere Plinius: „Die goldglänzenden, büschelweise hängenden Blüten der Gold-Immortelle (helichrysos) welken nie und dienen zur Bekränzung der Götterbilder. Namentlich hat Ptolemäus, König von Ägypten, diese sehr sorgfältig damit geschmückt.“ 400 Jahre vor ihm schrieb Theophrast. „Es gibt Quacksalber, welche behaupten, man erlange einen guten Ruf, wenn man sich mit der Gold-Immortelle bekränzt und sich dabei mit Salbe aus einem Gefäß von gediegenem Gold einreibt. Jene Pflanze hat aber eine goldfarbene Blume, ein weißliches Blatt, einen weißlichen, harten Stengel und eine oberflächliche, dünne Wurzel.“ In seinen Idyllen sagt der um 280 v. Chr. lebende Dichter Theokrit aus Syrakus, der bedeutendste Dichter der alexandrinischen Periode, ein Meister der dann von Bion und Moschos und später von Vergil nachgeahmten bukolischen Poesie, d. h. der poetischen Darstellung des Hirtenslebens: „Der Becher ist mit Efeu und Gold-Immortellen bekränzt“, und „Ihr Haar war goldiger als Gold-Immortellen, ihre Brust glänzender als der Mond“. Auch der Dichter Nikander spricht von ihr.

Zu dieser einen, im Altertum ausschließlich gebräuchlichen Strohblume (Helichrysum orientale) kamen in neuerer Zeit eine Menge anderer hinzu, so die auf den Inseln des indischen Archipels heimische französische Immortelle, so genannt, weil sie besonders in der Provence, dann in Erfurt kultiviert wird. Man gebraucht diese Strohblume wie alle übrigen, auch gefärbt. Ebenso benutzt man die Malmaison-Immortelle (Helichrysum bracteatum) und H. macranthum mit größeren Blüten. Beide stammen aus Australien und werden vielfach kultiviert.

Zu den Immortellen rechnet man außerdem die südeuropäische Papierblume (Xeranthemum annuum) mit weißen und violetten Blüten, welch letztere mit Säuren lebhaft rot gebeizt werden; dann das australische Acroclinium roseum mit rosenroten und weißen und die ebenfalls australische Rodanthe manglesii mit karminroten Blumenblättern und gelber Scheibe. Ferner das vom Kap der Guten Hoffnung stammende Helipterum speciosissimum mit weiß und braunen, und H. corymbiflorum mit roten Blüten, die weißköpfige, geflügelte Sandimmortelle aus Australien und die ostindische Gomphrena globosa mit roten (rote Immortelle) und weißen Blüten. Weiter wird auch Anaphalis margaritacea mit weißfilzigem Stengel, unterseits filzigen, lineallanzettlichen Blättern und weißen Blüten als virginische Immortelle zu Trockenbuketts benutzt. Endlich werden auch die verschiedensten Disteln, vor allem die Silberdistel (Carlina acaulis) und die Karden (Dipsacus) als Trockenblumen verwendet.

Sehr groß ist die Zahl der Kompositen, die zu Gartenzierpflanzen erhoben wurden. Die wichtigsten derselben sind: die aus Südeuropa stammende rote und weiße Spornblume (Centranthus), die samtartig schwarzrote Knopfblume (Scabiosa atropurpurea), die neben der violetten S. columbaria und purpurnen S. lucida kultiviert wird, dann die ebenfalls aus Südeuropa zu uns gekommene goldgelbe Ringelblume (Calendula officinalis), deren Kraut zum Gelbfärben der Butter und deren Blüten zur Verfälschung des Safrans dienen. Auch von den Kreuzkräutern (Senecio) werden verschiedene Arten als Gartenzierpflanzen kultiviert, so Senecio cruentus mit purpurnen Strahlen- und gleichgefärbten oder gelben Scheibenblüten von den Kanarien in zahlreichen Varietäten mit großen, sehr verschiedenfarbigen Blüten als Zimmerpflanze, dann S. elegans mit weißen oder roten Blüten aus Afrika ebenfalls in mehreren Varietäten, S. kämpferi aus Japan und S. giesebrechti als sehr dekorativer hoher Strauch aus Mexiko für das Kalthaus.

Großer Beliebtheit erfreuen sich die sehr nahe mit diesen verwandten Cinerarien oder Aschenkräuter, die wegen der Aschenfarbe der Unterseite der Blätter mancher Arten so genannt werden. Die Bastardcinerarien der Gärtner haben unten meist weißfilzige Blätter und bunte, purpurne, violette und weiße Blüten. Wegen der Schönheit und Farbenfülle der letzteren gehören sie zu den beliebtesten Topfzierpflanzen. Beliebt sind auch die auf steinigen, sonnigen Plätzen wachsenden Katzenpfötchen (Antennaria) mit weißen oder purpurroten Blüten, ferner die stattliche Sonnenblume (Helianthus annnus), welche 1569 aus ihrer Heimat Mexiko nach Europa kam, und vor allem die ebendaher stammende verschiedenfarbige Dahlie. Diese nach dem schwedischen Botaniker Dr. Dahl, der 1787 zu Abo starb, so benannte, aber von Willdenow nach der älteren, von Thunberg dem berühmten Reisenden und Botanikprofessor Georgi in St. Petersburg zu Ehren gegebene Benennung (Georgina variabilis) in Georgine umgetaufte Zierpflanze mit knollig verdickter Wurzel, 1,5–1,8 m hohem Stengel und seltener einfachen, meist gefüllten Blüten wurde zuerst ums Jahr 1784 durch Vincent Cervantes, Professor und Direktor des botanischen Gartens in Mexiko, an den spanischen Mönch und Vorsteher des botanischen Gartens Cavanilles nach Madrid gesandt. Dieser beschrieb sie 1791 als Dahlia pinnata (mit gefiederten Blättern). Da aber der Name Dahlia von Thunberg bereits an eine andere Pflanze vergeben war, nannte man sie nach dem Vorschlage von Willdenow Georgina. Von Spanien aus verbreitete sich die prächtig blühende Gartenpflanze nach allen Kulturländern der Alten Welt, kam 1787 nach England, 1804 durch Alexander von Humboldt, der Samen aus Mexiko nach Berlin sandte, nach Deutschland, wo im Berliner Botanischen Garten zahlreiche Farbenvarietäten aus ihr gezüchtet wurden. Doch kannte man die Georginen um 1800 schon in Dresden. Die erste gefüllte Georgine zog 1808 der Garteninspektor Hartwig in Karlsruhe, und 1824 begann Deegen in Köstritz seine erfolgreichen Kulturen.

Weil die Georgine im Herbst bis zum Eintritt des ersten Frostes, der allerdings das Laub derselben zum Absterben bringt, so daß sie schwärzlich, wie verbrüht erscheint, ihre zahlreichen prächtigen Blüten entfaltet, zu einer Zeit also, da die meisten anderen Gartenblumen bereits verblüht haben, ist sie eine Lieblingspflanze unserer Gärten geworden, mit der man in manchen Gegenden einen großen Kultus treibt, indem man zur Zeit ihrer Blüte Georginenfeste arrangiert, bei denen die Lokale mit den abgeschnittenen Blüten ausgeschmückt und aus den verschiedenen Farben große Tableaus zusammengestellt werden. Von den 9 Arten, die sämtlich auf der mexikanischen Hochebene heimisch sind, ist Georgina variabilis die Stammpflanze von über 2000 Varietäten. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war man bemüht, möglichst volle, prall gefüllte Blumen in den verschiedensten Farben zu erzielen. Man unterschied nach der Form der Blüten: anemonenblütige mit großen Strahlenblüten und kleinen, in Form einer Halbkugel geordneten Scheibenblüten — heute werden sie nur noch selten gezogen —, dann kugelblütige mit zahlreichen, gleichgeformten, sich nach hinten zurücklegenden Blüten, flachblütige mit gleichgeformten, flach ausgebreiteten, in der Regel zurückgebogenen Blumenblättern, röhrenblütige mit röhrigen und ohrblütige mit ohrförmigen Blumenblättern. Sie treten in allen Farbennuancen vom zartesten Weiß bis zum intensivsten Gelb und zum dunkelsten Schwarzpurpur auf. Die Liliputgeorginen haben sehr kleine, reizend geformte Blüten, die Zwerggeorginen sind von niedrigem, zwerghaftem Wuchs und zur Topfkultur geeignet. Seit Anfang der 1870er Jahre sind wieder einfach blühende Spielarten unter dem Namen Dahlien in mannigfachen Farben und Zeichnungen beliebt geworden, daneben auch die Kaktusdahlien, deren Blüten von dem streng symmetrischen Bau der älteren gefüllten Dahlien wesentlich abweichen und sich durch spitze, strahlige, nadelartige, gewundene, namentlich aber gelockte Blüten auszeichnen. Sie haben seit einigen Jahren die alten Georginensorten fast vollständig verdrängt. Diese Abart der Georginen stellt eine typische, durch Mutation plötzlich von selbst entstandene Sprungvarietät dar. Der alte Georginenzüchter van den Berg in Jutphaas (Holland) verdankt sie einem Zufall. Er hatte sich von einem Geschäftsfreund in Mexiko eine größere Sendung mexikanischer Knollen, Wurzelstöcke und Zwiebeln kommen lassen. Die Sendung war aber unterwegs bis auf eine einzige Knolle verdorben. Nur diese trieb aus — es war die Kaktusdahlie mit Blüten, die in dieser Form in Mexiko selbst ganz unbekannt ist.

In bezug auf Größe und Form der Knollen, der Belaubung und namentlich der Blüten, die wie bei allen anderen Kompositen dadurch gefüllt werden, daß auch die Scheibenblüten wie die Strahlenblüten eine farbige, zungenförmige Blumenkrone ausbilden, weichen die verschiedenen Georginen so sehr untereinander ab, daß man kaum irgendwo in Gärten die typische Form auffinden kann. Die zahllosen, mit dem Untergange der Knollen wieder verschwindenden Spielarten entstanden und entstehen durch künstliche Befruchtung und namentlich durch Samenzucht, die alljährlich neue Varietäten liefert, die nie den vorjährigen ganz gleich sind. Die gegen Kälte sehr empfindlichen Knollen müssen vor dem Eintritt des Frostes aus der Erde genommen und im Keller überwintert werden. Im Frühjahr, sobald keine Nachtfröste mehr zu fürchten sind, werden sie 5 cm tief ausgepflanzt. Die Vermehrung geschieht durch Teilung der Knollen oder durch Stecklinge, die man von den mit überflüssigen Keimen versehenen Knollen ablöst, sobald sie etwa 10 cm lang geworden sind. Neue Spielarten erzielt man aus Samen, den man von den ersten Blüten besonders schöner Varietäten sammelt. Die Wurzelknollen enthalten reichlich Inulin, eine dem Stärkemehl ähnliche Substanz der Kompositenwurzeln, die sich in heißem Wasser löst, beim Erkalten wieder ausscheidet und, mit Schwefelsäure zusammengebracht, Zucker gibt. Aus diesem Grunde dienen die Dahlienknollen in ihrer Heimat Mexiko als geschätztes Nahrungsmittel.

Sehr zahlreiche Zierpflanzen hat die artenreiche Familie der Astern geliefert, deren Blüten neben den Georginen den Schmuck unserer Gärten zur Herbstzeit, da sonst wenig andere Blumen mehr zu sehen sind, bilden. Von den über 200 meist der nördlichen Erdhälfte, und zwar vorzugsweise Nordamerika angehörenden Asterarten sind verschiedene vom Menschen in Pflege genommen worden und haben sich im Laufe der Zeit zu prächtigen Kulturpflanzen entwickelt. So finden wir nicht nur die auf sonnigen, felsigen Hügeln Süd- und Mitteleuropas wildwachsende blaue Aster (Aster amellus), sondern auch die in Nordasien und den höheren Gebirgen Mitteleuropas heimische violette Aster (Aster alpinus) seit langem in Gärten angepflanzt. Von ersterer spricht bereits der römische Dichter Vergil in augusteischer Zeit, indem er in seiner Georgica sagt: „Auf den Wiesen steht die Blume amellus, welche in dichter Menge wächst. Sie ist goldgelb und von dunkelvioletten Blumenblättchen umgeben, hat einen scharfen Geschmack und dient zu Kränzen. Ihre in Wein gekochte Wurzel dient als Arznei für kranke Bienen.“ Letzteres sagt auch Columella und fügt hinzu, daß die Blumen des amellus den Bienen angenehm seien. Die Griechen — so Dioskurides — nannten sie astḗr, und in Anlehnung daran spricht auch Plinius in seiner Naturgeschichte von ihr als aster. Außer diesen beiden sind auch die am Meeresstrand und auf Salzboden gedeihende lilafarbene Strandaster (Aster tripolium) mit gelber Blütenscheibe und mehrere andere ausdauernde Arten namentlich Nordamerikas als Herbstastern in Gärten beliebt und teilweise auch verwildert. Mit prächtigen, verschiedenfarbigen Strahlenblüten versehen sind die in China und Japan heimischen Gartenastern (von Callistephus chinensis), die sich von unseren Astern durch stark laubblätterige äußere Hüllblätter unterscheiden und in etwa 60 gefüllten Formen in 6700 Farbenvarietäten als die wichtigsten aller einjährigen Gartenpflanzen kultiviert werden. Die ersten Vertreter dieser hauptsächlich vom uralten Kulturvolke der Chinesen hochgezüchteten Formen, die von jenen mit Vorliebe auf den Kunstgegenständen aus Porzellan und Seide dargestellt werden, kamen zu Ende des 18. Jahrhunderts durch den Jesuiten d’Incarville aus China nach Frankreich, um von hier aus durch Europa verbreitet zu werden. Sie sind bei uns die weitaus verbreitetsten Astern.

Sehr nahe Verwandte der Astern, die vielfach zu ihnen gerechnet werden, sind die Wucherblumen, die in den Goldastern oder Chrysanthemen höchst wertvolle und neuerdings auch bei uns sich zunehmender Beliebtheit erfreuende Zierblumen hervorgebracht haben. Ihr bescheidenster Vertreter ist die ausdauernde große Gänseblume oder Marienblume (Chrysanthemum leucanthemum) mit weißen Strahlen- und gelben Scheibenblüten, die in Europa auf Wiesen und Rainen gemein ist und schon früh in die Gärten verpflanzt wurde. Mit den Europäern wanderte sie in andere Erdteile und bürgerte sich in Nordamerika, wie auch in Neuseeland ein. Ihre zarten Sprosse werden in Italien als Salat gegessen; ihre Blüten dagegen werden wie diejenigen der ihr nahe verwandten Bertramwurz oder Mutterkrautkamille (Chrysanthemum parthenium) arzneilich verwendet. Beide werden in vielen Varietäten als Zierpflanzen kultiviert, letztere besonders auch in Formen mit goldgelben Blättern zur Bepflanzung von Teppichbeeten. Andere Arten dieser Familie liefern das Insektenpulver, so besonders die beiden mit rosa- oder fleischfarbenen Strahlenblüten versehenen Chrysanthemum roseum und marschalli im Kaukasus, in Armenien und Nordpersien. Das ebenfalls in Persien heimische Chrysanthemum cinerariaefolium mit sehr kleinen, gelben Scheibenblüten und weißgelblichen Strahlenblüten wird, wie auch das dalmatinische Chrysanthemum roseum in zahlreichen Spielarten bei uns kultiviert; ebenso das nordafrikanische Chrysanthemum carinatum mit schwarzroten bis braunvioletten Scheiben- und weißen Strahlenblüten. Sie variiert in den mannigfaltigsten Farben und stellt eine der ausgezeichnetsten Florblüten dar. Ebenso ist das südeuropäische Chrysanthemum coronarium mit gelber Blütenscheibe und gelbem Strahl bei uns eine beliebte Gartenzierpflanze. Auch die Strauch-Marguerite der Kanaren (Chrysanthemum frutescens) wird in hohen und zwerghaften Formen, weiß- und gelbblühend bei uns im Kalthaus kultiviert und im Winter in großer Menge aus dem Süden eingeführt.

Nicht nur als Zierpflanze, sondern auch als Küchengewürz und Arzneimittel gegen Würmer wird die in Südeuropa heimische Frauenminze (Chrysanthemum balsamita) mit balsamisch riechenden Blättern und gelben Blüten in unseren Gärten angepflanzt. Schon von Karl dem Großen wurde sie als Costus hortensis, d. h. Gartenkostus, zum Anbau empfohlen und ihres würzigen Geruches wegen im Mittelalter an Stelle des Hopfens als Bierwürze verwendet. Jetzt dient sie vielfach auch zur Herstellung von Totenkränzen und anderem Gräberschmuck. Blumistisch sehr viel wertvoller ist das ausdauernde Herbstchrysanthemum, die indische Goldaster (Chrysanthemum indicum), die noch mehr als bei den Südasiaten bei den Ostasiaten, zumal den Japanern, zur nationalen Lieblingsblume wurde. Schon lange vor dem Beginn der christlichen Zeitrechnung wurde sie im Lande der aufgehenden Sonne in den zahlreichsten Farbenvarietäten mit weißen, gelben, orangefarbenen, braunen, roten, schwarzpurpurnen und zweifarbigen Blüten kultiviert. Dabei unterscheidet man einfache Sorten, röhrenblütige, zungengefüllte, anemonenblütige und Pomponchrysanthemen. Sowohl in ihrer Stammform, dem einfachen Herbstchrysanthemum (japanisch nogiku), als seinen hochgezüchteten Kulturvarietäten (japanisch kiku) spielt es wie heute, so bereits in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung in der Poesie und Malerei der Japaner eine sehr große Rolle. Nach der Aussage der Japaner erreichte diese Blumenzüchtung im 16. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Ein aus jener Zeit stammendes Gemälde aus dem Besitze der Familie Takatsukasa, auf welchem ein Chrysanthemumgarten in Kioto dargestellt ist, erregte auf der letzten Pariser Weltausstellung vom Jahre 1900 allgemeine Bewunderung. Noch heute werden im ganzen Inselreich diese Blumen in tausenden von Spielarten in den mannigfaltigsten künstlichen Formen und Zusammenstellungen, die menschliche und Tiergestalten bis zu 10 m Höhe, ja historische und dramatische Begebenheiten, Darstellungen aus Märchen usw. wiedergeben, gezüchtet, und am 9. September feiert das ganze Volk das Fest der Kiku, die zum Sinnbilde langen Lebens wurde.

Die meisten Varietäten dieser Zierpflanze in seinem Garten zu besitzen, kann sich außer dem japanischen Kaiser angeblich noch der sehr reiche Graf Okuma in Tokio rühmen. Sonst sehen es die Liebhaber der Kiku, deren Zahl Legion ist, darauf ab, eine ihnen besonders zusagende Form in möglichst eigenartiger Ausbildung zu erlangen. Als Beispiel für die Mühe, die auf die Zucht neuer Rassen verwendet wird, soll hier erwähnt werden, daß der Züchter Hayashi jedes Jahr 30000 Chrysanthemen der Sorte ennichi-giku, bei der es darauf ankommt, möglichst bizarr gestaltete Blüten zu erzielen, kultiviert, unter denen sich höchstens 5 Exemplare finden, die seinen Anforderungen entsprechen und zur Nachzucht verwendet werden. Zu möglichster Größe herangezüchtet ist das Riesenchrysanthemum Zukuri, das über tausend Blumen tragen kann; das Gegenstück dazu bildet die Zwergpflanze bonsai-zukuri. Hironishi ist eine ungefüllte Rasse, deren Blumen nur 16 Blumenblätter enthalten dürfen. Es ist dies die Kaiserblume, von der das Chrysanthemumwappen der kaiserlichen Familie abgeleitet ist. Die ipon-zukuri ist eine Rasse mit nur einer Achse und nur einer Blüte.

Schon im Jahre 1688 kultivierte man in Holland 6 aus Ostasien eingeführte Spielarten von Chrysanthemen, aber erst hundert Jahre später fand die Pflanze größere Verbreitung in Europa und wird seit 1826, wo dies in Toulon zuerst geschah, auch bei uns aus Samen gezüchtet. In neuerer Zeit wurde sie namentlich in England, dann auch in Deutschland zu großer Vollkommenheit gebracht; doch werden noch immer viele Varietäten aus Japan und China eingeführt. Obwohl wir es hierin noch lange nicht mit den Japanern aufnehmen können, so besitzen wir bereits eine Menge von Spielarten derselben mit weißen, gelben, orangefarbenen, braunen, roten, schwärzlich purpurfarbigen, auch zweifarbigen Blüten mit den verschiedensten Formen der Blumenkrone und ihrer einzelnen Blätter. Alle diese wunderbaren Abänderungen erzielen die Züchter teils durch künstliche Auslese, teils durch Hybridation oder Kreuzung und durch zufällig auftretende Mutationen. Die wunderbaren, riesigen Blumen, die neuerdings auf Ausstellungen und in Schaufenstern der Blumenläden unser Staunen erregen, gehören nicht, wie man glauben könnte, einer besonderen Art an, sondern es sind anormale Blütenstände, „Überblumen“, die durch eine eigene Kulturmethode erzeugt werden. Man bringt die Chrysanthemen zu diesem Zwecke in ein Kalthaus, wo sie ganz dicht am Fenster aufgestellt werden. An jeder Pflanze läßt man nur wenige Blätter und schneidet die Blütenknospen gleich nach ihrem Erscheinen bis auf eine einzige ab. Unter der Einwirkung der sehr starken Düngung nimmt dann diese, mehr als sonst üblich ernährte Blume einen riesigen Umfang an, der mitunter sogar demjenigen eines Menschenkopfes gleichkommt. Dabei hängen die stark verlängerten Blumenblätter, die zu lang sind, um sich selbst aufrecht halten zu können, in graziösen Linien herunter und verleihen diesen Blüten einen absonderlichen Ausdruck, der sehr dem modernen Geschmacke entspricht. Das Straußenfederchrysanthemum mit bewimperten Blättern ist wie die Kaktusdahlie eine vor einigen Jahren in einem einzigen Exemplare beim Blumenzüchter Alphonse Hardy aufgetretene Sprungvarietät, die sich infolge ihres absonderlichen Aussehens rasch einbürgerte.

Von weiteren bemerkenswerten Kompositen, die als Gartenzierpflanzen kultiviert werden, ist die Flockenblume (Centaurea) zu nennen, deren 470 Arten meist im Mittelmeergebiet heimisch sind. Unsere blaue Kornblume oder Cyane — vom griechischen kýanos blau so genannt — (Centaurea cyanus) ist ein Sommergewächs aus Sizilien, das mit dem Klatschmohn (Papaver rhoeas) als Ackerunkraut wahrscheinlich schon zur Pfahlbauzeit mit dem Getreide nach Mitteleuropa verbreitet wurde. Diese einstige Lieblingsblume Kaiser Wilhelms I., die als solche bei dessen Lebzeiten sich besonderer Gunst in ganz Deutschland erfreute, wird heute in Arten mit mannigfach gefärbten Blüten als Zierpflanze in Gärten kultiviert. Auch die auf Kalkbergen und Gebirgswiesen wachsende Bergflockenblume (Centaurea montana) mit größeren himmelblauen, in der Mitte purpurrötlichen Blüten und die 2 m und darüber hoch werdende Centaurea atropurpurea werden als Zierpflanzen gezogen. Aus dem Orient und dem östlichen Mittelmeergebiet kam die Bisamflockenblume (Centaurea moschata) mit großen, weißen oder violett gefärbten, schwach nach Bisam (Moschus) riechenden Blüten zu uns, ebenso die Centaurea orientalis, während die Centaurea ragusina mit fein zerschlitztem, weißfilzigem Laub und gelben Blüten aus Dalmatien stammt. Die niedrige, ebenfalls weißfilzige Centaurea candidissima wird gerne zu Teppichbeeten verwendet, während die Centaurea macrocephala mit 90 cm hohem Stengel und goldgelben Blüten von 9 cm Durchmesser mehr als Einzelpflanze auf Rasen kultiviert wird.

Aus dem südlichen Nordamerika kam die schöne Zinnie (Zinnia elegans) als prächtige einjährige Gartenzierpflanze zu uns. Ihren Namen erhielt sie nach Joh. Gottfried Zinn (1727–1759), der zu Schwabach bei Nürnberg geboren wurde und als Professor der Medizin in Göttingen starb. Er gab eine Beschreibung der um jene Universitätsstadt wachsenden Pflanzen heraus. Die 12 Arten Zinnia wachsen in Mexiko, Arizona und Texas. Die Zinnia elegans wird 60–80 cm hoch, hat gegenständige Blätter, große Blütenköpfe mit kleinen, gelben Scheibenblüten und großen, gelben Strahlenblüten. Sie wird in vielen Varietäten mit goldgelben, purpur- und scharlachroten, rosa, reinweißen, gestreiften, einfachen, gefüllten und krausen Blüten bis zu Riesenformen kultiviert. Ebenso Z. haageana und ein Bastard zwischen beiden, Z. darwini, von dem wieder mehrere Spielarten gezüchtet wurden.

Ebenfalls aus Nordamerika stammt das zweifarbige Schöngesicht (Calliopsis bicolor), das in unseren Gärten wegen seiner goldgelben bis braunen Strahlenblüten als schönblühende Zierpflanze allgemein beliebt ist. Desgleichen verhält es sich mit der nordamerikanischen geschlitzten Rudbeckie (Rudbeckia laciniosa) mit bräunlicher Scheibe und abstehenden, gelben Strahlenblüten. Sie wurde von Karl von Linné nach dessen Lehrer und Freund Hans Rudbeck, Professor der Botanik in Upsala in Schweden, wo er 1660 geboren wurde und 1740 starb, genannt. Auch Silphium perfoliatum mit gelben Blüten ist eine aus Nordamerika stammende Gartenzierpflanze, die teilweise verwildert ist, wie die von ebendorther stammende Meerambrosie (Ambrosia maritima). Letztere erhielt von Linné diesen Namen wegen ihres angenehmen Geruchs, der an die Ambrosia, die Nahrung der unsterblichen Götter, erinnern sollte, erstere dagegen von dem berühmten Heilmittel und Gemüse sílphion, das die Griechen aus Kyrene in Nordafrika bezogen und das eine mit dem Stinkasant verwandte Doldenpflanze und keine Komposite wie diese war.

Von den etwa 100 im wärmeren Amerika, besonders zahlreich in Mittelamerika, wachsenden Steviaarten werden ebenfalls mehrere, so die purpurrote Stevia purpurea, die weiße S. serrata und die fleischfarbige S. ivaefolia bei uns in Gärten kultiviert und liefern ein beliebtes Material für die Blumenbinderei. Von den fast ausschließlich nordamerikanischen Goldruten (Solidago) wird besonders die kanadische Goldrute (Solidago canadensis), die in ihrer Heimat gegen den Biß der Klapperschlangen gebraucht wird und deshalb Klapperschlangenkraut heißt, nebst einigen anderen Arten als Zierpflanze kultiviert, findet sich aber auch mehrfach bei uns verwildert.

Aus dem wärmeren Amerika, wo sie in 20 Arten vertreten sind, stammen auch die Toten- oder Samtblumen (Tagetes) mit zierlichen Köpfchen von gelben und orangefarbenen Blüten. Besonders Tagetes patula und T. erecta, die beide einander sehr ähnlich sind und stark aromatisch riechen, werden in mehreren Varietäten als Gartenpflanzen kultiviert. Man kennt sie in Europa seit dem 16. Jahrhundert. Sehr schöne Gartenpflanzen sind auch T. signata und T. lucida.

Selbst das überall auf unsern Wiesen wachsende gemeine Gänseblümchen oder Tausendschönchen (Bellis perennis) mit gelben Scheiben- und weißen oder roten Zungenblüten, das früher namentlich vom Landvolke als Heilmittel gegen Auszehrung gebraucht wurde, ist vom Menschen in Kulturpflege genommen worden und wird besonders in der rotblühenden einfachen oder gefüllten Spielart mit teilweise sehr großen Blüten zur Einfassung von Gartenbeeten und als Topfpflanze in Blumenfenstern gezogen. Seinen deutschen Namen erhielt es davon, daß es besonders häufig auf Feldern wächst, auf denen Gänse zur Weide getrieben werden, und weil es gerne von diesen gefressen wird. Tausendschönchen heißt es nach dem lateinischen bellis, das von bellus schön herrührt und etwa mit Schönchen übersetzt werden darf. Schon der ältere Plinius (23–29 n. Chr.) erwähnt es in seiner Naturgeschichte und schreibt von ihm: „Das Gänseblümchen (bellis) wächst auf Wiesen; die Blüte ist weiß und spielt ins Rötliche.“

Eine der ältesten und wichtigsten Arzneipflanzen, die heute noch keinem Bauerngarten fehlt, ist die echte Kamille (Matricaria chamomilla) mit gelber Blütenscheibe und weißem Strahl. Sie hat ihren griechischen Namen chamaimélon (von chamai niedrig und mélon Apfel), woraus dann das lateinische chamomilla entstand, nach dem älteren Plinius vom apfelartigen Geruch ihrer Blüten. Letztere werden getrocknet in den Apotheken, wie auch in fast allen Haushaltungen gehalten, um in Krankheitsfällen Verwendung zu finden. Sie besitzen einen angenehmen, etwas kampferähnlichen Geruch, den sie dem himmelblau gefärbten, ätherischen Kamillenöl verdanken, dem krampfwidrige, beruhigende Eigenschaften innewohnen. Außerdem enthalten sie Salizylsäure, wodurch sie antiseptisch wirken. Ausschließlich Zierblume ist dagegen die Matricaria coccinea mit scharlachroten Blüten.

Endlich werden noch von Kompositen verschiedene Kugeldisteln, so Echinops sphaerocephalus mit weißen und E. ritro mit blauen, metallisch glänzenden Blütenköpfen aus Südeuropa und Vorderasien, wie auch allerlei Gaillardien kultiviert. Von den 12 Arten der letzteren sind 11 in Nordamerika und 1 in Südamerika heimisch. Von Gaillardia pulchella wird die var. pieta in mehreren Formen als Zierpflanze kultiviert. Sie ist 1–2jährig, 40–50 cm hoch, mit in ihrer größeren Hälfte purpurroten, an der Spitze goldgelben, dreizähnigen Strahlenblüten und schwarzpurpurnen Scheibenblüten. Gaillardia aristata in Nordamerika ist ausdauernd und eignet sich für Rabatten.

Von den zahlreichen Wolfsmilchgewächsen wird die im Mittelmeergebiet heimische, 60–90 cm hohe kreuzblättrige Wolfsmilch (Euphorbia lathyris) mit sehr großer Blütendolde viel in Gärten kultiviert. Schon Karl der Große befahl sie in den Gärten der kaiserlichen Domänen anzupflanzen. Dann wurde sie besonders von den Mönchen in den Klostergärten als wichtiges Heilmittel gezogen. Ihre Samen wurden nämlich im Mittelalter allgemein und werden im südlichen Frankreich vom Volke heute noch unter dem Namen Purgierkörner als Abführmittel gebraucht neben der Wurzel der Zypressenwolfsmilch (Euphorbia cyparissias), die den Namen Bauernrhabarber führt. Letztere wird in Südfrankreich und Rußland noch heute häufig angewendet. Als eigentliche Zierpflanzen sind dagegen in unsere Gärten eingeführt worden: Euphorbia fulgens, ein in Mexiko heimischer Strauch mit leuchtendroten Blüten, E. pulcherrima aus Mexiko und Mittelamerika mit später etwas verholzten Stengeln und unscheinbaren Blüten, die von einer bis 25 cm im Durchmesser haltenden Rosette scharlachroter Brakteen (Deckblätter) umschlossen sind, sowie E. splendens aus Madagaskar mit lederigen, glatten Blättern und scharlachroten Blüten.

Aus Ostindien kam die Gartenbalsamine (Impatiens balsamina) zu uns, die in den verschiedenfarbigsten Spielarten als Zwerg-, Rosen- und Camellienbalsamine kultiviert wird. Aus Zentralafrika dagegen wurden die Impatiens holsti und die noch reicher blühende Impatiens sultani eingeführt, die häufig neben dem ebendorther bezogenen Usambaraveilchen in den Blumenläden anzutreffen sind. Aus Südafrika kam das meist als Kalla bezeichnete Aronsgewächs mit bis 1 m langen, herzförmigen Blättern und großer, weißer, tütenförmiger Blütenscheide zu uns, die als Richardia oder, nach dem 1797 zu Dolce bei Verona geborenen späteren Physikprofessor Francesco Zantedeschi, der verschiedene botanische Arbeiten verfaßte, als Zantedeschia aethiopica bezeichnet wird. Die Benennung Kalla stammt von Plinius, der zwei ganz verschiedene Pflanzen, die man als gefleckten Aronstab und Färberochsenzunge deutet, calla oder calsa nannte. Wegen ihrer schönen Blätter und Blüten ist die Kalla bei uns häufig auf Blumentischen als Topfzierpflanze anzutreffen, wie auch der aus Mittelamerika stammende, viel kleinere Blütenschweif (Anthurium) mit dunkelgrünen Blättern und scharlachroter Kolbenscheide, der Dr. Scherzer zu Ehren, welcher sie im Hochland von Guatemala gesammelt hatte, den Beinamen scherzerianum erhielt. Außer dieser mittelamerikanischen Art, welche außer in Guatemala auch in Costarica gefunden wird, werden von den etwa 200 Arten dieses Aronsgewächses aus dem tropischen Amerika verschiedene andere in unsern Gewächshäusern kultiviert, so Anthurium leuconeuron, magnificum, andreanum und pedato-radiatum. Durch Bastardierung wurden mehrere neue Arten erhalten, die prächtige, teilweise bei guter Pflege auch im Zimmer gedeihende Blattpflanzen bilden.

Eine beliebte Zimmerpflanze ist auch die zur Familie der Asklepiadazeen gehörende kletternde Wachsblume oder Asklepia (Hoya carnosa) aus Ostindien und China mit glänzenden, fleischigen Blättern und großen Dolden blaßrötlicher, oben samtartig filziger, sehr wohlriechender Blüten, die förmlich vom ausgeschiedenen Nektar tropfen. Als zarteste aller Schlingpflanzen wird aber in Gärten zu verschiedenen Bekleidungen der aus Nordamerika stammende klimmende Erdrauch, Fumaria — oder (nach dem nordamerikanischen Namen) Adlumia — cirrosa gezogen, während die ebenfalls aus der Neuen Welt zu uns gekommene Cobaea scandens mit anfänglich grünen, dann violetten, glockenförmigen Blumen als reichblühendes einjähriges Schlinggewächs sehr häufig angetroffen wird. Sie bildet in ihrer Heimat Mexiko prächtige Girlanden von einem Strauch oder Baum zum andern. Ebenfalls aus Mexiko erhielten wir die rot- oder violettblühende Maurandia semperflorens, die gleicherweise zur Bekleidung von Lauben und Wänden gezogen wird. Demselben Zwecke dient die dieser sehr ähnliche rotblühende Kletterpflanze aus Mexiko Lophospermum scandens. Eine der schönsten Ampelpflanzen dagegen ist die aus Ostasien stammende einjährige Torenia asiatica mit lang herabhängenden Stengeln.

Schon 1753 wurde von Karl von Linné der aus Nordchina zu uns gekommene Doppelsporn (Dicentra spectabilis) als Fumaria spectabilis beschrieben, aber erst etwa 1848 in unsere Gärten verpflanzt. Diese 0,5–0,6 m hohe Gartenzierpflanze mit rosenroten, herzförmigen, hängenden Blüten in schlanken Trauben erfreute sich bald großer Beliebtheit und wurde mit verschiedenen, von ihrer Form hergenommenen Namen, wie Jungfernherz, flammendes oder hängendes Herz, bezeichnet. Ihre zweite botanische Benennung Diclytra ist durch einen Druckfehler aus Dielytra, was „mit doppelter Hülle“ — wegen der Form der Blüte — bedeutet, entstanden. Sie gedeiht auch in Sibirien. Die 14 übrigen Arten der Gattung wachsen in Mittel-, Nord- und Ostasien, wie auch in Nordamerika. Aus letzterem Lande kamen die dunkelrosarote Dexinia purpurea und D. formosa zu uns. Beide halten im Freien aus, während die gelbblühende Dexinia chrysantha aus Kalifornien frostfrei überwintert werden muß.

Ein wunderhübsches, außer zur Verdeckung von Mauern auch als allerliebste Ampelpflanze gezogenes Pflänzchen ist das Zymbelkraut (Linaria cymbalaria) — wegen der zymbelförmigen Form der Blätter so genannt. Es ist aus Südeuropa bei uns eingewandert, wie auch das dort auf Felsen und altem Gemäuer wachsende große Löwenmaul (Antirrhinum majus) mit dichten Trauben heller oder dunkler purpurroter, seltener weißer Blüten mit meist gelbem Gaumen. Es wird in zahlreichen Spielarten in den verschiedensten Farbenschattierungen, auch als Zwergform in unsern Gärten gezogen und gelangte mit den europäischen Auswanderern nach Nordamerika, wo es heute an vielen Orten verwildert angetroffen wird. Auch verschiedene Arten von Fingerhut (Digitalis) haben ihren Weg in unsere Gärten gefunden, so der purpurrötliche, blaßgelbe und weiße.

Aus Amerika kamen die der letzteren verwandten Gauklerblumen (Mimulus — Diminitivum des griechischen mímos Gaukler, Gebärdekünstler, wegen der Form der Blumenkrone so genannt) zu uns und sind sehr geschätzte Zierpflanzen. Die wichtigsten sind: Mimulus cardinalis aus Kalifornien mit dunkelrot gefleckten oder gestreiften, über der Unterlippe gelbgebarteten Blumen, Mimulus luteus, vom südwestlichen Nordamerika bis nach Chile vorkommend, mit 3 cm langen, reingelben, bisweilen im Schlund und auf den Lappen des Saums purpurrot punktierten oder gefleckten Blüten, M. moschatus aus Oregon, Peru und Chile mit gelben, auf dem Gaumen gebarteten, fein braun punktierten, nach Moschus riechenden Blumen. Außer diesen werden noch andere Arten in vielen Varietäten und Blendlingen als Garten- und Zimmerpflanzen kultiviert. Unter dem Namen Mimulus duplex finden sich in Gärten Varietäten verschiedener Arten mit blumenkronenartigem Kelch, z. B. M. cupreus calycanthemus, d. h. die kupferne, kelchblumige Gauklerblume.

Auch die Salbeiarten haben verschiedene Zierpflanzen geliefert. Schon seit dem Altertum wurde die als Arzneipflanze und Küchengewürz in Südeuropa auf sonnigen Bergen wildwachsende Gartensalbei (Salvia officinalis) in Gärten angepflanzt. Es ist dies ein bis 1 m hoher Halbstrauch mit angenehm riechenden, grauweißlichen Blättern und blauen, auch roten und weißen Blüten. Aus in Dalmatien gezogenen Pflanzen gewinnt man ein gelbliches, ätherisches Öl, das verschieden verwendet wird. Die Römer, die sie salvia, d. h. Heilkraut nannten und arzneilich wie auch die Griechen verwendeten, brachten sie über die Alpen.

In den Verordnungen Karls des Großen über die in seinen Gärten zu kultivierenden Pflanzen findet sich auch die Salbei, die das ganze Mittelalter hindurch und teilweise heute noch als Küchengewürz, zu Gurgelwasser und gegen Nachtschweiße eine wichtige Rolle spielte. Stark betäubend riecht die ihr nahe verwandte Muskatellersalbei (Salvia sclarea), ein in Südeuropa und im Orient heimisches zweijähriges Gewächs mit bläulichweißen Blüten zwischen weißen Deckblättern, das bei uns häufig in Gärten gezogen wird und in Westdeutschland hier und da verwildert ist. Man setzt Kraut und Blätter dem Wein zu, um ihm Muskatellergeschmack zu geben. Mit Zucker und Hefe der Gärung unterworfen, gewinnt man aus ihm in England den clary wine. Stark gewürzhaft riecht auch die im östlichen Mittelmeergebiet heimische Salvia pomifera, ein Strauch mit graufilzigen Blättern und auf der Unterlippe weißgefleckten Blüten. Infolge des Stiches einer Gallwespe entstehen an ihren jungen Trieben graue, runde, fleischige Auswüchse von 5 cm Durchmesser, die sehr angenehm gewürzhaft schmecken. Auch geben die Stengel mit Blättern und Blüten einen in Griechenland beliebten Tee. Viele andere Arten, wie Salvia coccinea aus Florida mit scharlachroten Blüten in sechsblumigen Quirlen, S. cyaniflora mit dunkelkornblumenblauen, quirlständigen Blüten in fast fußlangen Ähren, S. fulgens mit scharlachroten, 5 cm langen Blüten, beide aus dem Süden der Union, S. patens aus Mexiko, S. splendens aus Brasilien mit leuchtend ponceauroten Blüten und Brakteen in langen Ähren, S. argentea vom Parnaß mit großen, langwollig weißbehaarten, auf dem Boden liegenden Blättern u. a. werden bei uns als Zierpflanzen kultiviert.

Hübsche Zierpflanzen lieferte die in 90 Arten im tropischen und subtropischen Afrika heimische Labiatenfamilie Coleus. Von ihr werden eine große Zahl buntblätteriger Spielarten kultiviert, die sich besonders von C. scutellarioides in Ostindien und dessen Formen pectinatus, verschaffelti, blumei, atropurpurea u. a. ableiten. Manche Sorten derselben lassen sich nur in Gewächshäusern und Zimmern ziehen, andere dagegen können im Sommer ausgepflanzt werden.

Weiter sind von den Lippenblütigen die aus Chile stammende buchtige Trompetenzunge (Salpiglossis sinuata) zu nennen. Diese bis 1,3 m hohe Zierpflanze mit schönen Blüten wird in zahlreichen Spielarten in Töpfen gezogen und in Gruppen ins freie Land verpflanzt. Nordamerikanischen Ursprungs sind die ausdauernde Pentastemon grandiflorus mit verschieden gefärbten, schönen Blüten in traubigen Rispen und die glatte Schildblume mit roten oder weißen, in dichten Ähren stehenden Blumen. Die Wurzel der letzteren wirkt abführend und wird in ihrer Heimat, wie die sehr bittern Blätter, als Heilmittel gebraucht.

In Asien und Europa heimisch sind die häufig als Zierpflanzen in Gärten gezogenen Wollkräuter, unter denen die großblumige oder gemeine und die kleinblumige oder echte Königskerze (Verbascum thapsiforme und V. thapsus) die gebräuchlichsten sind. Unter thápsos oder thápsia verstanden die alten Griechen eine zum Gelbfärben benutzte Doldenpflanze (Thapsia garganica), während die Königskerze bei ihnen phlómos hieß. Der ältere Plinius sagt in seiner Naturgeschichte: „Die Königskerze (verbascum) heißt bei den Griechen phlómos. Geschwollene Drüsen heilt man so damit, daß man sie, samt der Wurzel zerstoßen, mit Wein benetzt und in das Blatt gewickelt in Asche warm macht und sie noch warm auflegt. Es gibt Leute, die versichern aus eigener Erfahrung, dieses Mittel wirke am besten, wenn eine Jungfrau es nüchtern dem Nüchternen auflege, es mit der oberen Handfläche berühre und dabei sage: ‚Apollo sagt, jedes Übel werde gehemmt, dem eine Jungfrau entgegentritt.’ Sie muß sodann die Hand umwenden, dreimal so sprechen, und beide müssen dreimal ausspucken.“ Auch sein Zeitgenosse Dioskurides, der eine weiße und schwarze Königskerze (phlómos) unterscheidet, sagt, daß sie gegen verschiedene Krankheiten gebraucht werde. Die alten Griechen benutzten die wolligen Blätter mehrerer Arten als Lampendocht oder tauchten die ganze Pflanze in Pech, um sie als Fackel zu gebrauchen; daher der Name phlómos. Der Flaum der Blätter, der aus baumförmig verzweigten Haaren besteht, diente früher als Zunder. Im Volksglauben der Deutschen war die Königskerze das Symbol der Königswürde. Die Jungfrau Maria wird vielfach ihren Blütenstand, gewöhnlich Himmelbrand genannt, in der Hand haltend dargestellt. Ihre süßlich-schleimig schmeckenden Blüten bilden heute noch einen wichtigen Zusatz zu allen Brustteearten und werden vom Volke zu Tee angebrüht gegen Bronchitis und leichte Fieberanfälle gebraucht. Gleicherweise werden die Blätter des großen Wegerichs (Plantago major), aus denen man Hustenzeltchen fabriziert, gegen Luftröhrenkatarrh verwendet. Von dem auf Sandboden in Deutschland wachsenden Sandwegerich (Plantago arenaria) werden die Samenschalen wegen ihres großen Schleimgehalts von Wäscherinnen zum Stärken von Wäsche, wie auch in der Färberei und Kattundruckerei und zur Appretur von Lodenstoffen benutzt.

Auch mehrere Arten von Ehrenpreis (Veronica), Sommergewächse, Stauden und immergrüne Kalthaussträucher, letztere von exotischer Herkunft, werden als Zierpflanzen kultiviert. Die Gattung hat ihren Namen von der frommen Frau (angeblich mit dem griechischen Namen Berenike, woraus die mittelalterlichen Lateiner, die diese Sage ausbildeten, Veronika machten) in Jerusalem, die Jesus auf seinem Todesgang ihr Kopftuch zum Abtrocknen von Schweiß und Blut darreichte und zum Lohn dafür auf dem zurückgereichten Tuch den Abdruck seines Antlitzes erhielt.

Als alte Arzneipflanze wird auch das an allen Teilen stark gewürzhaft riechende und schmeckende Liebstöckel (Levisticum officinale) mit grünlichgelben Doldenblüten in Bauerngärten angepflanzt. Es stammt aus den Gebirgen Südeuropas, wird bis 2 m hoch und wurde schon im Altertum in Gärten gezogen. Es hieß bei den alten Römern ligusticum, woraus sich die deutsche Bezeichnung Liebstöckel bildete. Plinius sagt von ihm: „Das ligusticum wächst in Ligurien und hat davon den Namen. Übrigens wird es überall in Gärten gezogen, heißt auch panax (d. h. Allheilmittel).“ Außerdem wurde es in Südeuropa als Einmachgewürz benutzt. Columella im 1. Jahrhundert n. Chr. sagt von ihm, daß es nebst andern gewürzhaften Kräutern für die Küche eingemacht werde. Karl der Große empfahl dessen Anbau in den kaiserlichen Gärten. Im Mittelalter wurde es häufig angewandt und war damals in allen Gewürz- und Arzneigärten angepflanzt, ist aber heute ziemlich außer Gebrauch gekommen.

Ein ähnliches Küchengewürz und Arzneimittel war den Alten das Bohnenkraut (Satureja hortensis), das bei den Griechen thýmbra, bei den Römern satureja hieß. Es wurde und wird ebenfalls in Gärten gezogen und schmeckt dann milder als die wildwachsende Pflanze. Auch dieses Kraut ließ Karl der Große in seinen Gärten anpflanzen. Vom Mittelalter bis heute spielte es als Bohnenkraut beim Einmachen von Gartenbohnen eine gewisse Rolle. Wichtiger ist die Gartenmelisse (Melissa officinalis), die ebenfalls aus Südeuropa zu uns kam und, seit sie durch die Mönche in die mitteleuropäischen Gärten eingeführt wurde, wegen des angenehmen Geruchs der ganzen Pflanze als Zier- und Heilpflanze überall angebaut wird. Aus ihr wird das in der Wirkung dem Pfefferminzöl ähnliche ätherische Melissenöl und Melissenwasser gewonnen; außerdem ist sie der Hauptbestandteil der species resolventes, d. h. des zerteilenden Tees, und des früher berühmten, von den Karmelitermönchen als Geheimnis ausgegebenen Karmeliterwassers. Auch sie wurde von den alten Griechen und Römern arzneilich gebraucht; da aber unsere Gartenmelisse nur auf den Gebirgen Südeuropas vorkommt, gebrauchten sie gewöhnlich die in den Ebenen wachsende Melissa altissima. Sie hieß bei den Griechen melissóphyllon und bei den Römern apiastrum. Ebenso wurde der an felsigen Stellen Südeuropas wachsende Ysop (Hyssopus officinalis) arzneilich gebraucht. Columella sagt, daß man aus ihm auch einen Würzwein mache. Heute noch wird diese an allen Teilen stark gewürzhaft riechende Pflanze in Bauerngärten angepflanzt.

Ein auch bei uns allgemein kultivierter, einst hochgeschätzter Strauch ist der in Südeuropa heimische, 1–1,3 m hohe, immergrüne gemeine Rosmarin (Rosmarinus officinalis) mit schmalen, lederigen, am Rande zurückgerollten, unterseits weißfilzigen, stark balsamisch-kampferartig riechenden Blättern und blauen Lippenblüten. Die Pflanze wächst in Griechenland und Italien wild, wird aber auch in Gärten gehalten. Bei den alten Griechen hieß sie libanōtís (von líbanos Weihrauch, wegen des aromatischen Geruches ihrer Blätter) und wurden mit Rosen und Veilchen viel zu Kränzen benutzt; die Römer dagegen nannten sie ros marinus oder ros maris, was wahrscheinlich aus dem griechischen róps (niedriges Gesträuch) und mýrinos (balsamisch) abzuleiten ist. Nach Dioskurides wurde der Rosmarin auch als Arznei verwendet; er soll nach ihm erwärmende Eigenschaften haben. Ein Grieche erzählt in den Geoponika über die Entstehung dieses wohlriechenden Strauches: „Es lebte einmal ein Jüngling namens Libanos, der die Götter fromm verehrte, und den neidische Menschen eben deswegen töteten. Da aber brachte die Erde zur Ehre der Götter eine Pflanze hervor, welche nach dem Namen des Ermordeten dendrolíbanon (Baumweihrauch, wie der Rosmarin außer libanōtís von den Griechen genannt wurde) genannt wird. Die Götter freuen sich mehr, wenn man ihnen einen Kranz von diesem Baumweihrauch (Rosmarin) weiht, als wenn man ihnen einen solchen von Gold aufsetzt.“ Außer den Götterbildern pflegten bei den Römern auch die Bildsäulen der Laren mit Rosmarin bekränzt zu werden. Karl der Große empfahl, ihn in seinen Gärten zu pflanzen. Noch heute tragen nach uralter Sitte die Landleute, die diese Pflanze stets in ihren Gärten ziehen, bei Leichenbegängnissen statt der älteren Zitrone einen Rosmarinzweig in der Hand. Schöne, aus Nordamerika zu uns gebrachte, höchst aromatisch duftende, großblütige Verwandte des Rosmarins sind die in Gärten kultivierten Monardaarten (M. dydima und M. fistulosa), die man in ihrem Vaterlande auch als Heilmittel gebraucht. Ihren Namen erhielten sie von dem mehrfach erwähnten spanischen Arzt Nikolaus Monardes in Sevilla (1493–1578).

Eine uralte Heilpflanze der europäischen Völker, die früher als Universalmittel gegen viele Krankheiten galt, ist die ebenfalls zu den Lippenblütlern gehörende gemeine Verbene (Verbena officinalis) mit blauen Blüten in rispigen Ähren. Sie wächst häufig an Wegen und Dorfstraßen und galt schon den alten Ägyptern, die sie als der Heilgöttin Isis geweihte Pflanze betrachteten, für heilig. Unter verbena, das sich bei den alten römischen Schriftstellern häufig findet, verstanden die alten Römer allgemein ein bei sakralen Handlungen wie Opfern, Bündnissen und Kriegserklärungen gebrauchtes Kraut. Der alte Grammatiker Acro sagt uns darüber: „Verbenen sind alle Pflanzen, die bei festlichen Gelegenheiten zur Bekränzung der Altäre gebraucht werden. Das Wort hat ursprünglich herbenae (von herba Kraut) geheißen, ist aber durch veränderte Aussprache des h in verbenae übergegangen, wie man auch statt Heneti Veneti (Venetier) und statt hesperus vesperus (Abendstern) sagt.“ In diesem Sinne sagt Horaz (65–8 v. Chr.) in der neunten Ode des vierten Buches: „Mein Altar ist mit Verbenen geschmückt, und ein Lamm soll geopfert werden.“ Ähnlich schreibt Vergil (70–19 v. Chr.) in seiner achten Ecloge: „Verbrenne Verbenen und Weihrauch!“ Dazu bemerkt der um 380 n. Chr. lebende Servius: „Verbenen sind immergrüne, wohlriechende Zweige. Andere sagen, es seien überhaupt zu heiligen Handlungen dienende Zweige. Noch andere meinen, darunter seien vornehmlich Ölzweige zu verstehen; andere beziehen es auf den Rosmarin. Immer kommts aber darauf hinaus, daß es grüne Zweige sind.“ An einer anderen Stelle sagt derselbe Servius zu Vergils Äneide Buch 12, Vers 120, wo erzählt wird, Äneas habe mit Turnus ein feierliches Bündnis schließen wollen und dabei seien die daran Beteiligten mit verbena bekränzt gewesen: „Verbena bedeutet an sich ein heiliges Kraut (herba sacra), namentlich, wie viele glauben, den Rosmarin (rosmarinus), den man (mit der griechischen Bezeichnung) libanotis nennt, wenn es nämlich von der heiligen Stelle des Kapitols genommen wurde, und die Fetialen und der pater patratus (beides Bezeichnungen für die im Namen des Staats dergleichen Verhandlungen führenden Priester) sich damit bekränzten, wenn sie Bündnisse schließen oder Krieg ankündigen wollten.“ Statt verbena wird öfter auch der Ausdruck sagmina gebraucht. So erzählt Livius in I, 24, 4, daß der römische Fetial Marcus Valerius bei Abschließung des Bündnisses zwischen dem Könige Tullus (Hostilius, 3. römischen König, regierte von 672–640 v. Chr.) und den Albanern „sagmina, nämlich reine Kräuter“ aus der Burg geholt habe, und daß der Fetial alsdannn den Spurius Fusius zu seinem Gehilfen (pater patratus, wörtlich gevaterter Vater) erwählte, indem er dessen Haupt und Haar mit der verbena berührte. Der ältere Plinius sagt: „Von jeher haben sich die Römer der sagmina bedient, wo es sich um religiöse Feierlichkeiten handelte, durch die dem Staate aufgeholfen werden sollte, zugleich auch bedienten sie sich bei Opfern und Gesandtschaften der verbenae. Jedenfalls bedeuten beide Wörter dasselbe, nämlich ein samt dem daran haftenden Erdballen auf der Burg (dem Kapitol) ausgerissenes Kraut, und immer hieß einer der an die Feinde geschickten Gesandten verbenarius.“ Und Festus gibt über sagmen folgende Erklärung ab: „Sagmina heißen die verbenae, d. h. reinen Pflanzen, welche an einem heiligen Orte vom Konsul, Prätor oder von abreisenden Gesandten, welche ein Bündnis schließen oder Krieg verkünden wollen, geholt waren.“ Nach Stellen aus Vergil und Horaz wurden Verbenen auch bei der Venus dargebrachten Opfern gebraucht.

Zum Unterschied zu der heiligen verbena benennt Plinius unsere gemeine Verbene (Verbena officinalis), die beim Volk — wohl wegen ihrer starken vermeintlichen Wirkung als Heil- und Zauberkraut — Eisenkraut heißt, als verbenaca, während sie die Griechen als peristereón hýptios oder heilige Pflanze (hierá botánē) oder Zeusohr (Diós ēlakátē), erigénion, chamailýkon, sideritís, kurítis, persephónion, kallésis, hippársion oder dēmétrias bezeichneten. Schon diese zahlreichen Benennungen beweisen uns die hohe Achtung, die das Eisenkraut bei den Kulturvölkern am Mittelmeer genoß. Auch bei den Kelten galt das Eisenkraut als heilig und wurde unter feierlichem Ritual beim Opfer dargebracht. Als Zierpflanzen sind von den 80 meist amerikanischen Arten zu nennen: Verbena chamaedrifolia, ein Halbstrauch mit leuchtend scharlachroten Blüten aus Argentinien und Südbrasilien, der 1829 durch Pater Feuille in die europäischen Gärten eingeführt wurde, dann Verbena teucrioides aus Brasilien mit weißen oder rötlichen, wohlriechenden Blüten. Ihre Blendlinge mit der vorigen Art bezeichnet man als Verbena hybrida. Sie sind es, die in unseren Gärten als Zierpflanzen gezogen werden und wichtige Florblumen darstellen. Sie haben ähnlich den Aurikeln ein weißes Auge und werden in allen Farben kultiviert. Auch Kreuzungen dieser mit der argentinischen Verbena tenera sind wichtig. Die gestreiften italienischen Spielarten stammen aus Kreuzungen von Verbena pulchella mit V. incisa, die beide ebenfalls aus Argentinien zu uns kamen. Die Gartenverbenen sind ungemein veränderlich, doch hat man unter ihnen auch zahlreiche samenbeständige Farbenvarietäten.

Verwandt mit diesen Gartenverbenen ist die ebenfalls südamerikanische Aloysia citriodora, ein 0,6–1,2 m hoher Strauch mit nach Zitronen riechenden Blättern, die in seiner Heimat als Heilmittel gebraucht werden. Bei uns wird er wegen derselben in Töpfen gezogen. Ebenso ist die ihr verwandte duftende Volkmarie (so genannt nach dem Präsidenten der Kaiserlichen Akademie, dem Naturforscher Joh. Georg Volkmar aus Nürnberg, 1616–1693) (Clerodendron fragrans), eine etwas filzige Topfpflanze aus Japan mit fast herzförmigen, gezähnten Blättern, wegen der weißlichen oder rötlichen, wohlriechenden Blüten bei uns als Zimmerpflanze beliebt.

Nahe verwandt mit dem Oleander, der im nächsten Abschnitte besprochen werden soll, ist das in den Laubwäldern Europas bis nach Norddeutschland wildwachsende kleine Immergrün (Vinca minor), dessen zahlreiche nichtblühende Stengel niedergestreckt und reich beblättert sind und Wurzeln schlagen, während die blühenden aufrecht stehen. Die Blüten sind langgestreckt, blau, bei einigen Spielarten weiß, violett, rot, purpurn, einfach oder gefüllt. Noch schöner ist das in allen Teilen größere Immergrün (V. major) mit kürzern Blütenstielen und hellblauen Blumen. Eine seiner Spielarten hat goldgelb gezeichnete Blätter, eine Varietät, die es übrigens auch vom kleinen Immergrün gibt. Beide Arten benutzt man vorzugsweise zur Ausschmückung schattiger und feuchter Stellen des Gartens, wo aus Lichtmangel keine anderen Pflanzen gedeihen, außerdem als Schmuck von Gräbern. Alle diese Arten blühen schon vom März an bis zum Juni und oft noch einmal im Herbst. Man vermehrt sie durch Teilung der Stöcke und durch Ausläufer, die sich häufig schon bewurzelt finden. Eine meist in Gewächshäusern kultivierte, ausdauernde Art der Antillen ist Vinca rosea mit langröhrigen, dunkelrosenroten, im Schlunde purpurnen Blumen.

Ein südasiatischer Strauch ist der in Gärten Südeuropas häufig kultivierte Jasmin (Jasminum grandiflorum), der seinen Namen vom persischen jâasman oder jasmin hat. Seine langen, biegsamen Äste sind als Pfeifenröhren, namentlich in der Türkei, sehr beliebt. Die wohlriechenden weißen Blüten waren früher als Arznei gebräuchlich, werden jetzt aber nur noch als Parfüm, sowie zur Bereitung des in der Parfümerie geschätzten ätherischen Jasminöls gebraucht, indem man sie mit dem zu Pomade beliebten Behenöl von Moringa oleifera übergießt. Ein im Orient, in Süd- und Ostasien häufig angepflanzter Zierstrauch ist der in Ostindien heimische arabische Jasmin oder Sambac (Jasminum sambac), dessen blaße Blüten wie bei allen Nachtblumen erst nach Sonnenuntergang einen starken Wohlgeruch aushauchen, weshalb sie als Opfer und zum Ausstreuen in Tempeln, wie auch zum Parfümieren des chinesischen Tees dienen. Aus ihnen wird aber ebenfalls ein ätherisches Jasminöl und ein dem Rosenwasser ähnliches Wasser dargestellt. Mit den orangefarbenen Blumenkronröhren färbt man in Ostindien statt des Safrans Speisen und andere Gegenstände gelb. In derselben Weise werden die gelben Blüten des ihm verwandten ostindischen Trauerstrauchs (Nyctanthes arbor tristis) verwendet.

Als wilder Jasmin oder wohlriechender Pfeifenstrauch wird der aus China und Japan zu uns gekommene Philadelphus coronarius mit starkriechenden, einfachen und gefüllten, grünlichweißen Blüten und gefüllten Blättern kultiviert und ist auch stellenweise um Dörfer herum verwildert. Seine geraden Schosse dienen zu Pfeifenröhren und die Blüten zum Extrahieren des Parfüms. Auch Philadelphus satsumi aus Japan, P. latifolius, pubescens und gordonianus aus Nordamerika werden in unsern Parks gezogen. Dem wohlriechenden Pfeifenstrauch ähnliche Blüten hat der sehr ästige, 1 bis 2 m hohe japanische Zierstrauch, die rauhblätterige Deutzie (so genannt nach dem Amsterdamer Ratsherrn Joh. Deutz, dem Förderer von Thunbergs botanischen Reisen), Deutzia scabra, die in unsern Anlagen zu finden ist, während die dieser ähnliche, aber kleinere zierliche Deutzie (D. gracilis) als frühblühende Topfpflanze bei uns beliebt ist.

Ebenfalls in Japan und im nördlichen China heimisch ist die mit den vorigen verwandte Hortensie (Hydrangea hortensis), ein bis 1 m hoher Strauch mit ursprünglich rosenroten Blüten in oft 30 cm im Durchmesser haltenden Trugdolden. Die „gefüllte“, d. h. nur mit großen, unfruchtbaren Blüten versehene Abart wurde 1788 in den berühmten, 1730 gegründeten botanischen Garten in Kew bei London eingeführt und erhielt ihren Namen vom englischen Botaniker Commerson, der sie 1767 in China entdeckte, nach seiner Freundin, Frau Hortense Lapeaute, die ihren Gemahl, der als Astronom mit ihm zusammen an der Bougainvilleschen Expedition teilnahm, begleitete. Die einfachblühende Form mit fruchtbaren Blüten wurde erst in neuester Zeit eingeführt. Die rotblühende Form kann man durch Zusatz von Eisen und Alaun in eine blaublühende verwandeln. Zu diesem Zwecke setzt man dem Wasser, mit dem man die in Töpfen gezogene Pflanze begießt, 5 g Eisen-Ammoniakalaun auf 1 Liter Wasser oder etwas Eisenvitriol bei. Die Gärtner pflegen der Erde schon beim Einpflanzen im August etwas Eisenfeilspäne — etwa 15 g auf 1 Liter Erde — beizugeben. Am besten dient hierzu eisenhaltige Erlenbruch- oder Sumpfmoorerde; in solcher entwickelt die Hortensie beständig blaue Blüten. Sie findet sich auch in Japan und entsteht bei uns zuweilen von selbst. Hydrangea paniculata, ein Strauch mit weißlichen, später rötlichen, unfruchtbaren Blüten, wächst in Japan und auf Sachalin und wird bei uns besonders in großblumigen Varietäten als winterharter Zierstrauch angepflanzt, wie auch die weißblütige nordamerikanische baumartige Hortensie (Hydrangea arborescens), die in Virginien zu Hause ist und 3 m hoch wird. Die Blätter von H. thunbergi dienen den Japanern zum Tee, der von ihnen wegen des Wohlgeschmacks Himmelstee genannt wird.

Die Erikazeen mit etwa 420 Arten wachsen in Europa besonders im Mittelmeergebiet, am reichsten aber im Kapland, und zwar fast ausschließlich in der Nähe der Westküste. Von den einheimischen Arten werden außer dem Alpenheidekraut, der fleischroten Heide (Erica carnea), auch einige Verwandte derselben in Gärten gezogen. Den Namen erhielt die Pflanzengattung vom griechischen ereíkē, womit von den Alten die südeuropäische baumartige Heide (Erica arborea) wegen ihrer brüchigen Äste (von ereíkein brechen) bezeichnet wurde. Dioskurides schreibt in seiner Arzneimittellehre: „Die Baumheide (ereíkē) ist ein buschiger Baum, der Tamariske ähnlich, aber weit kleiner. Aus ihren Blüten holen die Bienen einen Honig, der gar nicht beliebt ist.“ Sein Zeitgenosse, der ältere Plinius, sagt: „Erice nennen die Griechen einen Strauch, der der Tamariske ähnlich, wie Rosmarin gefärbt ist, fast ebensolche Blätter hat und die Schlangen verscheuchen soll.“ Diese Baumheide wird 10 m hoch, hat kleine, fast kugelige, in Trauben vereinigte, wohlriechende Blüten, überzieht in manchen Gegenden Griechenlands weite Strecken und liefert namentlich den Bienen in Attika eine Hauptnahrung; doch hat der von diesen Pflanzen gesammelte Honig (eríka-méli, Heidehonig) einen eigentümlichen Geruch zum Unterschied des beliebten und teuren, schon im Altertum berühmten Honig des Berges Hymettos, der vorzüglich von Rosmarinus und Thymus capitatus von Bienen gesammelt wird. Das fleisch- bis ziegelrote maserwüchsige Wurzelholz der auf den Kanaren bis 20 m hoch werdenden Baumheide, das besonders aus Spanien, Südfrankreich und Korsika ausgeführt wird, wird zu Schnitz- und Dreharbeiten, besonders aber zu Pfeifenköpfen verwendet. Außer den einheimischen werden neuerdings besonders viele Erika-Arten vom Kap der Guten Hoffnung als Zierpflanzen kultiviert. Sie fordern eine besondere Behandlung in den sogenannten „Kaphäusern“ und zeichnen sich durch große Zierlichkeit aus. Ihre mannigfach geformten Blüten zeigen das reinste Weiß, zartes Rosa, feuriges Rot, Purpur, seltener Gelb und Grün. Winterharte europäische Arten, wie die Sumpfheide (Erica tetralix) und E. ciliaris aus Südwesteuropa, besonders aber Erica carnea aus Südeuropa, ein zeitiger Frühjahrsblüher mit weißen oder roten Blüten, kultiviert man im Garten am Rande von Gebüschen, als Einfassungen und auf Moorbeeten. In Australien und Ozeanien sind die Erika-Arten durch die Epakridazeen vertreten, von denen ebenfalls zahlreiche zur Zierde in unseren Gärten gezogen werden. Manche von ihnen haben eßbare Früchte, von denen die der Styphelia sapida am meisten geschätzt werden.

Zu den Erikazeen gehören auch die Rhododendren oder Alpenrosen. Wörtlich übersetzt heißt das griechische rhododéndron Rosenbaum, wegen der rosenroten Blüten. Im Altertume verstand man unter dieser Bezeichnung den ebenfalls rotblütigen Oleander (Nerium oleander). Öfter findet man in unseren Gärten die rostblätterige Alpenrose (Rhododendron ferrugineum), die Königin der Alpenpflanzen, angesiedelt. Als Schneerose ist sie schon viel besungen worden und dient den Älplern als beliebter Schmuck. Auch zieren damit die Bergwanderer ihre Hüte. Häufiger als sie werden ausländische Arten als Zierpflanzen in Gärten und Gewächshäusern kultiviert, so vor allem die aus den Bergen Kleinasiens zu uns gekommene pontische Alpenrose (Rh. ponticum) mit mattvioletten Blüten, die kaukasische Alpenrose (Rh. caucasicum) mit großen, blaßgelben Blüten aus dem Kaukasus, die goldblütige Alpenrose (Rh. chrysanthum) mit goldgelben Blüten aus Sibirien. Sehr zahlreiche baumartige Rhododendren wachsen an den Abhängen des Himalaja, so die baumartige Alpenrose (Rh. arboreum), die in Höhen von 1600–3300 m vorkommt und in ihrer Heimat, von Kaschmir bis Nepal, 6–9 m hoch wird. Sie hat große, dunkelrote Blüten, wird aber in verschiedenen Abänderungen in den Gärten gezogen. Die Unterfläche der Blätter dieser Art ist mit einer süßen, zuckerartigen Masse überzogen, die bisweilen in durchsichtigen Tropfen hinabhängt und von den Gebirgsbewohnern Indiens gegessen wird. Die eigentliche Alpenrose des Himalaja ist aber Rh. dalhousianum (der Lady Dalhouse zu Ehren benannt), die wohlriechende, weiße oder rosafarbene Blüten von 13 cm Umfang mit dem feinsten Aroma erzeugt, welche ohne Unterbrechung 2–3 Monate aufeinander folgen. Sie findet sich im Sikkim-Himalaja in einer Höhe von 1600–2600 m, während Rh. nivale daselbst nur an der Grenze des ewigen Schnees gedeiht. Aus Nordamerika stammen Rhododendron maximum, die der pontischen gleicht, aber höher wird, mit zart fleischroten bis fast weißen, innen gelb und grün gefleckten Blüten und Rh. catawbiense mit dunkelroten Blüten. Alle diese Arten wurden untereinander gekreuzt und haben sehr viele Blendlinge geliefert, die teilweise wundervolle Blüten aufweisen und den Stolz unserer Gewächshäuser bilden.

Ähnlich verhält es sich mit den den Rhododendren verwandten Azaleen, so genannt nach dem griechischen azaléos trocken, dürr, weil sie meist an dürren Orten wachsen. Auch sie sind wie jene sämtlich Hochgebirgspflanzen, die in zahlreichen Spielarten und Kreuzungsprodukten mit den Rhododendren einen wichtigen Teil unseres Frühlingsflors ausmachen. Die 40 Arten derselben wachsen in Nordamerika, Ostasien und eine einzige im Kaukasus. Die prachtvollsten Sorten kamen ums Jahr 1800 aus China zu uns, unter welchen Azalea indica mit roten Blüten, die dort seit alter Zeit als beliebte Zierpflanze kultiviert wird, die Stammmutter der meisten Spielarten ist und in zahlreichen Varietäten und Blendlingen in unsern Kalthäusern kultiviert wird. Sie ist wahrscheinlich auf vier Arten zurückzuführen und wird in bezug auf Blütenreichtum, Glanz und Farbenpracht der Blumen von keiner anderen Pflanzengattung übertroffen. Alle von der indischen Art abstammenden Azaleen haben meist 10 Staubgefäße und bleibende Blätter, weshalb sie auch zur Familie der Rhododendren gezählt werden. Alle übrigen, die pontischen, japanischen und amerikanischen Arten haben nur 5 Staubgefäße und abfallende Blätter. Die ersteren erfrieren bei uns im Freien, können also nur in Kalthäusern gezogen werden, während letztere unsere Winter im allgemeinen ertragen und mit nur leichtem Schutz im Freien ausdauern. Am frühesten, nämlich schon seit 1793, wurde bei uns die in den Gebirgen des nördlichen Kleinasien heimische pontische Azalee (A. pontica) eingeführt. Es ist dies ein 1–2 m hoher Strauch mit großen, goldgelben, wohlriechenden Blüten. Der Nektar ihrer Blüten ist sehr stark narkotisch, so daß der von ihm gesammelte Honig betäubt und selbst Raserei zur Folge hat, wie schon die zehntausend Griechen, die unter Xenophons Führung im Jahre 400 v. Chr. den berühmten Rückzug aus Mesopotamien über das armenische Hochland nach Trapezunt am Schwarzen Meere machten, an sich erfuhren. Außer ihr werden bei uns im Freien meist die amerikanischen Arten: Azalea punicea, mucronata, amoena, calendulacea, arborescens und viscosa, wie auch deren Kreuzungsprodukte gezogen.

Ein anderer, wegen seiner wundervollen Blüten bei uns als Topfpflanze, aber schon in wärmeren Lagen Norditaliens und Südfrankreichs im Freien gezogener Zierstrauch, der aus Ostasien zu uns kam, ist die Camellie oder japanische Rose. Diese mit den Teegewächsen die Familie der Ternströmiazeen (nach dem Schweden C. Ternström, der China durchforschen wollte, aber 1745 vor Erreichung dieses Zieles starb, so genannt) bildende Pflanze erhielt nach dem Abbé Berlese in Paris, dem Verfasser einer Monographie der Camellien, ihren Namen von Karl von Linné nach dem Jesuiten Georg Josef Kamell (Camellius), der als gelernter Apotheker in Manilla auf den Philippinen 1639 allerlei Pflanzen, die medizinisch von Wichtigkeit sein könnten, sammelte. Die Camellien sind dem Teestrauche ähnliche Sträucher im Himalaja, in Cochinchina, China und Japan. Die prächtigste Art ist die Camellia (oder Thea) japonica, ein 12–15 m hoher Strauch mit lederartigen, immergrünen Blättern und reichlich erscheinenden, endständigen, stiellosen, großen, roten Blüten, die sich leicht füllen. Sie wird in Japan in Hecken und in China als Zierpflanze angebaut. Aus ihren braunen Samen wird dort ein dem Olivenöl ähnliches Öl gepreßt, das als Heilmittel und zum Hausgebrauch benutzt wird. Sie wurde 1739 von Lord Petre von Japan nach England gebracht und hier mit der erst gegen das Ende des 18. Jahrhunderts in Europa eingeführten chinesischen Art vielfach gekreuzt. Man zieht heute von ihr mehrere hundert prachtvolle Varietäten mit roten, rosenroten, weißen und weißgestreiften, gesprenkelten oder gefleckten Blüten. Sie blühen bei uns in Gewächshäusern von Februar bis April, doch bringt man viele Sorten durch künstliches Antreiben schon im Oktober und November zur Blüte. Bei sorgfältiger Pflege gedeiht sie auch im Zimmer, erträgt aber sehr schlecht einen Wechsel des Standortes, da in solchem Falle die Blüten regelmäßig abfallen. Die in China und Japan einheimische, in letzterem Lande sasankua genannte kleinere, zartere Verwandte, Camellia sasankua mit stumpferen, weicheren Blättern und kleineren Blüten, wird in ihrer Heimat häufig kultiviert. Nicht nur werden ihre wohlriechenden, weißen Blüten vielfach dem chinesischen Tee beigemengt, um ihn zu parfümieren, sondern auch die getrockneten Blätter unter die Teeblätter gemischt, desgleichen für sich allein als Tee benutzt. Mit einer Abkochung derselben waschen die Japanerinnen ihr Haar, und aus den Samen gewinnt man ein geschätztes, wohlriechendes Öl. In Nepal wird Camellia kissi mit stark wohlriechenden Blüten ebenfalls als Teesurrogat verwendet und liefert aus den Samen ein gutes Öl. Nach den japanischen Camellien gelangte dann auch aus China die reichblühende Camellia reticulata mit breiten Blättern und großen Blüten zu uns und lieferte durch Kreuzung mit jenen zahlreiche Blendlinge mit schönen, bunten Blüten.

Unter den Nachtschattengewächsen sind einige Stechapfelarten als Zierpflanzen von Bedeutung, so die Datura metel mit nachts sich öffnenden zarten, weißen, fast wie Lilien riechenden Blüten. Sie wächst im Mittelmeergebiet, in Afrika und Südasien und wird in Indien, Persien und Arabien zur Bereitung von Berauschungsmitteln mit Haschisch, Opium und Gewürzen verwendet. Datura fastuosa (d. h. die schöne, stolze) mit großen, weißen, bisweilen außen violetten, auch gefüllten, wohlriechenden Blüten in Ost- und Südasien, dem malaiischen Archipel und dem tropischen Afrika wird in Indien und China wie der Stechapfel bei uns benutzt und als Zierpflanze kultiviert. Sie wird auch bei uns in Töpfen gezogen, muß aber frostfrei überwintert werden. Gleicherweise ist dies mit Datura suaveolens (d. h. der angenehm riechenden) und der 3–4 m hohen D. arborea (d. h. der baumartigen) der Fall, die beide in Chile und Peru heimisch sind und große, hängende, weiße, besonders gegen Abend wohlriechende Blüten besitzen. Ebensolche hängende, große, aber statt weiße von der Basis bis zur Mitte gelbe, in der oberen Hälfte jedoch mattrote, mit blutroten Streifen durchzogene Blüten weist die ebenfalls strauch- oder baumartige D. sanguinea in Peru auf. Aus deren Blüten bereiteten sich die Peruaner, wie wir bereits erfuhren, einen berauschenden Trank, den einst die Priester des Sonnentempels in Sagamossa, dem peruanischen Orakelsitze, tranken, um sich mit den Geistern der Verstorbenen in Verbindung zu setzen. Deshalb wird die Pflanze heute noch von den Peruanern yerba de huaca, d. h. Gräberpflanze, genannt. Von Nachtschattengewächsen werden auch manche Arten des Tabaks als Zierpflanzen kultiviert, so Nicotiana tabacum var. purpurea latissima und die 3 m hoch werdende N. glauca aus Mexiko, ferner N. longiflora und affinis, letztere mit großen, wohlriechenden Blüten, beide aus Chile, die gewaltige N. tomentosa aus Peru und die N. wigandioides mit 1 m langen und 60 cm breiten Blättern aus Venezuela.

Ebenfalls südamerikanischer Herkunft sind die bei uns als Gartenzierpflanzen so beliebten Fuchsien, die nach dem von Karl V. geadelten Schwaben Leonhard Fuchs (1501–1565) so genannt wurden. Dieser war zuerst Schullehrer in seinem Geburtsorte Wemding in Schwaben, erwarb sich dann als Arzt und Botaniker großen Ruf und starb als Professor der Medizin in Tübingen. Neben Otto Brunsfeld und Hieronymus Bock (genannt Tragus) war er der Begründer der vaterländischen Pflanzenkunde und gab die damals besten Pflanzenabbildungen heraus. Sein in Basel gedrucktes New Kreuterbuch besaß einst großes Ansehen, so daß es noch 1643 neu aufgelegt wurde. Die Fuchsien sind Sträucher oder kleine Bäume mit vorherrschend roten Blüten mit gefärbtem Kelch, vier Blumenblättern und kleinen, fleischigen, vielsamigen, dunklen Beeren. Über 60 Arten derselben finden sich in den Gebirgen von Mexiko bis zum Süden von Chile in Höhen von 1000–3000 m, wenige auf den Antillen, in Guiana und Brasilien, auch in Neuseeland. Der französische Botaniker Charles Plumier beschrieb 1703 die erste Fuchsia, die als F. coccinea 1788 in die europäischen Gärten eingeführt wurde. Seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts sind mehrere Arten in Kultur, und gegenwärtig zählt man mehr als 800 Hybriden und Spielarten derselben. Die hauptsächlichsten Stammeltern der jetzigen Fuchsien sind außer F. coccinea mit dünnen, purpurrötlichen Ästen, kleinen Blüten mit scharlachrotem Kelch, violettblauer Blumenkrone und lang hervorragenden Staubfäden F. fulgens mit mennigroten, F. globosa mit prächtigen, scharlachroten und F. gracilis mit kleineren, aber sehr zahlreichen, karminroten Blüten — alle drei aus Mexiko — und F. corymbiflora aus Peru mit 13 cm langen Blüten mit karminrotem Kelch und scharlachroter Blumenkrone. Lange Zeit war die Größe der Blume die geschätzteste Eigenschaft dieser beinahe prächtigsten Blütenpflanzen der Gewächshäuser, dann kamen die Sorten mit weißlicher Kelchröhre und gefärbter Blumenkrone, später gestreiftblumige Sorten, darauf gefüllte und fast gleichzeitig Fuchsien mit sehr dunkler Blumenkrone und zurückgeschlagenen Kelchblättern, endlich die Sorten mit roten Kelchen und weißer Blumenkrone auf. Bemerkenswert sind noch F. serratifolia aus Peru mit dunkelroten Ästen und roten Blüten, die in unserem Winter — dem Sommer ihrer Heimat — erscheinen, und F. microphylla aus Mexiko mit sehr kleinen Blättern und Blüten. Die Beeren mehrerer Arten werden in Südamerika, mit Zucker eingemacht, gegessen, von andern dient das Holz zum Schwarzfärben. Die Fuchsien wachsen leicht und willig, blühen sehr reichlich und gedeihen am besten, wenn man sie an einem luftigen, kühlen, nur eben frostfreien, wenn möglich etwas hellen Raum bei spärlichster Bewässerung überwintert.

Nahe verwandt mit den Fuchsien sind die Weidenröschen (Epilobium), deren großblütige Formen als Zierpflanzen in den Gärten gezogen werden, wie auch die bis 1 m hohe gemeine Nachtkerze (Oenothera biennis), deren schwefelgelbe Blüten sich abends öffnen und am folgenden Morgen welken. Sie wächst bei uns auch wild auf feuchtem Sandboden an Flußufern, stammt aus Virginien in Nordamerika und soll sich seit 1614 von Padua aus über Europa als Zierpflanze verbreitet haben. Durch große, wohlriechende, gelbe, abends zwischen 7 und 8 Uhr sich erschließende Blüten ist Oenothera grandiflora ausgezeichnet, die wie die vorige auch kultiviert wird, um deren rötliche, in der Farbe Schinken ähnliche Wurzeln in Scheiben geschnitten im Winter wie Sellerie als Salat oder auch mit Fleischbrühe als Gemüse zu essen.

Wie in Peru und Chile die leuchtend rotgelben Amaryllideen, sind dort auch die meist violett getüpfelten Gauklerblumen (Mimulus), von denen bereits die Rede war, zu Hause. Von dort stammen auch die Pantoffelblumen (Calceolaria), deren prächtig gelbe oder orangefarbene Blütenbüschel die Felsabhänge an den Füßen der Kordilleren schmücken. Sie gehören mit dem Fingerhut in die Familie der Scrophulariazeen und weisen 134 Arten vorzugsweise auf den Anden Südamerikas, in Peru und Chile, einzelne bis Mexiko und zwei in Neuseeland auf. In Chile speziell sind sie in fast 70 Arten bekannt und haben sich den verschiedenartigsten Lebensverhältnissen in Gebirg und Ebene angepaßt. O. Bürger schreibt über sie: „Die weithin leuchtenden großen, vollen Blütenbüschel der in Peru und Chile beheimateten Pantoffelblumen (Calceolaria) tragen wie wenig andere Pflanzen zum Schmuck der chilenischen Landschaft bei: am Rande der Bäche, an den Felsen und Hängen, welche die Wege begleiten, auf den heißen Steinhalden oder auch zwischen dem trockenen Geröll der Flußläufe, wo kaum ein Halm sprießt, haben sie Wurzel gefaßt. Und es ist ein farbenfreudiges Geschlecht. Freilich in der großen Mehrzahl bevorzugen sie Gelb oder Orange, aber andere glänzen mit purpurnen und noch andere mit weißen Pantöffelchen, wie aus Atlas. Bei den Eingeborenen sind sie sehr beliebt und sie sammeln große Sträuße der topatopa oder capachito, wie sie in ihrer Sprache heißen, um das Zimmer damit zu schmücken. Leider verwelken sie aber sehr rasch.“

Ebenfalls im tropischen Amerika heimisch sind die Gloxinien, deren wundervolle, farbenprächtige Blüten die Zierde unserer Gewächshäuser bilden. Diese Gattung aus der Familie der Gesnerazeen hat ihren Namen nach dem Straßburger Botaniker P. B. Gloxin, der 1785 botanische Beobachtungen veröffentlichte, und besteht aus ausdauernden Kräutern mit knollenartigem Wurzelstock, saftigem Stengel, gegenständigen, einfachen Blättern, einzeln oder gebüschelt stehenden, großen, langgestielten, glockenförmigen Blüten mit ausgebreitetem, ungleich fünflappigem Saum. Die sechs Arten sind von Mexiko bis Brasilien und Peru zu Hause. Von ihnen werden vorzugsweise die Gloxinia speciosa von Brasilien und Hybriden von dieser und Gloxinia maculata mit aufrechten, horizontalen oder hängenden, vielfach im Innern getüpfelten blauen, roten oder weißen Blüten aus Brasilien kultiviert. Diese prachtvollsten aller Florblumen gedeihen aber auch gut im Zimmer. Zum Winter ziehen sie ein und die Knollen können trocken aufbewahrt werden. Jedes Blatt entwickelt an dem der Quere nach abgeschnittenen Blattstiel, aber auch, wenn man es auf Erde befestigt, an allen durchschnittenen Blattnerven Knöllchen, so daß man von einem großen Blatt deren fünfzig erzeugen kann. Übrigens werden unter dem Namen Gloxinien auch zahlreiche Formen und Farbenspielarten der brasilischen Sinningia speciosa, auch Kreuzungen derselben mit den eigentlichen Gloxinien, bei uns kultiviert.

Gleicherweise südamerikanischen Ursprungs sind die Petunien, nach petun, der brasilianischen Bezeichnung für den nahe mit ihnen verwandten Tabak, mit dem man diese Pflanzenart wegen der Ähnlichkeit der Blätter verwechselte, so genannt. Diese Gattung der Solanazeen oder Nachtschattengewächse umfaßt mit klebrigen Drüsenhaaren besetzte niedere Kräuter mit großen, vielfarbigen Blüten und vielsamigen Kapseln. Die 14 Arten kommen ausschließlich in Südamerika, speziell in Südbrasilien und Argentinien vor und wurden erst seit 1824 in Europa bekannt. Durch Kreuzung von Petunia nyctaginiflora, einem Sommergewächs im Gebiete des La Platastromes mit weißen, und von Petunia violacea, einem Sommergewächs in Argentinien, Montevideo und Chile mit leuchtend dunkelkarminroten, im Schlund schwarzvioletten, gestreiften Blüten hat man eine Menge schöner, auch gefüllter Varietäten und Blendlinge (Petunia hybrida, P. grandiflora) erzeugt, die sich vorzüglich zur Bepflanzung von Gruppen auf Rasenflächen, auch zur Kultur in Töpfen eignen und häufig zu sehen sind.

Weiter hat uns Südamerika mit der spanischen oder Kapuzinerkresse (Tropaeolum) beschenkt. Von den 35 ausschließlich dort vorkommenden Arten dieser Gattung brachten die Spanier zuerst Tropaeolum minus 1575 aus Peru nach Spanien, während die größere Art, Tropaeolum majus, erst 1684 von dorther nach der Iberischen Halbinsel kam, von wo aus sie schon 1686 nach England gelangte. Alte Berichte tun uns kund, wie groß das Entzücken der Blumenfreunde jener Zeit über die Einführung dieser schönen, reich blühenden und anspruchslosen einjährigen Staudenpflanzen war. Besonders Tropaeolum majus findet sich jetzt als eine der gemeinsten Florblumen in zahlreichen Varietäten in unseren Gärten. Am meist kletternden Stengel finden sich bei ihr schildförmige Blätter und große, gelbe, orange- bis purpurbraune Blüten, die geruchlos sind. Doch riecht und schmeckt die ganze Pflanze durch ein ätherisches Öl kressenartig, was ihr zu ihrem Namen verhalf. Sie wird als Salat gegessen; die Blütenknospen und die unreifen Früchte werden auch in Essig und Salz eingelegt und wie Kapern gebraucht. Daher wird sie oft „unechte Kaper“ genannt. Durch Kreuzung dieser Art mit dem ähnlichen Tropaeolum minus werden zahlreiche Varietäten, auch Zwergformen, gewonnen. Tropaeolum tuberosum mit knolligem Wurzelstock und vierlappigen Blättern wird in ihrer Heimat Peru der genießbaren Knollen wegen kultiviert und gedeiht auch bei uns. Tropaeolum lobbianum aus Kolumbien mit leuchtend kapuzinerroten Blüten klettert 3–4 m hoch, dauert in Gewächshäusern aus und blüht dort auch im Winter. Tropaeolum pentaphyllum aus Montevideo hat scharlachrote Blüten mit spitzen, grünen Kelchzipfeln und hält bei uns im Freien aus. Die kletternde Kanarienvogelrebe (Tropaeolum aduncum) mit schwefelgelben Blüten und zerschlitzten Blumenblättern eignet sich besonders zur Bekleidung hoher Wände.

Wie die Kapuzinerkresse stammt auch die Feuerbohne (Phaseolus multiflorus) mit feuerroten bis weißen Blüten aus Peru, wo sie schon von den Inkas zur Gewinnung der Samen als Speise kultiviert wurde. Wie die Samen der gemeinen Schminkbohne fanden sie sich als Totenbeigabe in den Gräbern der Peruaner. Bei uns wird sie nicht sowohl als Nutz-, sondern vorwiegend als Zierpflanze kultiviert und dient vorzugsweise zum Hinaufspinnen und zum Bekleiden von Lauben. Der französische Arzt und Botaniker Clusius (Charles de l’Ecluse, geb. 1526 in Arras, 1573–1587 Hofbotaniker in Wien, seit 1593 Professor der Botanik in Leiden, wo er 1609 starb) sah die Feuerbohne mit purpurnen Blüten zuerst 1564 in einem Kloster zu Lissabon und bekam dort auch Feuerbohnensamen aus Brasilien zum Geschenk. Diese brachte er nach der Rückkehr in seiner Heimat zum Wachsen; sie blühten blaßrot. Die daraus erzielten Samen schenkte er an Freunde weiter, die sie wiederum als interessante Novität in ihren Gärten pflanzten. So verbreitete sich diese schönblühende Kletterpflanze wie die übrigen südamerikanischen Eßbohnenarten als „welsche“ (spanische) oder „Stangenbohnen“ immer weiter unter den Völkern Europas.

Rein amerikanische Bäume und Sträucher mit ansehnlichen Blüten in rispigen Blütenständen sind die Jasmintrompeten (Tecoma), eine Gattung der Bignoniazeen, die von Mexiko bis Argentinien, zumeist aber in Brasilien heimisch ist. Ihnen nahe verwandt sind die beiden kletternden Campsisarten, von denen C. radicans mit scharlachroten Blüten den östlichen Vereinigten Staaten von Illinois bis Florida und C. grandiflora mit größeren, mattfarbigen Blüten aus Japan bei uns an warmen Mauern angepflanzt werden. In Mittel- und Südamerika, besonders auf den Berghöhen Chiles und Perus wachsen die 81 Arten Loasa, von denen L. lateritia mit gelbroten Blüten aus Chile bei uns in Gärten, an Lauben usw. kultiviert wird. L. urens mit gelben Blüten stammt aus Peru, ist einjährig und wird in ähnlicher Weise verwendet. Im westlichen Nord- und Südamerika dagegen, besonders in Kalifornien, sind die in etwa 20 Arten vorkommenden Godetien heimisch. Es sind einjährige Pflanzen mit großen, roten oder weißen Blüten in beblätterten Trauben oder Ähren. Mehrere Arten derselben, wie besonders Godetia amoena, romanzowii und whitneyi werden in verschiedenen Varietäten als Zierpflanzen kultiviert.

In Peru und Ekuador ist der Vanillenheliotrop (Heliotropium peruvianum) heimisch, ein bis 2 m hoher Zierstrauch, der wegen des köstlichen Vanillegeruchs seiner Blüten sehr beliebt ist und in mehreren Spielarten mit weißen, hell- oder dunkelblauen Blüten kultiviert wird. In Südfrankreich bereitet man aus seinen Blüten die für die Parfümerie wichtige Heliotropessenz, doch wird der Heliotropgeruch sehr oft auch durch Mischung von Vanille mit Orangenblüten, Rosen und Bittermandelöl, ebenso mit Piperonal nachgeahmt. Außer ihm wird das ebenfalls südamerikanische Heliotropium corymbosum mit größeren Blättern und dunkleren, narzissenhaft duftenden Blüten in unseren Gärten kultiviert. Der mit dem Vanillenheliotrop sehr nahe verwandte, ebenfalls in Südamerika heimische Strauch Tournefortia heliotropioides dagegen wird in Treibhäusern gezogen.

Ebenfalls südamerikanischer Herkunft sind die Passionsblumen (Passiflora), die in etwa 250 Arten in ihrer Heimat den Schmuck der Wälder bilden. Sie klettern dort von Baum zu Baum und entfalten dabei ihre schönen, vielfach wohlriechenden Blüten, die meist angenehm schmeckende Früchte hervorgehen lassen. Die erste Passionsblume, die nach Europa kam, war die fleischfarbige Passiflora incarnata, die ein Jesuit 1609 nach Bologna brachte. Im Jahre 1625 kam sie nebst der weißen P. coerulea mit blauem Fadenkranz unter dem Namen „amerikanische Clematis“ nach Rom. In einem 1633 erschienenen Buch: de florum cultura gab ihr der 1653 in Siena verstorbene Jesuit J. B. Ferrari den Namen Passiflora, indem er die Blütenteile der P. coerulea mit den Marterwerkzeugen Christi verglich. Die drei Narben sollten die Nägel, mit der die Kreuzigung vorgenommen wurde, der rotbesprengte Fadenkranz die Dornenkrone, der gestielte Fruchtknoten den Kelch, die fünf Staubbeutel die Wunden, die dreilappigen Blätter die Lanze, die Ranken die Geißeln, die weiße Farbe der Blumenblätter die Unschuld des Erlösers darstellen. Daß die fromme Einbildungskraft in den verschiedenen Teilen der seltsamen Blüte die Attribute des Leidens Christi dargestellt fand, machte diese Zierpflanze im katholischen Südeuropa, wo sie gut fortkam, bald so populär, daß sie hier, wie in ihrer Heimat Peru und Brasilien, viel gepflanzt wurde, um so mehr, da sie 5 cm lange, eiförmige, orangegelbe, eßbare Beeren lieferte. Als eigentliche Fruchtpflanze wird in Südamerika die vierkantige Passionsblume (P. quadrangularis) wie der Weinstock an Spalieren gezogen. Ihre 11 cm im Durchmesser haltenden, vanilleartig riechenden Blüten mit weißen, purpurn und violett gescheckten Blumenblättern lassen gänseeigroße, rötliche Früchte hervorgehen, deren breiiges, süßliches Fruchtmark gerne gegessen, als Heilmittel und zur Herstellung von wohlschmeckenden Getränken verwendet wird. Wegen der Ähnlichkeit der Früchte mit Granaten wird diese, wie überhaupt alle Passionsblumen, im Spanischen granadilla genannt. Noch größere, ebenfalls häufig gegessene purpurne Früchte hat die eßbare Granadilla (P. edulis) in Peru.

Ausschließlich amerikanisch sind auch die den Myrten verwandten 157 Cupheaarten, von denen mehrere bei uns als Zierpflanzen kultiviert werden. Aus Mexiko stammen die 0,5 m hohe Cuphea silenoídes, eine der schönsten Gartenpflanzen, und C. platycentra mit scharlachroten, röhrenförmigen Blüten. Von dorther stammt auch die unseren Steinbrechen verwandte Echeveria metallica mit sehr großen, runden, schön metallisch gefärbten Blüten, die in Gärten zu Einfassungen und Teppichbeeten sehr beliebt ist, wie auch Cotyledon gibbiflora und secunda mit prächtigen, roten Blüten. Ihnen nahe verwandt sind die als Topfzierpflanzen bei uns gehaltenen Crassula coccinea mit großen, scharlachroten, wohlriechenden Blüten, und C. arborescens, beide vom Kap der Guten Hoffnung.

Von Kalifornien bis Mexiko wachsen in 10 Arten die zu den Mohngewächsen gehörenden Eschscholzien, so genannt nach dem 1793 in Dorpat geborenen und 1831 als Professor der Medizin gestorbenen Joh. Friedr. Eschscholtz, der 1815 und 1823 Kotzebue als Arzt auf dessen Entdeckungsreisen begleitete. Diese dem Mohn verwandten Pflanzen sind durch einen verwachsenblätterigen Kelch ausgezeichnet, der, über seinem Grunde umschnitten, in Form einer geschnäbelten Mütze abfällt. Häufig findet man in unseren Gärten die 30 cm hohe E. californica mit großen, glänzendgelben, im Grunde orangefarbigen Blüten; sie ist sehr dankbar, vom Sommer bis in den Herbst blühend und ausdauernd, erfriert zwar bei uns, sät sich aber von selbst aus und verbreitet sich dabei sehr leicht. Sie enthält mehrere Alkaloide und wird in ihrer Heimat als schlafmachendes und schmerzstillendes Mittel benutzt.

Eine Amerikanerin ist auch die bei uns beliebte Flammenblume (Phlox, wegen der leuchtenden Blüten so, d. h. Flammenfeuer, genannt). Von den 30 nordamerikanischen Arten werden mehrere wegen ihrer schönen, vorherrschend roten Blüten in zahlreichen Spielarten und Blendlingen als eine Hauptzierde unserer Gärten kultiviert. Phlox drummondi (nach dem englischen Naturforscher James L. Drummond, der 1826 Nordamerika bereiste und 1835 auf Kuba starb, so genannt) aus Texas mit lilafarbigen, am Schlunde dunkelpurpurrot gefleckten, auch hell- und dunkelpurpurroten oder rosenroten und weißen Blüten ist einjährig, und wurde 1835 von Drummond im Garten von Kew bei London eingeführt, von wo aus sie bald nach dem Kontinent verbreitet wurde und hier überall willige Aufnahme fand, da sie reich blüht, ausdauernd und winterhart ist. Dieselben Vorzüge besitzt der 1 m hohe Staudenphlox (Ph. paniculata) aus Nordamerika mit ursprünglich hellilafarbenen Blüten in großen Doldentrauben. Er wird wie die ebenso hohe Ph. divaricata und die übrigen Phloxarten in vielen Varietäten in den prächtigsten Farben und Zeichnungen, auch in wohlriechenden Formen gezogen. Unter ihnen eignen sich die niedrigen Phlox procumbens und reptans besonders zu Einfassungen.

Eine einjährige, 30–60 cm hohe Zierpflanze unserer Gärten aus dem westlichen Nordamerika, die auch bei uns verwilderte, ist die großblütige Collomie (Collomia grandiflora) mit rötlichen Blüten. Eine ebenso beliebte nordamerikanische Zierpflanze ist das ausgezeichnete Hainschönchen (Nemophila insignis) mit kornblumenblauen, seltener weißen Blüten aus Kalifornien, während die ihr nahe verwandte himmelblaue Wasserwinde (Hydrolea azurea) eine hübsche, kleine Treibhauspflanze aus Mexiko ist.

Verwandt mit dem südamerikanischen Chinabaum sind die Bouvardien, kleinwüchsige Sträucher oder Kräuter mit präsentiertellerförmigen, weißen, gelbroten oder roten, besonders am Abend sehr wohlriechenden Blüten. Mehrere von den in Mexiko und Mittelamerika heimischen Arten werden als Garten- und Zimmerpflanzen kultiviert, so besonders die langblütige Bouvardia (B. longiflora) mit langen, weißen, abends herrlich duftenden Blüten, die in ihrer Heimat Zentralamerika als Flor de San Juan (d. h. Johannesblume) sehr beliebt ist.

Aronsgewächse des tropischen Südamerika sind die Caladiumarten, von denen Caladium bicolor aus dem Gebiet des Amazonenstromes mit pfeilförmigen Blättern, die einen großen rötlichen Fleck in der Mitte aufweisen, und C. picturatum nebst deren Hybriden die zahlreichen buntblätterigen Caladien lieferten, die als Zierpflanzen in Warmhäusern gezogen werden. Im entwickelten Zustande halten sie bei guter Pflege einige Zeit im Zimmer aus. Alle 10 Arten haben scharfschmeckende Blätter und Knollen, wegen der letzteren werden manche Arten in ihrer Heimat als Nährpflanzen kultiviert. Besonders zahlreich ist auch die Pfeffergattung Peperomia in Amerika vertreten. Von P. scandens von Peru bis zu den Antillen, P. elliptica auf den Maskarenen, östlich von Madagaskar, und P. maculosa in Peru und auf San Domingo werden die scharfschmeckenden Blätter wie Betel gekaut. Mehrere Arten, wie P. marmorata und P. arifolia, kultiviert man als Blattpflanzen im Warmhaus und Zimmer.

Eine ausschließlich amerikanische Pflanzengruppe sind endlich auch die Kakteen, dickfleischige Gewächse, die wegen ihrer wunderlichen Gestalt und schönen Blumen sich in der Gegenwart bei uns besonderer Beliebtheit erfreuen. Sie sind Produkte der Anpassung der Pflanze an die regenarme Wüste, Erzeugnisse der heißglühenden Sonne in einem fast niederschlagsfreien Gebiet, wo mit jedem Tropfen Wasser gegeizt werden muß. Ihr ganzer Leib besteht aus dem zu einem Wasserreservoir verdickten Stengel, an welchem die Blätter zu spitzen Stacheln geworden sind, die manchmal sich auch zu weißen, lufthaltigen Haaren verdünnen wie beim Greisenhaupt. Neben der wechselvollen, an Monstruositäten reichen Körperform liegt ein Hauptreiz der Kakteen in ihren wundervollen Blüten, die es an Schönheit mit jeder andern im Pflanzenreiche aufnehmen können. Während manche Kakteen nur selten und erst im hohen Alter blühen, zeichnen sich andere durch einen stattlichen Blütenflor aus. Besonders große und schöne Blumen treffen wir bei den Säulenkakteen, namentlich bei denjenigen, die am Gestein emporklettern; unter ihnen ist ja die „Königin der Nacht“ durch ihre herrlichen, fein duftenden, leider nur eine Nacht über offenen Blüten berühmt. Auch die zarten, köstlichen Blüten der andern Kakteen, die bei den Säulenkakteen, Fackeldisteln und Igelkakteen meist weiß, bei andern gelb und bei den Phyllokakteen in allen Nuancen von Rot gefärbt sind, dauern oft nur wenige Stunden und im besten Falle einige Tage, im Gegensatz zu den oft viele Wochen ausdauernden Orchideenblüten. Bei einzelnen Arten, wie etwa bei Echinopsis eyriesii, ist der Vorgang des Blühens ein so kurzer, daß sich das Entfalten und Verwelken der Blüten geradezu mit den Augen verfolgen läßt. Doch haben es die Kakteenzüchter in neuerer Zeit verstanden, durch Kreuzbefruchtung von rasch verblühenden Arten mit den länger blühenden Phyllokakteen herrliche Bastarde, sogenannte Hybriden, zu erlangen, die zu den hervorragendsten Blütenpflanzen überhaupt gehören, so z. B. den herrlichen Phyllocactus pfersdorffii.

Weil durchweg alle Kakteen in Verbindung mit großer Anspruchslosigkeit eine außerordentliche Lebensfähigkeit besitzen, eignen sie sich ganz besonders zur Zimmerkultur, wie sie bei uns gewöhnlich betrieben wird. Deshalb werden in Europa zahlreiche Vertreter der etwa 900 ausschließlich dem warmen Amerika angehörenden Arten gezogen, da sie bei aller Leichtigkeit der Kultur durch ihre interessanten exotischen Formen und die prächtigen Blüten erfreuen. Wenn sie auch als Kinder des Lichts die Sonne lieben und große Hitze ertragen, aber auch erhebliche Mengen des oft genug verweigerten Wassers verlangen, so ist es falsch, in ihnen Pflanzen zu sehen, die zu ihrem Gedeihen unbedingt eine Backofentemperatur nötig haben. Ja, umfangreiche ältere Exemplare mancher Arten haben sich bei uns so eingewöhnt, daß sie im Winter ungedeckt im Freien aushalten, ohne Schaden zu nehmen. Von wirklichen Kulturschwierigkeiten ist übrigens bei den Kakteen kaum die Rede. Sie lassen sich mühelos durch Stecklinge, wie auch durch Samen vermehren. Sind sie in letzterem Falle einmal dem Keimlingsstadium entwachsen, dann sind selten noch Verluste zu befürchten. Allerdings muß in der Kultur derselben bei uns die Wasserzufuhr regelmäßiger als in ihrer Heimat erfolgen. Zudem nimmt man an ihnen vielfach Pfropfung und Veredelung vor, um langsam wachsende Pflanzen zu kräftigerer Entwicklung zu bringen und selten blühende Arten zur Entfaltung ihrer Blumen zu veranlassen. Stets aber müssen sie die schöne, frostfreie Jahreszeit im Freien zubringen, wenn sie gut gedeihen sollen, und bedürfen der künstlichen Befruchtung, um keimfähige Samen hervorzubringen, da bei uns die Insekten fehlen, die in ihrer Heimat die künstliche Übertragung des Blütenstaubes auf die Narben vollziehen. Unter den Krankheiten der Kakteen ist die Kaktusfäule am verderblichsten. Als Schutzmittel dagegen muß man für reichliche Zuführung von Luft und Licht und für angemessene Bewässerung sorgen.

Das Endziel der Kakteenpflege ist für uns die Erzielung von schönen Blüten. Und man kann unbedenklich sagen, daß dieses Bestreben lohnend ist; denn an Schönheit der Form, Größe und Farbenpracht vermögen, wie gesagt, die Kakteenblüten mit allen Blüten des Pflanzenreichs zu wetteifern. Die Nuancen der meist radförmigen oder trichterförmigen Blüten sind durchweg leuchtend und überaus kräftig, dabei doch niemals grell und scharf. Reinweiß, Schwefelgelb, Hochgelb, Dunkelrosa, Scharlachrot und Orange herrscht vor. Dabei sind durch Kreuzung zahlreiche Zwischenformen entstanden. So erscheinen mehrere Farben der Skala an ein und derselben Blüte, aber niemals hart nebeneinander gesetzt, sondern in Flammenform oder in zarter Verreibung und Tönung ineinander übergehend. Die Prunkhaftesten und dabei doch wieder zartesten in der Farbe sind die Blattkakteen, jene Epiphyllum- und Phyllokaktusarten, die in den deutschen Häusern gewöhnlich um Weihnachten ihre Blüten entfalten.

Der Deutsche mit seinem lebhaften Sinn für das Farbenfrohe, Leuchtende, sah in diesen Blattkakteen, von denen besonders die Phyllokaktus in etwa 12 Arten aus Mittel- und Südamerika, speziell aus Brasilien bei uns eingeführt wurden, sogleich einen neuen geeigneten Schmuck seiner Fenster, neben den von ihm bis dahin bevorzugten Geranien, Begonien und großblütigen, gefüllten Nelken. Dieser Blumenliebe, namentlich der Landbewohner, haben wir es zu danken, wenn wir bei unsern sommerlichen Wanderungen durch die Dörfer neben jenen älteren auch diese in reichem Maße antreffen.

Da man nun mit Recht vermuten kann, daß sich die Bauernfrauen mit ihrer Kakteenpflege wohl kaum so viel Mühe geben, wie ihre Gatten und Brüder beim Kartoffelbau, so läßt sich schon hieraus unschwer schließen, daß die Pflege der akklimatisierten Amerikaner nicht allzuschwer sein kann. Auch hier gilt, wie übrigens bei allen Blütenpflanzen, durch vielfache Experimente begründete Regel, daß möglichste Vernachlässigung und Schlechtgehaltenwerden der Stöcke sie eher zu reichlichem Blühen bringt als sorgfältige Pflege und Hegung.

Die Gärtnereien haben die Sache von der praktischen Seite aufgefaßt. Wiederum waren es namentlich die Phyllokakteen, die in Kreuzungen und neuen Formen die Farbenskala fast erschöpften, — allerdings ohne jemals Blau hervorzubringen. „John Baker“, „Franceschi“, „Jules Simon“, „Wrayi“ usw. gehen vom prachtvollsten Gelb und Rot bis zum Kompromiß beider Farben, bis zur Halbblutorangefarbe von „Victoria“. Die Erzeugung dieser neuen Arten ist ein ganz besonderes Kapitel gärtnerischer Kunst, und man ist sehr auf dem Holzweg mit der Annahme, daß solche praktisch verwertbare Kreuzung nur ein Kinderspiel sei. Häufig kommt erst nach hundert Fehlschlägen ein Erfolg und auch dann oft nur ein halber.

Merkwürdig bei diesen Blattkakteen ist, daß sie ähnlich wie die Camellien mit ihren Blüten gewissermaßen eine Art sensiblen Empfindens zeigen. Rückt man nämlich ein mit Blütenknospen bedecktes Epiphyllum vom Fenster ab und gibt ihm nur eine leichte Drehung, so kann man in neun von zehn Fällen darauf rechnen, daß der Blütenansatz binnen wenigen Tagen abfällt, womit leider die Herrlichkeit für ein volles Jahr vorbei ist. In ihrer Heimat sind diese Blattkakteen nicht am Boden, sondern als Epiphyten auf Bäumen wachsende Überpflanzen, die mit ihren hübschen Blüten im Verein mit den in nicht minder leuchtenden Farben prangenden Lianenblüten den schönsten Schmuck der Urwaldbäume des tropischen Amerika bilden.

[3] Band II, „Das Leben der Erde“ behandelnd, mit 380 Abbildungen im Text und 21 Vollbildern, 1908, im Verlag von Ernst Reinhardt, München, erschienen.

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