XXVIII. Die Geschichte des Ziergartens.

Die ersten Gärten der Menschheit waren begreiflicherweise rohe, ausschließlich für die Küche berechnete Nutzgärten, aus denen sich erst auf einer beträchtlichen Höhe der Kultur eigentliche Ziergärten entwickeln konnten, die nicht mehr nur praktischen Zwecken, sondern vielmehr zur Befriedigung ästhetischen Lebensgenusses dienten. Solche sind wohl zweifellos an den Urstätten menschlicher Kultur in Zentralasien zuerst geschaffen worden. Beim kurzköpfigen, uralaltaischen Volke von Sumer und Akkad, das den Grund zur altbabylonischen Kultur in Mesopotamien legte, werden sie vor 6000 und mehr Jahren ebensogut vorhanden gewesen sein, wie bei den ältesten Chinesen, bei denen sich schon 3000 Jahre vor unserer Zeitrechnung Ziergärten um die königliche Residenz und um die Landhäuser der Vornehmen vermuten lassen. Gemäß den verfeinerten Lebensgewohnheiten dieses uralten, aus Zentralasien stammenden Kulturvolkes schufen sich dessen Herrscher und Fürsten in ihren geräumigen Gärten ideale Landschaften, die in bunter Abwechslung allerlei Szenerien in verkleinertem Maßstabe vorführten. Die älteste Beschreibung solcher chinesischer Ziergärten verdanken wir dem Engländer William Chambers, der in China gewesen war und in den Jahren 1757 und 1772 zwei Bücher über chinesische Gebäude und chinesische Gärten herausgab, die seinerzeit in Europa außerordentliches Aufsehen erregten und hier zur Nachahmung wenigstens der letzteren reizten, woraus dann der neue englische Landschaftsgarten hervorging. Nach seiner Beschreibung gab es in diesen chinesischen Gärten bald sanft gerundete, bald felsige Berge von wenigen Metern Höhe, von denen sich Wasserläufe in schäumenden Kaskaden herabstürzten, um sich durch liebliche, baumbestandene und grasige Ebenen zu winden und in mit Wasserpflanzen und Getier aller Art belebten Seen zu sammeln. Brücken in allen möglichen Formen, geschweift und eben, gerade oder im Zickzack, führten von einem Ufer zum andern oder auf blumenbedeckte, kleine Felseninseln. An den Ufern der Teiche, in den Ebenen zwischen Blumenpflanzungen und im Schatten von majestätischen Baumgruppen, auf den Gipfeln der Berge und Felsen standen die mannigfaltigsten, bunt bemalten und lackierten Lusthäuschen, deren Dachecken mit zierlichen Glöckchen behängt waren. Der ganze Garten war mit Leben erfüllt; im Gebüsch erscholl der liebliche Gesang der Nachtigallen und anderer Sänger aus der Vogelwelt, das Girren der Turteltauben, das Rufen der Pfauen, Gold- und Silberfasanen, Hühner verschiedenster Art, Wachteln usw., während von den Teichen das Geschnatter der Enten und Gänse erklang.

Ebenso lieblich wie diese waren die Parkgärten Japans, die in Nachahmung der chinesischen, der Bevölkerungsdichte und dem damit zusammenhängenden Raummangel des Landes entsprechend, in Verbindung mit einer hoch ausgebildeten Liebe und Kenntnis der Natur eine gleichsam potenzierte Ausbildung des chinesischen Gartenstils aufwiesen und heute noch aufweisen. Alles im japanischen Garten ist noch weiter ins Kleine und Feine reduziert und, um auf dem beschränktesten Raum einen Park mit allem Zubehör errichten zu können, lernte man die sonst groß werdenden Bäume in Zwergformen ziehen, so daß es möglich wurde, selbst hundertjährige Exemplare in Töpfen zu halten.

Das Land, von dessen Gärten wir die ältesten geschichtlichen Urkunden und ausführliche bildliche Darstellungen an den Wänden der Grabkammern der Vornehmen besitzen, ist Ägypten. Um die Häuser, die, wie überall im Morgenlande, aus einem rechteckigen, von Gemächern umgebenen Hofe bestanden, zogen sich Reihen schattenspendender Bäume. Nach einer Richtung verlängerten sie sich und umschlossen ein rechteckiges Wasserbecken, das Lotosblumen und Teichrosen barg und zahlreichen Fischen und mannigfaltigen Wasservögeln zum Aufenthalte diente. Vielfach war es so ausgedehnt, daß es mit buntgeschmückten Gondeln befahren werden konnte. Der Regenmangel des Landes erzeugte das Bedürfnis, diese vornehmlich aus Sykomoren, Dattelpalmen, Zypressen und Platanen bestehenden Baumgärten ausgiebig zu bewässern, indem man das Wasser der aus dem Nil gespeisten Kanäle durch dieselben hindurch in die Bassins leitete. Buntbemalte Lusthäuser luden zur Rast ein, und im Schatten der Reblauben, Feigenbäume und anderer Obstbaumsorten lustwandelte der reiche Ägypter, der sich solchen Luxus leisten konnte, in seinen Mußestunden mit seiner Familie und seinen Freunden. Hier saß er beim Brettspiel oder hörte auf die Musik der Harfen, Flöten und Lauten und sah dem langsamen, feierlichen Tanze der Frauen zu, während seine Kinder unter den Bäumen mit ihren Bällen und Puppen spielten. Eine Menge von Dienern und Sklaven wartete der Befehle des Herrn in Haus und Garten. Ein Verwalter führte die Aufsicht über Haus und Grundstück, während ein Obergärtner die Sklaven in der Pflege des Gartens anleitete.

Ein solcher von schattenspendenden Bäumen bestandener Garten galt den alten Ägyptern als der Inbegriff des Reichtums und behaglichen Lebens. In einem in Bulak aufbewahrten Papyrus spricht der alte Schreiber zu einem begüterten Vornehmen: „Du hast dir ein bewässertes Grundstück angelegt, du hast dein Gartenland mit Hecken umgeben, Sykomoren hast du in Reihen gepflanzt, wohl sie ordnend auf dem ganzen Gebiete bei deinem Hause. Du füllst deine Hand mit allen Blumen, welche dein Auge erschaut...“ Und den Blumengärten wurde von den Ägyptern wie den Gemüse- und Obstgärten große Aufmerksamkeit geschenkt. So sehen wir einen solchen in einem Königsgrabe in Theben dargestellt. Alle Blumenbeete sind darin halbmondförmig angelegt und die Blumen darin in dem Beetrande parallel geschweiften Reihen gepflanzt. Jedes Beet trägt andere Blumen, die wir jedoch nicht recht zu bestimmen vermögen.

Auf einem Gemälde des Grabes Amenhoteps III. aus der 18. Dynastie (1411–1375) in Theben sehen wir eine Villa des Pharao mit Türmen, Obelisken und einem tempelartigen Bau. Davor erstreckt sich ein prächtiger Blumen- und Obstgarten, in der Mitte von einem Kanal durchzogen und von einem Teich bewässert. In ihm wachsen Lotus und Papyrus, und um ihn ragen verästelte Sykomoren. Die von ihren Dienerinnen umgebene Herrin des Hauses empfängt hier eben Damenbesuch und reicht einer der Geladenen einen schön gebundenen Blumenstrauß in Gestalt eines Füllhorns dar. Auf einem andern Wandgemälde in Theben blicken wir in Haus und Garten eines reichen Ägypters. Da bemerken wir unter anderem eine Frau, welche sich einen Ölzweig gepflückt hat und unter Granat- und Feigenbäumen dahinwandelt; eine andere tritt eben zur Pforte ein. Sie führt an ihrer Hand zwei Kinder, die sich mit Rebenranken geschmückt haben. Eine Dienerin trägt ihnen das Spielzeug und ein Rebmesser nach, vermutlich um Trauben, die in Fülle am Spaliere prangen, zum leckeren Mahle zu schneiden.

Damit die Seele, der ka, des Verstorbenen sich im kühlen Schatten laubreicher Bäume ergehen und an Farbe und Duft der Blumen erfreuen könne, legte man vor den Gräbern kleine Gärten mit Wasserbassins an, die aus benachbarten Kanälen gespeist wurden. Oft liest man auf Grabstelen des neuen Reiches (1580–1205 v. Chr.) die Formel: „Möge ich wandeln am Ufer meines Teiches Tag für Tag ewiglich; möge meine Seele sitzen auf den Zweigen der Bäume in meinem Grabgarten, den ich mir bereitet habe; möge ich mich erfrischen tagtäglich unter meiner Sykomore.“ Eine dieser Epoche angehörende Stele aus Theben, die sich nun im Museum von Bulak befindet, bringt eine Illustration zu diesen Worten. Auf der annähernd perspektivisch gehaltenen Darstellung des Grabgartens bemerken wir links, am Fuße einer Bergkette gelegen, drei Totentempelchen. Seitwärts kniet mit in Anbetung erhobenen Händen der Selige, der aus seiner Grabkammer herausgegangen ist, um im Garten zu lustwandeln. In demselben stehen neben einer Sykomore zwei sehr naturgetreu gezeichnete Dattelpalmen mit schweren Fruchtgehängen, unter welchen auf einem Opfertisch Brote als Totenspeise liegen. Der Grabgarten des zur Zeit der 18. Dynastie (1580–1530 v. Chr.) lebenden vornehmen Anna in der Totenstadt von Theben enthielt nach dem auf uns gekommenen Verzeichnis 90 Sykomoren, 170 Dattelbäume, 3 Mimosen, 5 Granatbäume, 2 Behennußbäume usw. und 12 Reben. Nach dieser bedeutenden Zahl von Bäumen muß er also ziemlich groß gewesen sein.

Zu den vornehmsten Geschenken der ägyptischen Könige an ihre Gottheiten, denen sie ihren Dank für Siege und sonstiges Wohlergehen abstatten wollten, gehörten außer den prächtigen Tempeln, deren Wände allseitig mit buntfarbigen Darstellungen aus dem Leben des Spenders geschmückt waren, auch dementsprechende Gartenanlagen, die das Heiligtum umgaben. So heißt es in der Schenkungsurkunde des Königs Ramses III. (20. Dynastie, 1198–1167 v. Chr.) von den Gaben an den Sonnengott in Heliopolis: „Ich machte dir große Gärten, versehen mit ihren Bäumen, mit Reben und Ölbäumen. Ich versah sie mit Gärtnern, zahlreichen Leuten, um reines, bestes Öl zu bereiten und damit die Lampen in deinem prächtigen Tempel anzuzünden. Ich machte dir Baumplätze und Gehölze mit Bäumen, Dattelpalmen, auch Weiher, versehen mit Lotusblumen, Binsen, Gräsern und Beeten mit süßen, wohlriechenden Blumen jedes Landes für dein schönes Antlitz...“

Besonders groß und prunkvoll mit hübschen Anlagen und Alleen von Schattenbäumen geschmückt waren zur Zeit des neuen Reiches (1580–1205 v. Chr.) die Gärten um den Reichstempel, den großen Amonstempel in der Hauptstadt Theben. Von dem prachtvollen Vorhof desselben in Luxor, der alten südlichen Vorstadt von Theben, den die Baumeister Amenhoteps III. (1411–1375 v. Chr.) mit unerhörter Kühnheit aus zwei Reihen mächtiger, wohlproportionierter Säulen mit Kapitellen in Form von aufbrechenden Papyrusknospen angelegt hatten, erstreckten sie sich bis zum glänzenden Pylon, den derselbe König vor dem Tempel von Karnak errichtet hatte. Mitten durch sie hindurch führte eine Doppelreihe von steinernen Widdern, flankiert von Dattelpalmen, von einem Tempel zum andern. Die Gesamtwirkung jener herrlichen Schöpfung muß außerordentlich imposant gewesen sein. Die leuchtenden Farben der bunt bemalten Architektur mit den vergoldeten Säulen und Toren und den mit Silber ausgelegten Fußböden, darüber die an ihrer Spitze mit rot leuchtendem Kupfer verkleideten Obelisken, hoch sich erhebend über die nickenden Wipfel der grünen Palmen und des halb tropischen Blätterwerks, das wie ein Rahmen das Ganze einfaßte und auf der Oberfläche des Tempelsees sich spiegelte — alles dies muß einen prächtigen Eindruck gemacht haben, von dem die düstern Ruinen heute kaum eine Ahnung mehr geben.

Diese prunkvolle Anlage hat weit über ein Jahrtausend bestanden und wurde von späteren Pharaonen vergrößert. So erfahren wir, daß noch Ramses III. der 20. Dynastie, der von 1198–1167 v. Chr. regierte, in seiner Residenzstadt Theben einen weiteren prächtigen Bezirk und Garten für den Gott Amon errichten ließ, der nach einer uns erhaltenen schriftlichen Urkunde nahezu 8000 Sklaven zu seiner Bedienung erhielt. Schon diese große Zahl von Angestellten läßt auf die Größe der Anlage schließen. Übrigens hatten alle größeren Tempelanlagen Ägyptens wie ihren Teich zum Baden, so auch ihren Garten zum Lustwandeln für den betreffenden Gott und seine Diener. Speziell von Ramses III. wird uns auch durch Inschriften bekundet, daß er nicht nur in seiner Residenz- und Hauptstadt Theben, sondern auch im ganzen Reiche zahlreiche Bäume pflanzen ließ, die in einem Lande, dem die natürlichen Wälder fehlten, erquickenden Schatten boten.

Viel weniger als von diesen Gärten der Ägypter wissen wir von denjenigen der alten Babylonier, die unter ähnlichen klimatischen Bedingungen Ruheplätze unter schattenspendenden Bäumen in von Wasser durchströmten Gärten liebten. Sehr stark von diesen gewöhnlichen Lustgärten Babyloniens wich eine besonders auffallende Anlage ab, von der uns etwas eingehender von einigen Schriftstellern des Altertums berichtet wird. Es sind dies die als eines der Weltwunder angestaunten „hängenden Gärten“, die einst am Ufer des Euphrat bei der Stadt Babylon errichtet wurden, wie die Sage erzählt, von der assyrischen Königin Semiramis, die zahlreiche Züge der babylonischen Liebesgöttin Ischtar trägt, aber gleichwohl eine historisch greifbare Persönlichkeit darstellt, nämlich die auf den königlichen Inschriftsteinen von Assur Scha-ammu-ramat genannte „Frau des Palastes Samsiadads, des Königs der Welt, Königs von Assyrien, Mutter des (um 800 v. Chr. regierenden) Adad-nirari, des Königs der Welt, Königs von Assyrien“. Sie war eine Babylonierin und muß als tatkräftige Herrscherin in den Kämpfen der Assyrer gegen das Reich Urartu, das die Stadt Van in seinem Mittelpunkt hatte und sich bis zum Urmiasee erstreckte, eine bedeutende Rolle gespielt haben. Auch scheint auf ihre Mitwirkung hin im Jahre 787 unter ihrem Sohne Adad-nirari der Gott Nebo von Babylonien nach Assyrien eingeführt, d. h. beide Reiche staatsrechtlich vereinigt worden zu sein. Ihr Enkel wurde dann Unterkönig von Babylon. Daß dann später die Meder, die sich um 600 v. Chr. des Quellgebiets des Euphrat und Tigris bemächtigten, sie als Reichsgründerin von Assyrien betrachteten, das doch zu ihrer Zeit schon 800 Jahre bestand, und ihr zahlreiche Züge der Liebes- und Kriegsgöttin Ischtar andichteten, beweist, daß die Erinnerung an sie in Armenien noch lange Zeit nach ihrem Tode lebendig blieb. Vollends sagenhaft wurde sie später bei den Persern. Das erfahren wir aus dem Bericht, den Ktesias, der griechische Leibarzt des persischen Großkönigs Artaxerxes II., um 400 v. Chr. in seiner Erzählung von der Königin Semiramis von ihrem Leben gab. Jedenfalls hat sie durchaus nichts mit den später so eng an ihren Namen geknüpften „hängenden Gärten“ Babylons zu tun.

Der tatsächliche Erbauer dieses Wunderwerkes war einer jener gewaltigen, mit unerhörter Machtfülle ausgestatteten Herrscher des Landes, nach dem Berichte des Berosus, der zu Beginn des 3. vorchristlichen Jahrhunderts Belpriester in Babylon war und in griechischer Sprache ein Buch, betitelt: „Babylonisches und Chaldäisches“, schrieb, Nebukadnezar, der von 604–561 als Mehrer des Reichs und Verschönerer seiner Hauptstadt Babylon herrschte und gewaltige Kanalbauten anlegen ließ. Der griechische Geschichtschreiber Diodoros berichtet in seiner zur Zeit Cäsars und Augustus’ geschriebenen „historischen Bibliothek“, daß dieser machtvolle Assyrerkönig, der seine Herrschaft bis an die Grenzen Ägyptens ausdehnte und im Jahre 586 Jerusalem zerstörte, diese hängenden Gärten für seine Gemahlin Amyitis errichtet habe, die, im Berglande Medien geboren, in der Euphratebene sich nach den Bergen und Wäldern ihrer Heimat sehnte. Sie bestanden aus einer 50 m und mehr hohen, bis 400 m breiten Pyramide mit mehreren übereinander getürmten Terrassen, die auf dicken, in geringen Abständen errichteten Backsteinmauern ruhten. Sie waren mit einer hohen Erdschicht bedeckt, in die nicht bloß Blumen und Ziersträucher, sondern große Bäume gepflanzt waren, die mächtig emporwuchsen und der ganzen Anlage das Aussehen eines bewaldeten Berges gaben. Pumpwerke führten aus dem Euphrat Wasser auf die oberste der Terrassen, um von hier in Röhren und Rinnen durch die ganze Gartenanlage zu deren Bewässerung zu strömen und auch noch die Bäder zu speisen, die mit allerhand anderen Gemächern und Grotten in die Seitenwände der Terrassen eingebaut waren. Die Wurzeln der Bäume mögen schließlich das Mauerwerk zersprengt und den Einsturz des ganzen wunderbaren Baues herbeigeführt haben, dessen Ruinen man heute noch am Euphrat erkennen zu können glaubt.

Über die Terrassengärten der Meder und Perser sind uns von den Griechen allerlei Berichte erhalten. Sie waren an steilen Bergabhängen angelegt, wo sich die Herstellung solcher von Mauern gestützter ebener Gärten in Terrassen von selbst ergab. Sie waren mit Treppen verbunden und von Wasserläufen durchzogen, die stellenweise anmutige Fälle bildeten und mit Wasserpflanzen erfüllte Becken, die auch Springbrunnen besaßen, speisten. Zwischen Reihen von schattenspendenden Bäumen, die von Singvögeln aller Art bewohnt waren, müssen Beete von märchenhafter Pracht der Rosen, Lilien, Safran und anderer Blumen gestanden haben. Im Mittelpunkt der Anlage standen schloßartige Häuser mit Säulenhallen, nach denen alle Wege führten. Außer solchen Gärten besaßen die Könige und Großen des Reiches ausgedehnte Jagdgebiete in Gestalt von eingehegten Parken, die von zahlreichem Wild belebt waren. Vom persischen dafür gebrauchten Worte pardes, das Park bedeutet, stammt die griechische Bezeichnung parádeisos und das deutsche Paradies für den in ähnlich wunderbarer Weise mit Bäumen bestandenen und von der mannigfaltigsten Tierwelt belebten Garten Eden, in welchem nach der jüdischen Schöpfungssage Gott die ersten Menschen aus Erde geschaffen haben soll. Nach den Schilderungen der Griechen müssen die Paradiese der Perserkönige Dareios und Kyros vollkommen parkartig ausgesehen haben. Sie lagen den gut unterhaltenen Poststraßen des Reiches entlang, auf denen ein regelmäßiger königlicher Postdienst mit allen erst später unter den Römern und dann erst wieder in der Neuzeit eingeführten Bequemlichkeiten eingerichtet war, und beherbergten wohnlich eingerichtete Jagdhäuser, Scheunen und Stallungen für den König und sein zahlreiches Gefolge samt deren Pferden. In seiner Biographie des Alkibiades (um 450 in Athen geboren, veranlaßte seine Vaterstadt 415 zum verhängnisvollen Zug nach Syrakus, der über 8000 Athenern das Leben kostete, und wurde nach bewegtem Leben 404 in einem Schloß in Phrygien ermordet) sagt uns Plutarch: „Der persische Satrap Tissaphernes, zu welchem Alkibiades (im Jahre 412) geflohen, ehrte diesen so sehr, daß er sogar seinem schönsten Parke, der mit Springbrunnen, anmutigen Wiesen und mit königlicher Pracht ausgeschmückten Anlagen geziert war, den Namen Alkibiades gab, den der Park seitdem behalten hat.“

Die von den Griechen als für sie etwas ganz Neues und Unerhörtes angestaunte Pracht dieser orientalischen Gärten steht völlig im Einklang mit der weichlichen Genußsucht ihrer Erbauer, die ihr Leben inmitten ihres Harems in üppigen Palästen und Gärten verträumten. Demgegenüber ist es bezeichnend, daß wir bis in die Zeit Alexanders des Großen, der im Juni 323 unerwartet in seinem 34. Lebensjahr in Babylon starb, nichts von Gärten der Griechen erfahren. In ihren kleinen städtischen Gemeinwesen nahm die Teilnahme am öffentlichen Leben, an der Politik und an den nationalen Wettkämpfen ihr ganzes Interesse in Anspruch. Ihre Tage verlebten sie meist außerhalb des Hauses, auf dem Marktplatz, wo es immer etwas Neues zu verhandeln gab, und nur soweit ihr Gewerbe sie dort festhielt, waren sie in ihrer schmucklos einfach eingerichteten Wohnung anzutreffen. Für die träge Ruhe des Gartengenusses der Morgenländer hatten sie weder Zeit noch Verständnis. Was uns der Künder altgriechischen Lebens, Homer, vom Garten zu erzählen weiß, läßt nur auf Obst- und Gemüsegärten schließen, von deren kunstmäßiger Anlage keine Rede ist. Wohl lagen die Tempel der olympischen Götter in Gärten, aber es waren dies keine Ziergärten, sondern des Schattens wegen angelegte heilige Haine, in denen vielfach Bildsäulen und andere Votivgegenstände aufgestellt wurden. Auch die Säulenhallen der Gymnasien, in denen die Knaben und Jünglinge vor allem in der körperlichen Ausbildung erzogen wurden und später auch die Philosophen ihre Schüler zu regelmäßigen Vorträgen versammelten, scheinen nur von Baumalleen umgeben gewesen zu sein. Was der Grieche an Blumen zur Ausschmückung der Tafel bei Gastmählern bedurfte, wurde in Nutzgärten gezogen und auf dem Markte zum Kauf feilgeboten. Einzig zwei Gärten werden uns im Athen der klassischen Zeit genannt, die als öffentliche Versammlungs- und Erholungsorte für das Volk dienten und in welchen den Männern, die sich um den Staat verdient gemacht hatten, Denkmäler errichtet wurden. Der eine befand sich in nächster Nähe der Akademie, dem Lehrorte Platons, und war in der zweiten Hälfte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts unter dem Staatsmann Kimon angelegt worden. Der andere lag am Lykeion, wo Aristoteles lehrte. Beide waren durch gerade Wege und Alleen regelmäßig eingeteilt, enthielten außer den Plätzen für die körperlichen Übungen schattige Alleen und Haine von Platanen, Terebinthen, Ulmen, Ölbäumen usw. zwischen grünen Rasenplätzen und waren mit Altären und Statuen geschmückt.

Viel später berichtet uns der griechische Geschichtschreiber und Geograph Pausanias, der zwischen 160 und 180 n. Chr. in seiner Periegesis eine wertvolle Schilderung der von ihm bereisten Länder gab: „Zu Athen hatte Apollon einen wunderschönen Hain, der aus Bäumen, die man in Gärten zu ziehen pflegt, und aus allen möglichen Pflanzen bestand, welche auch, ohne Frucht zu tragen, angenehm duften und lieblich anzusehen sind.“ Ein anderer Grieche, mit dem romanisierten Namen Longus, schildert uns seinen, allerdings mehr praktischen Zwecken dienenden Garten folgendermaßen: „Ich habe einen Garten, den ich mit eigener Hand besorge, und der zu jeder Jahreszeit seinen Ertrag liefert: im Frühling Rosen, Lilien, Hyazinthen und beiderlei Veilchen (nämlich Blauveilchen und Weißveilchen oder Levkojen), im Sommer Mohn, den weidenblättrigen Birnbaum und alle Äpfelarten.“

Weniger bescheiden als in Griechenland mögen die Gärten in den reichen Handelsstädten Kleinasiens gewesen sein, wo der orientalische Einfluß den schon zuvor vorhandenen einfachen Hausgarten in den letzten Jahrhunderten der vorchristlichen Zeitrechnung immer größer und üppiger, mit zahlreichem Blumenflor und schattigen Ruheplätzen ausgestaltete. Dieser von künstlerischem Standpunkt, wie alles, was die Griechen unternahmen, eingerichtete Garten trug mancherlei vom Orient übernommene Blumen und Zierpflanzen, war aber im übrigen recht einfach. So lernten ihn die Römer in Unteritalien kennen und ahmten ihn bald nach. In dem Maße als das Bürgertum Roms wohlhabender wurde, ward das vordem vom Rauch des Herdfeuers geschwärzte Atrium zu einem als Empfangsraum benutzten weiten Vorraum umgewandelt, der in seiner Mitte unter der Lichtöffnung ein kleines Wasserbassin zur Aufnahme des vom Dach zusammengelaufenen Regenwassers aufwies. Im hinteren Hausteil gruppierten sich die Gemächer um einen offenen, meist von Säulenhallen umgebenen Hof, das Peristyl, das, wie wir aus den Funden von Pompeji wissen, häufig sehr große Abmessungen hatte und mit der Zeit ganz in einen Garten verwandelt wurde. Regelmäßig gestaltete Rasenflächen und Blumenbeete zerlegten ihn in mehrere Rechtecke, die von niedrig gehaltenen Buchshecken eingesäumt waren und außer Rosenstöcken einzelne Sträucher von Lorbeer und Myrte trugen. In der Hofmitte befand sich gewöhnlich ein Wasserbecken, und zwischen den Säulen der ringsum laufenden Halle liebte man in der späteren Kaiserzeit aus dem Morgenlande eingeführte Zedratzitronen in großen Tonkübeln aufzustellen, wie zur Zeit Ludwigs XIV. in Holzkübeln gepflanzte und in besonderen Orangerien überwinterte Pomeranzenbäume die Alleen der Prunkgärten einfaßten. Die Wände des Peristyls trugen meist bunte Malereien, die dem Ganzen ein vornehmes Gepräge verliehen, und aus dem Grün der Vegetation leuchteten farbige Statuetten hervor. Plätschernde Springbrunnen verbreiteten im Sommer angenehme Kühlung und im Gezweig der in Alleen gestellten Bäume trieben Vögel ihr munteres Spiel.

Besonders in Syrien verwendete man nach Plinius viel Fleiß auf die Gärten, zumal die Gemüsegärten, so daß ein griechisches Sprichwort sagt: „Die Syrer haben vielerlei Kohl.“ Auch ihre Obst- und Ziergärten müssen sehr sorgfältig gepflegt worden sein. Daß später die Römer mit Vorliebe syrische Sklaven, die in der höheren Gärtnerei, im Veredeln, Pfropfen, Vermehren und zweckmäßigen Beschneiden der Obstbäume einen besonderen Ruf im Altertum genossen und in aller Gartentechnik Meister waren, zum Besorgen ihrer eigenen Gärten und Obstkulturen benutzten, davon war bereits bei der Besprechung der Fruchtbäume die Rede. Ein ungenannter Grieche der hellenistischen Zeit gibt uns in den Geoponiká, einer wahrscheinlich ums Jahr 912 n. Chr. veranstalteten Sammlung von Auszügen aus guten alten griechischen Schriften über Land und Gartenwirtschaft, folgende Ratschläge zur Anlegung eines Ziergartens: „Der Garten (parádeisos) muß so liegen, daß man ihn von der Villa aus sehen, sich an seinem Anblick laben und die durch den Blumenduft gewürzte und dadurch gesündere Luft atmen kann. Er muß von einer Mauer oder anderen Umzäunung eingefaßt sein. Die Pflanzen selbst dürfen nicht unordentlich gemischt gepflanzt werden, als wenn gerade die Verschiedenheit angenehm ins Auge fiele, sondern sie müssen nach den verschiedenen Arten getrennt stehen, damit nicht die kleinen von den großen gedrängt oder der Nahrung beraubt werden. Die Räume zwischen den Bäumen müssen mit Rosen oder Lilien oder Veilchen oder Safran ausgefüllt sein. Diese gewähren einen lieblichen Anblick, Wohlgeruch, sind auch sonst zu brauchen, vermehren auch die Einkünfte und geben den Bienen Nahrung. Die Bäume müssen von Bäumen stammen, die in voller Kraft stehen; doch muß man im voraus wissen, daß die aus Samen gezogenen in der Regel schlechter sind als die von Ablegern stammenden. Noch besser als diese sind aber die veredelten, nicht bloß in betreff der Schönheit der Früchte, sondern auch an Fruchtbarkeit und baldigem Ertrag.“

Als die Römer sich den ihnen bekannten Erdkreis unterjochten, kamen sie in ihren östlichen Provinzen mit der hellenistischen und asiatischen Kultur in enge Berührung. Die Folge davon war, daß die Vornehmen dieses einst rauhen, Ackerbau treibenden und Krieg führenden Volkes es in der luxuriösen Lebensführung ihren asiatischen Vorbildern gleich zu tun strebten. Mit dem Reichtum und den Kunstschätzen, die sie aus den eroberten östlichen Provinzen heimbrachten, überführten sie auch mit der Kenntnis orientalischer Sitten die dort altgewohnte Kunst, das Leben fern vom ermüdenden Treiben der Stadt in gartenmäßig verschönter Natur zu genießen. So füllte sich kurz vor und während der Kaiserzeit nicht nur die nähere Umgebung Roms, sondern ganz Italien mit prächtigen Gärten nach den Vorbildern des Ostens. In ihnen bildete die Villa, das große Landhaus, den Mittelpunkt, von dem die Anlagen des Gartens gleichsam ausstrahlten. Im Gegensatz zum Stadthaus, das auf engem Raum stets in der hergebrachten Weise mit Atrium und Peristyl errichtet wurde, pflegte man in der Villa den besonderen Liebhabereien des Erbauers Rechnung zu tragen und als Fortsetzung der Wohnung in die Natur hinaus ausgedehnte Gartenanlagen mit Frucht- und Zierbäumen zu errichten.

Einer der ersten vornehmen Römer, der orientalischen Gartenluxus in Rom trieb, war Lucius Licinius Lucullus, der Besieger der Könige Mithridates von Pontus und Tigranes von Armenien, der nach seiner Abberufung aus Kleinasien im Jahre 64 v. Chr., den Staatsgeschäften fern, seinen Liebhabereien lebte. Wie er aus Kerasos im Pontusgebiet den Kirschbaum nach Italien brachte, war er einer der ersten, der in der Baumzucht und Blumenkultur gewandte orientalische Gärtner nach der Heimat überführte, um hier solch schöne Gärten, wie er sie in den Kulturzentren des Ostens gesehen hatte, für sich erstehen zu lassen. Der griechische Schriftsteller Plutarch (50–120 n. Chr.) nennt die einst von Lucullus eingerichteten Gärten, von denen der bedeutendste auf dem heutigen Monte Pincio sich befand, geradezu märchenhaft. Zwischen Alleen von Obstbäumen lagen blühende Blumenbeete. Von Hecken versteckt befanden sich darin Mästereien für feines Geflügel und Teiche mit feinen Speisefischen. Daß dieser Römer den Freuden der Tafel huldigte, ist ja bekannt genug, so daß die Bezeichnung lucullische Mahlzeiten bald in Rom das Nonplusultra von Üppigkeit bezeichnete, was gewiß zu jener Zeit des aufkommenden Luxus etwas besagen wollte.

Die üppige Lebenshaltung dieses Lucullus läßt uns bereits den unerhörten Luxus mancher Reicher in der Kaiserzeit ahnen. Plutarch kennzeichnet uns sein Treiben mit folgenden Worten: „Nachdem Lucullus ein berühmter Staatsmann und Feldherr geworden und ungeheure Reichtümer gewonnen hatte, verwendete er diese auf Lustbarkeiten, Schmausereien, Maskeraden, Fackeltänze, prunkende Gebäude, prachtvolle Alleen und Bäder, auf Gemälde, Bildsäulen und andere solche Dinge, namentlich aber auf seine Gärten, so daß noch zu unserer Zeit (2 Menschenalter nach des Lucullus Tod), wo doch die Pracht und Verschwendung aufs höchste gestiegen ist, die lucullischen Gärten unter den kaiserlichen für die allerprächtigsten gelten. — Er ließ auch am Meere und bei Neapel gewaltige Bauten aufführen, die größten Berge durchstechen, Kanäle und Seen, in die das Meereswasser geleitet wurde, rings um seine Häuser graben, ließ auf dem Meere selbst Paläste bauen, so daß ihn der Stoiker Tubero den römischen Xerxes nannte. Bei Tusculum hatte er eine Menge Villen, sie hatten hohe Warten mit weit in die Ferne reichender Aussicht und zahlreiche schöne Alleen und Pavillons. Dabei hatte er die Einrichtung getroffen, daß er, wie er selbst äußerte, gleich einem Kranich oder Storche zu jeder Jahreszeit eine andere Wohnung beziehen konnte.“

Schon zu des Lucullus Zeit, zu Ende der römischen Republik, umspannte ein reicher Kranz der schönsten Villen mit ausgedehnten Gärten die Umgebung Roms. Nicht bloß die Abhänge des Sabinergebirges, sondern auch die Campagna di Roma besaß ausgedehnte Villen, wie diejenigen des Cicero, Quintilius, Pompejus, der Valerier, Voconier und Claudier. Sie waren meist nach dem Muster eines Soldatenlagers angelegt und das Hauptgebäude hieß auch Praetorium, d. h. Feldherrnhaus. Ihr Reichtum an Teichen, Fontänen, Pflanzen, seltenen Tieren, Luxusgegenständen aller Art und architektonischen Nachahmungen griechischer und orientalischer Vorbilder muß geradezu erstaunlich gewesen sein. Einzelne Villen der Campagna hatten so große Gärten, daß diese von zwei bis drei der öffentlichen Heerstraßen durchschnitten wurden. Der Luxus stieg noch im Laufe der Kaiserzeit, während welcher ein prunkvoller Garten mit schönen Gebäuden, Tempeln und Bildsäulen sich an den andern reihte.

Einen guten Begriff der Anlage solcher Villen geben uns zwei Beschreibungen aus Briefen des jüngeren Plinius, des Schwester- und Adoptivsohnes des im Jahre 79 n. Chr. beim Vesuvausbruch umgekommenen älteren dieses Namens, der von 62–114 lebte und 103 Prokonsul in Bithynien und Pontus war, von wo aus er dem ihm befreundeten Kaiser Trajan Mitteilung von der bis dahin kaum gekannten Sekte der Christen machte. Er beschreibt seine beiden eigenen Villen, von denen die eine bei Ostia an der Tibermündung am Meere lag und nach der Fülle von Lorbeergebüsch Laurentinum hieß, während die andere sich in den Bergen Toskanas, also im Lande der Tusker befand, deshalb Tuscum hieß und ihrer kühlen Gebirgslage wegen im Sommer bewohnt wurde. Die erstere beschreibt er in einem Briefe an seinen Freund Gallus folgendermaßen: „Meine laurentische Villa, mein lieber Gallus, macht mir sehr viel Freude. Von dem einen Speisesaal hat man weithin die Aussicht aufs Meer, auf das Ufer und die reizendsten Villen. Ein anderer Speisesaal liegt dagegen so, daß man in ihm vom Meere nichts sieht und selbst bei tosendem Sturm das Brausen der Wogen kaum hört. Dieser Saal hat aber die Aussicht auf den Garten und den ihn umgebenden Weg für Wagen und Sänften. Derselbe ist mit Buchs und stellenweise mit Rosmarin eingefaßt. Denn der Buchs gedeiht nur da üppig, wo er von Häusern geschützt wird; wo er dagegen freisteht und vom Winde getroffen wird, verdorrt er. An der einen Seite des Weges zieht sich eine schattige Rebenpflanzung hin, in der man auch mit bloßen Füßen weich und bequem gehen kann. Der Garten ist dicht mit Maulbeer- und Feigenbäumen bepflanzt, denen dieser Boden ganz besonders zusagt, während andere Bäume nicht sonderlich gedeihen. Mitten im Garten steht ein Speisesaal, von dem man landeinwärts eine herrliche Aussicht hat. Man sieht auch von hier nach der Villa und einem Wirtschaftsgarten. An das Gebäude stößt ein bedeckter Gang, der an beiden Seiten Fenster hat, welche bei heiterem, ruhigem Wetter alle geöffnet werden, bei windigem aber nur auf der Seite, wo es windstill ist. Vor dem Gange ist eine von Veilchen duftende Terrasse.“

Letztere dagegen schildert er in einem andern Briefe folgendermaßen: „Mein tuskisches Landgut, lieber Apollinaris, liegt in einer sehr gesunden Lage am Fuß des Apennins. Im Winter ist zwar die Luft so rauh und kalt, daß Myrten, Ölbäume und andere Gewächse, die eine anhaltende Wärme verlangen, absterben; doch gedeiht der Lorbeer ganz vortrefflich und leidet zuweilen vom Frost, jedoch nicht mehr als bei Rom. Der Sommer ist dagegen sehr mild und die Luft fast immer von sanften Winden bewegt. Die ganze Gegend ist höchst reizend. Stelle dir ein ungeheures Amphitheater vor, wie nur die Natur es schaffen kann. Eine sich weithin dehnende Ebene wird von Bergen umringt; die Berge tragen auf ihrem Rücken hohe, alte Wälder, in denen die Jagd reiche Beute gewährt. Am Gebirgshang entlang zieht sich ein Schlagwald und zwischen diesem erheben sich Hügel mit gutem, urbarem Boden. Der Wand entlang erstreckt sich eine ununterbrochene Reihe von Weinbergen, die unten von Buschwerk eingefaßt sind; dann kommen Wiesen und tiefgründige Felder. Die Wiesen sind dicht mit Blumen wie mit lauter Edelsteinen übersät. Der Klee und die übrigen Kräuter sind stets saftig; denn das Ganze wird durch nie versiegende Bäche bewässert. Gleichwohl ist es nirgends sumpfig. Mitten durch die Fluren fließt der Tiber und führt auf Schiffen die Erzeugnisse des Bodens zur Stadt.

Meine Villa liegt am Fuße eines sanft ansteigenden Hügels. Vor der Hauptfront derselben zieht sich eine Säulenhalle hin und vor dieser eine Terrasse mit vielen, von Buchs eingefaßten Beeten. Weiter unten kommt eine größere Rabatte und auf beiden Seiten derselben stehen Buchsbäume, die so geschnitten sind, daß sie Gestalten von verschiedenen Tieren vorstellen. Noch tiefer, da, wo der Boden eben ist, wächst weicher, zarter Akanthus. Rings herum zieht sich ein Heckengang mit niedrigem und mannigfach geschnittenem Gebüsch. Gleich daran stößt eine Allee in Gestalt eines Zirkus mit niedrig gehaltenem und in verschiedene Gestalten geschnittenem Buchs. Das Ganze ist von einer Mauer umgeben, die treppenförmig gezogener Buchs dem Auge entzieht. In einiger Entfernung liegt ein Wiesenplan, von Natur ebensoschön wie die eben beschriebenen Kunstanlagen; weiterhin erstrecken sich Felder und viele andere Wiesen und Gehölze.

Von dem Speisesaal aus übersieht man die Terrasse, die Wiese, das Feld und den Wald. Es ist eine Rennbahn, ein Säulengang und weiter rückwärts ein Sommerhaus vorhanden, das einen kleinen, von vier Platanen beschatteten Platz einschließt. Auf ihm springt aus einem Marmorbecken ein Brunnen, der die Platanen und den unter ihnen befindlichen Grasplatz besprengt und erfrischt. Weiter unten im Garten sprudelt eine kleine Quelle hervor, welche in ein Becken fließt und lieblich murmelt. Es ist auch ein Teich im Garten, dessen Wasser sich in ein Marmorbecken stürzt und sich dabei in lauter Schaum auflöst.

Die Rennbahn, welche zu der Villa gehört, dehnt sich weithin aus, ist von Platanen umgeben, in der Mitte aber ganz frei. Die Platanen sind von Epheu umrankt, also unten von fremdem Laub grün, oben von eigenem. Der Epheu windet sich girlandenartig von einer Platane zur andern. Unten steht Buchs zwischen den Platanen; er ist nach außen von Lorbeer eingefaßt, dessen Schatten mit dem der Platanen zusammenfällt. Die Rennbahn läuft eine Strecke gradaus, bricht am Ende im Halbkreis ab, ist dort von Zypressen eingefaßt, durch deren dichteren Schatten kühl und finster. In den innern Kreisen und Gängen dagegen wechselt kühler Schatten mit Sonnenschein, und dort steht auch das Rosengebüsch. Aus diesen sich mannigfaltig krümmenden Gängen kommt man wieder auf gerade Wege, deren mehrere, von Buchs eingefaßt, nebeneinander laufen. Dort findet sich auch ein kleiner Grasplatz, dort in tausend Gestalten geschnittener Buchs und hier und da ist er selbst so geschnitten, daß er Buchstaben bildet, welche den Namen des Herrn und den des Gärtners darstellen. Dazwischen stehen kleine, zu Pyramiden geschnittene Obstbäume. Dieser schöne Platz ist auch mit niedrig gehaltenen Platanen geschmückt; hinter ihm steht glatter, sich ringelnder Akanthus (d. h. kultivierter Acanthus mollis im Gegensatz zum wildwachsenden A. spinosus, dem stachligen A.) und auf diesen folgen wieder verschiedene Gestalten und Namen.

Am Ende des Ganzen steht eine halbkreisförmige Bank von weißem Marmor, beschattet von Weinreben, die sich um vier Säulen aus karystischem Marmor schlingen. In der Bank sind Röhren angebracht, und aus diesen fließt Wasser; dasselbe strömt in ein niedliches Marmorbassin, das immer voll bleibt, ohne überzufließen. Will man auf der Bank speisen, so werden die Schüsseln und schweren Gerichte auf den breiten Rand des Beckens gestellt. Die leichteren schwimmen auf Schiffchen oder künstlich gebauten Schwimmvögeln und können so zu jedem Gaste gelangen. Dem Marmorbassin gegenüber steht ein Springbrunnen, dessen Wasser in die Höhe getrieben, dann aber in Röhren aufgefangen und weitergeleitet wird.

Nicht weit von der Bank steht ein Pavillon, um den sich bis aufs Dach hinauf Reben freundlich emporranken. Man ruht hier wie im Walde, ist aber in voller Sicherheit vor Regen. Auch hier ist ein Springbrunnen, dessen Wasser gleich weiter fließt. Hier und da findet man Marmorbänke, welche den Müden zu sanfter Ruhe einladen. An jedem Ruheplatz ist ein kleiner Brunnen, und die Einrichtung überhaupt so getroffen, daß der ganze Garten bewässert werden kann.“

In den Gärten der vornehmen Römer sorgte man vor allem für reichlichen Zufluß von Wasser, um allenthalben Kühlung zu spenden, rauschende Sturzbäche zu bilden, große, mit buntbemalten Marmorfiguren geschmückte Bassins zu füllen und Springbrunnen und andere Brunnen zu speisen. Hier ließ eine Nymphe Wasser aus einer Urne in ein Becken laufen, dort entquoll es dem Schnabel einer von einem Knaben gebändigten Gans als Springbrunnen. In seiner berühmten Villa tiburtina, die sich Kaiser Hadrian bei Tibur im Sabinergebirge erbaut hatte, war sogar ein großer künstlicher See mit kunstvoll gezimmerten Miniaturschiffen, auf dem sich der Kaiser Seeschlachten vorführen ließ. So zahlreich und kompliziert waren in manchen dieser Gärten die Wasserkünste, daß außer den zahlreichen Gärtnern ein eigener Wassertechniker, der aquarius, für ihre Instandhaltung angestellt werden mußte. Oft war auch ein Tiergarten damit verbunden, indem in eingehegten Räumen allerlei zahme Tiere, besonders Ziervögel, und in marmornen Becken Fische der verschiedensten Art gehalten wurden. Durch Tacitus kennen wir den Park am „Goldenen Hause“ des Kaisers Nero, der von beispielloser Pracht war, nicht bloß in bezug auf den architektonischen und den plastischen Schmuck, sondern auch was die zauberhaften Blumengärten und mannigfaltigsten Wasserkünste betrifft.

Wie Vespasians üppiger Sohn Domitian, der nach seines älteren Bruders Titus Tode am 13. September 81 den Thron der Cäsaren bestieg, um am 18. September 96 unter den Schwertstreichen des Prokurators Stephanus, des Gardeoffiziers Cornelius und mehrerer Gladiatoren aus sieben Wunden blutend sein durch gräuliche Schandtaten und übermäßige Grausamkeit verwirktes Leben auszuhauchen, die prunkvollste und ausgedehnteste aller Kaiserbauten auf dem Palatin mit Riesensälen in einem Walde von Säulen aus den kostbarsten Steinarten erbauen ließ, so ließ er sich ein an Pracht mit seinem Schlosse wetteiferndes Lustschloß auf dem Albanergebirge errichten. Es erhob sich in vier Terrassen, die ganze Ebene um Rom beherrschend, und umschloß in seinen ausgedehnten Gärten auch ein Theater und ein Amphitheater, in welchen zahllose Feste, besonders zu Ehren Minervas, gefeiert wurden.

An Ausdehnung und Mannigfaltigkeit der Bauten wurde diese Villenanlage Domitians noch weit durch die gewaltige, einen Umfang von 12 römischen Meilen aufweisende Villa Hadrians in Tibur überboten, deren großer künstlicher See vorhin erwähnt wurde. In seinem Landsitze, an dem er vom Jahre 118 bis zu seinem Tode 138 bauen ließ, suchte er die Erinnerungen seines rastlosen Wanderlebens durch die herrlichen Schöpfungen der griechischen Welt festzuhalten. Zwischen prächtigen Gartenanlagen erhoben sich über das Areal zerstreut zwischen Bergen und Tälern mit Wäldern, Wasserfällen und Grotten ein Hippodrom und ein Theater, eine griechische und eine lateinische Bibliothek. Großartige Prunksäle für festliche Empfänge wechselten mit einfacheren Bauten des täglichen Lebens, durch den erfreuenden Ausblick in mannigfache Gärten belebt. Im Hintergrunde scheinen die beiden berühmten Stätten attischer Philosophie, das Lykeion und die Akademie gelegen zu haben, schattige Haine mit Ruheplätzen, der Erinnerung an die großen Meister geweiht. Von ihnen gelangte man zu einem Prytaneion, einem kleinen Kuppelbau, das Solons alten Bau auf dem Markte in Athen wiederholte. In gleich spielendem Sinne hieß ein Bau die Poikile wie das athenische Vorbild, das nach den farbigen Wandgemälden die „Bunte“ hieß und vermutlich eine Gemäldesammlung barg. Zwischen ihnen lag die Canopus genannte Anlage, wo sich der Kaiser in den Frohsinn des namentlich von den lebenslustigen Griechen aus Alexandreia besuchten ägyptischen Badeortes zurückversetzen konnte bei dem Anblick eines mit ägyptischen Denkmälern geschmückten Wasserlaufs. An einer andern Stelle war das den Musen geweihte idyllische Tempetal — eine Nachahmung des thrakischen Vorbildes —, dann der heitere Hain des Elysiums neben dem düstern der Unterwelt zu sehen. Dazwischen sprangen wundervolle Wasserwerke, die von Flußläufen aus dem nahen Sabinergebirge gespeist wurden und den Kaiser, den Segner der griechischen Welt, der mit beispielloser Freigebigkeit den Griechenstädten Wasserleitungen und Wasserwerke wunderbarster Art erbaut hatte, an seine Tätigkeit als Kulturbringer im Osten des Reiches erinnern sollten.

Einen schwachen Abglanz dieser altrömischen Kaiserherrlichkeiten bewahrte das die Ansprüche des Imperiums an sich reißende Byzanz, bis auch dieses in greisenhafter Entartung dahinzuwelken begann. Nach dem endlichen Untergange der Weltherrschaft Roms verschwand in den Wirren und der Not der Zeit allmählich alle diese bis dahin beispiellose Pracht im Abendlande, wo die durch die Völkerwanderung mobil gewordenen Barbarenstämme die Schöpfungen der Römer wohl anstaunten, aber kein Verständnis für sie hatten, geschweige denn sie mit Sachverständnis übernehmen und weiterbilden konnten. Die politischen und zugleich auch geistigen Erben der Römer waren zunächst die Araber, denen im Laufe des frühen Mittelalters der größte Teil des römischen Weltreiches, nämlich Vorderasien, Afrika, Südspanien und Sizilien, zufiel. Aus den einstigen umherschweifenden Hirtenstämmen waren seßhafte Stadtbewohner geworden, die in den von ihnen eroberten alten Kulturländern die feinere Lebensführung der unterjochten Völker verständnisvoll übernahmen und ihren persönlichen Bedürfnissen anpaßten. So wurden die Villen und Gärten ihrer Vorgänger, die sie überall auf ihrem Siegeszuge vorfanden, für sie Vorbilder, nach denen sie ihre Städte mit einem Kranze üppiger Gärten umgaben, wie sie heute noch beispielsweise die Stadt Damaskus aufweist, eingeschlossen von hohen Mauern, wie es die Abgeschlossenheit des häuslichen Lebens ihrer Bewohner verlangte. Es waren regelmäßige Anlagen, mit breiten, geraden Hauptwegen und rechteckigen Feldern, auf denen im bunten Wechsel ein reicher Blumenflor mit lauschigen Plätzen von Schattenbäumen und farbigen Kiosken sich fanden. Auf abschüssigem Boden senkte sich der Garten in Terrassen, die mit Treppengängen verbunden waren. Mit raffiniertem Geschick war die Bewässerung, namentlich in wasserarmen Gegenden, durchgeführt. Offene Kanäle und unterirdisch geführte Ton- oder Kupferröhren durchzogen den Boden, jeden der Bäume des Gartens besonders speisend. Unter diesen spielte naturgemäß die Dattelpalme aus alter Anhänglichkeit die größte Rolle.

Im Garten des maurischen Sommerpalastes von Generalife (arabisch dschenat al arif, d. h. Garten des Baumeisters) in der Nähe der Alhambra (arabisch kelât al hamrah, d. h. die rote Burg) bei Granada aus dem 13. Jahrhundert führt ein in Marmor gefaßter Kanal das Wasser aus weiter Entfernung vom Gebirge in den hoch gelegenen Garten. In ununterbrochenen Kaskaden stürzt es in ihm hinab, um schließlich in ein Becken mit einem hohen Springbrunnen zu fließen, von wo es dem Garten in kleinen Rinnsalen zur Tränkung der Pflanzen zuströmt. Überaus groß war der Blumenreichtum dieser Gärten. Eine arabische Inschrift an einem der zierlichen Kioske dieses Gartens von Generalife sagt: „Dein Garten ist geziert mit Blumen, die von ihren Stengeln die süßesten Düfte aushauchen. Frische Luft durchstreicht den Zitronenbaum und verbreitet den Wohlgeruch seiner Blüten weit umher. Rund um mich her verbreitest du Harmonie, Blumen und Grün.“ Begreiflicherweise war der Eindruck, den die abendländischen Kreuzfahrer von solchen arabischen Gärten des Morgenlandes erhielten, ein sehr starker und nachhaltiger. „Darinne stund manig zederbaum mit eßten laubes riche“ heißt es von einem sarazenischen Garten in einem Gedicht des Minnesängers Heinrich von Veldeke aus dem Jahre 1180, und man empfindet die große Bewunderung der Beschauer, wenn in solchen Springbrunnen von „grunem mermelstein“ und die das dazu nötige Wasser herbeiführenden Leitungen „mit funffzig hoen swybogen“ beschrieben werden.

Es ist immerhin wenig, was wir von den arabischen Gärten des Mittelalters wissen. Schlösser von märchenhafter Pracht mit den prunkvollsten Gärten müssen nach den Schilderungen der arabischen Schriftsteller aus jener Zeit die Kalifen aus dem Geschlechte der Abbasiden in Bagdad, der damals größten und in bezug auf Industrie und Wissenschaft bedeutendsten aller arabischen Städte, besessen haben. Von dem damals hier getriebenen Luxus meldet uns ein Gesandter des griechischen Kaisers in Byzanz, der im Jahre 917 mit einer Botschaft an den Fürsten der Gläubigen von Mosul aus den Tigris hinunterfuhr. Die Truppen bildeten vom Stadttor an im Paradeanzug Spalier und saßen auf silbernen und goldenen Sätteln. Das Schloß wimmelte von Hunderten von Kammerherrn nebst Tausenden weißer und schwarzer Diener. 38000 der kostbarsten Teppiche waren überall aufgehängt und 22000 waren zum Beschauen ausgestellt. Im kostbaren, mit Arkaden aus Marmor geschmückten Stall standen tausend Pferde, von denen jedes von einem kostbar gekleideten Bereiter am Zaum gehalten wurde. Im Tiergarten sah der Gesandte unter anderem vier prächtig aufgezäumte Elefanten und hundert Löwen. Dann führte man ihn zu einem zwischen zwei Wäldchen gebauten Pavillon. Darin war ein mit Zinn belegter Teich, 30 Ellen lang und 20 Ellen breit, der wie Silber glänzte. Darauf ruhten vier leichte, vergoldete und mit gestickter Leinwand ausgeschlagene Kähne. Um den Teich herum standen 400 Palmen, den unansehnlichen Stamm mit kostbarem indischen Tiekholz bekleidet, das von vergoldeten Reifen zusammengehalten wurde. Am besten aber gefiel dem Gesandten das „Baumhaus“; darin stand ein aus Silber und Gold verfertigter Baum, dessen Blätter im Winde zitterten. In den Zweigen saßen künstliche Vögel, welche sangen und girrten. In allen Teilen des auf das kostbarste ausgestatteten Schlosses boten Diener und Sklaven in Schnee gekühltes Wasser, Fruchtsäfte und Reisbier herum. Zuletzt kam man vor den Kalifen, der in schwarzen, goldgestickten Kleidern auf einem schwarzen Thron von Ebenholz saß, auf dem Haupte die edelsteingeschmückte Mitra. Vor ihm standen fünf Söhne, drei zur Rechten und zwei zur Linken. Die Audienz nahm den üblichen Verlauf. Nachher schickte man dem Gesandten 50 Beutel mit je 4000 Mark in sein Absteigequartier. Der Ehrenadjutant erhielt Ehrenkleider, da es noch keine Orden gab.

Den von prunkvollen Gärten umgebenen Schlössern liebte man schöne Namen zu geben, wie „das Liebesgestirn“, „die Braut“, „der König“, „die Krone“, „der Liebende“, „der Geliebte“. Außen erschienen sie ziemlich einfach, waren aber innen um so luxuriöser eingerichtet. Von den üppigen Sitten der hier Wohnenden zeugt die eine Tatsache, daß, als dem Statthalter Chumarnje vom Arzte Massage verordnet wurde, er, um dem Daumen des Masseurs zu entgehen, den Teich seines Gartens mit Quecksilber füllen und eine seidene, an goldenen Bolzen straffgespannte Matte darauflegen ließ. Darauf wurde er die ganze Nacht hindurch geschaukelt und so auf das Zarteste massiert.

Über die Privatgärten aus Bagdads Blütezeit sagt uns der Orientalist A. Mez, dem wir auch obige Angaben verdanken: „Einen großen Garten am Hause konnten sich nur die Allerreichsten leisten, die Wohlhabenden hatten ihn draußen vor den Toren. Da es keinen Rasen gab und der Palmstamm als häßlich empfunden wurde, so mußte man mit der Mischung von Blumen und Wasser auskommen; dazwischen stand als Gartenbaum die köstliche, ernste Zypresse. Blumenkönigin war auch hier die Rose, danach kam die Narzisse. Gern wurde das helle Rot der Rosen mit dem dunkeln der Anemonen zusammengestellt.“

„Rosen stehen um Anemonen herum in deinem herrlichen Garten,

Als ob Menschengesichter ringsum in eine Feuersbrunst starrten.“

(Sanaubari in Schabuschtis Klosterbuch, Handschrift Berlin, Folio 96 b.)

Dann das Veilchen „im Trauerkleide“, Jasmin, weißer Mohn, Granaten, Minze, Nelken, Lilien, Myrten und ein paar orientalische Spezialitäten: Churram, Sausam und Behâr. Auf dem Teiche lag „wie große Goldstücke“ der Lotos. Also kein Vergleich mit der ostasiatischen und amerikanischen Pracht, über welche der heutige Blumenfreund verfügt; sogar die Tulpe fehlte. In diese bunte Welt wurde eine Loggia oder ein Pavillon mit Kuppelhut hineingebaut; dorthin lud man die Freunde ein, aß und trank, labte das Auge an Schänke und Schänkin, am Tanz von Knaben und Mädchen, das Ohr am Singen der Vögel, an kunstreichem Saitenspiel und Gesang. Man freute sich der Aussicht, wenn nachts der Vollmond am Horizont lag „wie Gold auf blauen Hyazinthen“, oder bleich und dünn der junge Mond „wie, was man sich vom Nagel abschneidet“, wenn die Zypressen als hochgeschürzte junge Mädchen im Windeswehen spielten. Hier zechte man gerne nachts beim Schall von Zithernlaute, Flöte und Pauke. Das Gemach war mit Blumen bestreut. Die Zecher trugen Blumenkränze auf dem Haupt und warfen sich Blumengrüße zu. Sie erwarteten vom Wein und der Musik, daß „ihre Seele flog“; dann „tanzten“ sie, hüpften auf einem Bein, seufzten oder rannten mit dem Kopf gegen die Mauer, — letztere Übung sah man auch an der Inbrunst der Frommen gern.

Tafel 133.

Ein japanischer Tempelgarten in Kyoto.

Ein altrömischer Hausgarten. (Das nach den Funden wieder hergestellte Peristyl im Hause der Vettier in Pompeji).

Tafel 134.

Der päpstliche Garten des Quirinal in Rom gegen das Ende des 17. Jahrhunderts. (Nach dem Kupferstichwerk von G. B. Falda „Li giardini di Roma“ 1683.)


GRÖSSERES BILD

Tafel 135.

Die ursprüngliche Gartenanlage der Villa d’Este in Tivoli. (Nach einem Stich von J. B. Piranesi).


GRÖSSERES BILD

Tafel 136.

Gartenanlage von Schloß Linderhof in Südbayern.


GRÖSSERES BILD

Derselbe Autor schildert uns einen vornehmen ägyptischen Garten des Mittelalters nach der Beschreibung eines Zeitgenossen: „Im Garten stand ein Pavillon auf vier Marmorsäulen an einem Teich, drum herum Zitronenbäume, denen man die Früchte ließ, bis sie abfielen. Vier Pumpen füllten den Teich, dessen Wasser oft gewechselt wurde. Darauf lag ein Kahn aus ziseliertem Erz. Singvögel, Tauben und Pfauen tummelten sich herum. Die Wege waren mit feinen, bunten Matten belegt, als Tore dienten Ketten aus Eisen. Der Rosengarten lag besonders. Dort wurde beim Rosenfest aus Girlanden ein Rosenschloß erbaut, in dem gegessen und gesungen wurde. Auch Parke von großen Bäumen hatte man, aber ohne Rasen. Und nirgends Wald! Dadurch sind dem Araber fünf Sechstel unserer Romantik abgeschnitten und auch der romanischen; denn selbst Ariosts Abenteuer spielen in Waldluft. Das romantische Land der Muslims ist die Wüste.“

Im ganzen zeigen die muhammedanischen Hausgärten eine nicht weiter überraschende Ähnlichkeit mit denjenigen der Römer, denen sie nachgebildet waren. Indem der Orientale sein Haus in Nachahmung des römischen, in welchem sich das häusliche Leben ebenfalls von der Außenwelt abgekehrt abspielte, um innere von Säulen umgebene Höfe aufbaute, wurden diese die Grundlage des Hausgartens, in welchem die Familie sich an der frischen Luft erging. In der Mitte befand sich wie beim römischen Hausgarten ein Brunnenbecken mit meist springendem Wasserstrahl, ringsherum regelmäßige Rasenflächen mit Blumenbeeten und Ziersträuchern, die Wege mit Marmorplatten belegt. Solche Höfe zeigt uns heute noch das im 13. Jahrhundert erbaute maurische Königsschloß der Alhambra bei Granada, allerdings ohne die ursprüngliche Bepflanzung. Das durch seine äußerst zierliche und geschmackvolle Architektur und Bemalung ausgezeichnete, in Abbildungen allgemein bekannte Schloß besteht aus einer ganzen Reihe solcher rechteckiger Gartenhöfe, deren größter der Hof der Alberca, auch Patio de los arrayanes, d. h. Myrtenhof, genannt ist. In ihm befindet sich eine der drei im 16. Jahrhundert im Innern der Alhambra gefundenen berühmten Vasen aus emaillierter Fayence. Der Länge nach durchschneidet ihn ein schmales, marmornes Wasserbecken, das zwei Springbrunnen miteinander verbindet. Östlich davon befindet sich der berühmteste dieser Höfe, der Löwenhof, so genannt, weil in seiner Mitte eine von zwölf recht mangelhaft geratenen steinernen Löwen getragene Doppelschale aus Alabaster sich findet, die von einem Springbrunnen gekrönt wird. Das von diesem abfließende Wasser ergießt sich durch die Löwenmäuler in ein unteres Bassin, um von da weitergeleitet zu werden.

Wie die mittelalterliche Kirche des Abendlandes die getreue Nachfolgerin der christlich-römischen war, so führten die Klöster des Mittelalters das aus der Römerzeit übernommene Erbe in bescheidener Weise fort. Auch ihnen bot das römische Haus ein willkommenes Vorbild zu einer nach außen abgeschlossenen Wohnung. Dem Peristyle desselben entsprach der Kreuzgang, und der von diesem eingeschlossene Hof hatte anfänglich eine ganz ähnliche Teilung wie der Löwenhof der Alhambra, wie der zu Anfang des 9. Jahrhunderts gezeichnete Plan für einen Neubau des Klosters St. Gallen deutlich erkennen läßt. Die späteren Klöster schmückten diese Höfe oft mit zierlichen offenen Brunnenhäusern und legten diese unmittelbar an den Kreuzgang, so daß man vom Refektorium oder Speisesaal aus einen reizvollen Durchblick durch das Brunnenhäuschen auf die Büsche und Blüten des Hofes genoß.

Abgesehen von diesem Klosterhofgarten scheint nichts von der römischen Gartenkunst auf die nordischen Völker im Mittelalter übergegangen zu sein, obwohl die Römer auch in ihren nordischen Provinzen, in Gallien, Germanien und Britannien, ebenso wie in den übrigen Teilen des Reichs, ihre Villen und Villengärten besaßen, die als Vorbilder hätten dienen können. Die Wirren der Völkerwanderung ließen solches nicht zu, und auch als ruhigere Zeiten kamen, verhinderten die politischen und sozialen Zustände die Ausbildung einer Gartenkunst, trotz des lebendigen Gefühls für die Schönheit der Blumen, das in den Dichtungen des späteren Mittelalters zum Ausdrucke kommt. Der Bürger saß in den unruhigen, von Kriegslärm durchtosten Zeiten in der ihm Sicherheit des Lebens und Eigentums gewährenden eng ummauerten Stadt, der Adelige auf hohem, eingeschränktem Burgsitz. Hinter den Mauern der Befestigungen hatte der eine so wenig wie der andere Raum für ein Gartenleben, wie es die vornehmen Römer geführt hatten, ganz abgesehen von dem Fehlen einer Kultur, die das Bedürfnis nach einem solchen Leben hervorgebracht hätte. Das Einzige, was von römischer Gartenkultur in diesen Ländern zurückblieb, waren der Weinstock, die verschiedenen Obstbäume, Gemüse und Blumen, die von den einstigen Herren aus Italien mitgebracht worden waren.

Nach und nach erwachten die Geister aus der dumpfen Enge der geistigen Beschränktheit, in der sie das ganze Mittelalter hindurch verharrt hatten. Langsam erwachte die Freude an dem bis dahin für sündliche Fleischeslust gehaltenen Naturgenuß, das ästhetische Vergnügen an schönen Landschaftsbildern, an zierlichen Pflanzen, an der Form und Farbe ihrer Blüten. Aus dem praktische Zwecke verfolgenden Arzneigarten wurde am Bauernhause das rein idealen Zwecken der Freude an schönen Farben und Formen dienende Blumengärtchen. Gleicherweise fand dieser Prozeß in den Gärten zwischen den Höfen der Bürgerhäuser und vor den Stadtmauern, wie bei den Adeligen an der Burgmauer statt. Gleichzeitig erwachte die Freude an schönen Bäumen; namentlich die Linde stand neben der Eiche und der Eberesche in hohem Ansehen, wie im Orient die Platane als Schattenbaum bevorzugt wurde. Um die Linde waren Bänke errichtet, die zum Ruhen einluden, und der umgebende Rasen war mit „geschachzabelten und gevierten“, d. h. in schachbrettartig, mit Vierecken gemusterten Blumenbeeten ausgestattet, die dem Auge Freude gewährten. Dazwischen fanden sich allerlei Gemüse und Arzneikräuter. War der Besitzer reich, so schmückte ein Vogelhaus den Garten und wurden seltene Tiere in Käfigen gehalten. Manchmal war in einer lauschigen Ecke noch eine dichte Geißblattlaube vorhanden, in die Liebende sich mit Vorliebe zurückzogen, um ihrem jungen Glücke zu leben.

Mit der Befestigung der politischen Zustände und dem allmählich durch den regen Handel mit dem Morgenlande beförderten Wohlstand, der die Vorbedingung einer die Gartenkunst übenden vornehmen Lebenshaltung bildet, erwachte in den leitenden Kreisen der Stadtrepubliken und Tyrannenstaaten Italiens, durch die noch von den Gelehrten und den Vertretern der Kirche gesprochene lateinische Sprache und die Menge der noch vorhandenen Erinnerungen und Denkmäler begünstigt, in der Renaissance die Wiedergeburt antiken Denkens und Lebens. War schon am Ausgange des Mittelalters namentlich in den Dichtungen der Minnesänger das Naturgefühl wieder so weit zum Durchbruche gekommen, daß die einfachsten Erscheinungen in der Natur, wie das Erwachen des Frühlings, das Knospen und Blühen der Bäume, das wohltuende Grün des Grases und der Blätter in Wald und Feld, der liebliche Gesang der Vögel, wieder als etwas Schönes empfunden wurden, so entstand in den Italienern mit der Renaissance zum erstenmal in der Menschheitsgeschichte die selbst den Gebildetsten des Altertums versagte Fähigkeit, die Gestalt der Landschaft als Ganzes in ihrer mehr oder weniger ausgesprochenen Lieblichkeit oder Grandiosität zu erfassen. Sie kommt in der Malerei vom 15. Jahrhundert bereits zum Ausdruck, indem die Landschaft nicht mehr nur mit dem Bestreben, einen Schein der Wirklichkeit hervorzubringen, sondern schon mit der Absicht, ihr einen besonderen poetischen Gehalt unterzulegen, dargestellt wird. Dieses modern empfindende Naturgefühl kommt auch in der italienischen Literatur dieser Zeit zum Ausbruch. So genießt der 1405 zu Pienza in Toskana geborene Äneas Sylvius de Piccolomini, der von 1458–1464 als Pius II. auf dem päpstlichen Throne saß, mit Entzücken das Panorama, das sich ihm vom höchsten Gipfel des Albanergebirges, vom Monte Cavo aus, darbot, oder die Schönheit des Hügellandes um Siena mit seinen Villen und Klöstern auf den Höhen.

Bild 73. Anlage eines italienischen Renaissancegartens mit Architektur.
(Nach J. B. Ferrarii „De florum cultura“ 1633.)

Aus dem wachsenden Verständnisse für die landschaftliche Schönheit erwuchs dem gebildeten Italiener eine Vorliebe für das Landleben, die um so stärker zum Ausdruck kam, je größere politische und polizeiliche Sicherheit die einzelnen Städte und Staaten gewährten. Dabei waren von Sizilien und Unteritalien ausgehende Einflüsse, die auf arabischen Einfluß zurückzuführen sind, nicht zu verkennen. Wie die Normannen manche Feinheiten der arabischen Sitten angenommen und an ihre Nachbarn, die Italiener des Festlandes weitergegeben hatten, verbreitete sich die Freude an hübsch eingerichteten Gärten langsam über die italienische Halbinsel. Und so füllte sich denn bald wieder die Umgegend gewisser Städte, hauptsächlich Florenz, später auch Rom, mit den Landhäusern der durch Handel und Industrie reich gewordenen Städter. Damit war die Wiederanknüpfung an die noch vorhandenen Reste einer der köstlichsten Schöpfungen des alten Römertums gegeben, um so mehr, als inzwischen auch die Architektur bei den zahlreichen Überbleibseln der altrömischen Baukunst in die Schule gegangen war und einen neuen Baustil hervorgebracht hatte, eben den der italienischen Renaissance. Denn der italienische Garten der Renaissance, der nun entstand, war eine Schöpfung der Architektur, wie es wahrscheinlich der altrömische Garten auch gewesen war. Die ihn schufen, waren Architekten, jene Künstler der Renaissance, die nicht bloß Baumeister, sondern Universalkünstler waren, die alle bildenden Künste beherrschten und dadurch allen ihren Bauschöpfungen den Stempel völlig einheitlicher Kunstwerke aufprägten. So kam es, daß der Garten in der italienischen Renaissance nicht eine Kunstgattung für sich darstellte, sondern stets Teil eines Kunstwerks war, indem Villa und Garten als ein einheitliches Ganzes aufgefaßt wurden. Mit der Aufgabe, einen Palast, eine Villa zu bauen, übernahm der Architekt zugleich die Aufgabe, auch den dazu gehörenden Garten zu schaffen. Und da in dieser Verbindung von Haus und Garten für die künstlerische Lösung der Aufgabe das Haus mit seiner Lage und der Anordnung seiner Teile notwendigerweise die Richtschnur abgab, so hatte sich die Einteilung des Gartens der des Hauses unterzuordnen. Das Haus aber wurde von diesen Architekten in der Anordnung der Räume, wie im ganzen Aufbau strenger Symmetrie unterworfen; die Folge davon war, daß diese Gesetze auch auf den Garten übertragen wurden.

Da nun Italien durchweg ein gebirgiges Land ist, und für die Lage der Villen in erster Linie die Schönheit der Aussicht bestimmend war, sie also meistens an den Abhängen errichtet wurden, so mußte der Garten terrassiert werden, was an sich schon wesentlich dazu beitrug, ihn zu einem architektonischen Kunstwerk zu gestalten. Die Anlage solcher Terrassen aber erforderte das Aufführen von Mauern und Brüstungen, und untereinander mußten die Terrassen durch Treppenanlagen verbunden werden. So wurden die Terrassenanlagen mit ihren Brüstungsgeländern und ihren Freitreppen zu dem Hauptelemente bei der architektonischen Gestaltung, das den Charakter dieser italienischen Gärten bestimmte. Der regelmäßigen Anlage des Ganzen entsprechend, wobei die Mittelachse des Gebäudes sich in den Garten fortsetzte, traten auch die schmückenden Pflanzengruppen und Blumenbeete in architektonischen Formen auf und mußte sich der Pflanzenwuchs der Schere beugen. Die Blumen wuchsen in geometrisch geformten Beeten, und dazwischen stellte man die zahlreichen wieder ausgegrabenen, der Farbe beraubten, antiken Statuen oder Nachahmungen derselben zum Schmucke als willkommene Abwechslung für das Auge auf. Wenn immer möglich, durfte zur Belebung des Ganzen auch das strömende Wasser nicht fehlen. In rauschenden Kaskaden strömte es von oben herab, um, unten angelangt, in Springbrunnen wieder aufzusteigen und sich schließlich in weiten, gemauerten Bassins zu sammeln. Eine der ältesten solcher Anlagen war diejenige der Villa Rucellai in Florenz, die die durch die Einführung der Orseilleflechte aus dem Orient in die Färberei des Abendlandes reich gewordenen Nachkommen des im 13. Jahrhundert in der aufstrebenden Stadt ansässig gewordenen Deutschen Federigo, d. h. Friedrich, sich bauten. In ihr waren zur Staffage zahllose antike Trümmer aufgestellt, an denen der junge Michelangelo Studien als Zeichner und Bildhauer machte.

Als später in der Architektur ein anderer Geschmack aufkam und die noch maßvolle Hochrenaissance in die weniger ruhigen Formen des Barock überging, nahmen die Wasseranlagen in den Gärten derart überhand, daß sie in vielen Fällen durchaus den Eindruck beherrschten. Da konnte man bald der Wasserkünste nicht genug bekommen. Zahllose Springbrunnen in ganzen Alleen — in der Villa d’Este in Tivoli bei Rom z. B. zählte man deren an 1000 — schleuderten ihre Wasser in die Höhe, und die reiche, in Marmorfiguren wieder auflebende Welt der heidnischen Götter und Halbgötter, die als plastischer Schmuck sich nicht nur auf den Terrassen, den Treppen und ihren Balustraden erhob, sondern auch die Springbrunnen und Wasserbecken belebte, spie ebenfalls in oft recht geschmackloser Weise Wasser. Brunnen entsprangen den Treppen, sprudelten aus den Wänden der Terrassen hervor und selbst die Kaskaden, die sogenannten Wassertreppen, wurden von ihnen unterbrochen. Die Bergwände wurden ausgehöhlt und die Grotten, die man hier bildete, füllte man mit allerlei Wassereffekten. Schließlich arteten die Wasserkünste in Spielereien aus. Man ließ in den Grotten Wasser in hohle Röhren fallen und trieb dadurch die Luft hinaus in eine Pfeife, die tönte. Aus einer Anzahl solcher Pfeifen stellte man ganze Wasserorgeln her. Berühmt war in dieser Beziehung der Garten der vom Neapolitaner Pierro Ligorio für den Kardinal Hippolyto von Este erbauten Villa d’Este in Tivoli, in welchem zwischen den architektonischen Prospekten nicht bloß Äolsharfen, sondern auch vom Wasser getriebene Musikwerke für den Kardinal und seine Freunde ihre Melodien erschallen ließen. Der Vogelbrunnen in baumbeschatteter Grotte ahmte allerlei Vogelstimmen nach, bis das plötzliche Erscheinen einer großen, künstlichen Eule den kleinen Vögeln Schweigen gebot. Außerdem wurde das Wasser zu allerhand schlechten Scherzen gegen uneingeweihte Besucher benutzt, die unvermutet bespritzt wurden, wenn sie in den Grotten oder auf den beim Herumspazieren begangenen Wegen auf bestimmte Stellen des Fußbodens traten. Betrügerische Sitze waren angebracht; setzte man sich auf sie nieder, so spritzte ein Wasserstrahl unter den Füßen des Sitzenden hervor. In manchen Grotten standen Bildsäulen, die sich bei Berührung einer bestimmten Stelle umdrehten und den harmlosen Zuschauer mit Wasser begossen, und andere dergleichen Späße mehr.

Eine weitere, noch bedenklichere Ausartung betraf den Pflanzenwuchs. Die meisten Schmuckbäume des italienischen Gartens, vor allem die Pinie und Zypresse, welch letztere in ihrer aufstrebenden, scharf umrissenen Form etwas durchaus architektonisches hat, das keiner Nachhilfe bedurfte, dann die immergrüne Eiche, der Orangenbaum, der Lorbeer, ferner die Gesträucher, wie Myrten, Azaleen, Rhododendren und andere, haben von vornherein so bestimmte, feste Umrißlinien, daß die Versuchung, ihre Kronen zu beschneiden, durchaus fern lag. Anders war es schon mit den Hecken, mit denen die verschiedenen Teile des Gartens umschlossen waren. In den älteren Gärten waren die Flächen zwischen den Hauptrichtungslinien, die durch die Achsen der Villa bestimmt wurden, meist in quadratische oder doch wenigstens rechteckige Felder aufgeteilt, wobei die Kreuzungspunkte der Wege durch Baumgruppen, Springbrunnen oder Lauben geziert waren, während Alleen von Zypressen, den wichtigsten Bäumen des italienischen Gartens, die Hauptwege begleiteten. Die einzelnen Felder dieses Parterres, deren Begrenzung mit der Zeit von der einfachen, geradlinigen Linienführung zu gewundenen, selbst verschnörkelten Formen überging, waren in ihrem Innern mit saftig grünem Rasen, mit blühenden Gesträuchern und Blumen aller Art erfüllt. Da begann man statt der natürlich gewachsenen Formen allerlei aus Buchs und Eibe geschnittene Figuren, wie sie schon die Römer der Kaiserzeit geliebt hatten, zur Ausschmückung zu verwenden. Manche der Felder wurden auch als sogenannte Labyrinthe ausgebildet, d. h. zwischen mit der Schere zu grünen Wänden beschnittenen Hecken führten verschlungene Wege zu einem Platze im Mittelpunkt des Labyrinths, den man auffinden mußte, wobei man in allerhand Sackgassen geriet. Alle diese Buchs- und Eibenhecken reizten begreiflicherweise dazu, außer den geradlinig beschnittenen auch andere Formen herzustellen, z. B. die Endpunkte der Hecken durch Halbkugeln oder Kugeln auszuzeichnen oder den Heckenrändern statt einer geraden eine geschwungene obere Begrenzung zu geben. Solche Gärten aus dem 16. Jahrhundert finden wir noch andeutungsweise im heutigen Italien, z. B. in der berühmten, jetzt leider stark verfallenen Villa Aldobrandini in Frascati bei Rom, in den Giardini Giusti in Verona und Boboli hinter dem Palazzo Pitti in Florenz. In ihnen sind allerdings die einst in strengen Formen gehaltenen Gewächse der Schere entwachsen und haben riesige Dimensionen angenommen, die das einstige Aussehen nicht mehr wiedergeben, heute aber nach unserem Geschmack großartiger und schöner wirken.

Italien galt damals für tonangebend in Geschmack und Sitten der großen Welt. So konnte es nicht fehlen, daß die französischen Könige wie die deutschen Kirchenfürsten seinen Gartenbau nachahmten. Claude Mollet, der Gärtner Heinrichs IV. von Frankreich, errichtete in dieser Weise die Gartenanlagen der Schlösser von Blois, Fontainebleau und St. Germain en Laye. Zwischen den geradlinigen Alleen waren kunstvolle als parterres en broderie bezeichnete Blumenbeete errichtet, zwischen denen die Kavaliere und Damen des Hofes lustwandelten. Aus verschiedenfarbigen Pflänzchen mühsam hergestellte Buchstaben und Sinnsprüche erfreuten die Besucher. Aus Hainbuchen und Weißdorn schnitt man Tiergestalten, Menschen und Schiffe, zwischen welchen weiße Marmorstatuen eine wohltuende Abwechslung boten. Und während die Gärten der Renaissance sich auf die nähere Umgebung der sie schmückenden Paläste beschränkt hatten, ging man mehr und mehr zu dem weiten, ausgedehnten Garten des folgenden Barock über.

Die Gärten der Barockzeit, wie sie uns in Italien in der Villa Borghese und in der Villa Pamphili Doria in Rom, leider stark verballhornisiert, entgegentreten, zeigen alle mehr oder weniger entwickelt schon Vorboten des freien Landschaftstils in Gestalt von in rein natürlichen Formen gehaltenen Waldpartien, die auf begrenztem Raum möglichst viel Naturschönheit künstlich vereinigen. Nach diesem Muster entstand in Frankreich allmählich der nach dem Architekten und Gartenkünstler Le Nôtre benannte regelmäßige Gartenstil zur Zeit Ludwigs XIV., der vorbildlich für ganz Europa wurde. Le Nôtre war 1613 als Sohn des Palast- und Gartenintendanten der Tuilerien geboren und mag sich schon früh mit Gartenangelegenheiten beschäftigt haben. Doch wurde er zunächst Maler und ging als solcher nach Italien, wo er besonders in Rom die dortigen Gärten kennen lernte. Die Eindrücke, die er hier vom Zusammenwirken von Haus und Garten als einheitlichem Kunstwerk und von der Wirkung und verschiedenen Verwendung des Wassers erhielt, sind zweifellos bestimmend für sein späteres Schaffen gewesen. Als Ludwig XIV. an Stelle des von Heinrich IV. angelegten und von Ludwig XIII. erweiterten Jagdschlosses im Walde von Versailles mit einem Aufwand von insgesamt mehr als einer Milliarde alter Franken eine üppig ausgestaltete neue Residenz baute, berief er Le Nôtre zur Anlage des gewaltigen, das Schloß umgebenden Gartens und fand in ihm den geeigneten Mann zur Verwirklichung seiner großartigen Pläne. Bis an das Ende seines langen Lebens — er starb 87jährig im Jahre 1700 — blieb er im Dienste des Königs, der ihm stets seine volle Gunst zuwandte, und schuf die Gärten der übrigen Königsschlösser der französischen Krone um. Er hat das große Verdienst, aus dem bis dahin nur regelmäßigen französischen Garten einen architektonischen geschaffen zu haben. Nicht, daß er dazu etwas Neues hätte erfinden müssen, er wandelte vielmehr nur um, was schon vorhanden war, unter dem Eindrucke dessen, was er in Italien gesehen hatte. Er verband Haus und Garten zu einem künstlerischen Ganzen und tat das in einer Weise, die dem nach theatralischen Effekten verlangenden Geiste seiner Zeit durchaus angemessen war.

Bild 74. „Wahrer Grundriß des weltberühmten kgl. Lustgartens zu Versailles.“
(Nach einem Stich von M. Diesel.)

Vor ihm hatte sich die Gartenkunst Europas nördlich der Alpen unberührt von derjenigen der Renaissance entwickelt. Hier war man noch viel ärmer als dort und fühlte sich außerhalb der ummauerten Städte und Burgen nicht sicher genug, um den vorhandenen kleinen Ziergarten hinaus in die Landschaft zu verlegen. Und als auch die wirtschaftlichen und politischen Zustände sich hier so weit gebessert hatten, daß man an ein Landhausleben wie in Italien denken konnte, so blieb die Gartenanlage wie sie im Mittelalter gewesen war, eine „geschachzabelte und gevierte“, d. h. eine schachbrettartig regelmäßig aufgeteilte, ebene Anlage. So sehen wir diese Gärten, von denen kaum etwas erhalten ist, noch in den Kupferstichwerken des 17. Jahrhunderts als eintönige, regelmäßige Anlagen, deren meist gleich große quadratische Felder mit geschnittenen Hecken umgeben waren. Die Wege waren oft mit Laubengängen aus Gitterwerk überdacht, die zu zierlichen Pavillons führten. Auch Springbrunnen und Skulpturen fehlten nicht, ebenso waren mit Vorliebe verwickelte Gänge in Form von zu senkrechten Wänden geschnittenen Buchs- und Eibenhecken als Labyrinthe vorhanden, die den Besucher nach langer Irrfahrt endlich zu einem Platze im Mittelpunkt der Anlage führte; doch war bei ihnen von einer einheitlichen Kunstwirkung, zusammen mit dem Hause, keine Rede, wie sie im italienischen Garten so eindrucksvoll durchgeführt war, ganz abgesehen davon, daß diese kleinen Anlagen sich in der Ebene befanden und schon deshalb für einen architektonischen Aufbau, wie im italienischen Garten, keine Keime in sich trugen.

Schon zu Ende des 16. Jahrhunderts begann unter italienischem Einflusse ein neuer großzügiger Geist in die Gartenanlagen der französischen Königsschlösser zu kommen. Man brachte wie in Italien die Linien des Hauptgebäudes, des Schlosses, mit dem Garten in Verbindung und schuf damit einen weiten Durchblick, eine Perspektive; auch legte man um das Schloß einen freien Platz, um dadurch das Gebäude als den Mittelpunkt der ganzen Anlage hervorzuheben. Durch diese Neuerungen, die Claude Mollet, der Gärtner Ludwigs XIII., an den königlichen Gärten von Fontainebleau in Verbindung mit der Anlage großer Wasserbecken mit Springbrunnen zuerst in Frankreich einführte, erhielt der Garten einen Zug ins Großartige und begann sich damit dem Glanze der französischen Kultur anzupassen, die im 17. Jahrhundert diejenige der Nachbarländer, namentlich Deutschlands, das währenddem unter den Schrecknissen des Dreißigjährigen Krieges zu leiden hatte, weit überragte. Ihren Höhepunkt erreichte diese Zeit unter der Regierung des Sonnenkönigs, Ludwigs XIV., und die Gärten, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts für ihn und die Ersten des Landes angelegt wurden, spiegeln deutlich die Eigentümlichkeiten des französischen Hoflebens dieser Periode wieder mit der Gemessenheit und Steifheit seines Zeremoniells und seiner theatralischen Grandezza, die ihren bezeichnenden Ausdruck in den schwülstigen Allongeperücken und den die Gestalt erhöhenden Stöckelschuhen fand.

Aus dem Geiste dieser vornehm tuenden Zeit heraus bildete André Le Nôtre den regelmäßigen französischen Garten zum architektonischen um. Das Haus, das Schloß, war der Brennpunkt seines Gartens und sollte möglichst von allen Hauptpunkten der ausgedehnten Anlage sichtbar sein; andererseits sollte vom Schloß aus der ganze Garten überblickt werden können. Um dies leichter zu ermöglichen, wurde es auch in der Ebene auf eine erhöhte Terrasse von gewaltigen Dimensionen gebaut, wodurch es frei aus dem Garten herausgehoben wurde. Dasselbe Ziel verfolgte die Hervorhebung der Mittelperspektive auf das Schloß und vom Schlosse aus. Die von der Mitte des Schlosses ausgehende Hauptallee durchschnitt den Garten seiner ganzen Länge nach und war mit hohen geschnittenen Baumwänden eingefaßt. Längliche Wasserbecken in derselben Richtung unterbrachen sie. In dieser Perspektive schweifte nun der Blick über eine Fülle von Wasserbecken mit Springbrunnen in die Ferne, und umgekehrt bot sich vom Ende des Gartens, ja von weither gesehen, das Schloß auf seiner Terrasse eindrucksvoll dar. Außer dieser Mittelperspektive wurden überall, kreuz und quer durch den Garten, andere Durchblicke angelegt und damit das eintönige Schema der schachbrettartigen Aufteilung der Fläche durchbrochen. Um möglichst Abwechslung zu bringen, wurde jede dieser Nebenperspektiven, deren meist mehrere strahlenförmig von einem Punkte ausgingen, mit einem point de vue, einer Fontäne, einer Statue, einem kleinen Gartenhäuschen oder etwas Ähnlichem ausgestattet. Die abgelegenen Gartenpartien wurden von hohen Heckenwänden, meist geschnittenen Hainbuchen, umgeben und ihr Inneres mit Baumwuchs erfüllt, was den Eindruck hervorrief, als seien alle den Garten durchquerenden Perspektiven mit hohen grünen Kulissen umstellt. Zwischen diesen stilisierten Anlagen waren, damit neben der strengen Form auch die spielende Phantasie ihr Recht bewahre, allerlei Labyrinthe und Irrgänge, Grotten, Naturtheater und verschieden ausgestattete Plätze mit Lusthäusern aus Gitterwänden oder Springbrunnen und plastischen Gruppen jeder Art zerstreut. Der ganze Garten war nach italienischem Muster mit Statuen der antiken Götter- und Halbgötterwelt belebt, die frei oder in nischenartigen Vertiefungen der Heckenwände aufgestellt waren und mit ihrem Weiß das eintönige Grün des Hintergrundes unterbrachen. Noch mehr als im italienischen Garten war das Wasser zur Mitwirkung herangezogen. War es dort das lebendige, in Kaskaden herabrauschende und in Fontänen aufsprudelnde Wasser gewesen, so waren es hier ausgedehnte Wasserbecken, die an sich schon durch die Masse wirkten, gleichfalls belebt von Springbrunnen, welche aus plastischen Gruppen hervorschossen, und hintereinanderstehenden Wasserstürzen.

Als ein Hauptstück des Gartens breitete sich unmittelbar vor dem Schlosse das Blumenparterre in Gestalt von Blumenteppichen aus, wie es schon der ältere französische Garten, gleich demjenigen der italienischen Renaissance, besaß. Um ihre Zeichnung gehörig zur Geltung zu bringen, beschränkte man sich ebenso wie in Italien nicht auf Blumen, die nicht ausreichten, als die Muster feiner und zierlicher wurden, sondern man verwendete dazu Rasen und geschnittenen Buchs und füllte die Zwischenräume zwischen den einzelnen Figuren mit gefärbtem Sand, mit Ziegelmehl oder Kohlenstaub. In der Mitte der Blumenbeete waren die hohen Ziergewächse, wie Sonnenblumen und Malven, gruppiert und wurden von immer niedrigeren eingefaßt. Für den Frühling wurden Tulpen, Hyazinthen und Narzissen in schachbrettförmiger Anordnung auf die Beete gepflanzt, um nach dem Verblühen durch anderen Blumenflor abgelöst zu werden. Selten fehlte auch die Orangerie, die meist ein besonderes Parterre an geschützter Stelle bildete, an welche sich die zum Überwintern nötigen Kalthäuser anschlossen. Hier standen in Reihen südliche Gewächse in Kübeln, wie Orangen, Zitronen, Myrten und Lorbeer. Aber ihre Verwendung war durchaus nicht auf die Orangerie beschränkt, sie begleiteten vielmehr auch die Linien des Parterres und umgaben die Wasserbecken. In diesen großartigen Anlagen, die durchaus keine bürgerlichen Hausgärten waren, sondern den Bedürfnissen von Königen und Herren mit großer Hofhaltung entsprachen, dienten als Schauplätze glänzender Feste, ihre Boskets und cabinets de verdure waren der Ort für die arkadischen Schäferspiele der Hofgesellschaft. Ihre Kosten waren derart, daß sie nur entstehen konnten, wo den Launen eines absoluten Herrn unbeschränkte Mittel zur Verfügung standen, die durch rücksichtslose Besteuerung der Untertanen beschafft wurden.

Nächst Versailles war einer der schönsten von Le Nôtre angelegten Gärten derjenige von Marly, von dessen wundervollen Wasserwerken uns alte Kupferstiche ein gutes Bild geben. Der Garten von Groß-Trianon war kleiner und einfacher. Auch den Garten von St. Cloud baute Le Nôtre um und legte an der ziemlich steilen Talwand der Seine die berühmten Wasserwerke an. Der Garten von Chantilly kam an Ausdehnung demjenigen von Versailles gleich; er hatte einen Kanal von 3 km Länge, der 80 m breit war, während derjenige von Versailles bei 1600 m Länge nur 60 m Breite besaß. Auch die Gärten von St. Germain, Meudon und Fontainebleau baute er um und machte die Pläne zu zahlreichen auswärtigen Gärten; denn wie das Zeremoniell und die Sitten der Versailler Hofhaltung überall in Europa Nachahmung fanden, so war auch der Versailler Garten das vielbewunderte Muster für die übrigen Höfe, die es in allem dem „Sonnenkönige“ gleichtun wollten. Gärten dieser Art schossen sozusagen wie Pilze aus dem Boden hervor. Wir lernen sie wie die französischen am besten durch die Kupferstiche kennen, in denen die berühmtesten Gärten der damaligen Zeit abgebildet und beschrieben wurden. Da ist z. B. in England der Garten von Hamptoncourt, in Rußland derjenige von Peterhof, in Schweden derjenige von Drottningholm bei Stockholm. Die meisten Nachahmer fand aber der französische Garten, wie andere französische Dinge auch, in Deutschland, wo alle die zahllosen größeren und kleineren, bis zu den kleinsten Höfen, die sich, so gut oder so schlecht es ging, nach französischem Muster einzurichten suchten, eine Nachahmung des Versailler Gartens zur Erhöhung ihres Glanzes für unbedingt notwendig hielten. Von den vielen deutschen Anlagen dieser Art sind vor allem die Gärten von Schönbrunn bei Wien, Nymphenburg und Schleißheim bei München, Schwetzingen bei Heidelberg, Wilhelmshöhe bei Kassel, dessen Kaskadenanlage allerdings eine Nachahmung derjenigen der Villa Aldobrandini in Frascati bei Rom ist, dann in Hannover, Charlottenburg usw. zu nennen. Auch die geistlichen Fürsten wollten nicht hinter den weltlichen zurückbleiben; davon zeugen die Gärten der Fürstbischöfe von Salzburg (Hellbrunn und Mirabellgarten), Olmütz zu Kremster, Würzburg und Mainz. Einer der spätesten französischen Gärten war auch die jetzt ganz veränderte Schöpfung Friedrichs des Großen in Sanssouci, die bezeichnend für die Vorliebe des großen Königs für alles Französische ist.

Le Nôtres Nachfolger suchten den Mangel großer Verhältnisse in ihren Anlagen durch die Bereicherung der Einzelheiten zu ersetzen. Die als Fortsetzung der Räume des Hauses gedachten, von glatt geschnittenen, hohen Laubwänden umschlossenen Gartenräume des klassischen Le Nôtreschen Stils erschienen ihnen langweilig, und so gaben sie den langen Heckenwänden die bewegten Formen der Steinarchitektur, was sehr unnatürlich aussah. Man versah sie mit Säulen, Pfeilern und Gesimsen, man schnitt Tür- und Fensteröffnungen in sie hinein, bekrönte sie mit Kugeln und Obelisken, alles aus dem lebendigen Grün geschnitten. Die Laubengänge bildete man in Form von Kreuzgewölben oder gab ihnen aus Laubwerk geschnittene Dächer. Damit nicht genug, ahmte man schließlich ganze Gebäude, ja selbst Ruinen aus Heckenwerk nach. Mit dieser Unnatur hielt die künstliche Behandlung der Buchs- und Eibenpflanzungen Schritt, indem man von der Wiedergabe einfacher stereometrischer Körper zu derjenigen von Tier- und Menschenfiguren, ja zu ganzen aus solchen Figuren gebildeten bewegten Szenen überging. Je kleiner der Garten war, um so mehr ging er in solchen Künsteleien auf und um so unnatürlicher erschien er.

Die unausbleibliche Reaktion gegen diese Ausartung einer in ihren Anfängen groß und ernst angelegten Kunstweise ging von England aus. In diesem Lande, das durch seine Inselnatur vor den kriegerischen Einfällen der Nachbarn geschützt war und sich schon seit dem 14. Jahrhundert geordneter sozialer Zustände erfreute, hatte die Kulturentwicklung keine Unterbrechung erfahren, und der zunehmende Seehandel brachte dauernden Wohlstand und teilweise sogar bedeutenden Reichtum weiter Kreise. Zu einer Zeit, da auf dem mitteleuropäischen Festlande Adel und Bürger noch hinter ihren Mauern saßen, konnte der englische Lord schon seine Burg, den keep, verlassen und sich ein bequemes Haus inmitten seines Gutsbezirkes bauen. Namentlich in dem glücklichen Zeitalter der Königin Elisabeth von 1558 bis 1603 füllte sich das Land, das seit der Eroberung durch die Normannen im 11. Jahrhundert das Übergewicht über die Städte erlangt hatte, mit prächtigen Landsitzen, deren Gärten sich allerdings im großen und ganzen nicht allzusehr von den gleichzeitigen in Frankreich und Deutschland unterschieden. Die Einteilung in rechteckige Felder, die Laubengänge und Irrgärten, die Wasserbecken und Springbrunnen waren wie diejenigen der mitteleuropäischen Gärten. Dagegen spielte bei ihm die terrassenförmige Anlage eine größere Rolle, vielleicht als eine Folge der hügeligen englischen Landschaft, vielleicht aber auch auf italienische Einflüsse zurückzuführen. Ferner hatte der englische Garten eine ausgeprägte Vorliebe für beschnittene Buchs- und Eibenpflanzungen, die wohl durch die Kenntnis des hierin gleichgearteten holländischen Gartens verstärkt wurde, zumal zur Zeit der Königin Elisabeth eine starke holländische Einwanderung stattfand. Dieser Einfluß wurde naturgemäß mit dem Erscheinen Wilhelms von Oranien in England und während seiner Regierung verstärkt.

Der holländische Garten war recht eigentlich, vermöge der Natur des Landes, ein Garten der Ebene mit schachbrettartiger Einteilung der von geradegeschnittenen Hecken umgebenen Felder. Da nun die kleinen Landsitze, die sie aufwiesen, sich meist an den die holländischen Provinzen in großer Zahl durchschneidenden Kanälen hinzogen, waren sie von dorther reich mit geradlinigen Wasseradern durchzogen, ohne Kaskaden und hohe Fontänen aufzuweisen. Selbst für die wenigen und spärlich fließenden Springbrunnen war man auf Maschinen angewiesen, die durch Wind- oder Pferdekraft in Bewegung gesetzt werden mußten. Schon durch die meist geringe Größe der Gärten begünstigt, waren alle seine Teile in kleinem Maßstabe gehalten, wodurch etwas Kleinliches, Langweiliges, jeden großen Zuges, wie er z. B. durch Terrassenanlagen in die Gärten hätte hineingelegt werden können, Bares in sie hineingelangte. Die peinliche Ordnung und Sauberkeit seiner Wohnung übertrug der Holländer in seinen Garten, dessen Baum- und Strauchwerk stets unter der Schere gehalten, ja mit Vorliebe zum Ausschneiden künstlicher Figuren benutzt wurde. Manchmal wurden sogar die Baumstämme weiß angestrichen, um sie schöner und sauberer erscheinen zu lassen. Die häufige Verwendung von künstlich gezogenen Zwergobstbäumen in Kübeln und Töpfen, wie die Aufstellung von Muscheln, Korallenstücken, Porzellanfiguren und anderen solchen Dingen, die der lebhafte Handel des aufblühenden Landes in Menge aus fremden Ländern herbeibrachte, war ein Ausfluß derselben Neigung. Was aber den holländischen Garten vor allem auszeichnete, das war sein reicher Blumenflor. Es war wohl eben jener Hang zum Kleinen und Zierlichen, der sich in der Freude des Holländers an der Schönheit und Farbenpracht der einzelnen Blume äußerte, namentlich der Tulpen und Hyazinthen, die in immer neuen Farbenvariationen und Formen zu ziehen der die Gartenkunst völlig beherrschende Ehrgeiz der Holländer wurde.

Tafel 137.

Der Rundtempel Monopteros im Englischen Garten in München.


GRÖSSERES BILD

Tafel 138.

Der chinesische Turm im Englischen Garten in München.


GRÖSSERES BILD

Tafel 139.

Die Wasserfälle im Englischen Garten in München.


GRÖSSERES BILD

Tafel 140.

Ein Tempelteich bei Tokio mit der blaublütigen heiligen Lotosblume aus Indien (Nelumbium speciosum).


GRÖSSERES BILD

Trotz seiner Absonderlichkeiten übte der holländische Garten im 16. und 17. Jahrhundert einen nicht geringen Einfluß auf die Gartenkunst der übrigen Länder Mitteleuropas, namentlich auch auf England und Deutschland aus. Es mag das wohl mit daran gelegen haben, daß holländische Gärtner einen guten Ruf genossen, den sie sich in der Baum- und Blumenzucht ihrer Heimat erworben hatten. Wir merken diesen Einfluß heute noch in manchen absonderlichen Zieraten kleiner Gärten, an der Verwendung von Muscheln und ähnlichen Dingen zum Einfassen von Beeten, an glänzenden Glaskugeln und beschnittenen Bäumen und Sträuchern. Als dann der französische Garten Le Nôtres sich dem holländischen und englischen Geschmack unterwarf, da begegnete diese Vorliebe seinem beschnittenen Buschwerk, und bald wurden darin wahre Orgien gefeiert, aus den Bäumen und Sträuchern die bizarrsten Formen zu schneiden, nicht bloß Nachbildungen von Tier- und Menschengestalten, sondern auch die mannigfaltigsten frei erfundenen phantastischen Gebilde. Schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts hatte der geniale Reformator auf dem Gebiete der Wissenschaften und zugleich Staatsmann Francis Bacon (1561–1626) — seit 1619 Lordkanzler und Baron von Verulam in einer Schrift „Essay on the gardens“ sich gegen die geschmacklosen, aus Buchs und Eibe geschnittenen Figuren ausgesprochen, die nur für Kinder paßten, und hatte Grundsätze aufgestellt, nach denen der Garten anzuordnen sei. Derselbe solle aus drei Teilen bestehen, von denen die beiden ersten nicht wesentlich von dem damals Üblichen abwichen, während der dritte Teil eine Wildnis sein sollte. Es war dies also schon ein deutlicher Anklang an den späteren Landschaftsgarten. In der Folge erhoben sich immer mehr Stimmen gegen den herrschenden Gartengeschmack. Sie trafen zusammen mit den Vorboten jener sentimental romantischen Epoche, die auf das verschnörkelte, im Zeremoniell erstarrte Zeitalter Ludwigs XIV. folgte. In England leitete Milton mit seinem „verlorenen Paradies“ (zuerst gedruckt 1667), in Frankreich Rousseau mit seinem „Emile“ (1761), in Deutschland Albrecht von Haller, Kleist und Geßner mit ihren Naturdichtungen diese Periode ein, alle predigten die Rückkehr zur Natur. Von diesem Standpunkte aus ging man dem herrschenden französischen Garten zu Leibe, in welchem man in seinem damaligen englischen Zustande allerdings ein Muster von Unnatur erblicken konnte. Der englische Dichter Pope (1688–1744) verspottete seine Baum- und Wasserkünsteleien; er und der englische Philosoph Addison (1672–1719) waren unter den Ersten, die in der Praxis völlig mit dem herrschenden Gartengeschmack brachen. Letzterer legte seinen eigenen Garten nach dem philosophisch von ihm begründeten Grundsatze: „Nachahmung der Natur“ an. Nach seiner eigenen Beschreibung sollte sein Garten den Eindruck einer von selbst entstandenen Wildnis machen. Küchengewächse und Blumen standen durcheinander wie wildwachsend auf den Gartenplätzen; Feld- und Gartengewächse, Obst- und andere Bäume wuchsen gemischt und eine Quelle war als Bach in vielen Windungen und Verzweigungen durch den Garten geleitet.

Bei dieser absonderlichen Art der Naturnachahmung kam nichts Vernünftiges heraus. Den ersten Schritt zu einer neuen Gartenkunst tat im zweiten Viertel des 18. Jahrhunderts William Kent, der als Landschaftsmaler sein Auge für die besonderen Reize der englischen Natur geschärft hatte. Diese Naturschönheiten im Garten darzustellen, also ein künstlerisch schönes Landschaftsbild mit dem Wechsel grüner, vom Wasser belebter Wiesenflächen mit Baumgruppen und Gehölzen zu schaffen, war sein Ziel. Dadurch mußte jede gerade Linie aus dem Garten verschwinden, und um ihn mit der Umgebung zu verbinden und in Einklang zu bringen, fielen auch die umgrenzenden Mauern und wurden durch Gräben ersetzt. So sollte unter allen Umständen die Täuschung aufrechterhalten werden, daß man sich nicht in einem Gebilde von Menschenhand, sondern in der freien Natur befinde. Diese an sich gesunde Richtung artete nun bald zur widerlichen Manier aus, als der phantasielose und nicht das geringste Verständnis für malerische Naturschönheit besitzende Gärtner des Königs in Hamptoncourt, Brown, sie in seiner Art in die Praxis umsetzte. Als gesuchter Landschaftsgärtner gestaltete er um die Mitte des 18. Jahrhunderts mit seinen Schülern die alten Gartenanlagen Englands der Reihe nach um, durch seine armselige, handwerksmäßige Manier jene verwüstend und ihren reizvollen alten Baumwuchs zerstörend. Spott und Ärger über dieses Treiben konnten nicht ausbleiben. Der vielgereiste Architekt William Chambers klagte, wie die Axt oft an einem Tage das Wachstum eines Jahrhunderts vernichte, wie tausende ehrwürdiger Bäume, ja ganze Wälder weggeschlagen würden, um schlechtem Grase und einigen amerikanischen Kräutern Platz zu machen. Er beschreibt sehr anschaulich die neuen Anlagen: wenn man sie betreten habe, erblicke man ein weites grünes Feld, worauf in geringen Abständen Bäume wachsen, umgeben mit einer verworrenen Einfassung von Gesträuchen und Bäumen. Ein in regelmäßiger S-Form geschlängelter Fußweg winde sich zwischen Einfassungen von Gebüsch hindurch. Auf der andern Seite des Gartens erblicke man genau dasselbe, was man vorher gesehen habe. Nirgends biete sich Schatten, und wenn der Wanderer ermüdet und aus Mangel an Erquickung sich entschließe, nichts mehr zu sehen, so bleibe ihm doch nur die Wahl, den Weg weiter bis zum Ausgange zu verfolgen oder umzukehren und den langweiligen Weg noch einmal zu machen.

William Chambers war in China gewesen und seine in den Jahren 1757 und 1772 herausgegebenen zwei Bücher über chinesische Gebäude und Gärten erregten nicht nur in England, sondern auch in Frankreich und Deutschland, wo sie in Übersetzungen erschienen, ungeheures Aufsehen. Ohnehin fanden damals, unter der Herrschaft des Rokoko, Erzeugnisse und Formen des chinesischen Kunstgewerbes in Europa weite Verbreitung. Gegenüber der Eintönigkeit des damaligen Landschaftsgartens konnten die Schilderungen, die Chambers in seinen Büchern vom chinesischen Garten gab, ihren Eindruck nicht verfehlen. Dieser letztere war im Gegensatz zum neuen englischen Garten sehr abwechslungsreich und bildete eine Vereinigung aller möglichen landschaftlichen Szenerien, wie zu Eingang geschildert wurde. Nach seinem Vorbilde errichtete man Berge, türmte Felsen auf, über die das Wasser in rauschenden Fällen herabstürzte, bildete Inseln, die man mit Brücken verband, baute griechische Tempel, chinesische Pagoden, ägyptische Pyramiden, türkische Moscheen mit Minarets. Um alles recht natürlich zu machen, kostümierte man die Dienerschaft so, wie es der Stil der einzelnen Gebäude verlangte. Da die führenden Geister der Zeit, wie Rousseau, die Rückkehr zum einfachsten Leben, zum Urzustande der Menschheit predigten, so errichtete man auch ländliche Gebäude und vor allem mit Baumrinde bekleidete Einsiedeleien, die Eremitagen, die den rechten Hintergrund für die Schäferspiele hergeben sollten, mit denen man in seidenen Hirtengewändern und mit bebänderten Hirtenstäben dem Rufe nach Natürlichkeit Folge zu leisten glaubte.

Das Ganze fand reichliche Nahrung an einem besonderen Zuge der Zeit, an der Empfindsamkeit, an dem Verlangen nach Rührung, an der Sucht, große Gefühle zu haben, wovon die ganze damalige Zeit erfüllt war. Man denke nur an Werthers Leiden von Goethe. Auch der Garten sollte bestimmte Empfindungen wecken, sollte nach dem Prinzip der Abwechslung mit seinen einzelnen Teilen verschieden auf die menschliche Seele wirken. In Deutschland wurde das alles mit bekannter Gründlichkeit in ein System gebracht. Der Kieler Philosoph Hirschfeld gab in den Jahren 1777–1782 ein fünfbändiges Werk: Theorie der Gartenkunst heraus. Er dachte sich den Garten als eine Anstalt, Bewegungen der Seele zu erregen wie Vergnügen, Wonne, Schwermut, Erstaunen, Andacht, Ehrfurcht, Ruhe, Frieden, und demgemäß unterschied er in ihm Teile, die solche seelische Empfindungen auslösen sollten. Dem Anmutigen und Heitern sollte das Erhabene oder Melancholische, dem Lieblichen und Sanften das Wilde oder Romantische folgen. Eine Überraschung sollte die andere ablösen und dadurch den Eindruck der Szenerien steigern. Dazu hatte man auch noch andere Mittel, die zur Anwendung gelangten. Man erbaute Tempel, die der Freundschaft, der Liebe, der Einsamkeit, der Tugend gewidmet waren. Um menschliche Großtaten auf sich einwirken zu lassen, errichtete man berühmten Männern, Helden, Dichtern, Gelehrten, Philosophen im Garten Monumente. Die Schauer der Wehmut, denen man sich nur allzugern hingab, weckte man an einsamen Stellen des Gartens durch Grabdenkmäler, durch den Genius des Todes mit gesenkter Fackel, durch epheubewachsene Sarkophage und von Trauerweiden beschattete Urnen. Da man gleichwohl das Gefühl hatte, daß alles dies nicht ausreiche, um den gewünschten Effekt zu erzielen, suchte man die nötige Stimmung durch Inschriften zu erzeugen. Überall waren gereimte oder ungereimte Sprüche, meist Zitate aus lateinischen und einheimischen Dichtungen, angebracht, in denen die Natur mit bestimmten seelischen Erregungen in Einklang gebracht wurde.

Den Klassizismus löste die Periode der Romantik ab, und neue Grundsätze wurden für den Bau der Gärten aufgestellt. Besonders brachte der englische Gärtner Repton von 1794 an den Gartenbau auf einen besseren Weg, indem er die Forderung aufstellte, daß der Boden, auf dem der Garten angelegt werden soll, nach seiner natürlichen Beschaffenheit zu benützen sei, womit er die künstlichen Berge, Seen und dergleichen verwarf. Auch trennte er die nächste Umgebung des Hauses, den pleasureground, von der weiteren Umgebung, dem Park, und forderte für ersteren eine architektonische Ausbildung unter Wiedereinführung der blumengeschmückten Terrasse. Mit Repton schließt die Entwicklung des englischen Landschaftsgartens ab; er fand keine größeren Nachfolger, und seine Grundsätze blieben während des ganzen 19. Jahrhunderts herrschend. Wer heute dieses Land bereist, wird in manchen Gegenden, wo die Landwirtschaft fast völlig durch die großen Landsitze zurückgedrängt ist, den Eindruck bekommen, als ob das ganze Land ein großer Park sei, so dicht reihen sich die einzelnen Anlagen aneinander. Immer ist es dasselbe Bild: Wiesen, Waldstücke, Baumgruppen und Einzelbäume, dazwischen die sanftgewundenen Bäche und Flüsse. Diese in verschönertem Bilde sich zeigende typische englische Landschaft suchte man seit dem Beginne des 19. Jahrhunderts auf dem Kontinente nachzuahmen, auch da, wo der Charakter der Gegend ein ganz anderer war, also bei Befolgung der englischen Grundsätze ein durchaus anderes Bild sich hätte ergeben müssen. Ein Landschaftsgarten in der Lüneburger Heide z. B. würde einen ganz andern Charakter zeigen müssen, als ein Landschaftsgarten im Harz. In diesen Fehler verfielen auch die ersten Nachahmer des Reptonschen Gartens in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, so von Sckell, dessen Hauptwerk der englische Garten in München ist. Erst Fürst von Pückler (1785–1871) betrat in Deutschland den richtigen Weg. Unter dem Eindruck der großen englischen Anlagen, die er selbst studiert hatte, schuf er in den Jahren 1816–1845 den Park der ihm gehörenden Standesherrschaft Muskau in Schlesien um und gab 1834 eine Schrift über Landschaftsgärtnerei heraus, worin er seine Anschauung begründete. Er unterscheidet vor allem scharf zwischen dem Garten, der nach der Weise der älteren Gartenkunst eine Fortsetzung des Hauses sein sollte, und dem Park in der weiteren Umgebung des Hauses, der stets dem Charakter des Landes und des Klimas angepaßt sein müsse. Nach diesen Grundsätzen schuf er aus Muskau eine mustergültige Anlage, einen Park, der aus wirklichen, natürlichen Wäldern, Wiesen, Gewässern, Hügeln und Tälern besteht. Unter seiner Mitwirkung entstanden in der Folge eine große Anzahl fürstlicher Gärten, die heute zu unsern schönsten Anlagen zählen, so z. B. diejenigen von Babelsberg und Potsdam.

Bild 75. Plan einer englischen Gartenanlage. (Nach einem Stich von 1802.)

Fast gleichzeitig mit ihm war als ausübender Gartenkünstler der spätere Generaldirektor der königlich preußischen Gärten Peter Joseph Lenné tätig. In den Jahren von 1816–1866 schuf er ganz in dem vom Fürsten Pückler geforderten Sinne um Potsdam herum die Schloßgärten von Babelsberg, Klein-Glienicke und Sanssouci. Inmitten dieser reich verschönerten Landschaft aber legte er 1825 im Vereine mit dem großen Architekten Schinkel den Garten der lieblichen Villa Charlottenhof an, die dem damaligen Kronprinzen, dem nachmaligen Könige Friedrich Wilhelm IV., gehörte. Schinkel hatte das Haus nach Art einer altrömischen Villa entworfen, und dem mußte sich der Garten anpassen. So entstand denn hier ein überaus reizvoller Garten mit Terrassen, regelmäßig geordneten Blumenbeeten, Laubengängen, Fontänen und Teichen. Nach der Beschreibung des jüngeren Plinius, die wir zu Eingang gaben, wurde sogar ein römischer Hippodrom angelegt. Die schon bei Lenné hervortretende Neigung zum regelmäßigen architektonischen Garten entwickelten seine Nachfolger weiter, wie z. B. der regelmäßige Königsplatz am Tiergarten in Berlin beweist. Sie erwachte aber auch an andern Orten Deutschlands, so in München, wo im Jahre 1862 von Effner das ausgedehnte Parterre im französischen Garten des Schleißheimer Schlosses im Auftrage Ludwigs I. wieder herstellte. Im Garten des Schlosses Linderhof in den bayrischen Voralpen schuf dann Ludwig II. eine Anlage ganz italienischen Charakters mit Terrassen, die sich vom Schlosse zu einem großen, in Marmor gefaßten Wasserbecken senken, dessen Wasser in Kaskaden und Fontänen, begleitet von Marmortreppen, hinter dem Schlosse von der Berglehne herabströmt.

Zu einem Abschluß und zur theoretischen Begründung des neuen Gartenbaustils, dem heute mehr oder weniger alle Gartenkünstler folgen, brachte es erst der frühere königliche Hofgärtner in Sanssouci und spätere städtische Gartenbaudirektor von Berlin, Gustav Meyer, dessen berühmteste Schöpfungen der Marlygarten bei der Friedrichskirche in Potsdam, der Friedrichs- und der Humboldtshain bei Berlin, der Bremer Stadtpark usw. sind. Wie der Hausgarten zum Privatpark, so verhält sich zum Stadtpark der öffentliche gartenmäßig geschmückte Platz im Innern der Stadt. Auch er, der ganz von Häusern umgeben ist, hat sich nach der neueren künstlerischen Anschauung den Gesetzen der Architektur zu unterwerfen; doch kommen hier vor allem die Verkehrsrücksichten in Betracht, denen sich die Anlage anzupassen hat. Ihn schmücken vor allem Teppichbeete und Gruppen von Zierpflanzen, deren die moderne Gartenkunst eine Menge besitzt.

Dadurch, daß man erkannt hat, welch große Bedeutung sowohl in ethischer, als sanitarischer Beziehung der Gartenkunst zukommt, hat man vor allem die durch die Beseitigung der Bollwerke um die Städte zur Bepflanzung freigewordenen Plätze zur Herstellung von Gartenanlagen benutzt, die den Erholung suchenden Städtern einen angenehmen Aufenthalt darbieten. In den neueren Stadtteilen sucht man von vornherein schattige Alleen und durch die Gärtnerkunst geschmückte Anlagen zu schaffen, die mit ihrem frischen Grün und den bunten Farben der in ihnen gepflanzten Blumen dem Auge eine wohltuende Abwechslung im Einerlei der Häusermassen verschaffen. Und wie im öffentlichen Leben, so ist auch in die Häuslichkeit der minder Bemittelten die Freude an Pflanzengrün und Blütenschmuck immer mehr eingedrungen, besonders seitdem der Jugend in der Schule die Liebe und das Verständnis zur Pflanze zugleich mit einer Anleitung zu deren Pflege und Aufzucht vermittelt wird. Um aber auch einen Wettstreit unter den Erwachsenen hervorzurufen, durchwandern in vielen Städten die Mitglieder gewisser Kommissionen die Straßen, um den am schönsten geschmückten Balkonen und Fenstern Preise und Belobungen zu erteilen.

In den Großstädten sucht man immer mehr auf die Dächer der Häuser ein Stückchen Natur zu bringen, indem man Blumen auf ihnen ansiedelt und ganze Gärten darauf schafft. Schon in den großen Städten des Altertums haben sich die ärmeren Leute, denen kein Stückchen Land zum Bepflanzen zuteil geworden war, mit solchen Dachgärten beholfen, wie uns die alten Schriftsteller berichten. Besonders liebte man Reblauben, pergulae genannt, anzulegen, welche die Terrasse oder den Garten an der Wohnung anmutig beschatteten. Selbst größere Bäume wurden in großen Tonkübeln in solcher Menge gezogen, daß bei manchen Autoren von förmlichen Lusthainen auf den Dächern der großen Städte des Altertums die Rede ist. Durch Pumpen hinaufgeleitetes Wasser sprang aus dem marmornen Becken eines Springbrunnens, floß dann vielfach in geräumige Fischbehälter und diente, rund um das Haus geleitet, zur Sicherung desselben bei Feuersgefahr. Und wer zu arm für solchen Aufwand war, dem mußten wie bei uns einige in den Fenstern seiner Wohnung in irdenen Töpfen gezogene Blütenpflanzen genügen. Der sarkastische, unter Nero aus Bilbilis in Spanien nach Rom gekommene und ums Jahr 102 verstorbene römische Epigrammdichter Martialis ließ in einem uns erhaltenen Gedichte einen seiner Gönner wissen: „Der Garten, lieber Lupus, den du mir unter der Stadt geschenkt hast, ist sehr klein, fast kleiner als das Gärtchen in meinem Fenster.“ Und daß dieser Schmeichler und Günstling verschiedener Kaiser lange Zeit kärglich genug lebte, bezeugt eine Stelle aus einem anderen seiner Poeme, worin er sagt: „Mein Stübchen, guter Freund, ist im Winter eisig kalt und hat nicht einmal einen ganzen Fensterladen; selbst Boreas (der Nordwind) würde sich für eine solche Wohnung bedanken. Besser als ich sind deine Obstkulturen daran; diese stehen hinter Scheiben von Marienglas (Glimmer), und freundlich scheint von Süden die Sonne hinein.“

Wie einst die prachtliebenden Tyrannen der reichen griechischen Handelsstadt Siziliens Syrakus, wollten auch die prunksüchtigen Kaiser des weltbeherrschenden alten Rom Gärten sogar auf ihren großen Lustschiffen haben. So ließ schon der spätere Bundesgenosse der Römer, Hieron II., der von 269–215 v. Chr. über Syrakus herrschte, auf seinem Prachtschiff einen ganzen schwimmenden Garten mit Lusthäusern, Pergolen, Blumenrabatten, Schwimmbassins und Ringplatz anlegen. Diesen Luxus suchten die römischen Kaiser noch zu übertrumpfen. So berichtet uns der Geheimschreiber des Kaisers Hadrian, Suetonius (70–145 n. Chr.), von dem nach den Soldatenstiefelchen, die er als Kind im Lager trug, Caligula genannten dritten römischen Kaiser, Gajus Cäsar, Sohn des Germanikus und der Agrippina, der von 37–41 n. Chr. herrschte, daß er sich Schiffe mit zehn Reihen von Ruderbänken übereinander bauen ließ. Dieselben waren auf das Köstlichste eingerichtet und mit Kunstgegenständen aus Gold und Edelsteinen reich geschmückt. Die Segel waren buntfarbig, und große Bäder aus Marmor, Säulenhallen und prunkvolle Speisesäle waren vorhanden. Weinstöcke und Obstbäume aller Art standen in Menge auf dem Verdeck. Unter diesen lagerte sich der Kaiser mit seinem Gefolge und fuhr unter schallender Musik den Küsten Kampaniens entlang. Bekanntlich sind neuerdings prächtige Überreste zweier solcher luxuriös eingerichteter altrömischer Kaiserschiffe von 76 beziehungsweise 64 m Länge, die den prunkvollen Festen dieses Kaisers und vielleicht auch schon seines Vorgängers Tiberius als Hintergrund dienten, aus dem Nemisee nördlich von Rom gefischt worden. Schon sie geben uns einen Begriff von der kostbaren Einrichtung dieser Riesenschiffe, zu deren Hebung man eine zeitweilige Trockenlegung des Sees plant, da man zahlreiche wertvolle Kunstgegenstände in ihnen zu finden hofft.

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