XXVI. Die pflanzlichen Wohlgerüche.

Die Hervorbringung von Duftstoffen ist eine ungemein verbreitete Erscheinung in der Pflanzenwelt. Von den niederen Pilzen bis hinauf zu den höchsten Blütenpflanzen wird dieser Weg mit Vorliebe eingeschlagen, um die verschiedenen Insekten zur Verschleppung der Sporen oder zur Befruchtung der Blüten durch Übertragung des Blütenstaubs herbeizulocken. Auch bei den Tieren steht die Ausbildung von Duftstoffen in engster Beziehung zur Fortpflanzung, und zwar wenden sie hier die Männchen zur Anlockung und geschlechtlichen Erregung der Weibchen an. Man denke außer vielen anderen nur an den Duftstoff der Schmetterlinge, des Bibers, des Moschustieres und der Zibetkatze, welch beide letzteren dem Menschen die stärksten überhaupt existierenden Parfüme lieferten. Daß Wohlgerüche auch auf den Menschen anregend und belebend wirken, ist eine längst festgestellte Tatsache, die neuerdings auch durch wissenschaftliche Versuche belegt wurde. So konnte man beispielsweise feststellen, daß ein Mann, der unter gewöhnlichen Bedingungen am Ergographen 1 kg mit dem Daumen hochzuheben vermochte, unter dem Banne des Geruches von Tuberosen 1 kg und 100 g hochhob. In ähnlicher Weise die Psyche anregend und dadurch die Muskelkraft und die körperliche Leistungsfähigkeit überhaupt steigernd wirken andere Wohlgerüche. Vor allem wird aber die geistige Tätigkeit, besonders die Phantasie durch gewisse Düfte angeregt, die bei den verschiedenen Menschen ganz verschieden bevorzugt werden. So liebte der große Dichter Friedrich Schiller beim Geruche faulender Äpfel, die er sich stets in der Schublade seines Schreibtisches hielt, Viktor Hugo dagegen bei demjenigen der wilden Winde zu dichten. Starke Düfte wie Moschus regen auf, und unangenehme Gerüche können empfindsame Menschen geradezu krank machen. So wurde der große Albrecht von Haller durch den Geruch von Käse, der Herzog von Epérnay durch denjenigen des Hasen geradezu ohnmächtig; Knoblauchgeruch entkräftete Heinrich III. von Frankreich, spornte dagegen Heinrich IV. zu den tollsten Streichen an.

In besonders nahen Beziehungen stehen Wohlgerüche zur Mystik und zum Geschlechtsleben. Im vorigen Abschnitt haben wir gesehen, wie das Verbrennen wohlriechender Harze und solche enthaltender Hölzer schon sehr früh in den Gottesdienst der orientalischen Kulturvölker eingeführt wurde, um durch die Geruchsorgane die Sinne zur leichteren suggestiven Aufnahme übersinnlicher Eindrücke in das für solche Dinge empfängliche Gemüt vorzubereiten und es so in Ekstase zu versetzen. Von den morgenländischen Religionen ging dieser Gebrauch auf die abendländischen über und spielt heute noch eine bedeutende Rolle im Kulte. Vom Verbrennen solch wohlriechender Drogen wie Weihrauch, Myrrhen und bei den alten Europäern namentlich von Holz und getrockneten Beeren des Wacholders, rührt auch der in den deutschen Sprachgebrauch übergegangene französische Ausdruck Parfüm her, der aus dem Lateinischen per fumum abzuleiten ist, was „durch den Rauch“, d. h. durch die Verbrennung gewisser Substanzen erzeugter Wohlgeruch bedeutet.

Alles deutet darauf hin, daß sich das Weib zuerst der Wohlgerüche als sexuellen Reizmittels bediente und erst weit später dieselben zur Verdeckung eigener übler Gerüche verwendete. Es ist durchaus kein Zufall, daß bei allen Verführungsszenen im Alten Testament Parfüms erwähnt werden. So weit wir in der Geschichte zurückzugehen vermögen, finden wir wohlriechende Salben und Öle im Inventar vornehmer Frauen und Hetären, und zwar war schon im alten Reiche in Ägypten die Verwendung der Wohlgerüche so spezialisiert, daß für alle Körperteile besondere Parfüms zur Anwendung gelangten. Von den Orientalen, die bis auf den heutigen Tag große Liebhaber von Wohlgerüchen sind, so daß sie sogar das Konfekt nach unserm Empfinden übermäßig parfümieren, übernahmen die Griechen und Römer diese Vorliebe für Wohlgerüche. Als die Makedonier im Gefolge Alexanders des Großen nach der Niederlage des Dareios bei Gaugamela am 1. Oktober 331 v. Chr. die luxuriösen Zelte des persischen Großkönigs Dareios plünderten, waren sie nicht nur über die mancherlei darin befindlichen Kostbarkeiten, sondern vor allem auch über den unermeßlichen Reichtum an wohlriechenden Salben und köstlichen Gewürzen erstaunt. Doch bald lernten sie an diesen Produkten einer verfeinerten Kultur selbst große Freude haben, und so war bald auch in den reichen Griechenstädten der Luxus an Parfümen ein gewaltiger, so daß sich schließlich die Gesetzgeber genötigt sahen, dagegen einzuschreiten. Das von den Alten wegen der in dieser Stadt herrschenden Vorliebe für diese wohlriechende Blume als „veilchenduftend“ bezeichnete Athen trieb in den drei letzten vorchristlichen Jahrhunderten die Parfümverschwendung so weit, daß für die verschiedenen Teile des Körpers besondere Salben im Gebrauch waren. Dort rieben die üppigen Frauen die Haare mit einem Parfüm aus Majoran ein, Kinn und Nacken dagegen mit einem solchen aus Thymian und die Arme mit einem aus Minze. In dem verweichlichten Rom der Cäsaren wurde die Verschwendung mit Wohlgerüchen auf die Spitze getrieben. Damals war das unter dem Konsulat des Licinius Crassus aufgebrachte Gesetz, das in Italien den Verkauf ausländischer Parfümerien verbot, schon längst als unhaltbar aufgegeben, und von weither bezog man die kostbarsten Essenzen, den Veilchenduft von Athen, Rosenöl aus Kyrene, Nardensalbe aus Assyrien, Hennablütenextrakt aus Ägypten usw. Die Verwendung der Parfüms stand ganz im Dienste der Liebesgöttin Venus, und der Handel mit den Wohlgerüchen wurde meist von Kurtisanen, Kupplerinnen und Bordellwirten ausgeübt.

Man macht sich keinen rechten Begriff von den Unsummen, die damals in Rom für Wohlgerüche und kostbare Salben ausgegeben wurden. Zahllos sind die von den alten griechischen und römischen Schriftstellern genannten Drogen, die zur Bereitung der täglich nach dem Bade zur Geschmeidigmachung des Körpers angewandten Salben verwendet wurden. Die hauptsächlichsten sind das Rosen-, Lilien-, Veilchen-, Narzissen-, Myrten-, Majoran-, Thymian-, Minzen-, Basilikum-, Iris-, Narden-, Kalmus-, Kardamom-, Balsamholz-, Zimt-, Kassia-, Malabathron- (von der ostasiatischen Kassienart Cinnamomum dulce), Safran-, Weihrauch-, Myrrhen- und Galbanumöl.

In seiner Naturgeschichte berichtet uns der beim Vesuvausbruch, der Pompeji und Herkulanum verschüttete, 79 n. Chr. umgekommene ältere Plinius, daß wohl die Perser die Erfinder der Salben seien; „denn diese schmieren sich bis zum Triefen damit ein. Das erste Salbenkästchen hat, so viel mir bekannt, Alexander nach der Besiegung des Darius unter den Sachen vorgefunden, die dieser König mit sich führte. Später hat sich der Gebrauch der Salben auch bei uns verbreitet. Man schätzt sie hoch, man glaubt, sie gehören zu den Annehmlichkeiten des Lebens, ja man geht so weit, daß man die Leute noch einsalbt, wenn sie tot sind.“

Die Namen der Salben sind teils von ihrem Ursprung, teils von ihren Bestandteilen, teils aus anderer Veranlassung hergenommen. Bald hat man der einen, bald der andern den Preis zuerkannt, bald hat man die einzelnen Salben am liebsten aus dem einen, bald aus dem andern Lande bezogen. Sie bestehen aus einem mit einem Riechstoff imprägnierten Öl und sind vorzugsweise mit Drachenblut (dem blutroten Harz des Drachenblutbaumes von Sokotra, der bekannten Insel Ostafrikas) oder Färberochsenzunge gefärbt. Dabei bewirkt eine Beimengung von Harz oder Gummi, daß sich der Riechstoff nicht so schnell verflüchtigt. Verfälscht werden die Salben auf vielerlei Art.

Es gibt Leute, welche die Salben lieber dickflüssig als dünnflüssig haben, die sich also mit ihnen lieber beschmieren als begießen lassen. Marcus Otho hat sogar den Kaiser Nero dahin gebracht, daß er sich die Fußsohlen salben ließ, was doch wohl barer Unsinn ist. Man hörte auch von einem einfachen Bürger, der die Wände seiner Bäder salben ließ. Der Kaiser Cajus (Caligula) ließ die Badesessel salben, und später machte sich auch ein Sklave des Nero dieses kaiserliche Vergnügen. Die Liebhaberei für Salben hat sich sogar in die römischen Feldlager eingeschlichen, und an festlichen Tagen werden die Adler der Legionen und andere bestäubte, von Lanzenspitzen umstarrte Feldzeichen gesalbt.

Wann der Gebrauch der Salben sich unter den Römern verbreitet habe, wage ich nicht zu sagen. Jedenfalls ist es aber gewiß, daß im Jahre der Stadt 565 (188 v. Chr.), nach Besiegung des Antiochus (im Jahre 190) und Asiens, die Zensoren Publius Licinius Crassus und Lucius Julius Cäsar das Gesetz gaben, daß niemand ausländische Salben verkaufen dürfe. „Jetzt aber ist es längst so weit gekommen, daß gar manche sie sogar in die Getränke tun und sich so auch inwendig parfümieren. Es ist auch eine Tatsache, daß Lucius Plotius, Bruder des Konsuls und Zensors Lucius Plancus, als er von den Triumvirn geächtet war und sich im Salermitanischen verborgen hielt, durch seinen Salbengeruch verraten wurde. Wird ein solcher Mensch totgeschlagen, so erleidet die Welt eben keinen großen Verlust.“ Plinius kann sich also mit diesem übermäßigen Parfümgebrauch, der durch griechischen Einfluß aufkam, nicht recht befreunden. Anderthalb Jahrhunderte später weiß uns der in Naukratis in Ägypten geborene und im luxuriösen Alexandreia lebende Grieche Athenaios manch interessanten Zug von der Salbenmanie der üppigen Griechen jener reichen Handelsstadt zu erzählen. So sagt er, daß es bei den Reichen Sitte sei, nach der Mahlzeit Salben in goldenen Gefäßen herumzugeben und man sich den Spaß mache, einem schlafenden Gaste das Gesicht tüchtig damit einzuschmieren.

Um zu zeigen wie sich ein echter griechischer Stutzer salbt, führt dieser sehr belesene Grammatiker Athenaios eine Stelle aus der Alkestis des Dichters Antiphanes an, wo es heißt: „Wenn er sich gebadet, läßt er sich aus einem goldenen Becken Hände und Füße mit ägyptischer Salbe einreiben, mit phönikischer Salbe dagegen Wangen und Brust, mit Minzensalbe die Arme, mit Majoransalbe die Augenbrauen und das Haupthaar, mit Thymiansalbe Knie und Hals.“ Dann führt er eine Stelle aus dem Gedichte Prokris an, wo vorgeschrieben wird, wie dem Schoßhund der Prokris abgewartet werden soll. A.: „Mach dem Hündchen ein weiches Lager aus milesischer Wolle zurecht und lege eine hübsche Purpurdecke darüber.“ — B.: „Du lieber Gott!“ — A.: „Koch ihm Weizengraupen mit Gänsemilch (wohl mit Honig gemischte Milch, worin Lebern eingeweicht sind)!“ — B.: „Potz tausend!“ — A.: „Salbe ihm die Füße mit megallischer Salbe!“ —

Derselbe Autor berichtet: „König Antiochos Epiphanes (A. IV., syrischer König aus dem Stamm der Seleukiden, regierte 175–163 v. Chr., reizte durch grausame Tyrannei die Juden zum Aufstand unter den Makkabäern und machte einen erfolglosen Angriff auf Ägypten) pflegte sich in öffentlichen Bädern unter der Menge des badenden Volkes mit zu baden und ließ jedesmal ganze, mit den kostbarsten Salben gefüllte Fäßchen mitbringen. Bei dieser Gelegenheit sagte einmal jemand zu ihm: ‚Ihr Könige seid doch recht glücklich, daß ihr so herrliche Salben führt und einen so angenehmen Wohlgeruch verbreitet!’ Der König gab keine Antwort, kam aber am anderen Tage wieder, brachte ein gewaltiges Gefäß mit, das mit der kostbaren Myrrhensalbe, welche stáktē heißt, gefüllt war, und ließ es über dem Kopfe dessen, der ihn glücklich gepriesen hatte, ausgießen. Sobald dies geschehen war, sprangen alle, die sich im Badehause befanden, scharenweise auf, rannten herbei, um auch etwas von der Salbe zu erwischen und sich damit einzuschmieren. Auch der König rannte in derselben Art herbei, und wie nun der Boden schlüpfrig war und einer über den andern herfiel, so gab es ein laut schallendes Gelächter.“ Späterhin schreibt er: „Bei einem großen, feierlichen Aufzuge, den derselbe König bei Gelegenheit der Daphnischen Spiele abhielt, befanden sich auch 300 Weiber, welche aus goldenen Urnen Salben umherspritzten.“

Auch bei öffentlichen Schaustellungen liebte man im üppigen Rom der Kaiserzeit, das Publikum mit Wohlgerüchen zu bespritzen; so schreibt der römische Philosoph und Tragödiendichter Lucius Annaeus Seneca (2–65 n. Chr.), besser als Erzieher und Leiter des jugendlichen Nero bekannt, in einer seiner Episteln: „Heutzutage hat man sogar die Erfindung gemacht, in verborgenen Röhren Wasser, das mit Safran gemischt ist, bis zu einer ungeheuren Höhe emporzupumpen, um die Leute im Theater damit zu bespritzen und zu parfümieren. Man hat die Kunst erfunden, das Theater plötzlich mit Wasser zu füllen und es so in einen Teich zu verwandeln, und wieder trocken zu legen; ebenso hat man die Kunst erfunden, bei Schmausereien dem Speisesaal bei jedem Gericht eine neue Decke zu geben.“

Von Kaiser Hadrian, der von 117–138 regierte, schreibt der Geschichtschreiber Älius Spartianus: „Kaiser Hadrian teilte zu Ehren seiner Schwiegermutter Gewürze (aroma) unter das Volk aus und ließ zu Ehren (seines Vorgängers) Trajan über die Stufen des Theaters (wohlriechenden Mekka-) Balsam und (zur Parfümierung in Wein gelösten) Safran fließen.“ Zu dessen Zeit wurden auch die Statuen in den Theatern mit duftenden Essenzen aller Art, besonders auch dem sehr beliebten Safran gesalbt, von welchem nach dem griechischen Arzte Dioskurides Thessalos behauptete, er sei das einzige wirklich gut riechende Ding. Es gab damals auch hohle Bildsäulen aus Erz, die mit feinen Poren bedeckt waren, aus welchen man wohlriechende Essenzen herauszupressen vermochte, so daß die Luft ringsum mit Wohlgerüchen erfüllt war. Auch bei Gastmählern der Vornehmen war die Einrichtung getroffen, daß aus den Kuchen und dem Obst bei der geringsten Berührung wohlriechende Parfüms, mit Vorliebe in Wein gelöster Safran herausflossen. Und von Kaiser Heliogabalus (eigentlich Valerius Avitus Bassianus, wurde als Oberpriester des syrischen Gottes Elogabalus, dessen Namen er selbst annahm, auf Anstiften seiner Großmutter Julia Mäsa, der Schwägerin des Kaisers Septimius Severus, 218 17jährig von den syrischen Legionen zum Kaiser ausgerufen, zog 219 in Rom ein, wohin er den orgiastischen Dienst seines Gottes verpflanzte und ein schwelgerisches, wollüstiges Leben führte, bis er schon 222 von der Leibgarde, den Prätorianern, ermordet wurde) berichtet sein Biograph Älius Lampridius: „Kaiser Heliogabalus ließ die Polster, auf denen er mit seinen Gästen bei Tische lag, oder die Betten, auf denen er ruhte, mit Rosenblättern füllen, ließ die Säulenhallen mit Rosenblättern bestreuen und ging auf diesen spazieren, oder er gebrauchte statt der Rosen allerlei Blumen wie Lilien, Veilchen, Hyazinthen und Narzissen. Er badete nur in Teichen, deren Wasser mit edlen Essenzen oder mit Safran gemischt war. Die Polster, auf denen er gewöhnlich bei der Mahlzeit lag, waren mit Hasenhaar oder Rebhuhnfedern ausgestopft. — Einst lud Heliogabalus die vornehmsten Herren zu Gast und wies ihnen als Sitz Sofas an, die mit Safran gepolstert waren.“ Auch andere antike Schriftsteller melden allerlei von solchem, erst durch orientalische Einflüsse in das Rom der Cäsaren gekommenen extravaganten Luxus.

Nach dem Untergange der römischen Weltherrschaft beschränkte sich die Anwendung der feineren Parfümerien wesentlich auf das an Kultur höher stehende Morgenland und die Vornehmen von Byzanz, während das die Weltflucht predigende Christentum des Abendlandes solchem Luxus nicht gewogen war. Unter den Arabern, die, wie alle Orientalen, Wohlgerüche sehr lieben, wurde mit den Parfümen besonders von Rosen ein großer Luxus wenigstens unter den Vornehmen, die sich solches leisten konnten, getrieben. Und diese Liebhaberei verbreiteten sie überall in Nordafrika, Spanien und Sizilien, wo sie Fuß faßten. Hier war im Gegensatz zum asketischen Christentum überall eine Stätte frohen Lebensgenusses. Wie in Bagdad so wurden auch in Andalusien Blumengärten angelegt und heitere Feste gefeiert. Zur Zeit der Abbaditenherrschaft hatte Sevilla beispielsweise 400000 Einwohner und war ganz Andalusien durch die Fülle seiner reichbewässerten Kulturen ein Paradies, von dessen Herrlichkeiten sich als letzte Zeugen die auf Mandelbäume gepfropften Rosen erhielten. Als Beispiel des hier im Fürstenhause herrschenden Luxus sei erwähnt, daß, als einmal der Lieblingsgattin des als Dichter hervorragend begabten Abbaditenfürsten Muchtamid die Lust ankam, es den Weibern aus dem Volke nachzumachen, die sie mit bloßen Füßen Lehm treten sah, dieser duftende Spezereien zerreiben und auf den Boden des Saales ausstreuen ließ, so daß sie ihn ganz bedeckten. Alsdann ward Rosenwasser darauf gegossen, und mit Vergnügen wateten die vornehmen Damen in der schlammartigen Masse von Myrrhen, Weihrauch, Zimt, Ambra und Moschus. Erst durch den Einfluß der Kreuzzüge und der arabischen Ärzte kam auch im Abendlande die Anwendung von Wohlgerüchen bei den Wohlhabenden auf und drang während der Renaissance in breitere Volksschichten zunächst in den reichen Städten Italiens, später auch Mitteleuropas ein. Aus ihrer Heimat Florenz verpflanzte Katharina von Medici 1533 bei ihrer Vermählung mit Franz I. Sohn, dem nachmaligen König Heinrich II., den übermäßigen Gebrauch von Parfümen an den französischen Hof, der dann unter Ludwig XIV. und XV. die Verwendung von Wohlgerüchen beinahe so weit trieb, als es die Vornehmen im kaiserlichen Rom getan hatten. Wie der Kaiser Nero seine Gemächer stets mit Rosenessenzen parfümiert haben wollte, liebte Ludwig XIV. in einer stark nach Orangenblüten duftenden Atmosphäre zu leben. Der allmächtige Minister Richelieu, der seit 1624 unter Ludwig XIII. die Geschicke Frankreichs leitete, verließ nur selten sein scharfparfümiertes Arbeitszimmer. Zu seiner Zeit war der Geruch faulender Äpfel sehr beliebt und man rieb deren zersetztes, mit Gewürznelken und Zimt gespicktes Fleisch mit Fett zusammen, um sich mit der so erhaltenen Masse die Haare zu parfümieren. Es ist dies die Pomade, die von den faulen Äpfeln pommes ihren Namen erhielt und deshalb eigentlich wie im Französischen Pommade geschrieben werden sollte. So üppig auch der französische Hof war, so war er in bezug auf Reinlichkeit kein Muster, und hier wurden die Parfüme zum großen Teil zum Verdecken der eigenen üblen Gerüche verwendet. Im Gegensatz zur Badfreundlichkeit des Mittelalters war jene Zeit sehr wasserscheu; bis zum König hinauf mied man als Nachwirkung der mittelalterlichen Askese nach Möglichkeit selbst das tägliche Waschen von Gesicht und Händen mit Wasser, befeuchtete vielmehr nur diese Körperteile bei der Toilette mit Parfümen, und war daneben äußerst sparsam mit dem Wechseln der Leibwäsche, die viele Wochen anbehalten wurde, bis man sich endlich zum Wechseln derselben entschloß. Besonders unter dem liederlichen Ludwig XV. wurde die Verschwendung in der Anwendung von Parfümen eine heillose, so daß dessen eine Mätresse, die Pompadour, jährlich dafür mehr als eine halbe Million Franken ausgab. Und zwar waren damals die stärksten Düfte die beliebtesten, so außer Peau d’Espagne besonders Moschus, Zibet, Ambra und sogar Asa foetida (Teufelsdreck). In den Räumen, in denen sich der König aufhielt, mußte jeden Tag mit den Parfümen gewechselt werden. Noch die Kaiserin Josephine überfüllte ihr Schlafzimmer mit Moschusduft, während der Kaiser Napoleon I. sich mit Kölnischem Wasser überschwemmte.

Heute verwenden selbst die Vornehmen nicht mehr solch übertriebene Parfümierung, die nur ein Zeichen stumpfer Geruchsnerven und unfeiner Art ist. Am meisten Parfümluxus treiben noch die elegant sein wollenden Frauen, deren Geruchsorgan, wie durch eingehende wissenschaftliche Versuche festgestellt wurde, überhaupt weniger fein empfindet als dasjenige der Männer, so daß ihnen ein Parfüm noch angenehm ist, das letzteren vielfach schon unangenehm stark erscheint. Aber wenn auch heute bedeutend weniger ausgiebig wie früher parfümiert wird, so ist dennoch der Verbrauch an Parfümen sehr viel größer als je in der parfümwütigsten Vergangenheit, weil derselbe sich nicht mehr auf die höchsten Kreise, die sich diesen Luxus erlauben konnten, beschränkt, sondern sich auf alle Volkskreise gleichmäßig ausgedehnt hat, so daß die Herstellung derselben einen bedeutenden Industriezweig darstellt. Und zwar wird heute im Gegensatz zum Altertum nicht sowohl der Körper, als die getragene Leibwäsche und die Schränke und Behälter, in denen sie aufbewahrt wird, parfümiert, wobei jedes Individuum am besten sein eigenes, seiner Persönlichkeit entsprechendes Parfüm wählt und dann auch beibehält. Denn es ist entschieden als ein Fehler zu bezeichnen, daß man die Wohlgerüche alle Tage wechselt, wie es zwar auch manche Modeköniginnen tun, die immer das Parfüm gebrauchen, das nach ihrem Geschmack zur Farbe ihrer jeweiligen Toilette zu gehören scheint. Es ist ein Zeichen viel höherer Kultur und feinerer Sitte, wenn Damen unter allen Umständen den von ihnen als sympathisch empfundenen und deshalb gewählten Wohlgeruch immer, als unzertrennlich von ihrer Art und Person wählen, gleich der Rose, Lilie oder Nelke, die auch stets nur ihren spezifischen, ganz zu ihnen gehörenden und mit zur Kennzeichnung ihres Wesens dienenden Duft aufweisen. Am raffiniertesten wird der Parfümgebrauch in Frankreich getrieben, wo die eleganten Damen in die Säume ihrer Röcke und in die Achselseiten der Taillen schmale Streifen getrockneten Parfüms in Pulverform einnähen lassen, der bei jeder Bewegung des Rocksaumes und der Gestalt fein berauschend emporwirbelt. Dabei wird das Haar niemals parfümiert, da es bei jeder Person seinen eigenen Wohlgeruch hat, der sich nur bei der allergrößten, peinlichsten Reinlichkeit bei Anwendung vielfacher Waschung zeigt, und um so mehr hervortritt, je mehr das Haar gereinigt und gepflegt wird. So soll, um nur zwei Beispiele anzuführen, nach Ada von Gersdorff, das nun weiß werdende Blondhaar der deutschen Kaiserin Auguste Viktoria einen feinen, an Veilchenduft erinnernden Geruch aufweisen, während das einst dunkle, nun ebenfalls grau werdende Haar der Königinwitwe Margarita von Italien einen zarten Ambraduft aushauchen soll. Beide Fürstinnen parfümieren es niemals.

Europa verbraucht jährlich etwa 1 Million kg flüssiges Parfüm, 800000 kg Pomaden und Essenzen, außerdem aber ungeheure Mengen parfümierter Seifen, Puder, Räucherkerzen, Waschwässer usw. Die meisten Parfüms liefert Frankreich, das jährlich für über 12 Millionen Franken davon ins Ausland versendet, während Deutschland in demselben Zeitraum für gegen 2 Millionen Mark ein- und für 6½ Millionen Mark ausführt. Erst neuerdings ist auch England in den Wettbewerb mit jenen beiden Ländern getreten. In Frankreich ist die Südküste an der Riviera der Produktionsort der meisten Wohlgerüche, und zwar ist das Zentrum dieser Industrie das Städtchen Grasse, wenige Stunden westlich von Nizza, dann auch Cannes und Nizza selbst, wo gewaltige Kulturen wohlriechender Blumen angelegt sind, um dem Bedarfe der Parfümfabriken zu genügen. Diese verarbeiten jährlich ebenfalls über 1 Million kg der verschiedensten wohlriechenden Blumen und Kräuter und beschäftigen dabei etwa 15000 Menschen. Die Kunst der Parfümgewinnung aus Blumen ist hier erst in der Neuzeit aufgekommen. Und zwar sind die zur Parfümgewinnung verwandten Stoffe des Pflanzenreichs fast stets ätherische Öle, die aus den Blüten, Blättern, Fruchtschalen oder anderen Teilen der betreffenden Pflanze durch Auspressen, durch Destillation mit Wasserdampf oder durch Zusammenbringen mit Fetten, die sie aufnehmen, gewonnen werden. Die Destillation mit Wasserdampf wird da angewendet, wo der Duftstoff, wie z. B. in den Blüten der Rose, quantitativ ein für allemal ausgebildet ist. Dadurch würde man nun bei anderen Blüten, wie Jasmin, Tuberose und dergleichen, die während ihrer Blütezeit immer nur ganz geringe Mengen Parfüm auf einmal bilden, da sie durch den Wasserdampf getötet werden, bloß minimale Mengen des Duftstoffes gewinnen. Hier wendet man das Zusammenbringen mit einem das Parfüm gierig aufsaugenden Körper wie Fett an. Bei diesem Prozeß, den die Franzosen Enfleurage bezeichnen, kommen die betreffenden wohlriechenden Blüten auf hölzernen Gestellen zwischen zwei Fettschichten zu liegen, an die sie ihren Riechstoff abgeben, indem das Parfüm der vom Fett durch Gaze getrennten Blüten durch darüber geleitete Luft auf dieses Medium übertragen wird. Das Fett — früher reines Tierfett, jetzt bevorzugt man das geruchlose Vaselin — wird dann durch Extraktion mit Äther von dem eingedrungenen ätherischen Öl befreit oder kommt direkt als Pomade in den Handel. Auch nach der Extraktion ist meist noch so viel Duftstoff im Fett enthalten, daß dieser Rückstand als Haarpomade verkauft werden kann. Aus 1000 kg Jasminblüten lassen sich durch Destillation 200 g ätherisches Öl entziehen; bei der Enfleurage aber gewinnt man aus demselben Quantum etwa 1800 g ätherisches Öl und überdies noch die vorgenannte Menge bei der schließlichen Destillation. Dies macht also zusammen 2 kg Duftstoff.

Tafel 119.

Ein Feld von zur Parfümgewinnung angepflanzten Tuberosen in Südfrankreich.

Rosenernte auf den Feldern der Parfümerie B. Court in Grasse (Südfrankreich).

Tafel 120.

Das Sortieren der Rosen zur Gewinnung von Rosenöl.
(Parfümerie B. Court in Grasse.)

Das Extrahieren der ätherischen Öle im Wasserbad.
(Parfümerie B. Court in Grasse.)

Tafel 121.

Rosenernte der Firma Schimmel & Co. in Miltitz bei Leipzig.


GRÖSSERES BILD

Tafel 122.

Destillierraum für Rosenöl der Firma Schimmel & Co. in Miltitz bei Leipzig.


GRÖSSERES BILD

Je mehr Farbe und Gerbstoff eine Blüte ausbildet, um so weniger Riechstoff entwickelt sie. Weiße Blüten bilden, besonders wenn sie auf die Befruchtung durch in der Dämmerung fliegende Falter angewiesen sind, sehr starke Wohlgerüche aus, dann kommen die mehr auf den Besuch von Taginsekten eingerichteten gelben und roten und erst zuletzt die blauen Blüten. Grüne Blüten sind stets geruchlos, während bräunliche und schmutzigrote, faulendem Fleisch ähnlich gefärbte, zur Anlockung der die Befruchtung bei ihnen vollziehenden Aasfliegen jenen angenehme, für uns aber unangenehme indoloide Düfte entwickeln. Eine Überfülle von Licht erhöht wohl die Menge des Parfüms, vermindert aber dessen Feinheit; deshalb sind viele im Norden gezogene Duftstoffe an Qualität viel feiner als im Süden gewonnene. So übertrifft deutsches Rosenöl an Feinheit das bulgarische, das übrigens auch mit weniger Sorgfalt gewonnen wird, und Südengland bringt das wohlriechendste Lavendel- und Pfefferminzöl hervor.

Die meisten Pflanzen verdanken ihren Geruch einem komplizierten Gemisch verschiedener Verbindungen, und gerade die charakteristischsten darunter finden sich oft in äußerst geringer Menge, so daß die naturgetreue künstliche Nachahmung derselben zu den schwierigsten Aufgaben der chemischen Technik gehört. Seltener ist ein einzelner Stoff der alleinige oder wesentliche Geruchsträger, wie das Iron der Iris- oder Schwertlilienwurzel, das identisch ist mit dem Jonon in der Veilchenblüte — deshalb wird erstere im Volksmund auch Veilchenwurzel genannt —, das Vanillin in der Vanilleschote, das Kumarin in der Tonkabohne, im Waldmeister und Ruchgras, das Eugenol im Nelkenöl, der Zimtaldehyd im Kassia- oder Zimtöl. Eine Analyse des Blumenduftes ist deshalb meist ausnehmend schwierig, weil selbst Stoffe, die quantitativ nur in Spuren vorhanden sind, oft die gewichtigsten Faktoren im Konzert der verschiedenen Geruchskomponenten bilden. So sind Hauptbestandteile des höchst aromatisch riechenden Nelkenöls die schon längst bekannten beiden Duftstoffe Eugenol und Karyophyllen. Mischt man nun auch diese beiden Körper im richtigen Verhältnis, wie sie in den Gewürznelken enthalten sind, so hat diese Komposition durchaus noch nicht den Geruch des Nelkenöls. Da wurde im Laboratorium der größten deutschen Parfümfabrik, von Schimmel & Co. in Miltitz bei Leipzig, die Beobachtung gemacht, daß das allererste Destillat des ätherischen Öls ganz geringe Mengen eines äußerst intensiv und ganz anders riechenden Körpers enthielt. Setzte man nur wenige Tropfen von diesem dem Eugenol-Karyophyllengemisch zu, so erzielte man dann erst den charakteristischen Geruch des natürlichen Nelkenöls. Eine solche Substanz ist z. B. der Anthranilsäuremethylester, der dem Orangenblütenöl seinen Duft verleiht; mit seiner Hilfe kann man eine ganze Reihe noch anderer feiner Blumendüfte synthetisch erzeugen. Allerdings sind das alles mehr oder weniger glückliche Nachahmungen des Naturprodukts. Zu einem künstlichen Aufbau eines natürlichen Parfüms gelangt man meist nur dann, wenn der Geruchsträger ein einheitlicher Stoff ist. Eine solche Synthese gelang beim Vanillin aus Eugenol und beim Veilchenduft Jonon (identisch mit dem Iron der Schwertlilienwurzel) aus Geraniol, dem mit dem Rhodinol der Rose identischen ätherischen Öl des Geraniums und wohlriechender Grasarten. Ein Surrogat dagegen ist der künstliche Moschus, zu dessen Herstellung ein Zufall geführt hat. Als Bauer nämlich das Butyltoluol (das Toluol wird durch Destillation des Steinkohlenteers gewonnen) mit Salpetersäure behandelte und dabei in jenes drei Nitrogruppen einführte — dieselben Gruppen, die beispielsweise aus dem Glyzerin den gefürchteten Sprengstoff Nitroglyzerin hervorgehen lassen — erhielt er eine Substanz, die dem natürlichen, fast unerschwinglich teuren, der sexuellen Anreizung des Weibchens dienenden Sekret des männlichen Moschustieres täuschend ähnlich duftet.

Die Duftstoffe gehören den verschiedensten Körperklassen an. Die ätherischen Öle sind Verbindungen von Kohlenwasserstoffen und enthalten teilweise auch sauerstoffhaltige Körper. Viele scheiden beim Erkalten einen Stearopten genannten festen Körper von anderer Zusammensetzung als das flüssig bleibende Eläopten aus. Teilweise sind die Duftstoffe Alkohole, wie das Geraniol (identisch mit Rhodinol), das riechende Prinzip des kostbaren Rosenöls, oder das aus dem billigen Terpentinöl gewonnene Terpineol, das dem Fliederparfüm seinen charakteristischen Duft verleiht. Der Benzylalkohol ersetzt zusammen mit Benzylacetat den Wohlgeruch des Jasmins, der Zimtalkohol duftet nach Hyazinthen, das Menthol — auch ein Alkohol — gibt der Pfefferminze ihr würziges, erfrischendes Aroma. Von Aldehyden ist das Citral der Träger des Zitronengeruchs, Anisaldehyd derjenige des blühenden Weißdorns; auch das Vanillin der Vanille und das Piperonal des Heliotrops sind Aldehyde. Das Nitrobenzol ist das synthetische Bittermandelöl. Künstlich gewinnt man auch das Neroliöl genannte Öl der Orangenblüten, einen wesentlichen Bestandteil des Kölnischen Wassers. Eine wichtige Gruppe bilden auch die Ester, Verbindungen aus organischen Säuren und Alkoholen, weil sie nicht nur Geruchs-, sondern auch Geschmacksträger sind, und zwar vermitteln sie gewöhnlich Geschmack und Geruch von Obstsorten, wie Birne, Apfel, Ananas usw. Schon im Jahre 1850 erschienen sie als die ersten künstlich zusammengesetzten Parfüms im Handel, und zwar zuerst auf dem englischen Markt als apple-oil und pear-oil. Heute verwendet man sie meist für Limonaden, Fruchtbonbons und dergleichen mehr. Geruch und Geschmack stehen ja in engem Zusammenhang, und erst die Kombination von Geruchs- und Geschmackssinn vermittelt die Geschmacksabstufungen. Der leichteste Schnupfen hebt ja nicht nur die Geruchs-, sondern auch die Geschmacksempfindung mehr oder weniger auf.

Manche Duftstoffe riechen verdünnt und unverdünnt ganz gleich, so z. B. der Moschus; andere wieder duften nur in chemischer Reinheit sehr angenehm, während die geringste Verunreinigung einen widerwärtigen Mißgeruch bewirkt. Andere wieder, wie das Jonon, Vanillin und Kumarin, riechen in konzentrierter Form unangenehm scharf und kampferartig und erst in sehr großer Verdünnung lieblich. Die Gegenwart mancher Duftstoffe läßt andere selbst in den kleinsten Dosen stark hervortreten, so beispielsweise der Kampfer die im Schweiß enthaltenen Duftstoffe. Daher kommt es, daß, wenn jemand ein kürzlich erst aus dem kampferhaltigen Behälter geholtes Kleid anhat, er schon beim leichtesten Schwitzen einen unangenehm starken Schweißgeruch verbreitet. Wie sich einerseits das Geruchsorgan gegen bestimmte Düfte abstumpfen kann, so daß man sie vorübergehend oder dauernd nicht mehr riecht, so kann dasselbe andererseits auch durch Übung sehr verfeinert werden, was uns die Tee-, Hopfen- und Zigarrenhändler beweisen, die Unterschiede der von ihnen zu beurteilenden Ware herausriechen, die ein Ungeübter gar nicht herauszufinden vermag.

Man sollte meinen, das Vermögen, die Wohlgerüche zum Teil genau zu kopieren und auf künstlichem Wege vielfach in größerer Vollkommenheit darzustellen, habe die betreffenden Naturprodukte langsam verdrängen müssen. Dies ist aber durchaus nicht der Fall, sondern der Verbrauch der Drogen selbst steigt vielmehr und beide, Natur- und Kunstprodukt, beherrschen nebeneinander den Markt, wie dies beispielsweise bei der Vanille der Fall ist. Da viele Laien unbegreiflicherweise eine unbezwingliche Scheu vor allen chemischen Kunstprodukten empfinden, wird auch trotz allen Triumphen der Chemie in Zukunft stets das Naturprodukt neben dem Kunstprodukt in Ehren gehalten werden und seine alte Stellung behaupten.

Das älteste durch Destillation gewonnene ätherische Öl ist das Rosenöl, das im 9. Jahrhundert n. Chr. zuerst in Persien durch Ärzte aus den herrlich duftenden Centifolien des Landes gewonnen wurde. Ihm folgten die Destillate von anderen wohlriechenden Pflanzenteilen, besonders Orangenblüten, Levkojen, Moschusweide, Pfefferminze und anderen. Bald war dieser neue Industriezweig an seinem ältesten Herd, in Schiras in Persien, so verbreitet, daß der Staat von den Darstellern solcher ätherischer Öle, unter denen das Rosenöl an Bedeutung weit vorausstand, eine Steuer erhob. Die Kunst der Destillation kam dann im 10. Jahrhundert durch die Araber nach Spanien und drang von da über Frankreich allmählich nach Deutschland vor, wo sie auch zum Extrahieren der verschiedensten ätherischen Öle benutzt wurde. In Mitteleuropa war die Rose zu selten, als daß es sich lohnte, aus ihr das Rosenöl darzustellen. Dazu benutzte man die Fülle der wohlriechenden orientalischen Rosen. In Südeuropa ist eine Haupterzeugungsstätte des Rosenöls Kasanlik am Südabhange des Balkans in Bulgarien, wo die rote Damaszenerrose in solchen Mengen an Hecken gezogen wird, daß trotz der höchst primitiven, unzureichenden Destillation der Rosenblätter in kupfernen Retorten über direktem Holzfeuer alljährlich an 3000 kg Rosenöl gewonnen werden. Bedenkt man nun, daß 5000–6000 kg Blumenblätter der Rose nötig sind, um 1 kg Rosenöl zu liefern, so kann man sich vorstellen, um was für Mengen von Rosen es sich dabei handelt, die alle innerhalb eines Monats gepflückt und bearbeitet werden müssen. Die aufbrechenden Blüten werden in den ersten Morgenstunden, während welcher der Ölgehalt am größten ist, gepflückt und sollen noch an demselben Tage destilliert werden. An schönen, sonnigen Tagen, wenn der Rosenflor in überreicher Menge sich entfaltet, kommt man mit dieser Arbeit kaum nach, so daß dann viele Blüten unbenutzt stehen bleiben und verblättern. Welch herrlichen Anblick diese blühenden Rosenhecken im Mai und Juni gewähren, kann man sich leicht vorstellen. Bei der ungeheuren Menge an Blüten, die erforderlich sind, um größere Mengen des Rosenöls zu erzeugen, ist es kein Wunder, daß 1 kg davon im Großhandel gegen 800 Mark kostet. Dieses von den Türken Athar, d. h. Äther genannte Rosenöl ist hellgelb, von sehr intensivem Rosengeruch und erstarrt bei 15–22° C. Infolge seiner Kostbarkeit ist es kaum je unverfälscht zu haben. Am meisten dient dazu das denselben Riechstoff in reichem Maße enthaltende und deshalb sehr ähnlich duftende ätherische Geraniumöl, das in Almeria in Spanien, dann in Algerien und seit 1887 besonders auf der Insel Réunion aus den Blättern des hochrote Blüten aufweisenden, bis 1,6 m Höhe erreichenden Rosengeraniums (Pelargonium roseum) gewonnen wird. Dieses wird wiederum mit dem indischen Lemongrasöl verfälscht, das aus dem in Südindien heimischen bläulichgrauen Lemongras (Andropogon schoenanthus) gewonnen wird. Wie mit diesen beiden ätherischen Ölen wird das Rosenöl auch mit dem überaus wohlriechenden, balsamartigen ätherischen Öle verfälscht, das aus dem Holz des in Argentinien und Paraguay wachsenden, 18 m hohen Guajakbaumes (Bulnesia sarmienti) gewonnen wird und eine Ausbeute von 5,4 Prozent liefert.

Meist wird von den bulgarischen Rosenölfabrikanten das billige ostindische, als Palmarosaöl bezeichnete Lemongrasöl zum Verfälschen benutzt, von dem jährlich an 1000 kg dort eingeführt werden. Demnach ist also nicht weniger als ein Drittel des bulgarischen „Rosenöls“, von dem 1 kg im Großhandel, wie gesagt, gegen 800 Mark kostet, ostindisches Lemongras- oder Palmarosaöl, von dem 1 kg im Großhandel auf 23 Mark zu stehen kommt. Dabei wissen die schlauen Bulgaren mit der größten Raffiniertheit die Kontrolle des Staates zu umgehen und die beaufsichtigenden Beamten zu überlisten. Sie wissen dem Lemongrasöl durch längeres Stehenlassen an der Sonne seine Schärfe zu nehmen und ihm einen dem Rosenöl ähnlicheren Geruch zu verleihen und besprengen dann mit diesem Öl die frischgepflückten Rosenblüten schon auf dem Felde, so daß der im Destillierraum die Prüfung vornehmende Beamte nie andere als solche mit Lemongrasöl bespritzte Rosenblumenblätter zu Gesicht bekommt. Wer nun auch immer für schweres Geld erworbene kleine, längliche Glasfläschchen mit einigen Tropfen Inhalt aus der Türkei mit nach Hause bringt, kann sicher sein, kein reines Rosenöl gekauft zu haben; oft hat er nur Geranium- oder das noch billigere Lemongrasöl eingehandelt.

Mehr Garantie für reine Ware bieten die südfranzösischen Destillerien hauptsächlich in Grasse, ein tadelloses Produkt dagegen liefert die deutsche Firma Schimmel & Co. (Inhaber Gebrüder Fritzsche) in Miltitz bei Leipzig, die mit zielbewußter Energie die Rosenölgewinnung in die Hand genommen hat. Schon vor zehn Jahren hatte diese Firma 35 Hektare mit der roten, auch in Kasanlik angepflanzten Damaszenerrose angebaut, die über 260000 kg Blüten lieferten. Sie bringt jährlich etwa 100 kg Rosenöl in den Handel, welches an Reinheit und infolgedessen an Qualität das bulgarische Produkt weit übertrifft und deshalb im Großhandel das kg auf 1500 Mark zu stehen kommt. Doch liefert diese Firma auch ein künstliches Rosenöl zu 280 Mark als Engrospreis. Die von ihr benutzten Vakuumdestillationsapparate, die bis zu 45000 Liter zu fassen vermögen, entsprechen selbstverständlich den höchsten Anforderungen der Gegenwart, und die hohe technische Vervollkommnung bedingt bei gleichem Destillationsprinzip eine viel rationellere Ausnutzung des Rohmaterials und die Gewinnung eines in jeder Beziehung ausgezeichneten Produktes. Das Rosenöl selbst besteht aus einem duftlosen, wachsartigen, festen und einem flüssigen Körper, welch letzterer der eigentliche Duftträger ist und Rhodinol genannt wurde. Später stellte es sich heraus, daß es mit dem im Geraniumöl und Lemongrasöl enthaltenen Geraniol identisch ist, die Bulgaren also für ihre Verfälschung auf ein ätherisches Öl gestoßen sind, dessen wichtigster Bestandteil genau derselbe ist wie beim echten Rosenöl. Die große Verschiedenheit des Duftes ist auf geringfügige Beimengungen zurückzuführen, die trotz ihrer zurücktretenden Quantität den Charakter des Duftes bestimmen.

Da nun dem Altertum die Kunst der Destillation fehlte, die, wie gesagt, erst im 9. Jahrhundert n. Chr. von persischen Ärzten erfunden wurde, ist das, was die Alten unter Rosenöl verstanden, etwas ganz anderes, als was wir darunter verstehen. Ihr Rosenöl war eine Art Salbe (griechisch mýron), die wesentlich aus mit Rosenduft imprägniertem, fettem Öl, und zwar Olivenöl bestand. In seiner Arzneimittellehre teilt uns der um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. lebende griechische Arzt Dioskurides ihre Zubereitung in folgenden Worten mit. „Rosenöl (ródinon élaion) wird so bereitet: Es werden 5 Pfund und 8 Unzen (lateinisch uncia, im Gewicht von 1⁄12 Medizinalpfund oder rund 30 g) schoínos (Lemongras oder wohlriechendes Bartgras, Andropogon schoenanthus, von dem Dioskurides an einer anderen Stelle sagt, daß es in Arabien, und zwar die beste im Lande der Nabatäer wachse, frisch, mit der Hand gerieben, einen Rosengeruch verbreite, gekostet auf der Zunge heftig brenne und vielfach als Arznei angewendet werde) klein geschnitten, in Wasser geweicht, in 20 Pfund und 5 Unzen Olivenöl gekocht und zuweilen umgerührt. Hierauf wird das Öl durchgeseiht und es werden ihm die Blumenblätter (pétalon) von 1000 Rosen zugesetzt; diese dürfen nicht naß sein, werden aber vorher mit wohlriechendem Honig gesalbt und im Öle einen Tag lang zu wiederholten Malen mit den Händen gedrückt und umgerührt. Hat sich nun etwas Hefeartiges zu Boden gesetzt, so kommt die Masse in einen mit Honig ausgestrichenen Mischkrug. Die Rosenblätter werden aus dem Öle genommen, ausgedrückt, in ein anderes Gefäß getan, mit 8 Pfund 3 Unzen eingedickten Öles übergossen und wiederum ausdrückt. Das letztere Verfahren gibt die geringere Sorte Rosenöl. Man kann das Verfahren noch zweimal wiederholen, wodurch man eine dritte und vierte Sorte Öl bekommt. Jedesmal wird aber das Gefäß erst mit Honig ausgestrichen. Will man alle diese Rosenölsorten recht stark machen, so wirft man in das zuerst gewonnene Öl wieder ebensoviel frische Rosenblumenblätter, rührt sie mit Händen, die mit Honig gesalbt sind, um, drückt sie aus und setzt dieselben dann auch noch ebenso zur zweiten, dritten und vierten Sorte. So kann man siebenmal neue Rosen ins Öl bringen, dann aber muß man aufhören. Auch die Presse wird übrigens mit Honig bestrichen, und endlich wird das Öl sorgfältig von dem Safte der Rosenblätter getrennt; denn bleibt von diesem nur das Geringste darin, so verdirbt das Öl. — Manche Leute zerstampfen die Rosen, stellen die Masse an die Sonne, werfen sie dann in Öl und stellen dieses an die Sonne. Manche dicken vorher das Öl mit einem Zusatz von Kalmus und langdornigem Ginster ein; andere tun, um ihm eine schöne (rote) Farbe zu verleihen, Färberochsenzunge (anchúsa) hinzu, oder, um die Haltbarkeit zu befördern, Salz. — Das Rosenöl wird innerlich und äußerlich vielfach gebraucht.“

Seit der Gewinnung des echten Rosenöls im 9. Jahrhundert bildet es als persisches Athar einen sehr wichtigen Handelsartikel im ganzen Orient und gelangte von Persien aus bis nach Indien und China, wo es ebenfalls sehr geschätzt wurde. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts treten uns bestimmte Angaben über den Gebrauch dieses Rosenöls auch in Europa entgegen. Seit dem 17. Jahrhundert verbreitete sich die Rosenölindustrie von Persien aus weiter und gelangte damals auch nach Bulgarien, wo sie aber erst im 19. Jahrhundert die jetzige große Bedeutung erlangte. Die französische Rosenölindustrie begann um die Mitte des 19. Jahrhunderts, die deutsche erst 1883.

Wie auf Ceylon und Malakka das in Arabien und Ostindien wildwachsende, sehr gewürzhaft riechende und duftende Bartgras (Andropogon schoenanthus) als Lemongras zur Gewinnung des wohlriechenden Grasöles im großen angebaut wird, so ist dies in noch weit größerem Umfange mit dem in trockeneren Gegenden Südasiens verbreiteten Citronellgras (Andropogon citratus) der Fall, das sich von jenem durch seine rote Behaarung, die schmalen Blätter und die kurzen Blütenähren unterscheidet. Das 2–2,5 m hohe Gras wird aus Samen gezogen und gerade vor dem Blühen geschnitten. Bei sorgfältiger Kultur gibt es zwei bis drei Ernten im Jahr. In Südindien wird besonders auch das aus den Wurzelstöcken von Andropogon muricatus gewonnene Kuskus- oder, wie die Tamilen sagen, Votiveröl viel benutzt, aber in nicht sehr großen Mengen nach Europa ausgeführt. Dort wird auch viel Sandelholzöl aus dem in kleine Späne gehackten, rosenartig riechenden Kernholz des kleinen Sandelbaumes (Santalum album) destilliert, das in allerdings weniger ertragreicher Qualität auch auf den kleinen Sundainseln gewonnen und exportiert wird. In der Medizin dient es zur Behandlung der Gonorrhoe an Stelle des älteren Copaivabalsams. Das wohlriechende Holz dient zum Fournieren von Möbeln, zur Herstellung von allerlei kleinen Geräten, Götzenbildern und Rosenkränzen. Am meisten dient es — bei den Chinesen zugleich mit Weihrauch — als Räuchermittel in Tempeln und bei Begräbnissen; auch die wohlhabenden Araber räuchern mit demselben und lassen sich daraus wohlriechende Pfeifenrohre schnitzen.

Tafel 123.

Einbringen des Lavendels zur Destillation von Lavendelöl in Barrême (Alpes maritimes).


GRÖSSERES BILD

Tafel 124.

Vorbereitung zur Destillerie von Lavendelöl in Barrême (Alpes maritimes).


GRÖSSERES BILD

Ebenfalls bei den Chinesen als Parfüm und Medizin sehr beliebt ist die wohlriechende Wurzel der indischen Komposite Saussurea lappa, die von Kaschmir aus in bedeutenden Mengen über Kalkutta und Bombay dorthin exportiert wird. So importiert allein der Hafen Hankau jährlich für über 100000 Mark dieser Droge, die das ganze Mittelalter hindurch als Costuswurzel auch in Europa zu den stark begehrten Handelsartikeln aus dem Oriente gehörte. Auch im Morgenlande wurde sie viel gebraucht. Während diese aromatische Wurzel heute in der abendländischen Medizin keine Rolle mehr spielt, ist dies noch bei dem aus den gewürzhaft riechenden Blättern zweier nahe verwandter australischer Bäume destillierten Cajaputöl (vom malaiischen caju puti, d. h. weißer Baum, Melaleuca leucadendron) und beim Eucalyptusöl (von dem bis 130 m Höhe erreichenden, äußerst rasch wachsenden und daher zur Entsumpfung fieberreicher Gegenden benutzten Eucalyptus globulus) der Fall. Aus den Blättern einer anderen Myrtazee, Amomis caryophyllacea, wird in den kleinen Antillen, und zwar bis jetzt fast ausschließlich von wildwachsenden Bäumen, das Bayöl gewonnen, während aus den Früchten des hauptsächlich auf Jamaika kultivierten Pimentbaumes das Pimentöl hergestellt wird. Gleicherweise destilliert man aus den verschiedenen Gewürzen wie Zimt, Kassia, Gewürznelken, Muskatnuß, Cardamomen, Ingwer, Kalmus, Anis, Sternanis, Fenchel, Koriander usw. die betreffenden ätherischen Öle, die mancherlei Verwendung finden. Das gleiche ist mit den wohlriechenden Lippenblütlern der Fall, wie Pfefferminze, Fenchel, Melisse, Citronell, Krauseminze, Rosmarin, Lavendel, Thymian, Basilicum und Salbei, zu denen als eines der wichtigsten tropischen ätherischen Öle dasjenige eines Halbstrauchs von Indien, Ceylon und Malakka, Pogostemon patschuli, hinzukommt, das nach der bengalischen Benennung Patschuli heißt. Diese alle werden durch Destillation aus den Blättern und übrigen krautigen Pflanzenteilen gewonnen. Mit dem durchdringend riechenden Patschuli parfümieren die indischen Frauen ihre Kopfhaare, die Kaufleute die teuren Schale und den Tabak, die Chinesen ihre Tusche. Auch in Europa wird diese Essenz häufig zu Parfümerien verwendet, da der Duft derselben der haltbarste unter allen Pflanzengerüchen ist.

Mit dem Patschuliduft wurden übrigens die Europäer durch die damit parfümierten indischen Schale bekannt, die früher zu ganz enormen Preisen verkauft wurden. Einige französische Fabrikanten aber ahmten sie in so ausgezeichneter Weise nach, daß die Kaufleute das indische Fabrikat nur durch sein eigentümliches Parfüm zu unterscheiden vermochten. Natürlich boten die französischen Fabrikanten alles auf, um zu demselben Parfüm zu gelangen, damit kein Mensch mehr ihr Fabrikat vom indischen unterscheiden könne und sie dafür dieselben hohen Preise wie für jenes erhielten. Längere Zeit blieben ihre Bemühungen erfolglos, bis es endlich gelang, das Geheimnis zu lüften. Das getrocknete Patschulikraut kam nach Europa und der französische Schal war fortan auch durch die Nase nicht mehr vom echt indischen, durch Handarbeit hergestellten, zu unterscheiden.

Das in der Pflanze enthaltene Patschuliöl ist ein Beispiel dafür, wie der Naturprozeß, durch den der Duftstoff entsteht, erst künstlich eingeleitet werden muß. Die frisch gepflückten Blätter enthalten nämlich das Öl noch nicht; sie werden halbtrocken in den Schiffsraum verpackt und machen nun auf der Reise nach Europa eine Art Gärung durch, bei welcher erst der Duftstoff entsteht. Ganz ähnlich ist es mit der Entwickelung von anderen Duftstoffen, z. B. bei den Vanilleschoten, die in frischem Zustande keine Spur Vanillin enthalten. Erst durch einen künstlich eingeleiteten Gärungsprozeß kommt es zur Bildung dieses wohlriechenden Stoffes, der dann in feinen, weißen Kristallen die durch die Gärung schwarz gewordenen Schoten bedeckt. Ebenso entwickelt sich das gleich zu besprechende Kumarin der Tonkabohne, des Waldmeisters und verschiedener Grasarten erst nach dem Trocknen als Heu, wodurch erst jene Substanzen den bekannten, ihnen eigentümlichen betäubenden Duft erhalten.

Eines der feinsten und kostbarsten der flüchtigen Öle, dem in Südasien sogar der allererste Rang eingeräumt wird, ist das Ylang-Ylangöl, das aus den grünlichen Blüten des etwa 20 m hohen, auf den südasiatischen Inseln heimischen, von den Malaien als Kananga bezeichneten Baumes Cananga odorata, aus der Familie der Anonazeen, gewonnen wird. Es kommt fast ausschließlich aus den Philippinen über Manila in den Handel und wird aus den Blüten von kultivierten Bäumen, deren Duft sehr viel feiner als derjenige der wildwachsenden ist, hergestellt; das Öl der letzteren, das als Kanangaöl bezeichnet wird, kostet deshalb auch fast zwanzigmal weniger, nämlich bloß 25 Mark das kg, während das echte Ylang-Ylangöl von kultivierten Bäumen 480 Mark das kg im Großhandel kostet. Es ist lichtgelb, etwas leichter als Wasser und von großem Wohlgeruch. Durch die große Nachfrage und die sehr hohen dafür bezahlten Preise veranlaßt, wurde es seit Anfang der 1860er Jahre zuerst auf Luzon, dann auch auf Java dargestellt. Seit vier Jahren sind mit der Kultur des Kanangabaumes auch auf der französischen Insel Réunion bedeutende Erfolge erzielt worden, beträgt doch die Zahl der blütentragenden Bäume dort bereits etwa 200000. Der Baum nimmt zwar mit jedem Boden vorlieb, gibt aber den meisten Ertrag an Blüten auf gutem Boden. Auch müssen die Pflanzungen vor dem Winde geschützt werden, da die Zweige sich sonst durch Aneinanderreiben beschädigen. Nur die Bäume, die in geschützten Vertiefungen und auf kräftigem, feuchtem Boden gepflanzt wurden, haben sich als widerstandsfähig und nutzbringend erwiesen. Bei guter Pflege trägt die Pflanze schon nach 1½ Jahren die ersten Blüten, die aber noch arm an dem wohlriechenden Öl sind. Die erste volle Blüte pflegt vom vierten Jahre an einzutreten, steigert sich bis zum zehnten Jahre und bleibt dann eine ganze Reihe von Jahren auf demselben Ertrag. 10 kg Blüten von einem Baum entsprechen einer Mittelernte, doch kann ein solcher ausnahmsweise 50 bis 60 kg liefern. Durchschnittlich kann man pro Hektar 2000 kg Blüten rechnen, die 20 kg höchstwertigen Ylang-Ylangöles im Werte von 9600 Mark, oder 40 kg minderwertigen Ylang-Ylangöles liefern; es ist dies also eine mit Rücksicht auf die geringen Erzeugungskosten sehr rentable Kultur, die auch für die deutschen Kolonien sehr empfehlenswert wäre.

In Südasien werden schon lange die wohlriechenden Samenkörner einer strauchartigen Malve (Hibiscus abelmoschus) als Parfüm benutzt, z. B. zwischen die Wäsche gelegt. Sie riechen ähnlich wie Moschus und kommen deshalb als Moschuskörner in den Handel. Von Indien aus hat sich der Strauch, dessen unreife Früchte als beliebtes Gemüse gegessen werden, über die ganzen Tropen und Subtropen verbreitet und wird besonders in Westindien, speziell Martinique, im großen kultiviert. In den beiden letzten Jahrzehnten hat sich der Verbrauch des aus den Moschussamen gewonnenen ätherischen Öles außerordentlich gesteigert. Ihm im Geruche ähnlich ist das aus der bitteraromatischen Wurzel der in der zentralasiatischen Steppe heimischen Sumbulpflanze, eines Doldengewächses (Ferula sumbul), gewonnene andere Moschusöl, das ebenfalls ein Surrogat des echten Moschusöles bildet.

Der echte Moschus stammt bekanntlich von dem zwischen Nabel und Geschlechtsteilen liegenden, 30–50 g schweren Beutel des rehähnlichen, auf den Gebirgen Hinterasiens, besonders in Tibet und der Mongolei lebenden, 1,15 m langen Moschustieres (Moschus moschiferus), der mit einer bräunlichen, schmierigen Substanz von sehr durchdringendem Geruch gefüllt ist. Diese dient zur Anlockung und geschlechtlichen Erregung des Weibchens. Der beste Moschus kommt von der Provinz Jün-nan im südwestlichen China in kleinen, verlöteten Bleikästen zu 20–30 Stück in den Handel und kostet bis zu 3500 Mark das kg. In ähnlicher Weise wird auch das Zibet der männlichen Zibetkatze und das Bibergeil des Bibermännchens verwendet. Sie sind nebst der Ambra des Pottwales, die meist in größeren Knollen freischwimmend auf dem Meere angetroffen und gefischt wird, die einzigen aus dem Tierreiche gewonnenen Duftstoffe, denen in der Parfümerie eine große Bedeutung zukommt. Obschon wir hier nur die pflanzlichen Duftstoffe zu besprechen haben, müssen wir sie dennoch erwähnen, da sie zur Geltendmachung der pflanzlichen Duftstoffe sehr wichtig sind. So unangenehm sie konzentriert auf unser Geruchsorgan wirken, so angenehm sind sie stark in Alkohol verdünnt. Was sie für die Parfümerie so wichtig macht, ist nicht sowohl ihr eigenes Aroma, als vielmehr ihre Fähigkeit, die Geruchsentwicklung der ihnen beigemischten pflanzlichen Ingredienzen zu fördern und andererseits wieder zu fixieren, d. h. eine etwas zu rasche Verflüchtigung zu verhindern. Hierin werden sie am wirkungsvollsten von den künstlichen Riechstoffen unterstützt, dem zweiten großen Faktor in der Parfümeriefabrikation, den wir im wesentlichen der deutschen Riechstoffchemie zu verdanken haben. Von ihnen war bereits die Rede, so daß wir hier nicht näher darauf einzutreten brauchen.

Wie das in den Orchideenblüten nicht seltene Vanillin, das jetzt auch künstlich hergestellt wird, sich in konzentrierter Form in den gegorenen Schoten der Vanillepflanze vorfindet, so ist das in der Pflanzenwelt als Duftstoff weitverbreitete Kumarin, das, wie gesagt, dem Waldmeister, dem Ruchgras und dem Heu den charakteristischen Geruch verleiht, in der südamerikanischen Tonkabohne in besonders hohem Maße angehäuft. Die sie hervorbringenden Tonkabäume (Dipterix odorata) sind 20–27 m hohe Schmetterlingsblütler, die in den Wäldern Guianas, Venezuelas und Nordbrasiliens heimisch sind. Von dort kommen die über mandelgroßen, glänzend schwarzen, runzeligen Samen in den Handel, die sich nach vorübergehendem Einlegen in Rum mit farblosen Kumarinkriställchen bedecken. Während sie wie die Vanilleschoten und das Kraut von Waldmeister und Ruchgras frisch fast geruchlos sind, duften sie jetzt stark nach Heu, indem sich wahrscheinlich das Kumarin, wie das Vanillin und ähnliche Duftstoffe, aus einer andern leicht zersetzlichen Substanz erst bildet. Es dient vielfach zur Parfümerie, als wohlriechende Beigabe zum Schnupftabak, zur Bereitung von Maitrankessenz und zur Imprägnierung von gewöhnlichen, geruchlosen Kirschbaumtrieben, die dann als Weichselrohr zur Herstellung von Pfeifenrohren, Spazierstöcken usw. dienen. In der Medizin wird damit der penetrante Geruch des Jodoforms gemildert.

Reichliche Verwendung finden auch die in den Blüten und Früchten der Agrumen, wie auch in den wohlriechenden Blüten der verschiedenen Gartenpflanzen, wie Veilchen, Reseda, Maiglöckchen, Heliotrop, Hyazinthen, Tuberosen, Jasmin, Akazien usw. enthaltenen ätherischen Öle. Die Stadt Grasse in Südfrankreich ist das Zentrum von deren Kultur und Gewinnung. Dabei werden die gepflückten Blüten mit geschmolzenem Fett übergossen und umgerührt, erstarrt 24 Stunden liegen gelassen. Dann wird das Fett wieder geschmolzen und dieser Prozeß wiederholt, bis das Fett mit dem Riechstoff gesättigt ist. Zur Erreichung dieses Resultates sind von manchen Blüten bis 6 kg auf 1 kg Fett erforderlich. Für die feinsten Gerüche verfährt man in der Weise, daß man große, starke Glastafeln 0,5 cm hoch mit ebensolchem reinem Fett — früher Schweineschmalz und Rindstalg, jetzt meist Vaselin — belegt und in diese die Blüten, deren Duft man auffangen will, mit dem Kelch nach oben steckt. Auf die Glastafel wird eine zweite, in derselben Art zugerichtete gelegt, welche, als Deckel dienend, den Geruch nicht entweichen läßt; darauf wird eine dritte wiederum mit Blüten besteckt, Glasseite auf Glasseite gelegt, die man ebenfalls mit einer Deckplatte versieht, und so fort. Nach 25–30 Tagen ist das Fett mit dem Dufte der täglich gewechselten Blüten gesättigt. Diese als Pomaden bezeichneten parfümierten Fette bilden die Grundlage der meisten Parfümartikel. Aus ihnen kann man durch Extraktion mit Weingeist den Riechstoff als Essenz erhalten und in einzelnen Fällen ihn auch als ätherisches Öl für sich abscheiden. Der Sprit gibt dem Parfüm die Frische, und sein Geruch hat etwas Belebendes. Um nun die verschiedenen, vielfach mit Phantasienamen belegten Parfümwässer zu erhalten, werden die Essenzen in mannigfaltiger, als Fabrikgeheimnis geheimgehaltener Weise gemischt und zur gegenseitigen Durchdringung der Duftstoffe oft längere Zeit in Holzfässern gelagert.

Mehr von historischem Interesse ist das uns allen aus der biblischen Geschichte bekannte Nardenöl, mit dem auch die Füße des Heilands von der Ehebrecherin gesalbt wurden und das im Altertum als kostbares Parfüm eine große Rolle spielte. Es wurde bei den Alten aus mehreren wohlriechenden Pflanzen, besonders aus der Familie der Baldriangewächse, gewonnen. Die echte kostbare Nardensalbe des Altertums wurde aus der im mittleren Himalaja wachsenden echten indischen Narde (Nardostachys jatamansi) bereitet. Ihre Wurzel schmeckt bitter gewürzhaft und war neben dem Opium ein wichtiger Bestandteil des aus etwa 60 verschiedenen Pflanzenstoffen mit Beigabe der widersinnigsten tierischen Substanzen, wie z. B. des Fleisches von Giftschlangen, hergestellten Theriaks, eines vom griechischen Leibarzte des Kaisers Nero, Andromachos, erfundenen berühmten Gegenmittels gegen den Biß giftiger Schlangen und alle tierischen Gifte überhaupt, das dieser einst mit einem in Versen abgefaßten Rezept dazu jenem Kaiser zu Füßen legte. Seither wurde jenes Mittel bis ins vergangene Jahrhundert, wie das ebenfalls in der römischen Kaiserzeit von einem andern griechischen Arzte, Menekrates, erfundene Diachylonpflaster, ein durch Kochen von Bleioxyd in Öl mit Zugabe von Gummiharzen und Harzen bereitetes Zugpflaster, das bis heute in sehr hohem Ansehen beim Volke blieb, stets feierlich in aller Öffentlichkeit unter dem Schall von Trompeten und Trommeln hergestellt. Noch im Jahre 1787 schmetterten die Pauken und Trompeten bei der gewichtigen Darstellung dieses Theriaks, zu dessen Herstellung die Vipern in Neapel noch unter den Bourbonen unter staatlicher Aufsicht gefangen wurden. Das bei den vornehmen alten Römern besonders zum Salben des Körpers nach dem Bade sehr beliebte wohlriechende indische Nardenöl ist heute noch in seiner Heimat Indien ein geschätztes Duft- und Heilmittel, weshalb die Nardenpflanze dort zu diesem Zwecke von alters her angebaut wird.

Das aus einer anderen Baldrianart, Nardostachys grandiflora, in Nepal gewonnene Öl riecht weniger angenehm, aber stärker als das aus der echten indischen Narde gewonnene. Die arabische Narde wurde wahrscheinlich aus dem wohlriechenden Nardenbartgras (Andropogon nardus) hergestellt, das wohl der griechische Schriftsteller Flavius Arrianus (um 100 n. Chr. zu Nikomedia in Bithynien geboren, ward 136 unter Hadrian Präfekt von Kappadokien, starb unter Marc Aurel) in seiner Darstellung von Alexanders des Großen Feldzug nach Asien im Sinne hatte, als er schrieb: „Als Alexander durch eine Wüste gegen das Land der Gedrosier (eine iranische Landschaft, etwa dem heutigen Beludschistan entsprechend) vorrückte, fand er viele wohlriechende Nardenwurzeln, welche von den Phönikiern gesammelt, vom Heere aber in solcher Menge zertreten wurden, daß die ganze Gegend danach roch.“ Die italienische Narde dagegen wurde aus dem Lavendel, die kretische Narde aus Valeriana italica und V. tuberosa und die gallische oder keltische Narde aus Valeriana celtica und V. saliunca gewonnen, deren Wurzeln noch jetzt von Triest aus nach dem Orient ausgeführt werden, wo man sie zur Herstellung einer nach dem Bade zum Salben des Körpers beliebten Salbe benutzt. Letztere Baldrianart hat ihren Namen nach einer alten, schon vom griechischen Arzte Dioskurides im 1. Jahrhundert n. Chr. erwähnten ligurischen Bezeichnung erhalten. Dieser Autor schreibt nämlich in seiner Arzneimittellehre: „Die keltische Narde wächst auf den ligurischen Bergen, wo sie saliunka genannt wird. Es ist dies ein kleiner Strauch, der samt den Wurzeln gesammelt und in Bündelchen gebunden wird. Die Blätter sind länglich, gelblich, die Blüten quittengelb. Nur die Stämmchen und Wurzeln sind wohlriechend und im Gebrauch.“ Außerdem unterscheidet er eine indische und syrische Narde. „Letztere“, fährt er fort, „hat ihren Namen nicht davon, daß sie wirklich in Syrien wächst, sondern nur deswegen, weil die Seite des Gebirges, auf welchem sie wächst, nach Syrien zu liegt, während die entgegengesetzte Seite sich nach Indien hinneigt. Letztere ist am besten frisch, leicht, gelb, von starkem Wohlgeruch. Die indische Narde dagegen, die nach dem Flusse Ganges gangitis heißt, ist kraftloser, da sie auf nassen Stellen wächst. — Aus diesen wird die Nardensalbe (nárdinon mýron) auf verschiedene Weise mit allerlei Zusätzen bereitet.“

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