So lange es Menschen gibt, haben sie allerlei Verletzungen und Krankheiten zu erleiden gehabt, gegen die sie Linderungs- und Heilmittel anzuwenden suchten. Diese entnahmen sie zumeist der sie umgebenden Pflanzenwelt, der sie Zauberkräfte mancherlei Art zuschrieben, die sie sich zu Nutzen machten. So entwickelte sich in engstem Zusammenhang mit der Ausübung von Zauberei die älteste Medizin der Naturvölker, deren Spuren sich noch zahlreich in unserem Volkstume nachweisen lassen. Und während fürsorgliche Frauen und mitleidige Stammesgenossen die erste und in leichteren Fällen einzige Handreichung taten, wurden in schwierigeren Fällen die erfahrenen Alten der Sippe zur Übernahme der Behandlung zugezogen. Auf solche Weise erhoben sich die Erfahrensten des Stammes, denen die Sippengenossen volles Vertrauen entgegenbrachten, zu Zauberpriestern und Ärzten in einer Person. Manche unter ihnen genossen nicht nur zeitlebens das größte Ansehen, sondern wurden nach ihrem Tode als machtvolle Geister göttlich verehrt.
Ein solcher vergöttlichter Weiser und Arzt seines Volkes war dem uralten Kulturvolke der Ägypter I-em-hotep („der in Frieden kommt“), meist gekürzt Imhotep genannt, der uns als der älteste mit Namen bekannte Arzt der Welt entgegentritt und später zum Gott der Heilkunde erhoben wurde. Als solcher war er der gute Arzt der vergöttlichten Menschengeister und der lebenden Menschen, dem man in Krankheitsfällen Opfer und Gelübde darbrachte, damit er die Krankheit zum Guten wende und Heilung eintreten lasse. Denn von jeher wurde der über die Anwendung eines Heilkrautes gesprochene Heilsegen für wichtiger und wirkungsvoller gehalten als seine guten Eigenschaften als solche, und über allem stand das durch Opfer erlangte Wohlwollen solcher im Geisterreiche waltender Heilgewaltiger. Daß nun dieser Heilgott der alten Ägypter eine wirkliche, im Volksbewußtsein durch die Jahrtausende lebendig gebliebene Persönlichkeit war, darüber kann durchaus kein Zweifel bestehen. Und tatsächlich haben die neuesten Forschungen der altägyptischen Literaturdenkmäler ergeben, daß der Gegenstand solch nachhaltiger Verehrung, dessen Name als der eines weisen Priesters und mächtigen Zauberers, eines geschickten Arztes und großen Baumeisters durch die ganze ägyptische Geschichte hindurch unvergessen blieb, ein Zeitgenosse des Königs Zoser war, mit dem Manetho, ein ägyptischer Priester aus Sebennytos, der unter Ptolemäus I. (305–285 v. Chr.) lebte und in griechischer Sprache eine leider bis auf die von Julius Africanus und Eusebius uns mitgeteilten Bruchstücke und den kurzen Auszug bei Josephus verloren gegangene Geschichte seines Landes schrieb, die dritte Dynastie beginnen läßt. Dieser König Zoser herrschte vor den Erbauern der großen Pyramiden bei Gise von etwa 2980 v. Chr. an und begründete die Vorherrschaft der unterägyptischen Stadt Memphis, die er zu seiner Residenz erhob. Seiner Regierungszeit gehören die ersten größeren Steinbauten des Niltals an, und unter ihm begannen die in zunächst staffelförmigen Pyramiden errichteten Königsgräber, statt aus ungebrannten, nur an der Sonne getrockneten Lehmziegeln wie zuvor, aus Steinquadern gebaut zu werden. Unter ihm hat nun als einflußreicher Beamter seines Hofes und sein Hauptratgeber Imhotep gelebt, der sich schon im Leben solchen Ansehens bei seinem Könige erfreute, daß er sein Grab dicht neben dem Grabe seines Königs in der Stufenpyramide von Sakkara bei Memphis erhielt. Nach einer alten Tradition hatte er den ehrenden Beinamen „Herr der Geheimlehre und der Zahlen“. Die Gelehrtesten seines Volkes, die Schreiber, hatten ihn zu ihrem Schutzherrn erwählt. Und wer unter ihnen fromm war, weihte ihm regelmäßig eine Spende aus dem Wasserbehälter seines Schreibzeugs, ehe er seine Arbeit begann. Noch nach Jahrhunderten kannte das Volk die ihm zugeschriebenen Sprichwörter, und 2500 Jahre nach seinem Tode war er zum Gott der Heilkunde geworden, in welchem die Griechen, die ihn Imuthes nannten, ihren eigenen Heilgott Asklepios zu erkennen glaubten. Als Gott wurde er auf einem Sessel sitzend abgebildet, mit einem einfachen Lendentuche und Hals- und Armbändern wie seine vornehmen Volksgenossen angetan, in der Rechten den Zauberstab mit dem Kopf des Schakals, also des Tieres, das als Wächter des Eingangs in die Unterwelt gedacht war, an der Spitze und in der Linken den Nilschlüssel, das Symbol des Lebens, haltend.
Die ursprüngliche und angesehenste ärztliche Gottheit der alten Ägypter war aber die Göttin Isis, der man nicht nur die Entstehung zahlreicher Krankheiten, sondern auch die Macht zuschrieb, sie wieder zu heilen. Ihre göttliche Wunder- und Heilkraft bewies sie dadurch, daß sie ihren von Seth (der personifizierten Dürre) erschlagenen Sohn Horus (die am Himmel aufsteigende junge Sonne) wieder zum Leben erweckte. Sie lehrte dann die Menschen die Krankheiten erkennen und heilen. Die Erfindung vieler Arzneimittel wurde auf sie zurückgeführt. Wegen der großen Erfahrung, welche sie in der Arzneikunde besaß, brachte man Kranke mit Vorliebe in ihren Tempel, damit sie während des Schlafes durch einen von ihr eingegebenen Traum erführen, welches Mittel sie zu ihrer Heilung anwenden sollten.
Als dritte medizinische Gottheit galt den alten Ägyptern der Gott Thot (von den Griechen mit ihrem Hermes identifiziert). Von ihm heißt es im ärztlichen Papyrus Ebers, so genannt, weil ihn der bekannte Schriftsteller Prof. Georg Ebers während seines Aufenthaltes in Theben-Luxor im Winter 1872/73 von einem dortigen Kopten erwarb — er befindet sich jetzt auf der Leipziger Universitätsbibliothek und ist, trotzdem er zur Zeit der 18. Dynastie (1580–1350 v. Chr.) geschrieben wurde, noch so gut erhalten, als ob der Schreiber, der ihn beschrieb, erst sein Schreibrohr beiseite gelegt habe —, er sei derjenige, „der da die Bücher macht, die Erleuchtung schenkt den Schriftgelehrten und Ärzten, die sich in seiner Nachfolge befinden, um (die Menschen von ihrer Krankheit) zu erlösen.“ Er hieß eigentlich Tehuti und wurde schon zur Zeit der ersten Dynastie des Reichs um 3400 v. Chr. als Urheber und Beschützer des Schrifttums bezeichnet, als „Schreiber der Wahrheit“, „Herr der göttlichen Worte“, „Darreicher der Schriften“ usw. Beim Aburteilen der Seelen in der Unterwelt durch die Götter führte er Buch über die Wägung der Herzen. Er wurde ibisköpfig dargestellt, mit dem Henkelkreuz als dem Zeichen des Lebens in seiner Rechten und einer Papyrusrolle in der Linken. Der Mittelpunkt seiner Verehrung war die Hohe Schule von Sesennu (dem Hermopolis der Griechen), wo vornehmlich die Schreiber und Ärzte ausgebildet wurden. Der um 180 n. Chr. lebende griechische Sophist Claudius Älianus leitet in seinen 14 Büchern „Vermischte Erzählung“ den Namen dieses Gottes irrtümlicherweise von thouod Säule her, weil er als Erfinder aller Künste und Wissenschaften seine Weisheit in steinerne Säulen grub. Aus diesen hieroglyphischen Inschriften schöpften die Priester in den ältesten Zeiten ihr Wissen, merkten sich die dort verzeichneten Regeln der Arzneikunde und trugen sie nach Erfindung des Papiers in die 42 Rollen des Thot (von den Griechen entsprechend der Identifizierung des Thot mit ihrem Hermes hermetische Bücher genannt) ein.
Da die Krankheit bei den alten Ägyptern wie bei allen Völkern durch den Zorn der Götter herbeigeführt sein sollte und eine Versöhnung mit denselben nach der später aufgekommenen Lehre nur durch die Diener derselben bewerkstelligt werden konnte, so übten die Priester zugleich die Arzneikunde aus. Sie wurden in den verschiedenen Tempelschulen des Landes wie in den heiligen Schriften, so auch in der Arzneikunde unterrichtet und gingen dann zum Abschluß ihrer Studien nach Heliopolis, der berühmtesten medizinischen Hochschule von Ägypten, wo sie sich zu Spezialärzten für die verschiedenen Krankheiten des Menschen ausbildeten. Schon damals war die Heilkunde weitgehend spezialisiert, und es gab Augenärzte, die wegen dem schon damals verbreiteten Trachom sehr viel zu tun hatten und, nach einer Stelle im Papyrus Ebers, die von der „Öffnung des Gesichts in den Pupillen hinter den Augen“ handelt, offenbar schon Staroperationen ausführten, dann Kopfärzte, Ohrenärzte, Zahnärzte, die, wie man an den Kiefern mancher Mumien fand, bereits künstliche Zähne einzusetzen verstanden, Bauchärzte, Gliederärzte usw. Zahlreiche auf den Denkmälern abgebildete und in den Gräbern gefundene chirurgische Instrumente, wie Scheren, Lanzetten, Messer, Rasiermesser, Pinzetten, Sonden, Metallstäbchen zum Glühen, wie auch das Zubehör einer reichhaltigen Reiseapotheke beweisen, daß man schon im 3. Jahrtausend v. Chr. auch eine reiche chirurgische Tätigkeit entfaltete. Ferner sprechen vorzüglich geheilte Knochenbrüche an Mumien für eine große praktische Erfahrung im Einrichten von solchen und von Verrenkungen, wie auch für die Wundbehandlung im allgemeinen. Szenen, welche uns das Anlegen von Verbänden an diesem oder jenem Glied von Verwundeten und Kranken, das Darreichen von Arzneien, das Anlegen von Schröpfköpfen, die Vornahme verschiedener Operationen, wie Amputation und Kastration, veranschaulichen, finden sich auf verschiedenen Denkmälern. Zur durchgängig an den Knaben geübten Beschneidung, die wir beispielsweise auf einer Darstellung am Tempel des Chonsu in Karnak an den Kindern Ramses’ II. der 19. Dynastie (1292–1225 v. Chr.) dargestellt finden, dienten wie zu andern chirurgischen Eingriffen des Kultes Messer aus Feuerstein. Solche wurden auch in den Riten zahlreicher anderer Völker noch lange nach Einführung der Metalle als Werkzeugmaterial wenigstens bei gottesdienstlichen Handlungen beibehalten.
Die altägyptischen Ärzte übten keinerlei Privatpraxis aus, sondern standen im Solde des Staates. Sie wohnten wie die übrigen Priester mit ihren Familien in eigenen Häusern, bildeten aber unter sich eine durch strenge Satzungen geordnete Korporation, die auch in der Ausübung ihrer Kunst sich gewissenhaft an die vorgeschriebenen medizinischen Regeln des Thot zu halten hatte. Befolgten sie dieselben und starb der Kranke, so waren sie aller Verantwortung enthoben, hielten sie sich aber nicht an die vorgeschriebene Norm und gingen sie eigene Wege in der Methodik der Behandlung, so wurden sie mit dem Tode bestraft, und zwar auch dann, wenn der Ausgang der Krankheit ein günstiger war. Jeder Kranke wurde umsonst auf Staatskosten behandelt, mußte aber bei seiner Erkrankung nicht in das Haus des Arztes, sondern in den Tempel schicken, um ärztliche Hilfe zu erbitten. Dabei hatte der Bote genau anzugeben, an welchem Übel der Betreffende erkrankt sei, worauf der Arzt des Heiligtums nach irgend einem der Spezialisten des Kollegiums sandte und ihn in das Haus des betreffenden Patienten beorderte. Wenn auch die ärztliche Behandlung vollständig umsonst war, da ja die Priester vom Staate besoldet wurden und zu ihrem Unterhalt besondere Ländereien und sonstige Einkünfte erhielten, so war es doch Sitte, daß die Patienten nach ihrer Genesung demjenigen Heiligtum, das ihnen den Arzt gesandt hatte, je nach Vermögen einfache oder ansehnlichere Geschenke darbrachten oder zum Unterhalt der in den Tempelhöfen gehaltenen heiligen Tiere beitrugen.
Bei allen Völkern des Altertums waren die ägyptischen Ärzte um ihrer großen Erfahrung und Geschicklichkeit in der Behandlung der verschiedenen Krankheiten willen berühmt. Und obschon bei den Römern zu Ende der Republik und zu Beginn der Kaiserzeit die sehr angesehenen griechischen Ärzte eine überaus erfolgreiche Tätigkeit entfalteten, ließ man beispielsweise, wie uns Plinius berichtet, unter der Regierung des Kaisers Tiberius Claudius (41–54 n. Chr.) beim Ausbruch einer schrecklichen und furchtbar verheerend wirkenden Seuche ägyptische Ärzte nach Italien kommen, die mit ihren Kuren viel Geld verdienten.
Die als Ärzte die Heilkunde ausübenden Priester bildeten den niedersten Stand der Priesterschaft. Weit höher standen im Ansehen des Volkes die als Propheten bezeichneten Mitglieder des Priesterkollegiums, die nicht durch äußere Mittel, sondern durch Beschwörungen und Zaubermittel, wie auch durch Amulette allein mit Hilfe der Dämonen die Krankheiten zu bannen verstanden. So wurde auch bei diesem Volke, als es bereits sehr hoch in seiner Kultur gestiegen war, der beim Anwenden eines Mittels gesprochene Zaubersegen als noch viel wirksamer als die Arznei selbst betrachtet. Zu dieser Priesterkaste der Propheten gehörten auch alle die Weisen, Wahrsager und Zauberer, welche in den Büchern Moses, besonders im II. Kap. 7 und 8, als mächtige Zauberer mit ihren Beschwörungen Wundertaten vor dem Pharao verrichteten, aber von Mose, dem Jahve beistand, besiegt wurden. In den verschiedenen auf uns gekommenen ärztlichen Papyri wird jeweilen nicht nur die bei den verschiedenen Krankheiten anzuwendenden Heilmittel in genauer Rezeptierung, sondern auch die bei deren Anwendung auszusprechende Zauber- und Beschwörungsformel als das Allerwichtigste dabei sorgfältig angegeben. Schon bei ihrer Herstellung in den als asit bezeichneten, in besonderen Tempelräumen eingerichteten Laboratorien, an deren Wänden die heiligen Vorschriften zur Bereitung der Arzneien angegeben waren, mußten gewisse Zeremonien beobachtet und bestimmte Segen zu deren Wirksammachung gesprochen werden. Manche Kombinationen von Heilmitteln führte man direkt auf alte berühmte Heilkünstler oder gar Götter zurück. Die zahlreichen auf uns gekommenen Rezepte sind recht kurz gehalten und bestehen vielfach nur in Andeutungen, weil das einzelne als althergebracht und also allgemein bekannt vorausgesetzt wurde. Zur Herstellung der auf den medizinischen Papyri genannten Einreibungen, Salben, Umschläge, Pflaster, Tränke, Abkochungen, Speisemischungen, Klistiere usw., auf denen genau angegeben war, wann und wie sie zu applizieren oder einzunehmen waren, wurden allerlei pflanzliche und tierische Produkte, wie auch Mineralbestandteile zuerst sorgfältig mit der Wage gewogen und dann gemischt. Außer Natron, Brechweinstein, Antimon und Eisen bildeten zahlreiche pflanzliche Produkte nebst Wasser, Wein, Palmenwein, Essig, Honig, Menschen- und verschiedene Tiermilch, Blut, Galle, Fett und Exkremente der verschiedensten Tiere, auch Männer- und Frauenurin usw. eine wichtige Rolle. Die Mittel wurden für 4, 8, 9 oder 10 Tage verordnet. Die zahlreichen Rezepte zu Mitteln gegen Hautkrankheiten lassen darauf schließen, daß dieses Übel trotz aller Reinlichkeit damals im Pharaonenreiche sehr häufig war. Als Beispiele lassen wir drei Rezepte folgen:
„Desgleichen ein Mittel zu bewirken das Harnen:
Honig
pulverisierte Johannisbrotschalen
pulverisierte Keuschbaumsamen
je 1 Teil. Daraus eine Kugel zu machen.
Arznei für Leibesöffnung:
Milch ⅓ tena
nequant-Pulver ¼ Drachme
Honig ¼ Drachme
zu kochen, umzuschütteln, zu essen.
Für vier Tage.
Weihrauch (anti)
Blut von der Eidechse
Blut von der Wanze
je 1 Teil. Gegen den Durst, das Stoßen, das
Stechen im Auge. Rupfe die Haare aus,
schmiere es darauf, um gesund zu machen.“
Wie wir durch Aristoteles erfahren, galt für jeden ägyptischen Arzt die gesetzliche Norm: die Entwicklung der Krankheit einige Tage zu beobachten und erst am vierten Tage mit einem entsprechenden Heilmittel wirksam einzugreifen. Die Kuren scheinen auch vielfach gelungen zu sein, so daß sich der Ruf der ägyptischen Ärzte weithin über die Mittelmeerländer verbreitete. Schon in Homers Odysse heißt es ja von Ägypten und seinen Bewohnern:
„... Dort bringt die fruchtbare Erde
Mancherlei Säfte hervor, zu guter und schädlicher Mischung,
Dort ist jeder ein Arzt und übertrifft an Erfahrung
Alle Menschen ...“
Dieser Ausspruch hat insofern seine Berechtigung, als jeder Ägypter, um das Gesamtwohl des Volkes zu fördern, sich außer der täglichen äußerlichen Reinigung alle Monate einmal drei Tage hindurch durch Brech- und Abführmittel, Waschungen und Klistiere auch innerlich zu reinigen und gewisse diätetische Vorschriften zu beobachten hatte, da nach althergebrachter Annahme die meisten Krankheiten aus Unreinigkeiten des Magens, der Eingeweide und der Haut entstehen sollten. „Eben dieser Diät wegen“, sagt Herodot im 5. vorchristlichen Jahrhundert, „sind die Ägypter neben den Libyern das gesundeste Volk der Erde.“ Das Volk lebte sehr einfach und badete täglich, um alle Ansteckungsstoffe, namentlich den gefürchteten Aussatz, vom Körper fernzuhalten. Aus denselben Gründen trug man auch nicht wollene, sondern leinene Kleider und mied gewisse Speisen, wie Schweinefleisch, Seefische und Saubohnen. Selbst den Königen war für den täglichen Verbrauch ein bestimmtes Quantum von Speisen und Getränken vorgeschrieben, das nicht überschritten werden durfte.
Da die altägyptischen Ärzte aus religiöser Scheu vor dem Leichnam ihn nicht sezierten und die Einbalsamierer eine besondere Zunft bildeten, die außerhalb des Priesterkollegiums stand und sich im allgemeinen wohl keines besonders guten Rufes erfreute, da man ihnen schöne Frauenleichen erst am dritten oder vierten Tage nach dem Tode überließ, so herrschten bei den Ärzten höchst abenteuerliche Vorstellungen über den anatomischen Bau des menschlichen Körpers, auf die wir hier allerdings nicht eintreten können. Nur das eine sei erwähnt, daß man glaubte, das Herz nehme bis zum 50. Jahre jährlich um zwei Quentchen zu, um von da an jährlich um ebensoviel abzunehmen, so daß notgedrungen der Tod vor dem vollendeten hundertsten Lebensjahre erfolgen mußte.
Dieselbe Stellung wie der Heilgott Imhotep bei den Ägyptern nahm bei den alten Griechen der göttliche Asklepios ein, der etwa im 13. vorchristlichen Jahrhundert in Thessalien gelebt haben soll. Die ausschmückende Sage hat ihn zu einem Sohne des Lichtgottes Apollon und der Königstochter Koronis gemacht, der zu Trikka in Thessalien, der Wiege seiner Verehrung, geboren und nach dem frühen Tode seiner Mutter vom weisen Kentauren Cheiron erzogen wurde, der ihn besonders in der Heilkunst unterrichtete. Da er sogar Verstorbene erweckte, erschlug ihn dann nach der Sage Zeus mit dem Blitz, in der Befürchtung, die Menschen möchten durch ihn ganz dem Tode entzogen werden; nach anderer Überlieferung geschah dies auf die Beschwerde des Gottes der Unterwelt hin. Bei Homer und Pindar ist Asklepios noch als einfacher Mensch gedacht, dessen Vergöttlichung eben begann. Seine Söhne Podaleirios und Machaon erscheinen in der Ilias als Ärzte im Heere der Griechen. Sie und ihre Nachkommen, die Asklepiaden, hatten sich durch einen feierlichen Eid verpflichten müssen, ihre Kunst nur den dazu Berechtigten und unter den herkömmlichen Bedingungen zu lehren. Bei ihrer Behandlung spielte die Inkubation (griechisch enkoimésis genannt) die größte Rolle. Sie bestand darin, daß der Kranke an geweihter Stätte — eben im Tempel des Heilgottes — auf dem Felle des von ihm geopferten Tieres schlief, um im Traume vom Heilgotte eine Offenbarung über das anzuwendende Mittel zu erlangen. Meist leiteten die Priester, die zugleich Ärzte waren, die Inkubation ein und legten die Träume der Kranken aus, oder träumten wohl auch selbst für diese. Das übliche Opfer der Genesenen war ein Hahn, den auch Sokrates nach seinem Tode (399 v. Chr.) durch das ihm auferlegte Trinken des Schierlingsbechers dem Heilgotte darzubringen befahl. Und zum Danke an den Gott hingen die Geheilten Votivtafeln mit dem Bericht über die von ihnen angewandte Kur im Tempel auf. Eine größere Anzahl derselben haben die neuesten Ausgrabungen zu Epidauros am äginetischen Meerbusen in der Argolis, wo in Griechenland der Hauptsitz seiner Verehrung war, zutage gefördert. Von diesem Orte aus verbreitete sich der Asklepioskult über ganz Griechenland, die ägäische Inselwelt und die Küste von Kleinasien, wo besonders in Kos, Knidos, Trikka, Pergamon und Athen sich einst vielbesuchte Heiligtümer von ihm befanden. Diese waren stets in gesunder Lage auf Anhöhen in heiligen Hainen, in der Nähe von Quellen und Heilwassern errichtet, und auch die von den Heilpriestern den Kranken befohlene Tempelkur bestand in auch nach unseren viel weiter geförderten Anschauungen recht zweckmäßigen hygienischen Verordnungen. So kann es uns nicht wundern, daß der Asklepiosdienst sich mit der griechischen Kolonisation weithin in den Ländern am Mittelmeer verbreitete. Das Symbol des Gottes, der von den Bildhauern bärtig, im Gesichtsausdruck dem Zeus ähnlich, nur milder und jugendlicher, dargestellt wurde, war die Schlange, und zwar die gelbliche Natter (Coluber aesculapi), die in seinen Tempeln gehalten und bei der Gründung neuer Kultstätten in diese übergeführt wurde. So gelangte die Äskulapschlange mit dem Dienst des in Italien Äskulap genannten Asklepios aus Epidauros nach Rom, als dort sein Kult im Jahre 293 v. Chr. bei einer Pest auf Befehl der sibyllinischen Bücher eingeführt wurde. In dieser Stadt stand der Tempel des Heilgottes auf der Tiberinsel. Mit den Römern kam dann diese Schlangenart, die sich in Südeuropa vornehmlich auf felsigem, spärlich mit Buschwerk bestandenem Boden aufhält und hier eine Länge von 1,5 m erreicht, an alle natürlichen Thermen nördlich der Alpen, wo Kranke Genesung suchten. Deshalb wird dieses in jeder Beziehung anmutige Tier heute noch überall, wo einst Römerbäder standen, z. B. in Schlangenbad, Baden bei Wien usw., gefunden.
Bei den alten Germanen wurde kein besonderer Heilgott verehrt. Wie bei allen Völkern auf primitiver Kulturstufe war bei ihnen die Heilkunst kein Privileg einer besonderen Kaste, sondern wurde von sämtlichen älteren und durch Erfahrung belehrten Volksgenossen, besonders weisen Frauen, denen man besondere Zauberkräfte zuschrieb, ausgeübt. Als Heilmittel wurden außer mineralischen und tierischen Produkten die Säfte der verschiedensten Pflanzen verwendet, wie dies heute noch bei allen Völkern der Erde geschieht. Hat man doch ausgerechnet, daß bei diesen gegenwärtig noch etwa 40000 Pflanzen in arzneilichem Gebrauche stehen. Die zufällige Entdeckung einer heilsamen Eigenschaft erweckte begreiflicherweise die Begierde nach weiteren solchen Offenbarungen der Natur, und wenn diese ausblieben, so bemächtigte sich die Phantasie des Wunsches und dichtete vielen Gewächsen Heilkräfte an, die diese gar nicht besaßen. So wurde aus geringem Wissen ein hoffendes Glauben und aus diesem ein üppiger Aberglaube. Man glaubte, daß alle durch Gestalt, Farbe und Entwicklungsweise ausgezeichneten Pflanzen besondere Kräfte haben müßten, so beispielsweise das Farnkraut, das keine Blüten aufwies und bei dem man auch keine Sämlinge fand. Dieses Kraut sollte in der an Zauber reichen Johannisnacht seinen Samen fallen lassen, der sofort tief in den Boden verschwinde und sich deshalb dem menschlichen Auge entziehe. Das in den halbdunkeln Klüften goldigschimmernde Leuchtmoos wurde als das Gold der Kobolde gedeutet, das wie die meisten Heilsäfte aus Kräutern nur durch Zauber gewonnen werden könne. Man glaubte, daß sich die geheimen inneren Kräfte der Pflanzen vielfach schon an besonderen Merkmalen der äußeren Erscheinung erkennen lassen. Das leberartig gestaltete Blatt des Leberblümchens (Hepatica triloba) sollte heilsam sein bei Leberkrankheiten, das ohrförmige Blatt der Haselwurz (Asarum europaeum) sollte gut sein gegen Gehörleiden, die am Stengel entlang laufenden Blätter des Beinwells (Symphytum officinale) sollten Knochenbrüche heilen, wie die um den Stengel herum verwachsenen Blätter des Hasenohrs (Bupleurum rotundifolium) Wunden zusammenschließen sollten.
Gegen alle möglichen Leiden wurde das Schellkraut (Chelidonium majus) verwendet, das seinen Namen vom Vermögen Warzen abzulösen und die Haut bei Krankheiten derselben abzuschälen — vom althochdeutschen sceljan schälen — erhielt. In Rußland wird es gegen Krebs gegeben und wurde von dorther erst kürzlich auch bei uns als Krebsheilmittel empfohlen. Sein dunkelgelber Milchsaft sollte Gelbsucht heilen und wurde von den Alchemisten des Mittelalters vorzugsweise zum Goldmachen verwendet, daher die Pflanze auch Goldwurz heißt. Wegen dieser seiner Fähigkeit, die zugleich das Vermögen der Herstellung des „Steines der Weisen“ in sich schloß, der nach dem damals allgemein verbreiteten Glauben seinem Besitzer ewige Jugend und unermeßliche Reichtümer brachte, da er alle vier Elemente: Feuer, Luft, Wasser und Erde enthalten sollte, hieß das Schellkraut bei den Alchemisten „coeli donum“, d. h. Himmelsgabe. Der botanische Gattungsname Chelidonium ist aber nicht etwa daraus hervorgegangen, wie man vermuten könnte, sondern aus dem griechischen chelidón Schwalbe. Die Pflanze hatte nämlich schon im Volksglauben des Altertums mancherlei Beziehungen zu diesem Zugvogel. Sie blüht bei der Ankunft der Schwalben und welkt nach deren Wegzug. Aristoteles, der Vater der Naturgeschichte und Metaphysik (384–322 v. Chr.), der den Gelehrten des Mittelalters als absolute Autorität galt, sagt von ihr: die Schwalben hätten ihren erblindeten Jungen durch deren Milchsaft die Sehkraft wieder verschafft: dadurch seien überhaupt die Menschen auf die Heilwirkung der Pflanze aufmerksam geworden. Der 1590 als Leibarzt des Pfalzgrafen Johann Kasimir in Heidelberg gestorbene berühmte Arzt Tabernaemontanus (nach seinem Geburtsorte Bergzabern so genannt) gibt in seinem Kräuterbuch, an dem er — nebenbei bemerkt — 36 Jahre gearbeitet hat, etwa 30 Rezepte an, in denen das Schellkraut einen wesentlichen Bestandteil bildet; in einem derselben wird der Blütensaft mit Honig zu Sirup gesotten. Als Amulett sollte die Wurzel stets bei sich tragen, wer bei seinen Mitmenschen zu hohem Ansehen gelangen will. Und wer über den Ausgang einer schweren Krankheit Bescheid haben möchte, der braucht die Pflanze dem Kranken nur auf den Kopf zu legen; weint der Kranke dabei, so wird er genesen, singt er aber laut und hell, so muß er sterben.
Auch die Raute (Ruta graveolens) sollte mancherlei Zauber- und Heilkräfte in sich bergen, weshalb sie schon bei den Römern in hohem Ansehen stand. Aus ihr hergestellte Tränke sollten gegen die verschiedensten Krankheiten, besonders aber gegen Kolikschmerzen heilsam sein; gegen diese sollte schon ein über den Kesselbalken des Herdes aufgehängtes Stengelbündel der Raute helfen. Stücke der Pflanze um den Hals gehängt sollten Blatternkranken die Sehkraft erhalten; wer sich vor Schlangengift schützen wollte, der brauchte nur die Füße damit einzureiben. Der ums Jahr 180 n. Chr. lebende griechische Sophist Claudius Älianus erzählt in seinen Tiergeschichten: das Wiesel kenne diese Wirkung sehr wohl. Sobald es den Kampf mit Giftschlangen zu unternehmen beabsichtige, fresse es Rautenblätter und dann könnten ihm diese mit ihrem Gifte nichts anhaben. Besondere Bedeutung erlangte die Raute durch das Christentum. Es sollte die bösen Geister und das Ungeziefer vertreiben und, kreuzweise im Zimmer aufgehängt, gegen Alpdrücken schützen. Aus Rautenöl wurde der „Diebsessig“ hergestellt, der alle Ansteckungsstoffe unschädlich machen konnte und bis vor kurzem ein in Apotheken erhältliches Desinfektionsmittel bildete. Seinen Namen erhielt dieser Stoff von dem Umstande, daß ihn Diebe gewöhnlich brauchten, um zu Pestzeiten ungefährdet die Wohnungen der Kranken und Toten plündern zu können. Sie wurde und wird noch jetzt viel in Bauerngärten angepflanzt und so mancher Bauer im östlichen Deutschland genießt in jedem Frühjahr ein mit Raute bestreutes Brot, um den Magen zu reinigen, das Jahr über guten Appetit zu haben und von Krankheiten verschont zu bleiben.
Noch mehr Zauber wurde mit dem Johanniskraut (Hypericum perforatum) getrieben, dessen Blätter durch das Vorhandensein von Öldrüsen durchsichtig punktiert erscheinen und dessen Blütenknospen einen an der Luft sich rot färbenden Saft enthalten, weshalb es auch Blutkraut genannt wurde. Nach der deutschen Sage war es zur Sommersonnenwende aus dem Blute des von einem Eber geritzten Gottes Odin hervorgesproßen, während die christliche Kirche das Kraut aus dem Blute Johannes des Täufers hervorgehen ließ. An der Johannisfeier wurden Häuser und Kirchen damit geschmückt, damit Leib, Seele und Besitztum vor Schaden bewahrt blieben. Man trug das Blutkraut immer bei sich, um vor Verwundung und Verhexung geschützt zu sein; gefolterte Hexen erhielten einen aus ihm und Distelsamen gekochten Trank „Olebanum“, damit der Teufel ausfahre und sie bekennen sollten. Deshalb war der Teufel gegen das Kraut sehr erbost und wollte es vernichten. Zu diesem Zwecke ließ er sich viele Nadeln machen und zerstach damit die Blätter; doch verdorrte das Kraut nicht, aber seine Blätter zeigen die Nadelstiche noch heute. Will man erkennen, ob ein Hexenmeister zugegen sei, so legt man unter das Tischtuch von der Wurzel des Johanniskrauts, ohne daß jemand es merkt; sitzt nun ein Zauberkundiger mit zu Tisch, so wird es ihm sofort übel und er muß hinausgehen. Das Kraut dient auch zu Liebeszauber, wenn man es sich an die Brust steckt und der betreffenden Person, deren Liebe man sich zu erringen sucht, begegnen kann. Es kann aber auch Liebe vertreiben, wenn man es der betreffenden Person in die Schuhe oder in ein Kleid hineinpraktiziert.
Die Springwurz (Euphorbia lathyris) ist eine aus dem Mittelmeergebiet stammende Pflanze, deren Früchte bei der Reife mit starkem Geräusch aufspringen, wobei die Samen heftig herausgeschleudert und so verbreitet werden. Darin glaubte man die Kraft zu erkennen, wonach die Pflanze die Fähigkeit besitze, alles Geschlossene oder Feste aufzusprengen und Nägel, Pflöcke usw. auszuziehen. Schon Salomo soll den „Schamir“ als felsenspaltendes Mittel beim Bau seines Tempels in Jerusalem benutzt haben. Er hatte sich ihn dadurch verschafft, daß er das Nest und die Brut eines „Urhahns“ mit einem „Kristall“ bedecken ließ; der Vogel holte nun den Schamir herbei und wollte damit den Stein wegsprengen, da liefen die Leute des Königs mit großem Geschrei herbei, und der Urhahn ließ vor Schreck die Wurzel fallen, die man dem Könige brachte. In Deutschland wuchs diese Springwurz nicht, man konnte sie sich nur in der Weise beschaffen, daß man das Nest eines Schwarzspechts mit einem Pflock verschloß, dann holte der Vogel die Springwurz herbei und hielt sie an den Pflock, wie der ältere Plinius nach Demokrit und Theophrast erzählen; in diesem Moment mußte man unter dem Nest einen roten Mantel ausbreiten und ein lautes Geschrei erheben, dann erschrak der Vogel und ließ die Springwurz zu Boden fallen. Der gelehrte Konrad von Megenberg (um 1309 auf dem Schlosse Megenberg in Franken, dessen Vogt sein Vater war, geboren und 1374 als Kanonikus am Dom zu Regensburg gestorben), der Verfasser der ersten Naturgeschichte in deutscher Sprache, bemerkt dazu, es sei nicht gut, wenn dieses Mittel allgemein bekannt würde, denn dann wäre kein Schloß mehr sicher. Diese Wirkung des Krautes galt als sehr weitgehend, indem bei Berührung mit demselben dem Gefesselten die Ketten und Bande, wie dem Zahnkranken die hohlen Zähne ausfallen sollten, das Pferd seine Hufeisen verliere usw. Außer dem Specht kennen auch Elster, Rabe, Wiedehopf und Schwalbe diese Eigenschaft des Krautes. Der Specht mit seiner Springwurz war im römischen Altertum das Symbol des Blitzes; wie dieser alles spalten und öffnen kann, so der Specht beziehungsweise die Springwurz. Auch in der germanischen Göttersage spielt sie eine gewisse Rolle. Als sich nämlich Gerda weigerte, Fros Weib zu werden, und selbst die Lockung durch die goldenen Äpfel nichts nutzten, so drohte man ihr mit der Springwurz, die sie schon zwingen werde. Deshalb wurde letztere auch Zähmezweig genannt. Sonst dienten die Samen als Purgierkörner und der Saft als Blutreinigungsmittel bei Flechten und anderen Hautausschlägen. Daher empfahl Karl der Große den Anbau des „Pillenkrautes“.
Mit dem zauberkundigen jüdischen Könige Salomo hängt auch der Salomonssiegel (Polygonatum anceps und P. multiflorum) zusammen; dieser soll die Siegeleindrücken gleichenden Narben der vorjährigen Sprosse am wagrecht im Boden kriechenden Wurzelstock verursacht haben, um anzuzeigen, daß der Pflanze besondere Kräfte innewohnen. Er soll sie auch als Sprengmittel beim Tempelbau verwendet haben.
Einen ähnlichen unterirdischen Wurzelstock besitzt der Wurmfarn (Polystichum filix mas), der nur in der an Zauber reichen Johannisnacht mit goldenem Lichterglanz blüht. Es sind dies die Sporen, die aber nur mit Hilfe des Teufels erlangt werden können, die von großer Kraft gegen Verhexung, Irregehen und Erkrankung im allgemeinen sein und immerwährende Jugend, Glück, Reichtum und die Erfüllung aller Wünsche verleihen sollten. Wird der „Wünschelsame“ in den Schuhen getragen, so sollte er unsichtbar machen.
Die Siegwurz oder der Allermannsharnisch verhilft zu Sieg und schützt gegen Zauberei und Krankheit, die dem Menschen auf niedriger Kulturstufe auch nur Folge von Verhexung ist. Und zwar unterschied das Volk zweierlei Art: die weibliche Siegwurz war Gladiolus (von gladius Schwert) communis. Schon die schwertförmigen Blätter sollten die Schutzwirkung anzeigen, und die von netzigen Fasern, den Resten der Blattgefäßbündel, bekleidete rundliche Knolle erschien wie ein Panzerhemd oder Harnisch. Die männliche Siegwurz dagegen war Allium victorialis. Ihre längliche Zwiebel hat ebenfalls eine netzfaserige Hülle; dem sie Tragenden sollen sieben Hämmer nichts anhaben können, daher wird sie auch „Siebenhämmerlein“ genannt. Um für alle Fälle die gewünschte Schutzwirkung zu besitzen, wurden die beiden Wurzeln als Mann und Frau zusammengetan. Noch bis in unsere Zeit verlangten die Bauern in Norddeutschland in den Apotheken „He un Se“, d. h. Er und Sie, und nagelten sie zum Schutze gegen Zauberei und Teufelsspuk an ihre Türen. Auch in der Schweiz hängt man Allium victorialis gegen Unwetter und Hexerei in der Wohnung auf; aufs Bett gelegt wirke es gegen Albdrücken und in ein Tuch eingebunden heile es Zahnschmerzen und Kopfweh. Der vorhin angeführte Arzt Tabernaemontanus sagt in seinem Kräuterbuch, daß die Bergknappen sie mit sich führen, um damit die Gespenster und bösen Geister zu vertreiben, von denen sie angefochten werden. Besonders aber ward sie von den Landsknechten hochgehalten, die sie als Amulett stets bei sich trugen, um hieb-, stich- und schußfest zu sein.
Das durch zwei hodenförmige, als Reservestoffbehälter dienende Knollen ausgezeichnete Knabenkraut (Orchis maculata) diente zu Liebeszauber und war als „Heiratswurz“ gesucht. Wird die Pflanze am Johannistage ausgerissen, so bleibt sie monatelang grün und hält alle Krankheit von den Bewohnern fern. Wird sie in die Kleider genäht, so erwirbt sie dem Träger derselben die Zuneigung der Menschen. Die handförmig geteilten Knollen des breitblätterigen Knabenkrautes aber dienten als „Teufelshand“ als Talisman gegen den bösen Blick, Verhexung und Krankheit, die natürlich wie alles Unerklärliche auch auf Zauberei zurückgeführt wurde. Wer sie bei sich trägt, hat Glück im Spiel und immer Geld im Beutel; nur darf man sie nicht im Hause aufbewahren, da sonst den Kühen die Milch schwindet. Sie ist aber nur dann eine Glückshand, wenn sie am Johannistage mittags oder nachts 12 Uhr ausgegraben wurde.
Besonders stark beschäftigte die Volksphantasie die so geheimnisvoll nie auf dem Boden, sondern stets nur auf Bäumen wachsende Mistel (Viscum album), die im Winter, während sonst alles abstirbt, weitergrünt; deshalb vermochte sie allein den Sonnengott Balder zu töten, als der tückische Loki den blinden Hödur bewog, einen aus Mistelholz geschnitzten Pfeil gegen ihn abzuschießen. Besonders zauberkräftig war die allerdings äußerst selten auf einer Eiche wachsend gefundene Mistel, die die allerschlimmsten Krankheiten heilte, alle Giftwirkung aufhob und allem Fruchtbarkeit verlieh. Schon bei den Kelten genoß sie das größte Ansehen. War eine solche Rarität entdeckt, so holten sie die Druiden in feierlichem Aufzuge am sechsten Tage nach dem Neumond. Zuerst wurden unter dem Baum allerlei Opfer dargebracht, dann schnitt der weißgekleidete Oberpriester die zauberkräftige Pflanze mit goldener Sichel ab und verbarg sie in seinem Mantel. Als Sühne für den Frevel wurden dann zwei weiße Stiere geopfert und bei dem darauf folgenden Opferschmause besondere Riten beobachtet. Die Mistel heißt noch heute in der Altmark „Heil allen Schaden“. Am wirksamsten ist eine mit dem Pfeil vom Baume geschossene Mistel, die man, ehe sie zu Boden fällt, mit der linken Hand auffängt; dazu muß aber die Sonne im Zeichen des Schützen stehen und der Mond im abnehmenden Licht sein. Da die Zweige der Mistel immer gabelig sind, so erblickte man darin eine Wünschelrute, welche Türen zu verborgenen Schätzen öffnen und Diebe bannen sollte. Sie hilft gegen Albdrücken und verleiht Fruchtbarkeit. So wurde sie als segenspendendes Symbol am Julfest in der Halle aufgehängt und band man Zweige von ihr in der Christnacht an die Obstbäume, damit sie im kommenden Jahre recht reichlich Frucht tragen möchten.
Geheimnisvolle Kräfte barg nach altgermanischem Glauben auch der dem Donnar heilige Haselstrauch (Corylus avellana). Wurden Runen in einen Haselstock geschnitten und das richtige Zauberlied dazu gesungen, so war das für die verschiedensten Dinge gut: es machte unverwundbar, der fliegende Pfeil wurde dadurch im Fluge gehemmt, wunde Glieder wurden geheilt, Feuer, Sturm und Wellen gedämpft, der Sieg errungen, streitende Männer versöhnt, Gefangene gelöst und die Minne der Frauen errungen. Diese Macht ist wohl dem frühen Blühen der Hasel, vor allen anderen Pflanzen unserer Zone, zuzuschreiben. Daher war sie auch ein Sinnbild des Lebens und seiner Neuerstehung nach dem Winter, das Fruchtbarkeit verlieh. Hasel- und Holderzweig zusammengebunden, schützten vor dem wilden Heer, verscheuchten die Irrlichter, bewahrten vor Diebstahl und Verhexung, bannten Giftschlangen und entzauberten verhexte Gegenstände. Unter dem Haselstrauch, der eine Mistel trägt, wohnt der Haselwurm oder Schlangenkönig, eine weiße, gekrönte Schlange von fabelhafter Stärke, die durch den dicksten Eichbaum wie nichts hindurchfuhr. Um ihn einzufangen, mußte man den betreffenden Haselstrauch im Namen Gottes begrüßen, ihn ausgraben, den darunterliegenden Wurm durch Hersagen eines gewissen Zauberspruches „besprechen“ und mit Beifuß bestreuen; das nahm ihm seine Kraft. Im Besitze des Haselwurmes kannte man alle geheimen Kräfte der Pflanzen, war gegen alle bösen Geister und alle Zauberei übelwollender Menschen gesichert, fand alle verborgenen Schätze, konnte durch alle Türen brechen, war unverwundbar und unsichtbar. Sogar der Böse mußte einem zu Willen sein. Aber in jeder Nacht zwischen 11 und 12 Uhr mußte der Haselwurm mit einem Ei und Raute gefüttert werden.
Auch der Wacholderstrauch (Juniperus communis) galt den alten Deutschen als mit wunderbaren Zauber- und Heilkräften begabt und spielte als solcher in Sitte und Sage eine große Rolle. Noch heute hält das Volk große Stücke auf den Kranawitt- oder Machandelbaum, dessen Beeren und aus dem Holz gewonnenes Öl seit dem Altertum als Volksheilmittel viel gebraucht werden. Wacholderreisig verwendeten die alten Germanen zu ihren Opfern und beim Verbrennen der Toten. Nach altem Volksglauben schützt der Rauch verbrannter Zweige vor Ansteckung und vertreibt böse Geister und Schlangen.
Eine Allerweltszauberpflanze war ferner der Alraun oder das Erd-, Gold- oder Galgenmännlein, so genannt, weil er unter dem Galgen aus dem Samen eines unschuldig gehängten jungen Diebes hervorgehen sollte. Doch ist die Erlangung desselben mit allerlei Gefahren verbunden. Der in der Wurzel hausend gedachte Geist schrie beim Herausgraben so entsetzlich, daß man vor Entsetzen starb; daher benutzte man bei deren Gewinnung einen schwarzen Hund, der aber bei diesem Geschäft das Leben einbüßte. Die Wurzel mußte an einem Freitag vor Sonnenaufgang ausgegraben werden, und zwar legte man sie zuerst ringsherum frei, schlug drei Kreuze, sprach einen Zauberspruch, band einen Strick daran und ließ sie durch den schwarzen Hund, an dem kein weißes Haar sein durfte, vermittelst des Schwanzes herausziehen, nachdem man sich vorher die Ohren sorgfältig mit Wachs verstopft hatte. Eben diese Gewinnungsart, die stets gleich geschildert wird, erzählte eine alte Frau in Göttingen Dr. Crome. Das dabei im Jahre 1820 unter dem Hochgericht auf dem Leineberge bei jener Stadt gewonnene „Alruneken“ habe den Mann, der es sich mit Hilfe des Teufels verschaffte, sehr reich gemacht. Solche Alraune verschafften nicht bloß Reichtum, sondern schützten vor allem Zauber, machten ihren Besitzer unsichtbar, öffneten die verschlossenen Türen, bewahrten vor Blitzschlag, gaben Glück zu jedem Tun, Gesundheit und kinderlosen Frauen Fruchtbarkeit. Sie mußten sehr heimlich gehalten, am besten in einem Holzkästchen verwahrt werden und wurden bloß beim Schätzeheben, Wahrsagen und sonstiger von ihnen verlangter Arbeit hervorgeholt. Man setzte ihnen bei jeder Mahlzeit etwas zu essen und zu trinken vor, wusch sie alle Freitage oder Sonnabende mit Wein oder Wasser, zog ihnen an Neumonden frische Kleider aus weißer oder roter Seide an. Starb ihr Besitzer, so wurde der Alraun auf den jüngsten Sohn vererbt; starb dieser aber vor dem Vater, so erhielt ihn der älteste Bruder. Er war der beste Talisman gegen Erkrankung, und da er sonst noch alle möglichen guten Eigenschaften aufwies, so wurde er geradezu mit Gold aufgewogen und ein schwunghafter Handel mit ihm getrieben.
Schon das früheste Altertum hat ihn gekannt und verehrt. Er wurde ursprünglich aus der fleischigen Pfahlwurzel einer im ganzen Mittelmeergebiet heimischen Nachtschattenart, der Mandragora officinalis mit grünlichgelben Blüten und gelben Beeren von 1,5 cm Durchmesser, gewonnen. Diese sollte der menschlichen Gestalt ähnlich sein, was schon Pythagoras bezeugt, und wurde deshalb als ein mit Zauberkraft wie alle Geister Verstorbener ausgestattetes Erdmännlein oder Erdweiblein — denn man unterschied auch hier zweierlei Geschlechter — angesehen. Aber ganz abgesehen von ihrer Zauberkraft, barg die Wurzel betäubende Stoffe, weshalb man sie im Altertum zur Schmerzlinderung vor chirurgischen Operationen gab. Noch im Mittelalter wurde ihr Saft mit demjenigen von Bilsenkraut und Mohn als Betäubungsmittel verabreicht. Im Abendlande, wo die echte Mandragora nicht mehr gedeiht, ersetzte man sie vielfach durch die rübenförmige Wurzel der Zaunrübe (Bryonia dioica), die an Zäunen und Hecken wächst. Ihr Saft dient seit alter Zeit als Abführmittel und sie selbst als Alraun, der zu mannigfaltiger Zauberei, namentlich aber zu Liebeszauber benutzt wurde. Noch heute ist auf dem Lande der Glaube verbreitet, daß, wenn ein Mädchen auf dem Gange zur Kirmeß ein Stückchen Wurzel der Zaunrübe in die Schuhe lege, ihr alle Burschen zufliegen werden. Der ältere Plinius berichtet, daß sie vor Raubtieren schütze und Knochensplitter aus Wunden ziehe, den Ertrag der Milch vermehre und das Verderben derselben verhindere. Die Jungfrau von Orleans soll einen Alraun besessen haben, daher ihre Erfolge. Der in der Bibel mehrfach erwähnte dudaim, von Luther mit „Lilien“ übersetzt, wird vielfach als Alraun gedeutet, ist aber wahrscheinlicher die auch heute noch im Orient vielfach zu Liebeszauber benutzte Frucht von Cucumis dudaim.
Es würde uns zu weit führen, hier alle die zahllosen Pflanzen anzuführen, die bei unseren Vorfahren als Arznei und Zaubermittel gebraucht wurden, und wie bei ihnen war es bei den anderen Völkern. Das erkennen wir deutlich an der Herkunft des griechischen Wortes phármakon, das unserer Bezeichnung Pharmazie zugrunde liegt und sowohl Zauber- als Heilmittel heißt. Pharmakis bedeutet die Zauberin, und diese war bei den alten Griechen zugleich Ärztin, die mit eigener Hand die mancherlei ihr als heilkräftig bekannten Kräuter sammelte und daraus die verschiedenen Heiltränke bereitete. Erst sehr spät wandten sich die Männer berufsmäßig dem Sammeln und Verkaufen der pflanzlichen Rohstoffe zu. Die Griechen nannten sie Rhizotomen oder Wurzelschneider, und erst als sie nach und nach auch die Zubereitung und den Verkauf der von den Ärzten angewandten Arzneien übernahmen, wurden sie pharmakopóles, d. h. Arzneiverkäufer, genannt. Aus ihnen wurden dann die Pharmazeuten im Sinne von Arzneibereitern, die später auch Apotheker hießen nach der griechischen Bezeichnung apothékē Aufbewahrungsort (für Kräuter nämlich). Dieser von den Römern als apotheca übernommene Ausdruck bedeutete später überhaupt das Lager der Arzneipflanzen, weshalb es im Mittelalter als Krauthausz verdeutscht wurde. In der mittelalterlichen Klosterwirtschaft wurde unter dem Wort Apotheke der Raum für die Heilkräuter verstanden, der im 13. Jahrhundert auch auf städtische Kräuterläden, in denen meist getrocknete Heilpflanzen feilgehalten wurden, überging. Nun verstanden begreiflicherweise die darin waltenden Apotheker Hilfe suchenden Kranken auch verwickeltere Arzneien, die zu Hause nicht so leicht bereitet werden konnten, herzustellen, was gerne benutzt wurde. So wurden sie allmählich von Heilkräuterverkäufern zu Bereitern von aus den Heilkräutern hergestellten Arzneien. Bei der Arzneibereitung war das Mischen der verschiedenen Stoffe das Wichtigste; der dafür im mittellateinischen gebrauchte Ausdruck conficere mengen führte dazu, das Produkt als confectum zu bezeichnen. Da nun die meisten Arzneistoffe des besseren Einnehmens wegen in Honig und später in Zucker eingebettet wurden, so bekam dann das Wort Konfekt mit der Zeit den Sinn einer künstlich bereiteten Süßware überhaupt, wobei der ursprüngliche Bezug auf Heilkraft mehr und mehr verschwand, so daß heute dieser Ausdruck nur Zuckerzeug bedeutet.
Nach dem Untergang der antiken Welt waren es in erster Linie die Araber gewesen, die von den Kulturvölkern des Altertums die Arzneikunde und Kenntnis der dabei angewandten Heilmittel übernahmen, um sie zur Zeit der Kreuzzüge den Abendländern zu vermitteln. Dabei lehrten sie diese auch allerlei neue Arzneiformen wie beispielsweise die Sirupe bereiten, die durchaus ein Geschenk arabischer Heilkunst sind. Aus dem arabischen scharâb Trank wurde das spanische scharope, das italienische sciroppo, siropo, das französische sirop und schließlich im 12. oder 13. Jahrhundert das deutsche Sirup. Es war dies ein dickflüssiger Trank, der sorgfältig aus allerlei Kräutern und Gewürzen mit Hilfe von Honig und später Zucker bereitet wurde. Häufig wurde er nach arabischem Muster mit Rosen- oder Veilchenwasser parfümiert. Sonst waren die wichtigsten Arzneiformen des Mittelalters die Elektuarien, im Deutschen zu latweri und zuletzt latwerg umgebildet. Es waren dies durch Kochen eingedickte Säfte verschiedener Heil- und Würzkräuter, die nach dem Wortlaute der ursprünglich griechischen Bezeichnung ekleiktón zerleckt werden sollten. Sie wurden entweder wie Salben in Büchsen, oder in Würfel geschnitten als Zeltelîn, oder in Stangenform gegossen, wie heute noch der eingedickte Lakritzensaft, aufbewahrt. Höchst selten gelangten Pulver und gar nie Pillen zur Anwendung, welch letztere erst in der Neuzeit in Aufnahme kamen.
Abgesehen von der arabischen Hochschule von Cordova, in der neben anderen Wissenschaften auch die Medizin und Alchemie reiche Pflege fanden, war Salerno in Unteritalien die älteste Pflegestätte der wissenschaftlich betriebenen Medizin in Europa. Im 12. Jahrhundert erließ König Roger von Neapel die erste Medizinalverfassung, die dann der seiner Zeit weit vorauseilende Kaiser Friedrich II. ausbaute und zu der er die erste Arzneitaxe hinzufügte. Erst sehr viel später wurde dann in Mitteleuropa die staatliche Überwachung über Zubereitung und Verkauf der Arzneimittel eingeführt, nachdem vom Beginne des 12. Jahrhunderts an sich in Frankreich, Deutschland usw. die Pharmazie von der Medizin getrennt hatte und reguläre Apotheken eingerichtet worden waren. Schon im 14. Jahrhundert erblühte eine freilich der Hauptsache nach alchemistische Literatur über die verschiedenen Präparate und Rohstoffe des Arzneischatzes, als deren vornehmste Träger Raimundus Lullus, Basilius Valentius, Albertus Magnus und Roger Baco zu nennen sind. Erst ganz allmählich und besonders durch die immer bedeutendere Förderung von seiten der Chemie konnte die Arzneimittellehre eine einigermaßen rationelle Gestaltung annehmen und sich von dem ungeheuren Wust und Ballast befreien, den viele Jahrhunderte in ihr aufgehäuft hatten. Immer mehr wurde die einst ganz unglaublich zahlreiche Menge der in den Apotheken gehaltenen Arzneistoffe eingeschränkt, so daß heute weitaus die Mehrzahl der einst arzneilichen Pflanzen nur durch das Anhängsel „officinalis“ hinter ihrem Namen als solche gekennzeichnet ist, jedoch keinerlei Verwendung mehr im Arzneischatze findet. Im folgenden sollen nun Herkunft und Verwendung nur der wichtigsten pflanzlichen Arzneimittel in Kürze besprochen werden.
Das Wort droga bedeutete ursprünglich einen wertvollen Arzneirohstoff vorwiegend aus der Gruppe der aromatischen Stoffe; doch scheint man bereits im 16. Jahrhundert den Begriff des Getrockneten damit verbunden zu haben. Sonst nannten die Lateiner des Mittelalters die arzneilichen Rohstoffe simplicia im Gegensatz zu den zusammengesetzten Arzneimitteln, die man als composita bezeichnete. Nach Tschirch ist heute noch in den holländischen Apotheken der Ausdruck simplicia für Drogen in Anwendung, und auch in Frankreich nennt man sie médicaments simples.
Solche Drogen waren um so geschätzter und teurer, je schwieriger sie zu beschaffen waren. Dabei spielte vielfach schon die Art der Gewinnung eine wichtige Rolle. Bis in die Neuzeit hinein waren nämlich nicht nur vom Volke, sondern auch von den Ärzten genau einzuhaltene Vorschriften bei der Herstellung von solchen gefordert. Wie bei den Menschen auf niederer Kulturstufe die bei der Einnahme einer Arznei gesprochene Zauberformel viel wichtiger als diese selbst ist, so achtete man auch bei uns bis vor noch nicht sehr langer Zeit genau auf die „Segen“, die bei der Gewinnung gewisser Drogen und dann wiederum bei der Herstellung der einzelnen daraus bereiteten Medikamente gesprochen werden mußten, wenn sie wirksam sein sollten. So sind nicht nur in den mittelalterlichen Kräuterbüchern, sondern auch in den bis ins 19. Jahrhundert hinein von Ärzten, Apothekern, aber auch allen besseren Familien, besonders des Adels geführten Arzneibüchlein, in denen die verschiedensten, von Geschlecht zu Geschlecht vererbten Rezepte zur Bereitung von Arzneien sorgsam zu allgemeinem Nutzen gesammelt wurden, jeweilen auch gewissenhaft die bei der Bereitung und Anwendung der betreffenden Heiltränke zu sprechenden „Segen“ notiert. Ließ man diese außer acht, so glaubte man, werde auch die Arznei trotz sorgfältigster Bereitung nicht die gewünschte Wirkung ausüben.
Wie für körperliche Krankheiten wurden Heiltränke aber auch für Liebes- und andern Zauber von den Laien so gut als von den Ärzten und Apothekern bereitet. Mit Vorliebe wurde das heilige Salböl und die Hostie, die heute noch vom Volke kraft der Weihung durch den Priester als mit besonderen Wunderkräften ausgestattet angesehen werden, zu solchem Liebeszauber, wie auch zu Krankheitszauber aller Art benutzt. Schon Kaiser Karl der Große verbot in einer Verordnung im Jahre 813 den Priestern bei schwerer Strafe, solches unter keinem Vorwand zu Heil- oder Zauberzwecken irgend welcher Art herzugeben. Und drei Jahrhunderte später beschwor Bruder Berthold namentlich die Bauern, weder mit dem Chrisma, noch gar mit der Hostie Zauberei zu treiben.
Auch ohne Beimengung von Pflanzenextrakten galt der Wein an sich schon als Heiltrank; er diente innerlich zum Kräftigen und Wiederbeleben der Körperfunktionen, und äußerlich zum Waschen der Wunden, bevor sie mit Öl getränkt wurden, wie dies ja schon im Altertum der Fall war. Es sei hier nur an die bekannte Geschichte vom barmherzigen Samariter erinnert. Mit Wein wurde unter anderm die im Mittelalter sehr oft genannte potio Paulina, der Trank des heiligen Paulus bereitet, wohl so genannt mit Anspielung darauf, daß der Apostel Paulus dem Thimotheus Wein gegen schwachen Magen und allerhand Krankheitsbeschwerden empfiehlt. Diese potio Paulina war eine Art Universalmittel, die alle Krankheiten des Kopfes, des Magens, der Brust, Schlagfluß, Lähmung und Pest heilen und den Mensch verjüngen und verschönen sollte; nur mußte sie häufig genossen werden, was sich aber nicht jedermann leisten konnte. Die letztere Vorschrift hat nach dem Berichte des Chronisten Thietmar von Merseburg (geboren 976 als Sohn des Grafen Siegfried von Walbeck, seit 1009 Bischof von Merseburg, gestorben 1019) der Markgraf Liuthar zu wörtlich befolgt; dadurch zog er sich durch den paulinischen Trank einen schweren Rausch zu und starb dabei plötzlich. Übrigens ist diese potio Paulina nichts anderes als der aus dem Altertum überkommene, überaus geschätzte Alantwein, der aus der Wurzel des Alantkrautes (Inula helenium) mit Zusatz von Honig durch ein umständliches Verfahren gewonnen wurde. Die Alantpflanze ist eine hohe Staude mit großen, rauhen Blättern und umfangreichen gelben, mit großen Strahlenblüten versehenen Köpfchen, die in ganz Südeuropa bis Persien heimisch ist. Sie wurde schon bei den Griechen und Römern kultiviert. Columella um die Mitte des 1. christlichen Jahrhunderts gibt uns ausführliche Anweisungen über deren Anbau. Nach ihm soll sie auf gut gedüngtem, tief gegrabenem Boden drei Fuß weit auseinandergesät und möglichst wenig versetzt werden, damit sie besser wachse. Sein Zeitgenosse, der ältere Plinius (gestorben 79 n. Chr. beim Vesuvausbruch, der Pompeji und Herkulanum verschüttete), sagt in seiner Naturgeschichte, der Alant sei an sich dem Magen nachteilig, werde aber durch Zusatz von Süßem sehr heilsam. „Man trocknet die Alantwurzel, stößt sie zu Pulver, tut dann eine Süßigkeit hinzu, oder man kocht sie mit einer Mischung von Essig und Wasser und gibt dazu noch eingekochten Weinmost, Honig, Rosinen und saftige Datteln. Man genießt sie auch mit Quitten, Spierlingsfrüchten (einer Art Mehlbeeren), Pflaumen, wozu man auch wohl Pfeffer und Thymian hinzusetzt. In dieser Weise dient die Alantwurzel als Magenstärkung, und es ist bekannt, daß Julia, die Tochter des Kaisers Augustus, sie in dieser Weise täglich aß.“ Diese Wertschätzung blieb der Alantwurzel das ganze Mittelalter hindurch erhalten. Noch in dem 1604 gedruckten Hausbuch des deutschen Arztes Colerus wird dem Alantwein, dessen Zubereitung ausführlich geschildert wird, ganz dieselben Eigenschaften zugeschrieben, die im Mittelalter von der potio Paulina gerühmt wurden; er sollte wider alle Gifte dienen, Brust und Lunge säubern, das Herz stärken und erfreuen, den verschleimten Magen reinigen, die Verstopfung der Leber und Milz beseitigen, sowie alle kalte, phlegmatische Feuchtigkeit wegnehmen, den Weibern die monatliche Reinigung fördern, gegen den Husten dienen, der von der Erkältung der Brust kommt, den Gries und Stein austreiben, die Gebärmutter stärken, die natürliche Hitze und Kraft erhalten, fröhlich und lustig machen und noch manches andere. Helena habe in Ägypten den Alantwein machen lernen als einen bewährten Trank für alles Gift, Leid und Trauern. Schon Plinius berichtet, daß die Pflanze helenium genannt werde, weil sie aus den Tränen der schönen Gattin des Agamemnon, Helena, hervorgegangen sein soll. Seit alter Zeit wird sie als sehr heilkräftig auch in Deutschland kultiviert und findet sich namentlich um Gebirgsdörfer herum verwildert. Ihr dicker Wurzelstock ist noch heute offizinell, weshalb die Staude auch an einzelnen Orten auf Feldern gebaut wird.
Seit dem hohen Altertum werden die Blätter und Wurzeln der 1–1,25 m hohen Eibischstaude (Althaea officinalis) gegen Husten und als schleimige Beimengung zu Latwergen und Pillen verwendet. Bei den alten Griechen und Römern hieß sie althaea, bei Scribonius Largus ebiscus und hibiscum, zur Zeit Karls des Großen mismalva oder ibischa, welch letzterer Name sich bei der heiligen Hildegard im 12. Jahrhundert allein vorfindet und zum süddeutschen Ibsche, wie auch zum norddeutschen Eibisch wurde. Sie wächst auf feuchtem, am liebsten salzigem Boden in Süd-, aber auch Mitteleuropa bis zur Ostsee, im gemäßigten West- und Nordasien, in Nordamerika und Australien. Die 1–1,25 m hohe Staude besitzt filzige Stengel und Blätter, große fleischfarbene Blüten und wird zur Gewinnung des starken Rhizoms besonders bei Bamberg, Nürnberg und Schweinfurt im großen kultiviert. Diese wird im Herbst von der zweijährigen Pflanze gesammelt und frisch geschält, ist weißgelblich, riecht süßlich, schmeckt fade schleimig und enthält 35 Prozent Schleim, 37 Prozent Stärke, 10 Prozent Zucker und 2 Prozent Asparagin. Sie dient neben den schleimig schmeckenden Blättern zur Bereitung von Brusttee. Der mit Zucker gekochte wässerige Auszug der Wurzel wird zu Sirup und gummöser Paste, ohne Zucker dagegen bei der Appretur und sonst vielfach verwendet.
Uralt ist auch die Verwendung des Baldrians (Valeriana officinalis), der bekannten Staude mit kurzem, aufrechtem, bis 1 cm dickem, oft Ausläufer und zahlreiche dünne, stielrunde Nebenwurzeln treibendem Rhizom, 30–150 cm hohem, oben verästeltem Stengel und rispigen Dolden von fleischroten, wohlriechenden Blüten. Diese in ganz Nordeuropa, Nordasien und Japan wachsende Pflanze liefert in ihrer Wurzel ein sehr wichtiges Arzneimittel. Diese hat eine braune Außenrinde, riecht nach dem Trocknen eigentümlich kampferartig unangenehm — doch lieben bekanntlich die Katzen den Geruch sehr — und schmeckt gewürzhaft bitter. Sie enthält 0,5–1 Prozent ätherisches Baldrianöl, das bei der kisso genannten japanischen Abart mit schmäleren Blättern bis 6, ja 8 Prozent steigt. Bei den alten Griechen und Römern war sie unter dem Namen phu bekannt, der sich bis zum 15. Jahrhundert in der Literatur erhielt. Daneben kam seit dem 11. Jahrhundert der Name valeriana auf, der nach Linné von der deutschen, auch im Schwedischen gebräuchlichen Bezeichnung Baldrian, d. h. Baldrs (des Lichtgottes, der als Sohn Odins und Freyas als der reinste der Asen galt) Kraut abzuleiten ist, vielleicht aber nach dem römischen Arzte Plinius Valerianus so genannt wurde, oder nur mit dem lateinischen valere gesund sein zusammenhängt. Dieser Ausdruck ist aber vorzugsweise nur von den Ärzten gebraucht worden. Beim deutschen Landvolk war sie im Mittelalter unter dem Namen Denemarcha, noch früher Tenemarg bekannt, ein Ausdruck, der sich in einem Teil der Schweiz bis heute erhielt. Das Infus der Wurzel dient gegen Krämpfe und Hysterie, wie auch als Reizmittel bei schwachen Nerven.
Ein sehr altes deutsches Volksmittel ist die Bergwohlverleih oder Mutterwurz genannte Arnica montana, eine auf Bergwiesen Süd- und Mitteleuropas, in Norddeutschland dagegen in der Ebene wachsende Komposite mit 30–60 cm hohem, drüsig-kurzhaarigem Stengel und großen, goldgelben, aromatisch riechenden Blüten, die neben dem in der ganzen Pflanze enthaltenen Arnizin ein kamillenartig riechendes ätherisches Öl enthalten. Im schwach aromatisch riechenden und scharf gewürzhaft, etwas bitter schmeckenden Wurzelstock ist neben Arnizin, Inulin, Gerbstoff und Gummi zu 1 Prozent das in größeren Dosen Brechen erregende Arnikaöl enthalten. In gepulvertem Zustand erregt die Wurzel Niesen. Seit alter Zeit diente die gepulverte Wurzel, in Bier getrunken, gegen Blutungen, Durchfall, Fieber, Lähmung und Epilepsie, die im Juni und Juli gesammelten Blüten aber, mit Weingeist ausgezogen, als vielgerühmtes zerteilendes und Wundmittel. Die schon zu Ende des 16. Jahrhunderts von Joel in Greifswald empfohlene Heilpflanze wurde erst seit 1712 von den Ärzten häufiger verwendet. 1777 stellte Collin die Arnikablüten als Fiebermittel den Chinarinden gleich. Da die heilige Hildegard die Pflanze im 12. Jahrhundert als wolfisgelegena bezeichnet, muß der Name Wohlverleih auf wolfsgele (Wolfsgelb) zurückgeführt werden, der sich übrigens schon vom 10. Jahrhundert an nachweisen läßt. Das jüngere, von den gelehrten Botanikern erfundene Wort Arnika ist vom griechischen arnákis Lammpelz — wegen der drüsigen, weichhaarigen Blütenhülle — abzuleiten. Schon der gelehrte Basler Botaniker Kaspar Bauhin (1560–1624) bemerkt, daß der gemeine Mann die Pflanze Wohlverleih, der Arzt aber sie Arnica nenne.
Als Giftpflanze war die Herbstzeitlose (Colchicum autumnale, nach der Stadt Kolchis in Kleinasien, wo die Pflanze nach Dioskurides häufig vorkam, so geheißen) schon im Altertum und Mittelalter bekannt. Sie wurde auch Ephemeron genannt, weil man glaubte, daß derjenige, der eine Zwiebel derselben esse, noch an demselben Tage sterben müsse. Erst in der Neuzeit fand sie als Gichtmittel arzneiliche Verwendung. Zum erstenmal finden wir sie 1618 in der englischen Pharmakopoe erwähnt; in Deutschland aber kam sie erst 1763 durch Störck in Anwendung. Zeitlose heißt sie, weil sie sich an keine Zeit wie die übrigen Blütenpflanzen hält, im Herbst blüht und die Samen mit den Blättern erst im darauffolgenden Frühjahr treibt. Weil sie aber zuerst im Jahre die Frucht und erst im Herbste die Blüte zeitigt, nannten sie die Alten auch filius ante patrem, d. h. Sohn vor dem Vater. Statt der zuerst angewandten, frisch widrig rettigartig riechenden Knollen werden seit der Empfehlung von Dr. Williams in Ipswich im Jahre 1820 die weit haltbareren, im frischen Zustande weißlichen, aber beim Trocknen dunkelrotbraun werdenden Samen zur Gewinnung des Colchicins angewandt.
Neben der Herbstzeitlose haben wir in der Familie der Giftlilien den auf den Gebirgswiesen Europas und Nordasiens verbreiteten Germer (Veratrum album), auch fälschlich weiße Nießwurz genannt, zu erwähnen. Die eigentliche weiße Nießwurz (Helleborus albus) ist eine der sogenannten Christrose verwandte Hahnenfußart; beider Wurzelstock enthält das scharf giftige Veratrin und wurde unter dem gemeinschaftlichen Namen helléberos, was eine Pflanze, deren Genuß tödlich wirkt, bedeutet, als eines der berühmtesten Arzneimittel des Altertums von den Griechen und durch die Vermittlung dieser auch bei den Römern verwendet. Letztere gebrauchten dafür den einheimischen Namen veratrum, das von verare wahrsprechen — das Niesen deutete ja nach ihrer Meinung die Bestätigung der Wahrheit an — abzuleiten ist. Schon der große Schüler des Aristoteles, Theophrast, unterschied erstere als weiße und letztere als schwarze helléboros. Erstere sei selten, und die beste Art derselben wachse auf dem Oeta, letztere dagegen wachse allenthalben in Griechenland. Nach Dioskurides müssen die Wurzeln zur Zeit der Weizenernte ausgegraben werden, und zwar hat man dabei nach Plinius folgende Maßregeln zu beobachten: „Erst schneidet man um sie herum mit dem Schwert einen Kreis, dann blickt man nach Osten, fleht zu den Göttern, daß sie gütigst die Erlaubnis erteilen, sie zu nehmen, und beobachtet dabei den Flug des Adlers. Ein solcher befindet sich in der Regel in der Nähe; fliegt er näher heran, so ist dies ein Zeichen, daß derjenige, der die Wurzel geschnitten hat, noch in demselben Jahre sterben muß.“ Beide Wurzelarten wurden gegen die verschiedensten Krankheiten gegeben und sollten auch Wahnsinn und Epilepsie heilen. Heute werden die scharfen in ihnen enthaltenen Stoffe meist nur noch äußerlich bei Rheumatismus angewandt.
Den Alten nicht bekannt war der Stechapfel (Datura stramonium), der wahrscheinlich aus Persien stammt und durch Vermittlung der aus Nordindien stammenden Zigeuner erst im 16. Jahrhundert nach Deutschland gelangte, wo er jetzt überall an Wegen und auf Schutthaufen in der Nähe von Dörfern und Städten, wo einst die Vertreter jenes Wandervolkes rasteten, verwildert angetroffen wird. Er wurde von den Zigeunern wie die weißblütige Datura metel in Ostindien und Arabien zur Herstellung von Berauschungsmitteln mit Hanf, Opium, Gewürzen usw. verwendet. Ebenso bereiteten die alten Peruaner aus den Samen der strauchartigen Datura sanguinea mit großen, hängenden, halb roten, halb gelben Blüten einen tonga genannten berauschenden Trank, den einst die Priester des Sonnentempels zu Sogamossa, dem peruanischen Orakelsitz, tranken, um sich mit den Geistern der Verstorbenen in Verbindung zu setzen; deshalb wird sie heute noch in jenem Lande yerba de huaca, d. h. Gräberpflanze genannt. Als Arzneimittel gegen Krämpfe, Asthma und Rheumatismus werden die Blätter und Samen unseres Stechapfels erst seit 1762, da sie Störck in Wien empfahl, angewendet.
Tafel 125.
Der Baldrian.
(Nach der Natur phot. von H. Dopfer.)
Die Arnica.
(Nach der Natur phot. von H. Dopfer.)
Tafel 126.
Tollkirsche (Atropa Belladonna) in einer Waldlichtung bei Weidling nächst Wien. (Nach einer im Besitz des Botan. Institutes in Wien befindlichen Phot. von A. Ginzberger.)
Baumartig kultivierter Rizinus auf den Kanarischen Inseln. (Nach einer im Besitz des Botan. Institutes zu Wien befindlichen Phot. von G. Kraskovits.)
Ebenfalls irgendwo aus Westasien zwischen dem Kaspischen Meer und Afghanistan scheint das Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) nach Europa eingeführt worden zu sein, und zwar schon im Altertum. Der aus Kilikien gebürtige griechische Arzt Dioskurides beschreibt vier Arten des Bilsenkrautes, die alle in Griechenland wachsen. Unter ihnen war die weiße Abart (H. albus) die gebräuchlichste und wurde schon von den Hippokratikern angewandt. Als dem Apollon geweihtes heiliges Kraut wurde es alljährlich von Kreta nach Rom gebracht und stand als Liebestrank neben der Mandragora in hohem Ansehen. Daß es Wahnsinn veranlassen könne, wußte schon Sokrates. Von der Beobachtung, daß Schweine nach dem Genusse des Krautes in Krämpfe verfallen, soll nach Helianus der Name hyoskýamos, d. h. Schweinebohne, herrühren, während Bilsenkraut das Kraut des keltischen Sonnengottes Beal bedeutet. Erst seit dem Jahre 1762, da eingehende Erfahrungen über die Wirkung des Bilsenkrautes bekanntgegeben wurden, fand es bei den wissenschaftlich gebildeten Ärzten als Beruhigungs- und Schlafmittel Anwendung.
Eine dritte Nachtschattenart ist die in Laubwäldern der Gebirgsgegenden Europas wachsende Tollkirsche (Atropa belladonna), die zuerst von deutschen Botanikern und Ärzten als Giftpflanze erwähnt wird. Erst im 16. Jahrhundert wurde sie in den Arzneischatz eingeführt und findet sich 1771 in der Württemberger Pharmakopoe angeführt. Die Bezeichnung Belladonna kam im 16. Jahrhundert in Italien auf, als die Frauen sich ihrer als kosmetischem Mittel zur Erweiterung der Pupillen bedienten, während ihr von Linné gewählter Artname von der unerbittlichen Parze Atropos, d. h. der Unabwendbaren herrührt. Das aus ihr gewonnene Alkaloid Atropin, das in der Augenheilkunde und als krampfstillendes Mittel eine große Rolle spielt, wurde 1831 von Mein zuerst isoliert. Einen ähnlichen Stoff stellten 1833 Geiger und Hesse aus dem Stechapfel dar, dessen Identität mit Atropin dann Planta nachwies. Zur Verarbeitung gelangen die in der Blütezeit im Juni und Juli gesammelten Blätter 2–4jähriger Pflanzen, die bei 30° C. rasch getrocknet werden, aber nicht über ein Jahr aufbewahrt werden dürfen. Die Blätter wilder Pflanzen enthalten etwas mehr Alkaloid als diejenigen kultivierter Pflanzen.
Auch die Geschichte des neuerdings als ausgezeichnetes Herzmittel zu so großem Ansehen gelangten rotblühenden Fingerhutes (Digitalis purpurea) läßt sich als innerlich angewandte Droge nur bis zum 16. Jahrhundert verfolgen; äußerlich wurde diese Pflanze teilweise schon im 10. Jahrhundert in Form von Umschlägen oder als Blätterdekokt gegen Geschwüre verwendet. Gegen Wassersucht brauchte sie zuerst der englische Arzt Withering (1741–1799) in Birmingham, und 1783 wurde sie in die Edinburger Pharmakopoe aufgenommen. Das Wort Digitalis, das zuerst der als Professor der Botanik in Tübingen verstorbene Bayer Leonhard Fuchs (1501–1566) 1542 aufbrachte, ist vom lateinischen digitabulum Fingerhut abzuleiten. Auch vom Fingerhut werden die sorgfältig im Schatten getrockneten, am besten zu Beginn der Blütezeit gesammelten Blätter wildwachsender Pflanzen verwendet.
Seit dem frühesten Altertum war der Eisenhut (Aconitum napellus) den Völkern gebirgiger Gegenden, in denen er mit Vorliebe wächst, als äußerst starkes Gift bekannt. So dienten die knollig aufgetriebenen Wurzeln, nach denen die Pflanze den Beinamen napellus, d. h. Rübchen hat, den alten Deutschen als Wolfswurz und den alten Griechen als lykóktonon, d. h. Wolftöter zum Vergiften wilder Raubtiere, besonders des die Herden umschleichenden Wolfes, wie diejenigen der noch giftigeren Art, Aconitum ferox, des Himalaja von den dortigen Bewohnern zum Vergiften der Pfeile benutzt wird. Nach dem griechischen Mythos soll schon die zauberkundige Medeia, Tochter des Königs Aetes von Kolchis, ein Gift daraus bereitet haben, womit sie nach der Verstoßung durch ihren Gatten Jason ihre Kinder tötete. Auch soll man nach einigen Angaben aus dem Altertum Verbrecher damit hingerichtet haben; ebenso diente sie noch im 16. Jahrhundert den Älplern zur Bereitung von Pfeilgift. Als Arzneimittel gegen Kopfweh und Wechselfieber wurde sie seit dem 17. Jahrhundert in den Apotheken geführt, kam aber erst durch die Empfehlung des Wiener Arztes A. Störck seit 1762 allgemeiner in Gebrauch. In den Handel gelangen die zu Ende der Blütezeit im Juli und August von wildwachsenden Pflanzen gesammelten und rasch an der Luft getrockneten Knollen. Sie enthalten bis 0,8 Prozent des 1833 von Geiger und Hesse entdeckten Alkaloids Akonitin, das zur Herabsetzung von Temperatur und Puls im Fieber, wie auch zur Herabminderung von Schmerzen peripherer Nerven dient.
Äußerst beliebt als Volksheilmittel gegen alle möglichen Beschwerden ist die Kamille (Matricaria chamomilla) seit dem Altertum, da sie Hippokrates als euánthemos, d. h. gute Blume, Dioskurides als anthemís und anthýllis und Galenos als anthemís und chamaimḗlon, d. h. am Boden wachsender Apfel, empfehlend erwähnen. Aus letzterer Bezeichnung ging dann der Name Chamemilla hervor, der uns bei Till Lants zu Ende des 17. Jahrhunderts zuerst entgegentritt.
Als beliebtes Bittermittel ist seit dem Altertum die Wurzel des auf Bergwiesen wachsenden Enzians (Gentiana lutea u. a.) gebräuchlich, von der meistens ein wässeriger Extrakt zur Anwendung gelangte. Von den beiden Zeitgenossen Dioskurides und Plinius wird der Name gentiana auf den 167 v. Chr. verstorbenen König Genthius von Illyrien zurückgeführt, der sie als Mittel gegen die Pest empfohlen haben soll. Galenos und Cletius Abascantus benutzten sie gegen die Auszehrung, Origines gegen Blutspeien und Coelius Aurelianus gegen Spulwürmer. Nach Celsus und Scribonius Largus war die Wurzel auch als Antidot im Gebrauch und bis zur Einführung der Laminariastifte wurde sie von den Chirurgen auch als Quellstift benutzt. Seit dem Mittelalter wird auch ein gegen Kolik dienlicher Schnaps aus ihr gebrannt, der besonders bei den Älplern viel benutzt wird.
Die im mitteleuropäischen Gebirge und im nördlichen Europa bis Sibirien heimische Engelwurz (Angelica officinalis) dient in ihrer Heimat als beliebtes Gemüse und fand von altersher — so haben wir diesbezügliche Berichte aus dem 10. Jahrhundert — als appetitbeförderndes und krampfstillendes Mittel Verwendung. In Deutschland wurde sie im 14. und 15. Jahrhundert als Gewürzpflanze eingeführt und galt bald als ein Hauptmittel gegen die Pest, diente auch zur Bereitung des Angelikaschnapses, dessen Darstellung im Jahre 1500 von Brunschwig beschrieben wurde. Im 16. Jahrhundert finden wir die Pflanze des öfteren erwähnt und bereits an vielen Orten kultiviert; besonderen Ruf hatten zu jener Zeit die Angelikawurzeln aus den Gärten der Mönchsklöster von Freiburg im Breisgau. Obschon die Pflanze in den Mittelmeerländern nicht vorkommt und daher den Alten unbekannt war, glaubten die alten deutschen Ärzte und Botaniker in ihr das Panas heracleum, das Smyrnion, ja selbst das Silphium der alten Griechen vor sich zu haben, was natürlich völlig irrig war. Das destillierte Öl der graubraunen, scharf gewürzhaft und etwas bitter schmeckenden Wurzel wurde erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gewonnen und wird zum erstenmal 1582 in der Arzneitaxe der Stadt Frankfurt und 1589 im Dispensatorium noricum aufgeführt.
Die wurmabtreibende Wirkung der Farnwurzel (von Aspidium filix mas) war schon dem Begründer der Botanik Theophrastos und den späteren griechischen Ärzten bekannt. In der ganzen römischen Kaiserzeit und im Mittelalter blieb die Wurzel des Wurmfarns gebräuchlich, findet sich aber nur hier und da in den medizinischen Schriften erwähnt. Erst zu Ende des 18. Jahrhunderts kam sie wieder mehr zu Ansehen und um 1775 bildete sie den Hauptbestandteil eines Geheimmittels, das von der französischen Regierung der Witwe des Arztes Nuffer in Murten abgekauft wurde, wie auch desjenigen Mittels, das Friedrich der Große von dem aus Neuchâtel stammenden Apotheker Daniel Matthieu in Berlin erwarb. Im Jahre 1825 führte der Genfer Apotheker J. Peschier das Ätherextrakt davon ein, das neuerdings von der Filmaron genannten wirksamen Substanz abgelöst wurde.
In Persien, Turkestan und Buchara, speziell der Kirgisensteppe, wächst die Komposite Artemisia cina, eine dem Wermut und Estragon sehr nahe verwandte Beifußart, der Wurmbeifuß, dessen in der zweiten Hälfte des Juli und im August unmittelbar vor dem Aufblühen gesammelten eigenartig aromatisch riechenden Blüten, den Zitwer- oder Wurmsamen liefern, dessen wurmabtreibende Wirkung schon im Altertum bekannt war. Nach Europa scheint die Droge erst durch die Kreuzzüge eingeführt worden zu sein. Der später übliche Name semen santonici wird auf eine Mitteilung des griechischen Arztes Dioskurides zurückgeführt, der von einer beim keltischen Stamme der Santonen im südlichen Gallien (Aquitanien) wachsenden Artemisiaart, dem Wermut (Artemisia absinthium), berichtet. Danach wurde das wirksame Prinzip des Wurmsamens, das heute fast nur noch verwendet wird, Santonin genannt. In der besten Ware ist es zu 2,5 Prozent enthalten und wird von an Ort und Stelle errichteten Fabriken in Taschkent und Tschimkent gewonnen. In russisch Turkestan werden durch die Kirgisen teils von wildwachsenden, neuerdings aber auch in zunehmendem Maße von kultivierten Pflanzen etwa 2,5 Millionen kg jährlich geerntet und zum größten Teil zur Extrahierung des Santonins verwendet.
Die Pfefferminze (Mentha piperita) ist eine der ältesten aus China nach Vorderasien und dann nach Europa gelangten Arzneipflanzen, deren aromatische, während der Blüte gesammelte Blätter gekocht als krampfstillendes Mittel gebraucht werden. In Ägypten findet sie sich schon ums Jahr 1550 v. Chr. in dem Papyrus Ebers erwähnt und wurde von Schweinfurth auch in einem Grabe in Abd-el-Quurnah aus der Zeit von 1200–600 v. Chr. unter den Totenbeigaben nachgewiesen. Auch die alten Griechen und Römer gebrauchten die Pflanze, die erstere míntha, letztere dagegen menta nannten und im Gegensatz zur wilden Wasserminze die zahme hießen. Im Mittelalter fehlte sie in keinem Arzneigärtchen. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde sie von den Ländern Europas zuerst in England zur Gewinnung des ätherischen Pfefferminzöles im Großen kultiviert, dann in Frankreich, Deutschland, Rußland und seit 1816 besonders in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Die weitaus ältesten Pfefferminzkulturen, die schon vor dem Beginn der christlichen Zeitrechnung begonnen wurden, besitzen China und Japan, wo der kristallisierbare Mentholkampfer seit ebenso lange gewonnen und als Heilmittel im Gebrauche gewesen sein soll. Das bittere und deshalb fast ausschließlich zur Gewinnung von Menthol dienende japanische Pfefferminzöl soll von Mentha arvensis stammen. Die Jahresproduktion des Öles beträgt in Amerika 90000 kg, in Japan 70000 kg, in England 9000 kg, in Frankreich 3000 kg, in Deutschland 800 kg und in Italien 600 kg jährlich. Vielfach wird es mit Rizinusöl, Weingeist und Petroleum verfälscht. Das englische Öl enthält 58–66 Prozent Menthol.
Ebenfalls als Blähungen vertreibend werden seit dem Altertum die Blätter der Melisse (Melissa officinalis) bei Kolik und Diarrhoe verwendet, neuerdings hauptsächlich in Form des Öles. Sie, die ihren Namen vom griechischen melíssa Biene hat, weil der Duft des Krautes die Bienen anlockt, ist die kalamínthē und das melissophýllon der Griechen und das apiastrum (von apis Biene) der Römer. Im Mittelmeergebiet heimisch, ist sie ums Jahr 960 von den Arabern in Spanien kultiviert worden und kam früh in die Arzneigärten Mitteleuropas. Gleicherweise verhält es sich mit der ihr nahe verwandten Salbei (Salvia officinalis), die ebenfalls im Mittelmeergebiet heimisch ist und seit alter Zeit als eine der vorzüglichsten Heilpflanzen für die verschiedensten Zwecke gebraucht wird. Schon Karl der Große gebot dieses Kraut salvia, das von salvare heilen benannt ist, in seinen Gärten zu pflanzen, und die heilige Hildegard im 12. Jahrhundert rühmt die Heilkraft der von ihr als selba bezeichneten Salbei.
Denselben Zwecken diente seit dem Altertum der Rosmarin (Rosmarinus officinalis), ein 1–2 m hoher immergrüner Strauch mit stark aromatischen Blättern, die früher auch als Würze und beim Brauen des Bieres dienten. Columella rühmt den Rosmarin auch als gutes Bienenfutter, und Horaz berichtet in einer seiner Oden, daß mit ihm und Myrten die kleinen Götterbilder der Penaten bekränzt wurden. Nach Ovid bekränzte man sich auch bei Festen mit Rosmarin oder Veilchen oder Rosen. Auch Quendel (Thymus serpyllum) und Thymian (Thymus vulgaris) sind seit uralter Zeit benutzte Heil- und Gewürzkräuter, die beide gleichförmig von den alten griechischen und römischen Ärzten zum Vertreiben von Blähungen verwendet wurden. Der griechische Pflanzenkenner Theophrast, der Schüler des Aristoteles, berichtet, daß der von ihm als hérpyllos bezeichnete Quendel oder Feldthymian allenthalben auf den Bergen und Hügeln wachse, besonders in Thrakien gemein sei und eine treffliche Bienenspeise liefere. Ihm vor allem verdankte der Honig des Berges Hymettos südöstlich von Athen seinen Wohlgeschmack, der ihn deshalb weithin berühmt machte. Auch der dort gesammelte Quendel wurde vor anderem geschätzt. Wie Theophrast unterscheiden auch Dioskurides, Plinius und Columella neben dem wilden den von ihnen als thýmos, d. h. Kraft, Mut bezeichneten Gartenthymian, der dann durch die Klöster in Mitteleuropa verbreitet wurde. Weil der Thymian aus Italien nach Deutschland kam, wurde er als welscher oder römischer Quendel bezeichnet. Im 16. Jahrhundert wurde er hier allgemein angebaut und in den Apotheken geführt. Das aus ihm gewonnene gelbrote ätherische Öl findet sich 1589 im Dispensatorium noricum erwähnt, und 1719 fand Kaspar Neumann das Thymol, das innerlich als fäulnis- und gärungswidriges Mittel gegen Fieber und Eingeweidewürmer, wie auch als desodorierendes Mittel als Ersatz der ätzenden und giftigen Karbolsäure verwendet wird.
Seit alter Zeit ist in China das Mutterkorn (Secale cornutum, d. h. gehörnter Roggen) — französisch ergot —, das Sklerotium oder Dauermycelium des Pilzes Claviceps purpurea in den von ihm bald ganz aufgezehrten Fruchtknoten verschiedener Grasarten, besonders des Roggens, als Arzneimittel gegen Blutungen speziell der Gebärmutter im Gebrauch. Von griechischen Ärzten kannten Dioskurides und Galenos die Droge, deren medizinische Verwendung bei uns erst aus dem Ende des 16. Jahrhunderts datiert. 1588 verwendete Wendelin Thallius das Mutterkorn, das gemutertes, d. h. verändertes Korn bedeutet, als blutstillendes Mittel; aber erst zu Ende des 17. Jahrhunderts führte es R. J. Camerarius in Tübingen in der Geburtshilfe als die glatten Muskelfasern der Gebärmutter zum Zusammenziehen bringendes Mittel ein. Die genaue Kenntnis seiner Wirkung verdanken wir 1820 den Amerikanern Prescott und Stearns. 1853 erkannte Tulasne zuerst den Entwicklungsgang des Pilzes, 1863 vervollständigte Kuhn denselben und wies nach, daß die in langen Schläuchen erzeugten und deshalb als Askosporen bezeichneten Sporen auf der Blüte des Roggens wieder Mutterkorn erzeugen. Das hauptsächlich in Rußland, das den größten Teil der Handelsware liefert, dann in Galizien, weniger in Spanien, Portugal und in noch geringerem Maße bei uns ausschließlich vom Roggen, und zwar kurz vor dessen Fruchtreife gesammelte Mutterkorn enthält als wichtigste Bestandteile die Alkaloide Cornutin, Ergotinin und Ergotoxin. Unter Ergotin versteht man Mutterkornextrakte verschiedener Herstellungsweise, von denen das erste derartige 1842 von J. Bonjean in Chambéry (Savoyen) dargestellt wurde. Die im Mutterkorn enthaltene Sphacelinsäure (vom griechischen sphákelos Brand) wirkt gangränbildend und ist vorzugsweise die Ursache des Mutterkornbrandes, die seuchenartig als Kriebelkrankheit oder Kornstaupe besonders in Hungerjahren auftrat, wenn feuchte Witterung die Entwicklung des Mutterkornes begünstigte und damit verunreinigtes Mehl, zu Brot verbacken, die Hauptnahrung des Volkes bildete. Die erste sichere Nachricht über diese Krankheit findet sich aus dem Jahre 857 in den Annalen des Klosters Xanten. Dann trat sie besonders 922, 994, 1008, 1129 und in neuerer Zeit 1596, 1649 im Vogtland und 1736 in Hannover auf. Kriebelkrankheit hieß sie, weil sich zuerst durch Zusammenziehung zahlreicher Blutgefäße der Extremitäten ein Kriebeln darin zeigte und diese erst hernach gefühllos wurden und abstarben.
Als Salepknollen oder Geilwurz wurden von jeher die als Hoden imponierenden Doppelknollen verschiedener Orchisarten als Nahrungsmittel und als die Geschlechtstätigkeit anregendes Mittel verwendet; denn das Altertum und das Mittelalter sahen in der Hodengestalt eine „Signatur“, d. h. ein Hinweis darauf, daß sie vorzüglich auf die Geschlechtsorgane einwirken. Bei Dioskurides und Galen heißt der Salep órchis Hoden, woher die Pflanzengattung der Orchideen überhaupt ihren Namen erhielt. Das Wort Salep ist aus dem arabischen chusjata ssalab d. h. Fuchshoden verstümmelt. In Deutschland wird der aus dem Orient eingeführte Salep zuerst um 1480 als radix satyri in dem Drogenverzeichnis von Nördlingen erwähnt. Vom 16. Jahrhundert an sind in den Kräuterbüchern Abbildungen der betreffenden Pflanzen anzutreffen. Die Hauptmasse der bei uns hauptsächlich zur Bereitung von Schleim verwendeten Handelsware kommt über Smyrna, teilweise auch über Konstantinopel aus Kleinasien; so expediert Smyrna jährlich etwa 642500 kg der zur Blütezeit im Juni oder kurz danach gegrabenen, nach der Reinigung von anhängender Erde zwecks Abtötung zuerst in siedendem Wasser gebrühten und dann an der Luft getrockneten Orchisknollen. Ansehnliche Mengen werden übrigens auch bei uns gesammelt. In der Türkei und in Griechenland dient Salepschleim mit Honig vermischt als tägliches Morgengetränk und wird im Winter in besonderen Buden ausgeschenkt oder auch in Blechbüchsen auf den Straßen als Salepschleim ausgerufen und noch warm verkauft. Auch mit Fleischbrühe oder Schokolade gekocht gibt Salep eine treffliche, leichtverdauliche und deshalb besonders für Kranke angewandte Speise, mit der sich vornehme Haremsfrauen die im Morgenlande als besondere Schönheit angesehene Körperfülle zu erwerben suchen.
Seit Urzeiten ist als appetitanregendes Magenmittel der außer ätherischem Öl von grüner Farbe den glykosidischen Bitterstoff Absinthiin enthaltende Wermut (Artemisia absinthium) benutzt worden. Es ist dies eine zur Familie der Beifuße gehörende Komposite mit weißgrauen seidenhaarigen Blättern und gelben Blüten, die, wie deren Verwandte, namentlich der baumartige Beifuß (Artemisia arborea), schon im Papyrus Ebers (um 1600 v. Chr.) erwähnt wird; auch die Hippokratiker wandten diese, wie auch den verwandten Eberreiß (Artemisia abrotanum) als magenstärkendes und die Gelbsucht heilendes Mittel an. Wie das apsínthion der alten Griechen und Römer ist das althochdeutsche wermuota als ein Bittertrank charakterisiert, das auch als Wurmmittel besonders beim Vieh im Gebrauch war. In den ältesten medizinischen und botanischen Schriften Deutschlands wird der Wermut meist an hervorragender Stelle angeführt. Im 12. Jahrhundert finden wir ihn im Zürcher Arzneibuch, und im 13. Jahrhundert wurde das Kraut bis nach Island und Norwegen gebracht. Das ätherische Öl war Porta um 1570 bekannt; es dient als Erregungsmittel für die Nerven und ist der Hauptbestandteil des besonders in Frankreich sehr beliebten Likörs Extrait d’absinthe. Neuerdings ist dieser giftige Trank in der Schweiz verboten worden, so daß die Wermutpflanzer des Val de Travers im Kanton Neuchâtel sich künftighin eine andere Pflanze zu ihren Kulturen ausersehen müssen.
Ein in ähnlicher Weise die Verdauung anregendes Bittermittel ist das Tausendguldenkraut (Erythraea centaurium), eine auf Bergwiesen wachsende Enzianart, die nach dem in der Kräuterkunde sehr erfahrenen Lehrer des Herakles, Äskulap, Jason und anderer Heroen, dem Kentauren Cheiron, schon von den alten Griechen als kentaúrion bezeichnet wurde. Jener soll durch dieses Kraut eine Wunde an seinem Fuße geheilt haben, wie Achilleus, ein weiterer Schüler des Cheiron, damit nach der Ilias die Wunde des Eurypyles heilte. Es wird wie die Enzianwurzel verwendet, ist aber gegenwärtig fast außer Gebrauch gekommen, wie auch das einst vielbenutzte Kardobenediktenkraut (Cnicus benedictus). Diese in den Mittelmeerländern heimische Staude von distelförmigem Aussehen wurde schon bei den Alten unter dem Namen hētéra knḗkos arzneilich verwendet, kam dann durch die Mönche nach Mitteleuropa und wurde daselbst durch die Klöster verbreitet. Hier erhielt sie auch die Bezeichnung carduus benedictus, d. h. gesegnete Distel, weil man darin die von Theophrast als besonders wirksam gepriesene akárna beziehungsweise die atráktylis des Dioskurides vermutete, deren Blätter und Samen gegen Skorpionstich dienten. Wahrscheinlich sind aber diese mit Carthamus lanatus identisch. Das Kardobenediktenkraut, das noch vielfach in Gärten gezogen und u. a. bei Cölleda im Großen kultiviert wird, dient immer noch als Volksheilmittel und ist ein Bestandteil der Kölner Klosterpillen.
Uralte Volksheilmittel sind die Schafgarbe (Achillea millefolium), die schon von Plinius als Wundpflanze genannt wird, der Vogelknöterich (Polygonum aviculare), der als sanguinaria bei den Römern in hohem Ansehen stand und neuerdings seit 30 Jahren mit der Angabe, ein in Sibirien neuentdecktes Heilmittel zu sein, unter dem Namen Homeriana, Weidemanns russischer Knöterichtee usw. als unfehlbares Mittel gegen Schwindsucht mit großer Reklame vertrieben wird, der Dosten (Origanum vulgare), den bereits Theophrast und Dioskurides bei Lungen- und Leberleiden verwandten und der zur Zeit Luthers als der Ysop der Bibel galt, das auf den semitischen Sonnengott Adonai, d. h. Herr zurückgeführte Adonisröschen (Adonis vernalis), das Ovid aus dem Blute des sagenhaften Jünglings Adonis, des Geliebten der Aphrodite, hervorgehen läßt. Heute noch wird es mit Vorteil bei Wassersucht verwendet, da es das wertvolle Herzgift Adonidin, einen Ersatz für Digitalis, enthält. Ferner das Löffelkraut (Cochlearia officinalis), das seit der Empfehlung des brabantischen Arztes Joh. Wier im Jahre 1557 gegen Skorbut gebraucht wird, der Hohlzahn (Galeopsis ochroleuca), der seit dem Mittelalter einen Ruf als Heilmittel gegen Schwindsucht besitzt, das harntreibende Bruchkraut (Herniaria glabra) und das gleicherweise wirkende, schon von den alten griechischen Ärzten verwendete, neuerdings wieder durch Pfarrer Kneipp populär gewordene Zinnkraut oder der Schachtelhalm (Equisetum arvense), das Kraut des Maiglöckchens (Convallaria majalis), das von altersher vom russischen Volke gegen Wassersucht und Herzleiden angewandt wurde und, seit Marmé die der Digitalis ähnliche Wirkung des von Walz 1838 zuerst isolierten Glykosids Convallamarin im Jahre 1867 erkannte, in Form des wässerigen Extraktes als wertvolles Herzmittel auch bei uns oft an Stelle von Digitalis gegeben wird, da es im Gegensatz zu jenem keine kumulative Wirkung besitzt. Außer diesen wären noch viele andere einheimische Kräuter zu nennen, auf die wir hier nicht näher eintreten können. Selbst der als Hinrichtungsmittel beliebte giftige Schierling (Conium maculatum), das kóneion der alten Griechen, dessen Saft unter anderen auch Sokrates trinken mußte, als er im Jahre 399 v. Chr. als Verächter der Götter und Verführer der Jugend zum Tode verurteilt wurde, war bei den Hippokratikern als innerliches und äußerliches krampfstillendes und betäubendes Mittel sehr beliebt, wie früher bei uns gegen Zahnschmerz eine Abkochung der scharfen, die Speichelabsonderung befördernden Bertramwurzel (Anacyclus officinalis) gebraucht wurde.
Von einst viel gerühmten Wurzeldrogen sind noch zu nennen die Wurzeln des auf sonnigen Hügeln wachsenden Bibernell (Pimpinella saxifraga und P. magna), der sich schon in einem deutschen Manuskript des 8. Jahrhunderts als Bestandteil eines Universalmittels findet. Bei den alten Griechen und Römern hieß die Pflanze kaúkalis und diente als Zahnmittel, gegen Fieber und Steinbeschwerden. Aus dem deutschen bibernella, das uns bei der heiligen Hildegard im 12. Jahrhundert entgegentritt, ging dann die volkstümliche Bezeichnung pimpinella hervor, die den botanischen Namen lieferte. Die altdeutschen Ärzte gaben der P. magna den Vorzug, welche besonders als Mittel gegen die Pest hohen Ruf erlangte. Auch die Wurzel des Löwenzahns (Taraxacum officinale) war schon bei den Alten im Gebrauch als leichtes Abführmittel bei Magen- und Leberleiden. Durch die arabischen Ärzte wurde ihre Anwendung im Abendlande populär, wo sie noch heute als Blutreinigungsmittel zu den sogenannten Frühjahrskuren mit anderen abführenden Pflanzenprodukten dient.
Ein uraltes nordisches Heilmittel gegen Blasen- und Nierenleiden, das schon im 13. Jahrhundert erwähnt, seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von französischen, italienischen und spanischen Ärzten benutzt wird und seit Anfang des 19. Jahrhunderts in Deutschland offizinell ist, sind die von April bis Juni von wildwachsenden Pflanzen gesammelten und getrockneten kleinen, lederigen, glatten Blätter der immergrünen Bärentraube (Arctostaphylos uva ursi), die 3,5 Prozent des mit dem Vacciniin der Heidelbeeren identischen glykosidischen Bitterstoffes Arbutin enthalten. Außerdem enthalten sie auch reichlich Gerbstoff, weshalb sie auch zum Färben und Gerben des Saffianleders gebraucht werden. Der die glänzenden Blätter erzeugende Strauch ist reich verzweigt, erhebt sich aber nur wenig über den Boden. Er wächst mit Vorliebe auf Heiden und an Felsen und erzeugt rötliche Blüten und rote Früchte, aus deren etwas mehligem Fruchtfleisch man im Norden Brot backen soll.
Weiter hat uns der arktische Norden die Renntierflechte oder das isländische Moos (Cetraria islandica) bescheert, die nicht bloß die wichtigste Nahrung der Renntiere bildet, sondern auch von den Menschen als Gemüse verzehrt und zu Brot verbacken wird. Sie enthält 70 Prozent durch Jod nicht gebläute Flechtenstärke Lichenin, 11 Prozent durch Jod gebläutes Dextrolichenin, die beide nährend und reizmildernd wirken, und 2–3 Prozent des Bitterstoffes Cetrarin, der zwar appetitanregend wirkt, aber vor dem Genusse durch den Menschen durch Mazeration mit schwach alkalischem Wasser völlig entfernt werden muß. 1542 findet sich bei Valerius Cordus eine Angabe, welche auf diese Droge schließen läßt, doch wurde sie mit Sicherheit erst seit 1666 durch Bartolin bekannt; 1671 empfahl sie Borrich als Abführmittel und 1683 Hjärne gegen Lungenleiden. Als Mittel für Lungenkranke fand sie erst durch die Empfehlung von Linné und Scopoli allgemeinere medizinische Anwendung; auch als blutbildendes Mittel wird sie mit Erfolg angewandt, da die Zahl der roten und weißen Blutkörperchen durch deren Genuß vermehrt wird. Sie wird in größeren Mengen aus Skandinavien, den Alpen, den Pyrenäen, dem Harz und dem Fichtelgebirge, nicht aber aus Island eingeführt.
Als uraltes, reizmilderndes und stopfendes Mittel war wohl zuerst in Westasien der als Opium bezeichnete, durch Einritzen der unreifen Fruchtkapseln des Schlafmohns (Papaver somniferum) gewonnene und durch Eintrocknen an der Luft durch Sauerstoffaufnahme eingedickte Milchsaft in Gebrauch. Von den Anwohnern der kleinasiatischen Küste lernten dann die alten Griechen den von ihnen mḗkon genannten Schlafmohn und seine betäubenden Eigenschaften kennen. Vielleicht war er schon in homerischer Zeit bekannt. Nicht nur wird in der Ilias die Pflanze mḗkon erwähnt, sondern in der Odyssee auch ein nepénthes genannter, die Erinnerung auslöschender Zaubertrank genannt, der möglicherweise aus Mohnsaft, vielleicht in Verbindung mit Hanfextrakt, bereitet wurde. Diese betäubende Wirkung des Mohnsaftes muß sehr früh auch ärztlich benutzt worden sein, obschon keine diesbezüglichen Mitteilungen auf uns gekommen sind. Den anfänglich mēkṓnion und erst viel später nach der griechischen Bezeichnung opós für Milchsaft als ópion bezeichnete eingedickte Mohnsaft, das Opium, hat der größte griechische Arzt Hippokrates (460–364 v. Chr.) nicht gekannt oder doch nicht benutzt, obschon er den Milchsaft der Blätter und Fruchtkapseln, wie die Fruchtkapseln selbst leer oder mit den Samen als Heilmittel anwandte. Wie die Hippokratiker, wendet auch der pflanzenkundige Schüler des Aristoteles, Theophrast (390–286 v. Chr.), die Bezeichnung mēkṓnion auf den betäubenden Milchsaft einer Wolfsmilchart (Euphorbia peplus) an. Erst die griechischen Ärzte Diokles von Karystos und Herakleides von Tarent sollen im 3. vorchristlichen Jahrhundert den eingedickten Mohnsaft als Medikament benutzt haben, und Nikander von Kolophon in Ionien lieferte um 200 v. Chr. eine Beschreibung der gefährlichen Wirkung desselben. Der um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. in Rom lebende, aus Kilikien stammende griechische Arzt Dioskurides kennt diese Droge genau und berichtet bereits auch von deren Verfälschung. In dem von ihm auf uns gekommenen Arzneibuch heißt es: „Die Abkochung der Blätter und Köpfe des Mohns (mḗkon) macht schläfrig, was auch bei der Klatschrose (rhoiá) der Fall ist. Letztere hat ihren Namen rhoiá davon, daß Milchsaft (opós) aus ihr fließt (rhei). Der Milchsaft der Mohnarten, in der Größe einer Erve (órobos) — etwa einem kleinen Linsenkorn entsprechend — eingenommen, beschwichtigt Schmerzen, bringt Schlaf und fördert die Verdauung. In größerer Gabe ist er gefährlich, da er Schlafsucht und Tod bewirken kann. Der beste, durch Einschnitte mit dem Messer in die unreifen Mohnköpfe nach dem Trocknen des Taues gewonnene Mohnsaft (opós) ist dick, riecht stark, macht schon durch den Geruch schläfrig, schmeckt bitter, löst sich leicht in Wasser auf, ist glatt, weiß, weder rauh noch krümlig, schmilzt an der Sonne, brennt hell, wenn er von der Flamme berührt wird und behält seinen Geruch, auch wenn man ihn gelöscht hat. Man verfälscht ihn mit glaucium — dem Saft des großblütigen Schöllkrauts (Chelidonium glaucium), das in Italien und Griechenland wild wächst —, mit Gummi — und zwar arabischem Gummi — und dem Saft des wilden Salats (thrídax). Ist er mit glaucium verfälscht, so gibt er, mit Wasser vermengt, eine gelbe Farbe; enthält er Saft vom wilden Salat, so ist der Geruch schwach und rauher; Gummi dagegen macht ihn schwach und durchscheinend. Manche treiben den Unsinn so weit, daß sie ihn sogar mit Fett verfälschen.“
Auch Plinius berichtet ausführlich über Gewinnung und Eigenschaften des von ihm opion genannten Opiums, das damals schon nach ihm hauptsächlich in Kleinasien gewonnen wurde. Er sagt ferner, daß nach Andreas, dem Leibarzt des Ptolemaeus Philopator (221 bis 205 v. Chr.), das Opium in Alexandrien verfälscht wurde. Im 6. Jahrhundert wird Opium thebaicum (aus Oberägypten) von Alexander Trallianus und im 7. Jahrhundert von Paulus Aetius genannt. Das ägyptische Opium rühmt der um 200 n. Chr. verstorbene griechische Arzt Galenos als das beste und kräftigste, auch spricht er von libyschem und selbst spanischem Opium. Der arabische Arzt Avicenna (eigentlich Ibn Sina, 980–1037) spricht ebenfalls von ägyptischem Opium. Durch Araber soll bereits im 7. Jahrhundert Opium nach Persien, im 8. nach Indien und im Laufe des 10. nach China gekommen sein, wo es 973 in einem Arzneibuch erwähnt wird. Die ersten Nachrichten über in Indien selbst gewonnenes Opium verdanken wir Odoardo Barbosa, der solches 1516 auf dem Markte von Kalikut nebst kleinasiatischem antraf. Derselbe Portugiese, der nach der Entdeckung des Seeweges ums Kap der Guten Hoffnung nach Ostindien fuhr, gibt uns auch die frühesten Nachrichten über Versendung indischen Opiums nach China, wo allerdings der Schlafmohn schon seit dem 11. Jahrhundert zur Gewinnung von Opium angepflanzt wurde. Doch wurde er auch hier zunächst nur als Medizin benutzt und gelangte erst im 17. Jahrhundert in großem Umfange als Genußmittel zum Rauchen zur Anwendung. Dieser Gebrauch soll aus Formosa nach China gelangt sein, und Formosa soll sein Opium aus Java bezogen haben. In einem zwischen 1552 und 1578 verfaßten chinesischen Kräuterbuch wird die Gewinnung des Opiums und seine Verwendung, aber nur in der Medizin, beschrieben.
Die europäischen Ärzte des Mittelalters hielten das Opium für sehr gefährlich und wendeten es deshalb nur selten an, so daß sein Gebrauch gegenüber dem Altertum stark abnahm. Meist wurden nur die Mohnfrüchte verordnet, deren schlafbringende Wirkung man sehr wohl kannte. In Deutschland soll das aus dem Orient eingeführte Opium erst durch den weitgereisten Schwyzer Arzt Paracelsus (1493 bis 1541) unter der Bezeichnung laudanum eingeführt worden sein. In dem in regem Handelsverkehr mit dem Morgenlande stehenden Italien war es schon viel früher im Gebrauch; so erwähnt es 1290 Simon Jamensis, der Leibarzt des Papstes Nikolaus IV. Als Bestandteil des bereits erwähnten Theriaks wurde es in der Folge viel gebraucht. Die wissenschaftliche Grundlage für die Verwendung des Opiums in der Medizin legte der englische Arzt Sydenham (1624 bis 1689). Nachdem schon 1688 Ludwig und nach diesem Wedelius, Hofmann und andere die narkotischen Wirkungen des Opiums zum Gegenstand eingehender Untersuchungen gemacht hatten, gelang es erst 1803 Derosne aus dem Opium eine kristallisierbare Substanz, das Narkotin, herzustellen. 1804 stellte dann der Paderborner Apotheker Sertürner die Mekonsäure und 1806 das von ihm Morphin genannte „schlafmachende Prinzip“ dar. 1832 entdeckte Robiquet das Codein und fast zu derselben Zeit Dublanc das Mekonin, eine indifferente Verbindung. Heute kennen wir etwa 20 verschiedene Alkaloide als Bestandteile des hauptsächlich zur Anwendung gelangenden kleinasiatischen Opiums, unter denen das Morphin, das darin zu 10 bis 12 Prozent enthalten ist, die erste Rolle spielt. Nach ihm kommen an Wichtigkeit das darin zu 0,2–0,8 Prozent enthaltene Codein, das zu 4–10 Prozent enthaltene Narkotin, das zu 0,2–0,3 Prozent enthaltene Thebain, das zu 0,1–0,4 Prozent enthaltene Narcein usw. und schließlich 4 Prozent Mekonsäure.
Schon im Altertum benutzte man den Mohnsaft als Gegengift, und das Opium war eines der wichtigsten Bestandteile des Theriaks, eines Latwerges, das Neros Leibarzt Andromachos gegen den Biß giftiger Schlangen erfunden haben soll und das nach dem Arzte Claudios Galenos (133–200 n. Chr.) aus 70 Ingredienzen bestand. Dem Namen thēriakón antídoton (von tḗr Tier und akéomai abwehren), d. h. Tierbiß heilendes Gegenmittel, entsprechend war der Theriak eigentlich ein aus giftigen Tieren bereitetes Gegengift gegen Tiergift, dem Grundsatze der alten Heilkunde gemäß, daß das, was schädigt, auch heilen muß. Dazu kamen später auch zahlreiche Pflanzengifte und die heterogensten Stoffe hinzu und damit konnte es ebensogut gegen Pflanzen- und mineralische Gifte genommen werden. Seit dem 12. Jahrhundert finden wir das Mittel unter der volkstümlichen Bezeichnung Trîak oder Trîakel auch in Deutschland verbreitet. Der Verfasser der ersten in deutscher Sprache geschriebenen Naturgeschichte, Konrad von Megenberg (um 1309 auf dem Schlosse Megenberg bei Schweinfurt in Franken als der Sohn des Schloßvogtes geboren und 1374 als Kanonikus am Dom zu Regensburg gestorben), läßt ihn aus dem Fleisch der Schlange tirus und aus anderen ähnlichen Dingen bereitet werden und gegen jegliches Gift wirksam sein, mit Ausnahme desjenigen, das von jener Schlange selbst kommt. Schon vor dem 15. Jahrhundert gab es verschiedene Arten von Theriak, was daraus hervorgeht, daß damals die „grosz tiriaca“ als die allein echte, nach altbewährtem Rezept ausgeführte, den geringwertigen Surrogaten entgegengestellt wurde, die von herumziehenden Quacksalbern als Universalmedizin ebenfalls unter der reklamehaften Bezeichnung Theriak verkauft wurden. Letztere enthielten eine mehr oder weniger große Zahl heilkräftiger Stoffe in Honig gemischt. Der Hauptfabrikationsort für den echten Theriak war Venedig, wo er unter großem Pomp beim Schalle von Trompeten und Pauken öffentlich hergestellt wurde. Daneben bereitete man auch welchen in den heimischen Apotheken unter Aufsicht von Ärzten aus den erlesensten dazu gehörigen Sachen. Seine Anwendung geschah nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich; so galt er in die Nase gestrichen als das beste Schutzmittel gegen Pestilenz.
Wie das Opium zum Stopfen bei Diarrhoe und seine Salze zur Herabsetzung von Hustenreiz und Schmerzen aller Art dienen, so steht seit dem Mittelalter die Faulbaumrinde (von Rhamnus frangula) als Abführmittel in Gebrauch. Diese hat vor dem Gebrauch mindestens ein Jahr zu lagern, da frische Rinde brechenerregend wirkt. Sie enthält als wirksames Prinzip das Glykosid Frangulin, das in frischen Rinden fehlt, dagegen reichlich in älteren vorhanden ist. Das Frangulin spaltet sich in Rhamnodulcit und Frangulinsäure. Erst seit dem Jahre 1848 wird die Faulbaumrinde in Deutschland medizinisch verwendet.
Demselben Zwecke dient auch die als Cascara sagrada bezeichnete nordamerikanische Faulbaumrinde (von Rhamnus purshiana), die in ihrer Heimat schon längere Zeit als mildes Abführmittel im Gebrauche steht und 1878 von Dr. J. H. Bundy in Calusa (Kalifornien) gegen gewohnheitsmäßige Verstopfung empfohlen wurde. Nach Europa kam zuerst das Fluidextrakt und seit 1883 auch die Rinde, die infolge der unsinnigen Ausbeutung des im westlichen Nordamerika (Kalifornien, Oregon, Washington und Britisch-Kolumbien) heimischen Gewächses in letzter Zeit sehr selten und deshalb auch sehr teuer geworden ist.
Als mildes Abführmittel dient sonst bei uns das sehr viel billigere Rizinusöl, das von den Samen einer im tropischen Afrika heimischen und von da über die ganze Welt verbreiteten Wolfsmilchart (Ricinus communis) gewonnen wird. Dieses einjährige, sehr rasch zu gewaltiger Höhe aufschießende und deshalb bei uns, wo es in mehreren Varietäten, meist mit Canna indica zusammen, als Zierpflanze auf Rasen kultiviert wird, auch als „Wunderbaum“ bezeichnete Kraut mit sehr großen, gelappten Blättern und ansehnlichen, getrennt geschlechtlichen Blüten ist überaus anpassungsfähig und läßt sogar noch in Christiania seine Samen reifen. In Indien, wo es schon im frühen Altertum als Ölpflanze eingeführt wurde, dienen seine Blätter der bengalischen Seidenraupe (vom Eria-Seidenspinner, Saturnia cynthi) als Futter, und in Italien wird es als palma Christi geschätzt. Die von Luther mit Kürbis übersetzte, aus einem kleinen Samenkorn zur schattenspendenden Staude herangewachsene Pflanze kikajon vor des Propheten Jonas (im 8. vorchristlichen Jahrhundert) Hütte, in deren Schatten er bei Ninive ruhte und die dann ein Wurm stach, so daß sie verdorrte, kann nichts anderes als eine Rizinuspflanze gewesen sein, die in der Tat gegen Verletzungen sehr empfindlich ist.
Ihrer eiförmigen, marmorierten, ölreichen Samen wegen wird die Rizinuspflanze schon seit sehr langer Zeit in Ägypten und Vorderasien angepflanzt. So fand man solche als Totenbeigaben schon in ägyptischen Gräbern aus der Zeit um 4000 v. Chr. Hier hieß die Pflanze dekam und deren Samen kiki, und das aus den letzteren gepreßte Öl wurde nach den Berichten von Herodot (484–427 v. Chr.) und Strabon (63 vor bis 20 n. Chr.) ausschließlich als Brennöl und zum Salben verwendet. Auch in Griechenland wurde die Pflanze, wie übrigens noch jetzt, unter dem Namen kiki angepflanzt. Weil die Samen einer gehörig mit Blut vollgesogenen Hundszecke (Acarus ricinus) täuschend ähnlich sehen, wurde die Pflanze nach diesen im Altgriechischen auch króton genannt, wie uns Dioskurides um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. berichtet. Dieser Autor schreibt in seinem Arzneibuche: „Das Rizinusöl (kíkinon élaion) wird folgendermaßen gewonnen: Man nimmt die reifen Samen (króton) und trocknet sie in der Sonne, bis ihre Schale abfällt. Dann wirft man sie, von der Schale befreit, in einen Mörser, stößt sie sorgfältig, tut sie in einen mit Wasser gefüllten, verzinnten Kessel und kocht sie; so geben sie ihr Öl von sich, es schwimmt auf dem Wasser und wird abgeschöpft. Die Ägypter, die dessen mehr gebrauchen als wir, verfahren anders. Sie reinigen die Samen gut, mahlen sie dann in einer Mühle und pressen das Öl aus. Dieses Öl taugt nicht zur Speise, wohl aber für Lampen und Pflaster.“ Dagegen wandte dieser griechische Arzt die zerstoßenen Rizinussamen als Abführmittel an.
Durch die Kreuzzüge gelangte die Rizinusstaude als Zierpflanze in die Gärten Mitteleuropas, wo sie noch im 16. Jahrhundert gelegentlich anzutreffen war, doch geriet sie in der Folge bei uns in Vergessenheit. Erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Rizinusöl von Westindien aus, wo es reichlich erzeugt wurde, in Europa als Abführmittel eingeführt und fand hier bald in Ärztekreisen Anerkennung. Durch eine 1764 veröffentlichte Dissertation von Dr. Cauvane wurde es in weiteren Kreisen bekannt. 1788 fand es Aufnahme in der Londoner Pharmakopoe. Als offizinelle Handelsware ist in den Apotheken heute nur das aus den geschälten reifen Samen kalt gepreßte und mit Wasser ausgekochte Öl zulässig, das eine Ausbeute von 40–45 Prozent liefert. Es enthält im wesentlichen das Triricinolein, das Triglycerid der laxierend wirkenden Ricinolsäure, daneben Tripalmitin und geringe Mengen von Tristearin. In den Samen, den Preßrückständen und im unreinen Öle findet sich das außerordentlich giftige Ricin, welches durch Kochen des frisch gepreßten Öles mit Wasser ausgeschieden wird. Prof. Ehrlich in Frankfurt a. M. berechnete, daß 1 g Ricin genüge, um 1½ Million Meerschweinchen zu töten. Diese enorme Giftigkeit übersteigt bei weitem diejenige des Zyankaliums und Strychnins. Durch Einspritzung von immer größeren, nicht tödlichen Dosen von Ricin gelang es Ehrlich, in den betreffenden Tieren durch Bildung eines Gegengiftes eine so weitgehende Giftfestigkeit zu erzeugen, daß die tausend-, ja zehntausendfache Dosis unbeschadet ertragen wurde. Dieses im Blutserum der mit Ricin vorbehandelten Tiere kreisende Antitoxin vermag die roten Blutkörperchen normalen Blutes sehr rasch in eine gallertartig-klumpige Masse zu verwandeln, ganz analog dem bakteriellen Antitoxin, das die Bakterien seiner speziellen Art sofort zusammenballt, zur Agglutination bringt, während normales Blutserum diese Eigenschaft nicht besitzt. Das unreine Rizinusöl dient endlich als Brennöl und zur Seifenfabrikation. Vielfach kommt Verfälschung desselben mit gebleichtem Sesamöl vor.
Eine seit uralter Zeit in China als Abführmittel gebrauchte Pflanzenwurzel ist der echte Rhabarber (Rheum officinale), der als „große gelbe Wurzel“ schon in einem angeblich von Kaiser Shen-nung um 2800 v. Chr. verfaßten Kräuterbuche erwähnt wird. Um die Wende der christlichen Zeitrechnung scheint diese Droge in den Mittelmeerländern bekannt geworden zu sein. Als erster erwähnt der griechische Arzt Dioskurides um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. die Wurzel rha, nach dem Flusse Rha, der Wolga, aus welcher Gegend sie bezogen wurde, so genannt. Sein Zeitgenosse Plinius spricht von einer rhacoma, die wohl auch als Rhabarber zu deuten ist. Bei den späteren Autoren werden zweierlei Rhawurzeln nach ihrer Herkunft unterschieden, nämlich ein rha ponticum, d. h. eine pontische Wurzel, nach ihrem Bezug aus der Gegend des Schwarzen Meeres so geheißen, und ein rha barbarum, das von der Indusgegend über das Rote Meer und den alten Hafenort Barbarike zunächst nach Alexandrien eingeführt wurde. Aus dieser letzteren Bezeichnung, die allgemein im Sinne von „fremde, ausländische Wurzel“ gebräuchlich wurde, entstand dann unser Wort Rhabarber, während die lateinische Bezeichnung Rheum aus dem rhéon des Galenos hervorging. Im 6. Jahrhundert verordnete der Arzt Alexander Trallianus das eine Mal Rheum, das andere Mal Rheum barbarum und ponticum. Darunter wurden, wie schon Scribonius Largus und Celsus vom Rha barbarum und vom Rha ponticum berichten, verschiedene Rhabarberpräparate verstanden, obschon diese Ausdrücke ursprünglich ein und dasselbe bezeichneten. Im 11. Jahrhundert wußten die arabischen Ärzte schon, daß der Rhabarber aus China komme. Der erste Europäer, der in die Rhabarbergegend gelangte, war der Venezianer Marco Polo, der nach seiner Rückkehr aus China im Jahre 1295 in seiner Reisebeschreibung über Rhabarberkulturen in Tangut berichtet. Von dort und aus dem Gebirge um den See Kuku-nor wurden die getrockneten Rhabarberwurzeln an die Chinesen verkauft, welche sie nach Si-ning am Hwang-ho, d. h. dem Gelben Flusse, brachten, das von jeher der Hauptstapelplatz dieser Droge gewesen zu sein scheint.
Im Mittelalter war der Rhabarber sehr kostbar und selten und wurde deshalb nur wenig gebraucht. Erst durch die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien und dadurch, daß die Russen mit den Chinesen Handelsverbindungen anknüpften, wurde er wohlfeiler und gelangte aus diesem Grunde auch mehr zur Anwendung. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts wurde Rhabarber über Kanton und Macao verschifft, teilweise aber auch auf dem Landwege in die Länder im Westen gebracht. Dann suchten die Russen den Handel damit in ihre Hände zu bekommen. Im Jahre 1704 gelang es ihnen, denselben durch Verträge mit der chinesischen Regierung zu monopolisieren. Über die Grenzstadt Kiachta, wo die getrockneten Wurzeln Stück für Stück geprüft und die verdorbenen und unansehnlichen Stücke verbrannt wurden, gelangten sie in einer Schlittenkarawane einmal jährlich über Irkutsk nach Moskau. Hier wurden sie nochmals revidiert und die für brauchbar erkannten Stücke dem Handel übergeben. Dieser vorzügliche „moskowitische“ oder „Kronrhabarber“ war bis 1842 der einzige des Handels. In jenem Jahre öffneten nämlich die Chinesen außer Kanton und Macao weitere Häfen dem Fremdenverkehr, wodurch den chinesischen Rhabarberhändlern Gelegenheit gegeben wurde, sich der strengen Kontrolle der Russen in Kiachta zu entziehen und auch schlechtere Sorten zu verkaufen. Hierdurch und durch den Taipingaufstand von 1852–1858, der die Karawanen an der sibirischen Grenze sehr gefährdete, verringerte sich die Zufuhr über Kiachta immer mehr und hörte 1860 ganz auf; 1863 wurde der Rhabarberhof daselbst ganz aufgehoben. Seither gibt es keinen moskowitischen oder Kronrhabarber mehr im Handel. Was so bezeichnet wird, ist nach Art dasselbe, d. h. eine kantig beschnittene und durchbohrte, dunkelgefärbte, rotbrüchige Sorte, während der gewöhnliche chinesische Rhabarber weniger stark beschnitten und in der Qualität viel gemischter ist.
Die Stammpflanze des Rhabarbers blieb dem Abendlande unbekannt, bis im Jahre 1758 durch die Vermittlung eines tartarischen Rhabarberhändlers Samen einer Rheumart als die der echten Rhabarberpflanze von Kiachta nach St. Petersburg kamen. Carl von Linné beschrieb 1762 die hieraus gezogenen Pflanzen als Rheum palmatum. 1867 sandte der französische Konsul in Han-kau am Mittellauf des Blauen Flusses (Yang-tse-kiang), Dr. Dabry de Thiersant, lebende Wurzeln, die er durch Vermittlung eines Missionars in Sze-tschwan aus dem östlichen Tibet erhalten hatte, mit der Angabe nach Paris, daß sie von der echten, der Rhabarbergewinnung dienenden Pflanze stammten. Abkömmlinge aus diesen Wurzeln wurden dann von Baillon als Rheum officinale, eine neue Art, beschrieben, welche aber der vorigen nahe steht. Sie ist mit dem vom russischen Reisenden Przewalski auf seinen Reisen in der westlichen Mongolei und in Kan-su 1871–1873 in der Gegend von Kuku-nor und in der Berglandschaft Tangut, dem Zentrum der Verbreitung der besten Rhabarberpflanzen, gefundenen Rheum palmatum tanguticum der Lieferant des echten Rhabarbers. Das Hauptverbreitungsgebiet der 1,5–2,5 m hohen, breite, handförmige, dunkelgrüne Blätter und weiße Blüten aufweisenden offizinellen Rhabarberpflanze ist das Hochplateau von Osttibet und das westchinesische Gebirgsland zwischen dem Blauen und Gelben Fluß, das zu den Provinzen Sze-tschwan und Kan-su gehört. Die Hauptmasse des Rhabarbers kommt von Rheum officinale aus Osttibet und der chinesischen Provinz Sze-tschwan, nur ein geringer Teil nördlich davon aus der Provinz Kan-su von Rh. palmatum tanguticum; und zwar wird die beste Sorte von wildwachsenden Pflanzen gewonnen. Der wahrscheinlich nur in geringen Mengen angebaute Rhabarber gilt als minderwertig. Noch sehr viel geringer an wirksamer Substanz ist natürlich der in Europa gepflanzte echte Rhabarber, was leicht begreiflich ist, wenn man bedenkt, daß er in seiner Heimat in 3–4000 m Höhe gedeiht und bis 6300 m Höhe steigt. Zur Gewinnung der offizinellen Droge benutzt man mindestens 8–10 Jahre alte Pflanzen, deren Wurzelstöcke kurz vor der Blütezeit und wieder vor der Samenreife gegraben, vom oberen Teil und der Rinde befreit, in kleinere Stücke gespalten, durchbohrt und an Schnüre aufgezogen ziemlich oberflächlich, teils an der Luft, teils am Ofen getrocknet werden. Dann gelangen sie an die großen Häuser, die sie vollkommen putzen, sortieren und noch besser trocknen. Die Ware kommt dann in großen, außen mit gelbem oder rotem Papier überzogenen und mit chinesischen Schriftzeichen signierten, innen mit Zinkblech ausgeschlagenen Kisten aus der Provinz Schen-si dem Gelben Fluß entlang nach Tien-tsin und Peking, aus der Provinz Sze-tschwan mit dem Hauptstapelplatz Kwan-juön dem Blauen Fluß entlang nach Schang-hai und aus Tibet und Yün-nan zum Teil auch dem südlicheren Perlfluß entlang nach Kanton in den Handel. Die beste, orangegelbe Sorte stammt aus Schen-si und ist auch weitaus die teuerste; die andern, billigeren Sorten sind ockergelb und werden hauptsächlich von der großen Handelsstadt Han-kau am Mittellauf des Blauen Flusses aus ausgeführt, von wo der meiste Rhabarber über Schang-hai in den Welthandel gelangt.
Der Rhabarber enthält als primäre Bildungen der Pflanze zwei Gruppen von Glykosiden, nämlich die abführend wirkenden Anthraglykoside und deren Spaltungsprodukte, unter denen die Chrysophansäure, das Emodin und das Rhein die wichtigsten sind, und die nicht abführend, wohl aber zusammenziehend wirkenden Tannoglykoside und deren Spaltungsprodukte. Daher kommt es, daß kleine Dosen Rhabarber stopfend durch letztere und erst größere abführend durch erstere wirken, indem die Glykoside im Darm langsam gespalten werden. Dabei wird gleichzeitig die Absonderung der Galle angeregt.
Bild 71. Der Blütenstand der offizinellen Rhabarberpflanze (Rheum officinale).
Eine dem chinesischen Rhabarber ähnliche Wurzel liefert der in Südrußland und Sibirien heimische pontische Rhabarber (Rheum rhaponticum), den man, als er durch den Botanikprofessor Prosper Alpino in Padua bekannt wurde, lange Zeit für den echten Rhabarber hielt. Wahrscheinlich wird der größte Teil des rha ponticum der Alten aus ihm bestanden haben. Wenn auch schwächer als der chinesische Rhabarber wirkend, wird er nicht nur in seiner Heimat und im Morgenlande, besonders Persien, sondern auch seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in England, Frankreich, Deutschland, Österreich und Ungarn im großen angepflanzt und in den Handel gebracht. Er wird namentlich in der Tierarzneikunde seiner größeren Billigkeit wegen viel verwendet. In England begann um 1800 der Apotheker Hayward in Hanbury bei Oxford seine Kultur in größerem Stile, die dann seit 1845 einen bedeutenden Aufschwung nahm. Die Hauptkulturen Frankreichs sind in den Departements Morbihan, Doubs und Isère. Ein Teil der wirksamen Bestandteile der echten Rhabarberwurzel fehlt in den von dieser Art gewonnenen Wurzeln, die auch dünner sind.
Nach der Entdeckung Amerikas hielten bekanntlich die Spanier dieses Land zuerst für den östlichen Teil Asiens und bemühten sich, außer dem Gold, das sie in dem vom Venezianer Marco Polo als sehr goldreich beschriebenen Lande Zipangu (Japan) zu finden hofften, auch die wichtigsten asiatischen Gewürze und Arzneidrogen zu bekommen, um sich an dem damit zu treibenden Handel zu bereichern. Unter den Drogen, die Kolumbus in seinen ersten Briefen in die Heimat erwähnt, befindet sich, so speziell in den Briefen vom 4. und 14. März 1493, auch Rhabarber. Dieser amerikanische Rhabarber hat sich als die knollenförmig angeschwollenen, abführend wirkenden Wurzeln verschiedener Windengewächse erwiesen, unter denen die schon lange vor der Ankunft der Spanier in Mexiko als Abführmittel verwendete Jalapenwurzel seit Anfang des 17. Jahrhunderts auch in den Arzneischatz Europas eingeführt wurde. Diese seit 1536 deutlicher erkannte Wurzel, die der Spanier Monardes zuerst in der Provinz Mechoacan in Mexiko kennen lernte und als Rhabarber von Mechoacan in jenem Jahre beschrieb, figurierte in den europäischen Drogenverzeichnissen des 17. und 18. Jahrhunderts als Mechoacannawurzel, bis sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach dem mexikanischen Bezugsorte Jalapa von den Marseillern den Namen Jalapenwurzel erhielt. Die Mutterpflanze aber lernte man erst 1829 durch Cox in Philadelphia kennen. Sie kam dann 1830 zuerst nach Europa durch Schiede, der ihr den Namen Convolvulus jalapa gab. Heute wird sie aber meist nach Hayne als Ipomoea purga bezeichnet. Die Jalapenwinde ist eine am östlichen Abhang der mexikanischen Cordillere in Höhen von 1200–2400 m wildwachsende ausdauernde Schlingpflanze, die auch an manchen Orten der Tropen wie auf Jamaika, in Südamerika, auf Ceylon und in Ostindien kultiviert wird. Die walnuß- bis faustgroßen Knollen werden das ganze Jahr hindurch, besonders aber am Ende der Regenzeit im Mai gesammelt, an der Sonne, in heißer Asche oder, in einem Netz aufgehängt, über freiem Feuer getrocknet. In letzterem Falle erhalten sie ein berußtes Aussehen und etwas Harz tritt aus. Um den Austrocknungsprozeß zu beschleunigen, werden die größeren Knollen durchschnitten; nur kleine läßt man ganz. Sie sind hart, fest und schwer, erscheinen außen dunkelbraun, runzelig, innen weißlichgrau, faserig, riechen eigenartig und schmecken anfangs süßlich, ekelhaft, dann scharf, im Rachen lange haftend. Haupthandelsplatz der nur von wildwachsenden Pflanzen gesammelten echten mexikanischen Jalapa ist der mexikanische Hafenort Vera Cruz, von wo die Droge in Ballen von 50 kg Gewicht exportiert wird. Als wichtigsten Bestandteil enthält sie das zuerst 1634 durch Ausziehen der Wurzelknolle mit Weingeist gewonnene, bis zu über 20, meist aber zu 10–13 Prozent darin enthaltene Jalapenharz, das aus 95 Prozent eines in Äther unlöslichen harzartigen Glykosids Convolvulin und zu 5 Prozent des in Äther löslichen Harzes Jalapin besteht. Aus ersterem werden im Darm die Convolvulin- und Purginsäure gespalten. In der Wirkung steht dieses Abführmittel in der Mitte zwischen Rhabarber und Aloe, indem es nicht so leicht verstopft, wie ersterer, und auch nicht so stark die Gedärme reizt, wie letztere.
Als drastisches Abführmittel wird das Gummiharz einer altweltlichen Windenart (Convolvulus scammonia) als Scammonium verwendet. Dieses hat seinen Namen vom griechischen skámma, das Gegrabene, und wurde schon im Altertum gebraucht, aber nach Dioskurides schon ebenso verfälscht wie heute. Von der im östlichen Mittelmeergebiet bis zum Kaukasus heimischen, in Kleinasien und Syrien stellenweise häufigen ausdauernden Pflanze wird der eingetrocknet bräunlichgelbe bis dunkelbraune Milchsaft aus der bloßgelegten Wurzel vermittelst Einschnittes gewonnen. Er schmeckt kratzend, bitter und riecht dem Jalapenharz ähnlich, besteht aus 10 Prozent Harz, und zwar zum großen Teil aus Jalapin, dann aus Zucker, Gummi und Gerbstoff. Im Mittelalter wurde er öfter unter der Bezeichnung Diagrydium arzneilich verwendet, kommt aber heute nur ganz ausnahmsweise zur Anwendung.
Häufiger wird das Podophyllin angewandt, das von einer an schattigen, feuchten Stellen der Laubwälder des atlantischen Nordamerika wachsenden staudigen Berberidee mit 5–9lappigen Blättern, großen, weißen, nickenden Blüten und eiförmigen, gelblichen, etwa einer kleinen Zitrone ähnlichen, vielsamigen Früchten mit säuerlichem, eßbarem Fruchtfleisch gewonnen wird, indem der weiße, kriechende Wurzelstock mit Alkohol ausgezogen und dieser spirituöse Auszug mit Wasser gefällt wird. Das so gewonnene Podophyllin stellt ein zitronengelbes bis orangebraunes amorphes, bitteres Pulver dar, das 12 Prozent Harz mit den abführenden Glykosiden Podophyllotoxin und Pikropodophyllin enthält. Auch äußerlich wird die Droge als hautreizendes Mittel angewandt. Der Wurzelstock dieser Pflanze wurde von alters her von den Indianern zum Laxieren verwendet. Im Jahre 1820 wurde das daraus gewonnene Harz in die Pharmakopoe der Vereinigten Staaten, 1864 in diejenige Englands, später auch in das deutsche, österreichische und schweizerische Arzneibuch aufgenommen. Dem Wurzelstock dieses nordamerikanischen Podophyllum peltatum ist derjenige des Podophyllum emodi aus Kaschmir und dem Südabhang des Himalaja auch in der Wirkung sehr ähnlich. Auch er wird von den Eingeboren in derselben Weise gebraucht.
Uralt ist bei den Kulturvölkern Vorderasiens und des Mittelmeergebiets die Anwendung der Aloe als Abführ- und Wundheilmittel. Schon 2–3 Jahrtausende v. Chr. war sie in Ägypten und Babylonien im Gebrauch und wurde unter der semitischen Bezeichnung halal, was bitter bedeutet, aus den Küstenländern Ostafrikas eingeführt. Die Griechen und Römer lernten sie später unter dem Namen aloe kennen. Ähnlich wie der ältere Plinius sagt sein Zeitgenosse Dioskurides von ihr: „Die meiste Aloe wächst in Indien und von dort kommt auch ihr Saft in den Handel; welche wächst auch in Arabien und Kleinasien, wie auch auf einigen Inseln, z. B. Andros, doch wird ihr Saft an letztgenannten Orten nicht gesammelt, aber man legt die zerquetschten Blätter auf Wunden. Man unterscheidet zwei Arten von Aloe, eine sandige und eine leberfarbige. Beide werden mit Gummi verfälscht, was sich jedoch durch den Geschmack, den Mangel an Bitterkeit und durch den Geruch verrät, auch läßt sich der verfälschte nicht zwischen den Fingern zu feinem Staube zerreiben. Innerlich wird er vielfach als Arznei gebraucht, äußerlich aber in Pulverform auf Wunden gestreut.“ Im mittleren und nördlichen Europa war die Aloe seit dem 10. Jahrhundert im Gebrauch und wird zu dieser Zeit in angelsächsischen Arzneibüchern angeführt. In Deutschland hat besonders der gelehrte Dominikaner Albertus Magnus, Graf von Bollstädt (1193–1280), viel zu ihrer Einführung beigetragen.
Die Droge ist der eingekochte Milchsaft aus den Blättern verschiedener Aloearten aus dem tropischen und subtropischen Afrika, besonders dem Kapland. Die offizinelle Kap-Aloe wird fast ausschließlich von Aloe ferox gewonnen, welche im südlichen und südöstlichen Kapland öfters dichte Bestände bildet. Es ist dies eine Liliazee mit 1 bis 1,75 m hohem, meist einmal gegabeltem Stamm, bläulichgrünen, unterseits weißgefleckten, nicht nur am Rande, sondern meist auch an der Ober- und Unterseite stacheligen Blättern und einer großen Traube von purpurroten, an der Spitze grünlichen Blüten. Die beste Sorte von Aloe wird dadurch, und zwar meist von den Eingeborenen, gewonnen, daß man die abgeschnittenen fleischigen Blätter mit der Schnittfläche nach innen unten rings um eine über eine flache Bodenvertiefung ausgebreitete gegerbte Rindshaut derart aufstapelt, daß ein kuppelartiger Bau von etwa 1 m Höhe entsteht. Nach einigen Stunden werden die Blätter einfach beiseite gestoßen und der von selbst aus ihnen geflossene Saft in ein Gefäß gesammelt und abends über freiem Feuer eingekocht, wobei fleißig gerührt werden muß, um das Anbrennen desselben zu verhindern. Noch besser ist es, ihn langsam an der Sonne eintrocknen zu lassen. In letzterem Falle scheidet sich das Aloin des Saftes kristallinisch aus und es entsteht die, wie wir vorhin erfuhren, schon von Dioskurides und den andern Ärzten des Altertums unterschiedene matte, lederfarbene Aloe, während die eingekochte, durchsichtig, glänzend und statt rot bis hellbraun wie die vorige infolge von Überhitzung schwarz geworden ist. Eine geringere Sorte wird durch Auspressen, und die schlechteste durch Auskochen der Blätter gewonnen. Sie riecht eigentümlich und schmeckt widerlich bitter durch den in ihr enthaltenen Bitterstoff Aloin, der in Wasser löslich ist und stark abführend wirkt. Ferner sind darin 30–40 Prozent Aloeharz, 0,2 Prozent Aloe-Emodin und Spuren ätherischen Öles enthalten. Die durch Auskochen der Blätter gewonnene geringste Sorte wird ihrer Wohlfeilheit wegen nur von Tierärzten benutzt. Im 16. Jahrhundert gelangte die Kultur der Aloe vulgaris nach Südeuropa und durch die Spanier nach Westindien. Seit 1693 ist die Barbados-Aloe im englischen Handel, während die Kap-Aloe erst seit ihrer Gewinnung durch den Buren Peter de Wett aufkam. Aus der Barbados-Aloe stellte dann der Edinburger Apotheker Thomas Smith 1850 als erster das Aloin dar. Die heute meist von Curaçao stammende Barbados-Aloe wird in Kalabassen und diese dann in Fässer verpackt, während die gebräuchlichere Kap-Aloe zum Teil in Affenhäute, als dem billigsten Verpackungsmaterial, vernäht in Kisten in den Handel gelangt und so auf den Londoner und Hamburger Auktionen verkauft wird.
Bild 72. Die offizinelle Kap-Aloe (Aloe ferox).
Von einem unscheinbaren Hülsenfrüchtler, der Cassia angustifolia, einem im mittleren Nilgebiet von Assuan durch Dongola bis Kordofan heimischen, 30–60 cm hohen Strauch mit paariggefiederten Blättern, stammen die vom Volke als Abführmittel sehr beliebten Sennesblätter, die vom Juni bis Dezember gesammelt werden und getrocknet meist über England in den Handel kommen. Sie sind 1 bis 3 cm lang, eiförmig, lederig, mattgrün und enthalten außer Senna-Rhamnetin, Senna-Chrysophansäure und Cathartinsäure als eigentlichen abführenden Stoff das zu 0,8 Prozent darin enthaltene Senna-Emodin. Die alten Griechen und Römer kannten diese Droge noch nicht. Sie wurde erst seit dem 9. Jahrhundert durch arabische Ärzte unter der Bezeichnung sannâ in Europa bekannt, doch wurden im frühen Mittelalter die Fruchthülsen, und nicht die Blätter der Pflanze von den arabischen Ärzten verwendet; letztere kamen erst seit dem 11. Jahrhundert immer mehr in Gebrauch, während man in neuerer Zeit wiederum den Hülsen mehr Aufmerksamkeit zuwendet. Vom Jahre 1808–1828 war der Handel mit Sennesblättern in Ägypten unter Muhammed Ali monopolisiert und verpachtet. Als dadurch die Preise der Droge sehr in die Höhe stiegen, verpflanzten die Engländer den Anbau des Sennesstrauches nach Südindien und Ceylon, von wo heute die größte Menge unter der Bezeichnung Tinnevelly-Senna von Tuticorin aus über England in den Handel kommt, während zur Zeit des ägyptischen Monopols Triest der Hauptstapelplatz dafür war.
Als gelindes Abführmittel wird das säuerliche Fruchtmus einer anderen Leguminose, der indischen Tamarinde (Tamarindus indica), gebraucht. Dieser im tropischen Afrika von Abessinien und dem oberen Nilgebiet südwestlich bis zum Zambesi heimische Schmetterlingsblütler, der heute überall in den Tropen meist als Alleebaum kultiviert wird, stellt einen 25 m hohen, bis 8 m Stammumfang aufweisenden schattigen Baum dar mit paariggefiederten Blättern, gelblichen, purpurn geäderten Blüten und gestielten 15 cm langen und 2,5 cm breiten Fruchthülsen, die in zerbrechlicher, gelbbrauner, rauher Schale ein braunschwarzes Mus, und in diesem rundliche, viereckige, glänzend rotbraune Samen aufweisen. Für die trockenen, vegetationsarmen Binnenländer Afrikas sind die als beliebtes Obst und zur Herstellung von erfrischendem Mus und durstlöschenden Getränken benutzten Früchte von der größten Bedeutung. Auch das gelbliche, oft rot gestreifte, harte, sehr dauerhafte und von keinerlei Insekten, selbst nicht den Termiten, angegangene Stammholz ist als Werk- und Drechslerholz hochgeschätzt. Die alten Ägypter kannten den Baum als nutem, d. h. Schotenbaum, und wandten das angenehm säuerliche Mus seiner Früchte als abführende Arznei an. Die übrigen Kulturvölker des Altertums erwähnen die Frucht noch nicht, sondern erst die arabischen Schriftsteller des Mittelalters unter der Bezeichnung tamar hindi, d. h. indische Datteln, woraus dann unsere Benennung Tamarinde hervorging. Durch Vermittlung der arabischen Ärzte wurden die Tamarindenschoten und das daraus hergestellte Mus in die europäischen Apotheken eingeführt. Der erste europäische Arzt, der solches erwähnt und von dessen Anwendung als kühlendem Abführmittel bei Gallenkrankheiten spricht, ist Johannes Actuarius im 13. Jahrhundert. Bei den alten deutschen Ärzten findet sich dafür die Bezeichnung siliqua arabica, d. h. arabische Schote. Seit dem 15. Jahrhundert führen die deutschen Apotheken die Tamarinde, die aber niemals besondere Geltung erhielt. Erst in neuerer Zeit ist das in Bonbonform gebrachte Tamarindenmus von Frankreich aus als tamar indien zu Abführzwecken mehr und mehr eingeführt worden. Ihre Wirkung wird durch den Gehalt von 8 Prozent Weinstein und 15 Prozent Weinsäure bedingt. Ein ausgewachsener Baum liefert 180–200 kg Früchte, deren Mus überall in den Tropen gern als Kompott verspeist wird. Aus den Ländern am oberen Nil kam der Fruchtbaum schon sehr früh nach Indien, wo er im Ayur Veda Susrutas als ambika angeführt wird. Bereits 1570 traf ihn Hernandez in Mexiko, und 1648 von Markgraf in Brasilien angepflanzt.
Gleichzeitig mit der Tamarinde wurden die von arabischen und persischen Ärzten zuerst erwähnten getrockneten Früchte des ursprünglich ebenfalls im oberen Nilgebiet heimischen und von da über die Tropen beider Hemisphären verbreiteten, bis 18 m hohen und schöne Bäume bildenden Schmetterlingsblütlers Cassia fistula unter dem Namen Röhrenkassie in die europäischen Apotheken eingeführt. Actuarius im 13. Jahrhundert beschrieb sie als Cassia nigra und erst Mesue führt sie als Cassia fistula an. Das honigartig riechende, süßschmeckende, braune Mus, das aus den 30–60 cm langen, 1,5–3 cm dicken, schwarzen oder schwarzbraunen, zylindrischen, kurzgestielten, meist etwas gekrümmten Hülsenfrüchten mit glatter, holziger Schale gewonnen wird, enthält außer Gummi und Pektinstoffen über die Hälfte des Gewichtes Zucker und wird als mildes Abführmittel für sich oder als Bestandteil von Elektuarien benutzt. Die süßeste Ware kommt, wie das meiste Tamarindenmus, aus Ostindien in zylindrischen, aus derben Rohrspänen geflochtenen Körben in den Handel; daneben ist amerikanische und afrikanische Röhrenkassie auf dem Markt. In Indien benutzt man die jungen, unreifen Früchte, mit Zucker eingemacht, als Abführmittel. Die sehr gewürzhaft riechende Rinde des Baumes, die der Pflanze die sonst nur für eine Abart des Zimtbaums, die Zimtkassie, gebräuchliche Benennung Cassia verschaffte, ist sehr reich an Gerbstoff und wird deshalb vielfach zum Gerben benutzt.
Als drastisches Abführmittel bei Wassersucht diente früher noch mehr als heute der eingedickte schleimige, gelbe Saft eines in Süd- und Hinterindien wachsenden 15 m hohen Baumes, Garcinia hanbury, der als Gummigutti in den Handel kommt. Von den Eingeborenen wurde er schon längst arzneilich und technisch verwendet, als ihn die Europäer kennen lernten. Zuerst erwähnt ihn ein chinesischer Reisender, der von 1295–97 Kambodscha besuchte, unter dem Namen kiang-hwang. Die erste Probe davon brachte der holländische Admiral J. van Neck nach Europa; von ihm erhielt Clusius 1603 davon unter der malaiischen Bezeichnung gutah jemon, d. h. heilkräftiges Gummiharz. 1611 machte ein Bamberger Arzt, Michael Reuden, den ersten medizinischen Gebrauch davon. 1651 nahm Horstius das Mittel in seine Pharmacopoea catholica auf, und 1751 erkannte Neumann die Natur der Droge als ein Gummiharz. Von 20–30 Jahre alten Bäumen wird der gelbe Milchsaft durch spiralig um den Stamm verlaufende Schnitte vor Eintritt der Regenzeit, d. h. von Februar bis April gewonnen, in 50 cm langen und 6–7 cm dicken Bambusrohren durch Erwärmen am Feuer erhärtet und dann die stangenförmige rotgelbe Masse als Röhrengutti in den Handel gebracht. Er enthält durchschnittlich 77 Prozent Harz, etwas in Alkohol lösliches Gummiguttigelb und 12 Prozent Gummi. Die drastische Wirkung der berüchtigten Morisonpillen ist wesentlich auf ihren Gehalt an Gummigutti zurückzuführen, der in stärkeren Dosen leicht Vergiftungen hervorruft.
Ein anderes, schon in sehr kleinen Mengen außerordentlich heftig abführendes und, in die Haut eingerieben, in kurzer Zeit eine starke Hautentzündung mit Pustelbildung hervorrufendes Mittel ist das Krotonöl, das aus den zerstoßenen, geschälten, reifen Samen einer 6 m hohen, sehr nahe mit der Rizinusstaude verwandten Wolfsmilchpflanze, Croton tiglium, bei gelinder Wärme ausgepreßt wird und ein dickes, braungelbes, etwas unangenehm riechendes, zunächst milde, aber sehr bald scharf brennend schmeckendes Öl darstellt. Innerlich bringt schon ½ Tropfen mit Zucker verrieben nach einer halben Stunde eine Ausleerung hervor, während 1 Tropfen — übrigens die größte Gabe, welche innerlich als Heilmittel verabreicht werden darf — schon über ein Dutzend Ausleerungen mit starkem Drang hervorruft. Das wirksame Prinzip ist das krotonolsaure Triglycerid und das Krotonharz, auf welch letzterem die blasenziehende Eigenschaft des Öles beruht. So dient es auch als Bandwurmmittel und äußerlich zu ableitenden Salben bei Rheumatismus und Neuralgien. Die Bekanntschaft mit diesem Öle verdankt das Abendland den arabischen Ärzten. Ums Jahr 950 war es Serapion dem Älteren, und 50 Jahre später Avicenna (eigentlich Ibn Sina, dem Leibarzte mehrerer Sultane, gestorben 1037 in Hamadan) bekannt. 1578 lieferte D’Acosta eine genauere Beschreibung nicht nur des Öles, sondern auch der in Ostindien heimischen Stammpflanze, die außer hier und in Ceylon auf Java, den Philippinen und in China kultiviert wird.
Ein uraltes Abführmittel sind endlich die faustgroßen, runden, gelben Früchte der in großer Menge die Wüsten Nordafrikas und Westasiens bewohnenden Bittergurke (Citrullus colocynthis), die einst hauptsächlich den Straußen als Nahrung dienten und als Koloquinten arzneiliche Verwendung fanden. Sie finden sich bereits im Alten Testament erwähnt, und wie schon Hippokrates, verwandte sie auch Dioskurides unter der Bezeichnung kolokynthis, d. h. Eingeweidebeweger, als Arznei. Besonders von den arabischen Ärzten wurde diese von ihnen handal genannte Droge viel verwandt und deshalb die Koloquinte schon im 10. Jahrhundert auf Cypern und in Spanien angepflanzt. Als Arzneimittel werden die Früchte in angelsächsischen Arzneibüchern des 11. Jahrhunderts angeführt. Gegen halbseitiges Kopfweh rühmte sie schon Alexander Trallianus im 6. Jahrhundert. Die getrockneten, geschälten Früchte kommen aus Spanien, Marokko, Syrien und neuerdings in komprimierter Form aus Persien und Ostindien in den Handel und enthalten besonders im Fruchtfleisch einen glykosidischen Bitterstoff, das Colocynthin, zu 0,6–2 Prozent. Die gerösteten Samen der Koloquinte werden übrigens von der ärmeren Bevölkerung der Sahara als willkommene Speise gegessen.
Eine schon im Altertum für den Arzneischatz wichtige Pflanze bildete das Süßholz. Es ist dies die ungeschälte Wurzel der in Südeuropa und im südwestlichen Asien bis Persien heimischen, bis 2 m hohen, ausdauernden Leguminose, Glycyrrhiza glabra, mit bis 20 cm langen Fiederblättern und violetten Blüten in Trauben. In den hippokratischen Schriften wird sie zwar nur einmal erwähnt, aber die späteren griechischen Ärzte benutzten sie als glykýrrhiza, d. h. Süßwurzel, häufig als schleimlösendes Mittel bei Husten. Bei den römischen Ärzten figurierte sie als radix dulcis, was ebenfalls süße Wurzel bedeutet. Noch Alexander Trallianus im 6. Jahrhundert benutzte sie viel gegen Brustbeschwerden. Unter den von Karl dem Großen in seinem capitulare de villis vom Jahre 812 zum Anbau empfohlenen Nutzpflanzen findet sie sich nicht, doch wird sie von der heiligen Hildegard, Äbtissin des Klosters Ruppertsberg bei Bingen (1098–1179), als liquiricium aufgeführt, woraus dann das deutsche Lakriz und das französische rêglisse hervorging, alles natürlich Ableitungen des griechischen glykýrrhiza, das uns schon bei dem Schüler des Aristoteles, Theophrast (390–286 v. Chr.), entgegentritt. Die bis 2 cm dicke, gelbe Süßholzwurzel enthält als wesentlichsten Bestandteil das als Süßholzzucker bezeichnete Glycyrrhizin, ein an Kalk gebundenes Glykosid, das zu 6–8 Prozent darin enthalten ist. Im 15. Jahrhundert wurde von den Benediktinern in Bamberg die Kultur des Süßholzes in Deutschland eingeführt und meist von da aus die deutschen Apotheken mit dieser Droge versorgt. Seit dem 13. Jahrhundert wird es in Italien, vorzugsweise in Kalabrien und Sizilien, besonders aber in Spanien kultiviert, von wo es, im Winter ausgegraben und in Bündel von 30–35 kg Gewicht verpackt, in den Handel kommt. Auch aus Südfrankreich, Mähren und Syrien, wo die Pflanze im großen kultiviert wird, und aus der Umgebung von Smyrna, wo man sie von wildwachsenden Exemplaren sammelt, wird sie teils als solche, teils auf Lakrizensaft verarbeitet, exportiert. Der eingekochte Lakrizensaft war schon dem Dioskurides und Plinius bekannt; in Deutschland erwähnt ihn zuerst Konrad von Megenberg, der 1374 63jährig als Kanonikus am Dom zu Regensburg verstorbene Verfasser der ersten in deutscher Sprache geschriebenen Naturgeschichte. 1450 treffen wir ihn in der Arzneiliste der Stadt Frankfurt a. Main. Er wird durch Auskochen der zerquetschten minderwertigen Wurzeln in Wasser mit nachherigem Eindampfen gewonnen und dient außer als Geschmackskorrigens für Arzneien auch in der Bierbrauerei. Außer dem südeuropäischen und asiatischen Süßholz kommt eine geschälte, sogenannte russische Abart von der Varietät Glycyrrhiza glandulifera in großen, durch eiserne Bänder zusammengehaltenen Ballen von 80–100 kg in den Handel. Sie wird besonders bei Sarepta und den Inseln der Wolgamündungen im großen angebaut und ihre Wurzeln werden roh über Astrachan nach Moskau und St. Petersburg, wo sie erst geschält werden, ausgeführt. Ein anderer, meist von wildwachsenden Pflanzen an den Ufern des Ural gesammelter Teil kommt von Nishnij-Nowgorod aus auf den Markt. Diese eigenartig süß schmeckende Droge gilt als das beste Süßholz; auch bei ihm ist die Herbsternte reicher an Glycyrrhizin als die Sommerernte. Fast ebensogut in der Qualität ist das in großen Mengen in Sibirien, Turkestan und der Mongolei gesammelte und eine besondere Handelsmarke bildende chinesische Süßholz von Glycyrrhiza uralensis, das pharmakognostisch wesentliche Unterschiede vom russischen und spanischen zeigt.
Von einigen dem vorigen sehr nahe verwandten Schmetterlingsblütlern aus der Gattung Astragalus wird in Kleinasien, Syrien und Persien der als Bindemittel in der Technik und Arzneikunde viel gebrauchte Tragantgummi gewonnen. Er tritt als bei gutem Wetter innerhalb 3–4 Tagen erhärtender Schleim, bei feuchter Witterung durch entsprechende Volumzunahme freiwillig, beziehungsweise durch zufällige Verletzungen der Rinde durch Insekten oder weidende Tiere, in der Regel aber durch künstlich angebrachte Einschnitte aus Stamm und Ästen jener dornigen Büsche und wird in farblosen, gelblichweißen bis bräunlichen Blättern oder Körnern gesammelt. Die Sortierung in die verschiedenen Handelssorten geschieht meist in Smyrna oder Konstantinopel, von wo jährlich etwa ½ Million kg in den Handel gelangen. Besonders groß ist der Bedarf in der Kattundruckerei als Verdickungsmittel für Farben, in der Appretur von Seidenwaren und zum Glänzendmachen von Sohlleder. Er quillt in Wasser stark auf, gibt gepulvert mit 20 Teilen Wasser einen derben, vielfach auch zu Klistieren benutzten Schleim und enthält außer einem in Wasser löslichen Gummi hauptsächlich das in Wasser quellende, unlösliche Bassorin, ein Polysaccharid. Der Tragant war schon den alten Griechen und Römern als tragacantha bekannt und wurde von ihnen technisch und medizinisch benutzt. Theophrast nennt Kreta, den Peloponnes und Medien, d. h. das Gebirge im Nordwesten des heutigen Persien als die Heimat der ihn liefernden Pflanzen, und Dioskurides sagt, der beste sei durchsichtig, glatt, fast süß. Er wirke wie (arabischer) Gummi, werde in Augenheilmittel getan und gegen Brustleiden eingenommen. Sein Zeitgenosse Plinius der Ältere nennt Medien und Achaja als Hauptbezugsgegenden der Droge und fügt bei, daß ein Pfund davon zu seiner Zeit drei Denare (etwa 90 Pfennige) kostete. Durch die arabischen Ärzte wurde dann das Abendland mit dem Tragantgummi bekannt. Zum ersten Male findet sich die Droge in Deutschland im 12. Jahrhundert erwähnt. Um 1340 berichtet der Italiener Pegolotti über draganti als Ausfuhrartikel von Satalia (Adalia im südlichen Kleinasien) neben dem Tragant aus Romania, dem heutigen Griechenland. Neuerdings wird als Surrogat des Tragants der Kuteragummi von der 6 m hohen Leguminose Maximilianea gossypium, mit großen, gestielten Blättern und gelben Blüten, in Vorderindien gewonnen. Außer in seiner Heimat wird er in Cochinchina, Senegambien und auf der Insel Mauritius angepflanzt und liefert den dem Tragantgummi ähnlichen, in Wasser auch nur teilweise löslichen Kuteragummi, der in derselben Weise wie der Tragant verwendet wird.
Ein seit dem frühesten Altertum sehr geschätzter Exportartikel Afrikas ist der arabische oder Akaziengummi, der hauptsächlich aus Stamm und Ästen der im Nordosten Afrikas, besonders im oberen Nilgebiet wachsenden, bis 6 m hoch werdenden Gummiakazie (Acacia senegal) von den Eingeborenen gesammelt wird, um nicht nur an die Fremden verkauft zu werden, sondern in erster Linie ihnen selbst als wichtiges Nahrungsmittel zu dienen. Diese Gummiakazie bildet in Senegambien und Kordofan, im Stromgebiet des Weißen Nil und des Atbara ausgedehnte Wälder und besteht aus stacheligen Sträuchern oder bis 6 m hohen Bäumen mit schirmartiger Krone, sehr hartem Holz, grauer, rissiger Rinde und dicken Lagen gelben bis purpurroten Bastes, kleinen, doppelgefiederten Blättern, schwarzen Stacheln, langen, gelben Blütenähren und linealischen Fruchthülsen mit dunkeln Samen. Wenn im Juli, August und September in dem sonst regenarmen Lande ausgiebige Regengüsse stattfinden und daraufhin heiße Witterung eintritt, so berstet durch die austrocknenden Ostwinde die Rinde der dann eben blattlosen und sich mit den schönen, gelben Blütenähren bedeckenden Gummiakazien, und aus der allmählich der „Vergummung“ anheimfallenden Innenrinde fließt in oft größerer Menge der farblose Gummischleim aus, der alsbald am Baume erhärtet. Mit dem Ausbrechen der Blätter hört dann die Gummibildung auf. Je länger nun z. B. am Senegal der austrocknende Wüsten-Ostwind weht, um so reichlicher ist die Ernte. Nach Busse soll aber dieser Gummifluß nicht freiwillig stattfinden, wie man bis jetzt allgemein glaubte, sondern sein Entstehen lediglich der Verletzung durch die Rinde (und das Holz) anbohrende Insekten, besonders Ameisen, verdanken. Jeder Gummiklumpen entspräche demnach einer kleinen Wunde, und zwar färbt sich der austretende Gummi um so mehr rotbraun, je tiefer die Wunde ist und je mehr sich infolgedessen gerbstoffartige Stoffe beimischen. Smith endlich führt das Ausfließen von Gummi auf die Tätigkeit eines von ihm als Bacterium acaciae bezeichneten winzigen Pilzes zurück, der stets auf denselben Bäumen und an den Stellen, wo sich Gummi bildet, aufgefunden wird. Nach Louvel beginnt die Gummiabsonderung, sobald die Pflanze 7–8 Jahre alt ist, sie erreicht im 30. ihren Höhepunkt und dauert bis zum 40. an. Nur selten wird die Gummiakazie vom Menschen angeschnitten, um ihr wertvolles Produkt zu erhalten. Am reichlichsten fließt der Gummi in den Monaten Februar und März bis Mitte April, und zwar ist die Absonderung desselben in abnorm heißen Jahren am stärksten. Früher richteten gelegentlich Elefanten große Verwüstungen in den Gummiwäldern an, so daß der Ertrag geschmälert wurde. Die beste Sorte kommt aus Kordofan in den Handel; eine sehr gute Qualität liefert auch Südnubien und Abessinien. Weniger geschätzt dagegen ist der von anderen Akazienarten in Ost- und Südafrika, wie auch in Marokko und der Berberei gesammelte, mehr braune Gummi. Letzterer löst sich nicht vollständig wie der echte, helle arabische Gummi im doppelten Gewicht Wasser zu einem klebenden, aber nicht fadenziehenden, geruchlosen, gelblichen Schleim auf.
Tafel 127.
Anpflanzung von Süßholz (Glycyrrhiza) an der Save bei Bosnabrod in Bosnien. (Nach einer im Besitz des Botan. Institutes zu Wien befindlichen Photographie von L. Adamovic.)
In Europa wild wachsender Rhabarber (Rheum undulatum).
Tafel 128.
(Phot. von Dr. W. Beam.)
Anschlagen einer Gummiakazie (Acacia verek) in Kordofan.
(Phot. von Dr. W. Beam.)
Ausschwitzung von arabischem Gummi an einer angeschlagenen Gummiakazie in Kordofan.
Beim Einsammeln des Gummis ist vor allem darauf zu achten, daß nur immer ein und dieselbe Art gesammelt wird, oder aber die Sorten verschiedener Arten gleich an Ort und Stelle auseinander gehalten werden. Dies ist deshalb von großer Wichtigkeit, weil sich die verschiedenen Gummisorten in ganz verschiedenem Maße in Wasser lösen und es so leicht vorkommen kann, daß Gummisorten gemischt werden, von denen die eine ganz, die andere nur zu einem gewissen Teil löslich ist. Eine solche Mischsorte würde dadurch fast vollständig entwertet. Derartige minderwertige gemischte Sorten kommen meist fein gepulvert in den Handel, finden aber nur schwer Absatz, weil ein solcher auch stark verunreinigt zu sein pflegt. Es empfiehlt sich, nur möglichst helle und gleichmäßig gefärbte Stücke derselben Akazienart zu sammeln und die Sorten streng auseinander zu halten. Der beste Gummi ist farblos bis hellgelb, ziemlich durchsichtig und bildet runde oder längliche Körper mit glatter, teilweise rissiger Oberfläche. Die Härte entspricht ungefähr derjenigen des Steinsalzes. Der Hauptbestandteil desselben ist Arabin, eine Verbindung der Arabinsäure mit Kalk und kleinen Mengen Kali und Magnesia, ferner wenig Bassorin und Spuren von Zucker, Gerb- und Farbstoffen. Die Verwendung des Gummis ist eine äußerst mannigfaltige. In der Medizin dient er als reizmilderndes, schleimiges, einhüllendes Arzneimittel, besonders bei Magen- und Darmentzündung und bei Vergiftungen, dann als Konstituens bei Emulsionen, Latwergen, Pasten, Pastillen, Pillen usw., als Streupulver bei Wunden, speziell Brandwunden, zu Klistieren, im großen aber in Färbereien, Druckereien, Appreturanstalten für Seidenwaren und feine Spitzen, dann Tinten- und Zündholzfabriken usw. als Klebemittel. Allein Deutschland bedarf seiner im Werte von etwa 16 Millionen Mark jährlich. Frankreich importiert jährlich aus dem Senegal zwischen 2 und 5 Millionen kg nach Bordeaux; der größte Teil desselben wird im Lande selbst verarbeitet.
Schon die alten Ägypter bedienten sich des arabischen Gummis in der Malerei, wie auch in der Appretur und beim Färben von Linnenstoffen. Auf den ägyptischen Denkmälern aus den Jahren um 1500 v. Chr., die uns am Grabtempel der Königin Hatschepsut in Der el Bahri an der Westseite der einstigen Residenzstadt Theben erhalten sind, wird der Gummi als kami en punt, d. h. Gummi aus dem Lande Punt (der Südspitze Arabiens und der gegenüberliegenden Somaliküste) bezeichnet und neben Weihrauch als eine begehrte Droge jenes Landes angeführt. Der ägyptische kami kam als kómmi zu den Griechen. Der große Pflanzenkenner Theophrast sagt über ihn in seiner Pflanzengeschichte: „Die Akazie (akántha) in Ägypten liefert den Gummi (kómmi); er fließt von selbst aus, oder aus Wunden, die man absichtlich macht.“ Dioskurides nennt den ägyptischen Gummibaum akakía (woraus unser Akazie entstand) und sagt, daß der Gummi vielfach als Arznei verwendet werde. Dasselbe sagt Plinius von der Droge, die er gummi nennt. Der ägyptische Gummi sei weitaus die beste Sorte, habe eine dunkle Farbe und komme in wurmförmig gedrehten Stücken in den Handel. Schon der große Hippokrates benutzte den kómmi als Arzneimittel, und der weitgereiste Herodot kannte ihn als Bestandteil der Tinte. Nach dem um 25 n. Chr. gestorbenen griechischen Geographen Strabon aus Amasia am Pontos kam der Gummi besonders aus der Umgegend der ägyptischen Stadt Akanthos, deshalb treffe man in den alten Schriften, z. B. bei Cornelius Celsus, die Bezeichnung gummi acanthinum; doch seien auch die Benennungen gummi thebaicum und g. alexandrinum gebräuchlich. Der Name „arabischer Gummi“ — daher stammend, weil er über arabische Häfen ausgeführt und durch die Araber verbreitet wurde — tritt uns zuerst beim jüdischen Arzte Ibn Serapion im 11. Jahrhundert entgegen. Im Mittelalter wurde er im Abendlande nur sehr wenig angewendet und kam auch in sehr geringen Mengen nach Europa. Der Senegalgummi kam erst im 14. Jahrhundert durch die Portugiesen nach Europa, im 17. Jahrhundert begann seine Verwendung in Frankreich, aber erst vom Jahre 1832 an begann er zunächst in Frankreich den arabischen Gummi zu verdrängen. Als durch den Mahdistenaufstand der Sudan für den Gummiexport gesperrt wurde und infolge davon die Nilgummisorten sehr selten wurden, eroberte sich der Senegalgummi den Weltmarkt und wird jetzt überall da angewendet, wo das viel billigere Dextrin, der durch Verkleisterung von Stärkemehl erhaltene Stärkegummi, nicht genommen werden kann.
Surrogate des arabischen oder Akaziengummis sind der indische oder Feroniagummi, der aus dem verwundeten Stamm des Elefantenapfelbaums (Feronia elephantum), eines großen Baumes in Ostindien bis Ceylon mit anisartig duftenden, unpaarigen Fiederblättern, rötlichgrünen Blüten und vielsamigen, apfelähnlichen Früchten mit harter Rinde und genießbarem Fleisch, träufelt und in großen, gelben bis braunen, durchsichtigen, in Wasser leicht löslichen Klumpen erstarrt. Er klebt stark, wird wie arabischer Gummi benutzt und ist diesem für Wasserfarben vorzuziehen. Ferner der in Westindien, besonders auf Martinique und Guadeloupe, und Brasilien gesammelte Cashawagummi, der aus Wunden des daselbst heimischen, jetzt überall in den Tropen kultivierten Akajoubaumes (Anacardium occidentale), eines Verwandten des Mahagoni, fließt. Es ist dies einer der schönsten Kulturbäume, der sich durch hohen, dicken Stamm und mächtige Laubkrone auszeichnet. Die Stiele der Früchte sind zu hühnereigroßen, birnförmigen, gelben, süßlichsauren Scheinfrüchten geworden, die ein sehr beliebtes Obst abgeben, während die als Anhängsel daraufsitzenden kleinen, nierenförmigen eigentlichen Früchte als westindische Elefantenläuse bezeichnete Steinfrüchte bilden, die auch eßbar sind und aus denen ein in der Medizin und Technik verwendetes Öl gepreßt wird.
Ein angenehm styraxartig riechendes Harz wird als Ladanum aus verschiedenen Arten von Cistrosen auf Cypern, Kreta, Naxos und in Spanien gewonnen. Schon von den alten griechischen Ärzten wurde es als erwärmendes und zusammenziehendes Mittel, innerlich bei chronischem Katarrh und äußerlich auf Wunden und Geschwüre, verwendet. Noch jetzt ist es im Orient sehr geschätzt und gilt dort als Schutzmittel gegen die Pest, während es bei uns nur etwa zu Räucherungen und als Parfüm dient. Ebenfalls bloß noch äußerliche Verwendung findet bei uns das Elemiharz, das durch Anschneiden verschiedener auf den Philippinen heimischer Kanariumarten, in Indien, Ostafrika, Venezuela und Brasilien von anderen Burserazeen gewonnen wird. In frischem Zustande stellt es eine klare, wenig gefärbte Auflösung von Harzen in ätherischen Ölen dar, aus der sich das Harz durch Verdunsten dieser letzteren ausscheidet. Der Geruch ist balsamisch, der Geschmack gewürzhaft, bitter. Es dient bei uns als Heilmittel auf Wunden, während die Eingeborenen es auch innerlich, namentlich gegen Kopfschmerz, und zu Räucherungen verwenden.
Zu scharfen Einreibungen und als Zusatz zu blasenziehenden Pflastern dient das Euphorbium, ein aus der geritzten Rinde einer nordafrikanischen, bis 2 m hohen, fleischigen, blattlosen Wolfsmilchart (Euphorbia resinifera) ausfließender und an der Pflanze selbst erhärtender Milchsaft, der hellgelbliche, zerreibliche Stücke bildet, die beim Erwärmen schwach weihrauchartig riechen und auf der Zunge scharf brennen. Die Einschnitte in den Stamm und die vierkantigen Zweige werden zur Fruchtzeit gemacht. Dieses Gummiharz wird ausschließlich im marokkanischen Atlas gesammelt und kommt über Mogador in den Handel. Schon im Altertum war es bekannt und wurde als scharfes Abführmittel von den griechischen Ärzten verordnet. Juba II., der Sohn Jubas I. von Numidien, der sich nach der Niederlage der Pompejaner bei Thapsus im Jahre 46 v. Chr. das Leben nahm, ein nach dem Sturze seines Vaters nach Rom gebrachter und dort erzogener, wissenschaftlich gebildeter Mann, dem später Augustus wieder einen Teil seines väterlichen Reiches verlieh, schrieb über diese Pflanze seiner Heimat, die er nach seinem Leibarzte Euphorbos benannt haben soll, eine kleine Schrift. Später ging die Kenntnis der Stammpflanze verloren, bis Berg im Jahre 1863 aus im Euphorbium enthaltenen Bruchstücken die schon 1804 von Jackson erwähnte Pflanze bestimmte. Die ersten Exemplare der Pflanze kamen 1870 in den großen botanischen Garten von Kew bei London. 1868 isolierte Flückiger das neben verschiedenen Harzen darin zu 34 Prozent enthaltene Euphorbon.
Ein anderes, ebenfalls kaum mehr innerlich, sondern als Bestandteil reizender und zerteilender Salben und Pflaster nur noch äußerlich gebrauchtes Gummiharz ist das Ammoniacum, der zur Zeit der Fruchtreife durch Stiche von Insekten ausfließende und an der Luft zu innen weißlichen, außen bräunlichen, eigentümlich unangenehm riechenden und scharf bitter schmeckenden erbsen- bis walnußgroßen Körnern erhärtende Milchsaft einer ausdauernden, bis 2,5 m hohen Umbellifere der mittleren und östlichen Gegenden Persiens und der Wüsten um den Aralsee, Dorema ammoniacum. Er erweicht in der Hand, gibt mit Wasser eine Emulsion, ist in Alkohol nicht vollständig löslich und enthält schwefelfreie Harze und Gummi. Das von den griechischen Ärzten des Altertums gegen mancherlei Krankheiten gegebene hammoniacum war noch nicht dieses persische, sondern ein von der nordafrikanischen Ferula tingitana aus Marokko gewonnenes Produkt. Nach Plinius, der es hammoniaci lacrima, d. h. Ammoniakträne, nennt, wächst es in den unterhalb des Negerlandes gelegenen Sandwüsten Afrikas. „Es kommt von einem Baume, der beim Orakel des Jupiter Hammon vorkommt, heißt auch metopion und quillt wie anderes Harz oder Gummi in Tropfen hervor. Es gibt zwei Sorten desselben; die beste ist zerbrechlich, die andere fett und harzig und heißt auch phýrama. Das Pfund des besten kostet 40 As (etwa 1 Mark und 60 Pfennige). Es erwärmt, zerteilt, löst auf und dient gegen allerlei Leiden.“ Den Namen hat die Droge natürlich von der Oase des Jupiter Ammon, von der sie einst bezogen wurde, und so dürfte Don unrecht haben, der sie, da sie von den alten Autoren bisweilen auch armoniacum geschrieben wird, nur als verdrehtes armeniacum aufgefaßt wissen möchte. Schon im 2. Jahrhundert n. Chr. wurde sie allmählich durch das persische Gummiharz verdrängt, das im 9. Jahrhundert von persischen, im 10. und 11. Jahrhundert auch von arabischen Ärzten genannt wird, aber erst im 14. Jahrhundert in Deutschland bekannt wurde. Die Stammpflanze wurde 1829 von Don beschrieben und benannt.
Von einem andern Doldenblütler Irans, Ferula persica, wird das knoblauchartig riechende Sagapenum gewonnen, das im Orient und in Indien als Gewürz und Heilmittel heute noch Verwendung findet. Dieses Gummiharz wurde schon in der römischen Kaiserzeit von den griechischen Ärzten verwendet. Dioskurides beschreibt es in folgender Weise: „Das sagápēnon ist der Saft einer unserer Ferula ähnlichen Pflanze und kommt aus Medien. Das beste ist durchscheinend, außen gelblich, innen weiß; der Geruch hält die Mitte zwischen dem sílphion (Teufelsdreck) und gálbanon. Der Geschmack ist scharf.“
Ein der Ammoniakpflanze ähnlicher Doldenblütler Griechenlands und Kleinasiens, Ferula opopanax oder Opopanax cheironium, eine schon von Theophrast nach dem kräuterkundigen Kentauren Cheiron in Thessalien als pánakes cheirónion bezeichnete Heilpflanze, liefert durch Einschnitte in die fleischige Wurzel das heute wenigstens bei uns nicht mehr gebräuchliche Gummiharz Opopanax (zu deutsch: Saft der Panaxpflanze, d. h. der allheilenden Kraftwurzel). Im Altertum wurde es arzneilich viel verwendet. Dioskurides, der die Pflanze vermutlich nach dem damaligen Hauptbezugsorte der daraus gewonnenen Droge, der Heraklesstadt in Bithynien am Schwarzen Meer, Herakleia pontica, einer bis zu den mithridatischen Kriegen (der letzte — dritte — derselben dauerte von 74–63 v. Chr.) sehr blühenden Hafenstadt Kleinasiens, pánakes herakleíon nennt, sagt in seiner Arzneikunde von ihr: „Das pánakes herakleíon, aus welchem ein Saft gewonnen wird, den man opopánax nennt und gegen viele Übel gebraucht, wächst vorzüglich in Böotien und dem arkadischen Psophis, wird aber auch, da der Saft mit Gewinn verkauft werden kann, in Gärten gezogen. Übrigens wächst die Pflanze auch in Makedonien und dem libyschen Kyrene.“
Im Gegensatz zu diesem hat sich auch bei uns bis auf den heutigen Tag ein anderes Gummiharz als wichtiges Arzneimittel und teilweise auch sehr beliebtes Gewürz im Gebrauch erhalten, nämlich die Asa foetida, im Deutschen wegen ihres abscheulichen knoblauchartigen Geruchs als Teufelsdreck bezeichnet. Die ihn liefernde Pflanze war schon dem Hippokrates als medisches (im Gegensatz zum kyrenischen) Silphion bekannt. Später sagt Dioskurides von ihm: „Der vom medischen und syrischen sílphion kommende festgewordene Saft hat einen durchdringenden Geruch und wird gegen sehr viele Leiden angewandt.“ Dieser eingetrocknete Milchsaft, den Plinius aus Persien, Armenien und Medien kommen läßt, laser nennt und dem eingedickten Safte des silphium von Kyrene gleichend bezeichnet, ist das Gummiharz des Stinkasantes (Ferula asa foetida), einer bis 2,5 m hohen Staude aus der Familie der Umbelliferen, die in Persien, Afghanistan, dem oberen Indusgebiet, besonders in den ausgedehnten Steppen und Wüsten zwischen dem persischen Meerbusen und dem Aralsee heimisch ist und bei Herat und anderswo auch kultiviert wird. Bei der geringsten Verletzung tritt der Milchsaft aus der Rinde der Wurzel aus. Er wird in der Weise gewonnen, daß die betreffenden Sammler, gewöhnlich Hirten, zur Zeit, da die Blätter zu welken beginnen, etwa Mitte April, den oberen Teil der Wurzel bloßlegen, rings um sie die abgeschnittenen Blätter, Stengel und andere Pflanzen als Schutz der Wurzel vor Wind und Sonne anhäufen, von dem mit einem dichten Schopfe von Blattresten versehenen Wurzelbeginne eine dünne Scheibe abschneiden und die auf der Wundfläche angesammelte dünne Milch abkratzen. Diese Prozedur wird nach jedesmaliger Ruhepause von einigen Tagen noch zweimal wiederholt. Nachdem die Wurzel nun wieder 8–10 Tage unberührt geblieben, liefert sie 2–3 Monate hindurch einen dicken Milchsaft, der die gute Asa foetida bildet. Von einer Wurzel wird bis zu 1 kg derselben gewonnen. Der frisch weiße Gummiharzsaft wird außen herum durch die Einwirkung der Luft bald rot, violett und schließlich gelbbraun und kommt in losen oder verklebten Körnern und Klumpen in den Handel. Er ist bei gewöhnlicher Temperatur wie Wachs schneidbar, erweicht bei geringer Erwärmung zu einer klebenden Masse, riecht höchst unangenehm knoblauchartig, schmeckt widerlich scharf bitter und aromatisch, gibt mit drei Teilen Wasser verrieben eine weißliche Emulsion und besteht zu 61 Prozent aus dem in Äther löslichen Ferulaester des Asaresinotannols, aus 30 Prozent Gummi, 7 Prozent ätherischem Öl, 1,5 Prozent freier Ferulasäure und Spuren von Vanillin. Bei uns dient er als Beruhigungsmittel bei Krampfkolik, Hysterie und Nervosität, als Stopfmittel gegen Diarrhöen beim Pferd und sonst vielfach in der Tierarzneikunde. In Indien, Persien und dem ganzen Morgenlande ist er zudem ein sehr beliebtes Speisegewürz, das bis vor nicht sehr langer Zeit auch in der feineren Küche Europas sehr beliebt war. War es doch in Frankreich, wo er noch unter dem ancien régime in Mode gekommen war, bei jedem Gastmahl der Vornehmen Sitte, die Suppenteller vorher mit einem Stück Stinkasant abzureiben, um die Suppe dadurch wohlschmeckender zu machen. Überall im Orient gilt er als die Verdauung befördernd; besonders wird stets das gebratene Hammelfleisch damit bestrichen, um ihm den beliebten durchdringenden Knoblauchgeruch zu verleihen. Im Orient schon lange im Gebrauch, wurde er durch die arabischen Ärzte dem Abendlande bekannt. Die von der arabischen Arzneiwissenschaft weitgehend beeinflußte Medizinschule von Salerno in Unteritalien bediente sich seiner schon im 11. Jahrhundert. Auch nach Deutschland kam die Droge sehr früh. Vom 12. Jahrhundert an bildete sie einen Einfuhrartikel des italienischen Handels. Heute kommt die beste Sorte durch Karawanen von Persien nach Bombay und von dort zu Schiff nach Europa.
Einst auch in der Arzneikunde besonders des Orients vielgebrauchte Gummiharze sind der Weihrauch und die Myrrhe. Ersterer wird im südöstlichen Arabien, in Nordostafrika und Indien aus verschiedenen Boswellia-Arten durch im Frühjahr ausgeführte tiefe Einschnitte in den Stamm der mäßig hohen Bäume in Form eines reichlich ausfließenden milchweißen Saftes gewonnen und erstarrt nach einiger Zeit zu gelben Körnern, die von den Stämmen abgelöst oder am Boden aufgelesen werden. Seit dem frühen Altertum war er nicht nur zu rituellen Räucherungen, sondern auch als Medizin hoch geschätzt. Die Hippokratiker bedienten sich seiner bei Asthma, Gebärmutterleiden und äußerlich zur Herstellung von Salben.
Fast ebenso alt ist der medizinische Gebrauch der Myrrhe, die ebenfalls schon im Papyrus Ebers erwähnt wird und nach Herodot im alten Ägypten vorzugsweise zum Einbalsamieren der Leichen und als Räuchermittel im Kulte verwendet wurde. Zu letzterem Zwecke wurde sie dann bei den gottesdienstlichen Handlungen aller vom Morgenlande beeinflußter Religionen in derselben Weise wie der Weihrauch benutzt. Schon im Alten Testament wird sie als kostbares Erzeugnis des „glücklichen“ im Sinne von fruchtbaren Südarabien erwähnt, das uns später der griechische Geograph Agatharchidas in seiner Schrift über das Rote Meer in folgender Weise schildert: „Die Sabäer sind das größte und in jeder Hinsicht glücklichste Volk Arabiens. Ihr Land bringt alles hervor, was zur Annehmlichkeit des Lebens gehört. Die Herden sind zahllos; das ganze Land duftet von dem herrlichen, unvergleichlichen Geruch, den dort die in Menge wachsenden Gewürze wie Balsam, Kassia, Myrrhe, Weihrauch, Zimt, Kalmus und Palmen aushauchen. Der Wohlgeruch, der aus den Wäldern kommt, läßt sich mit Worten nicht beschreiben.“
Die Myrrhe stammt von verschiedenen Commiphora-Arten, und zwar die beste von Commiphora abessinica, einem 6–8 m hohen Bäumchen der Berge von Abessinien, Erythraea und Südarabien. Der entweder freiwillig aus Rissen der Rinde oder durch Einschnitte austretende Saft ist anfangs milchig trübe, gelblich, trocknet aber bald an der Luft ein, wobei er sich dunkler färbt. Er kommt in Form von nuß- bis faustgroßen unregelmäßigen Knollen oder löcherigen Klumpen in den Handel. Am häufigsten ist die von den Somalis gesammelte Myrrhe von Commiphora playfairi, die in Kisten von 50–100 kg von Aden aus direkt, oder über Bombay, wo die Ware sortiert wird, nach Europa gelangt. Wie die alten Ägypter benutzten auch die Hippokratiker die Droge äußerlich und innerlich. In seiner Arzneimittellehre schreibt Dioskurides über sie: „Die Myrrhe besteht aus Tropfen, die von selbst oder aus absichtlich gemachten Wunden eines arabischen Baumes fließen. Es gibt verschiedene, mit verschiedenen Namen bezeichnete Sorten. Aus den fettigen preßt man das wohlriechende Myrrhenöl. Die beste Myrrhe kommt aus dem Lande der Troglodyten, ist durchscheinend, grünlich, schmeckt beißend. Die Myrrhe wird oft verfälscht, namentlich durch Gummi. Die echte, frische ist zerreiblich, leicht, überall gleichfarbig, doch zerbrochen inwendig weiß gefleckt; sie besteht aus kleinen Stücken, ist bitter, riecht gut, schmeckt scharf. Sie erwärmt, macht schläfrig, bindet, trocknet, zieht zusammen, wird innerlich und äußerlich gebraucht.“ Cornelius Celsus spricht von einer schwarzen, bei Augenkrankheiten angewendeten Myrrhe. Im Arzneischatz von Scribonius Largus, Valerius Cordus und Alexander Trallianus aus dem 6. Jahrhundert spielt dieses Gummiharz eine nicht unwichtige Rolle; auch die heilige Hildegard im 12. Jahrhundert empfiehlt die Mirrha. Innerlich wird sie als austrocknendes Mittel, häufiger aber äußerlich als Antiseptikum in Form von Mundwässern, Salben und Pflastern verwendet. Sie besteht aus ätherischen Ölen, Harzen und Gummi. Häufig wird ihr Bdellium beigemischt, ein ähnlich riechendes, bitter schmeckendes, ebenfalls beim Kauen erweichendes, dunkelbraunes bis grünliches Gummiharz, das im nordwestlichen Indien und in Beludschistan von Commiphora roxburghi gewonnen und in Indien arzneilich verwendet wird. Das ostafrikanische Bdellium von Commiphora africana ist mehr gelbrot und findet sich unter dem Senegalgummi. Es war schon im alten Ägypten gebräuchlich, wird von Plinius, Arrianus, Vegetius und anderen genannt und diente, was im Orient heute noch der Fall ist, zu Salben, Pflastern und Räucherwerk.
Eine dickflüssige, starkriechende Mischung von Harzen mit ätherischen Ölen stellen die Balsame dar, die ebenfalls freiwillig oder nach Verwundungen aus Stamm und Ästen mehrerer Pflanzenarten ausfließen, oder durch Auskochen und Auspressen aromatischer Pflanzenteile gewonnen werden. Sie riechen stark aromatisch, verlieren an der Luft den größten Teil ihres Gehaltes an aromatischen, ätherischen Ölen, trocknen ein und verharzen. Bei der Destillation mit Wasser geben sie die ätherischen Öle ab und hinterlassen Harz. Ursprünglich verstand man unter Balsam ausschließlich den von Commiphora opobalsamum, dem Balsambaum der Alten, gewonnenen Mekka- oder Gileadbalsam, übertrug aber den Namen später auf verschiedene andere dickflüssige Pflanzensäfte von aromatischem Geruch.
Der eigentliche, freiwillig oder durch Einschnitte in den Stamm des 5–6 m hohen, in Nordostafrika und dem südwestlichen Arabien wachsenden Balsambäumchens (Commiphora opobalsamum) ausfließende, trübe, blaßgelbe, wohlriechende, aromatisch erwärmend schmeckende Mekkabalsam kommt überhaupt nicht in den europäischen Handel, sondern nur der durch Auskochen der Zweige mit Wasser gewonnene dickflüssige, gelbliche, etwas trübe, aber weniger angenehm riechende und bitterlich schmeckende Balsam, der allmählich verharzt, 10 Prozent ätherische Öle enthält, ähnlich wie der Kopaivabalsam wirkt, aber ausschließlich in der Parfümerie benutzt wird. Früher wurde er, wie auch die kleinen, meist rötlichen, geruch- und geschmacklosen eiförmigen Steinfrüchte des Balsambäumchens viel arzneilich benutzt. Der griechische Geschichtschreiber Diodorus Siculus schreibt um 50 v. Chr.: „In einem Tale Syriens wächst der Balsam und liefert bedeutenden Gewinn, weil er außer dort nirgends in der ganzen Welt gefunden wird und doch von den Ärzten sehr gesucht ist.“ Und der 25 n. Chr. verstorbene weitgereiste griechische Geograph Strabon sagt: „Außer an der Küste des Sabäerlandes wird in der Nähe von Jericho, in einer gut bewässerten Gegend, der Balsam aus einem Strauche gewonnen, in dessen Rinde man Einschnitte macht. Den ausfließenden schleimigen Saft fängt man in Gefäßen auf. Er heilt Kopfschmerzen wunderbar schnell, tut den Augen wohl und ist um so teurer, weil er hier allein, und zwar in Gärten, gewonnen wird.“ Plinius berichtet uns, daß er wegen seines hohen Preises viel verfälscht werde, und daß außer dem feinen, wohlriechenden, durch dreimaliges Ritzen im Laufe des Sommers ausfließenden Saftbalsam (opobalsamum) der geringere, durch Auskochen von abgeschnittenen Stücken des Strauches in Wasser gewonnene Holzbalsam (xylobalsamum) in den Handel komme; letzterer werde hauptsächlich unter Salben gekocht. Auch Dioskurides und Tacitus berichten ausführlicher über ihn.
An Stelle dieses sehr seltenen und teuren Balsams, der seit der Zeit, da das Morgenland in die Hände der Muhammedaner gefallen war, nur schwierig zu haben war, wurde nach der Entdeckung der Neuen Welt der schon vor der spanischen Invasion von den Indianern benutzte Perubalsam im 16. Jahrhundert durch eine päpstliche Verordnung zum offiziellen Chrisma der katholischen Kirche erhoben. Bei der Eroberung Zentralamerikas durch die Spanier im Jahre 1530 wurde dieser Balsam dort als Wundheilmittel im Gebrauch vorgefunden. Er kam dann mit anderen Waren durch den peruanischen Hafenplatz Callao nach Spanien und erhielt so den Namen balsamum peruvianum, obschon er niemals in Peru, sondern weiter nördlich in Südamerika bis Mexiko gewonnen wird. In 300–700 m über dem Meer gelegenen Bergwäldern eines als Costa del Balsamo, d. h. Balsamküste benannten schmalen Küstenstriches der zentralamerikanischen Republik San Salvador wächst die Stammpflanze, Myroxylon pereirae, in Form eines bis 20 m hohen immergrünen Baumes aus der Familie der Schmetterlingsblütler mit kurzem, sich schon 2–3 m über der Erde in wenige aufstrebende Äste teilendem Stamm, unpaariggefiederten Blättern, lockeren Blütentrauben und bis 10 cm langen, 3 cm breiten Hülsen, in denen die ansehnlichen Samen zwischen zwei mit dickflüssigem, schwachgelblichem Balsam gefüllten Hohlräumen liegt. Aus letzteren wird der weiße Perubalsam gepreßt, der nicht in den Handel gelangt, aromatisch nach Vanille riecht und bitter aromatisch schmeckt. Der dunkelbraune, klare, in dünner Schicht rubinrot durchscheinende, dickflüssige, nicht fadenziehende, offizinelle Perubalsam wird aus den zwischen Rinde und Holz gelegenen Balsambehältern durch stellenweise Entrindung der Basis des Stammes zu Ende der Regenzeit in der Weise gewonnen, daß die entrindeten Stellen zuerst während 4–5 Minuten durch Daranhalten von Fackeln geschwelt werden. Dann legt man auf die entblößte Holzfläche, an der der Balsam als anfänglich hellgelber, dicker Saft heraussickert, Zeuglappen, aus denen, wenn sie damit getränkt sind, der Balsam durch Pressen und Auskochen mit Wasser gewonnen wird. Eine geringere, dickflüssigere Sorte wird durch Auskochen der losgelösten Rinde gewonnen. Dieses Verfahren wird mehrmals während vier Wochen wiederholt, so daß ein Baum vom 10. Jahre an 30 Jahre hindurch jährlich etwa 2,5 kg Balsam liefert. Die Bäume besitzen eine erstaunliche Lebenskraft und gehen selbst bei übertriebener Anzapfung kaum je ein, wenn nur die Wunden durch Überstreichen mit Lehm gegen das Eindringen von Pilzen und Insekten geschützt werden. Der wichtigste Bestandteil des Perubalsams ist das Cinnamein oder Perubalsamöl, das zu 62–64 Prozent nebst freier Zimtsäure und Vanillin, auch Peruviol, einem honigartig riechenden Alkohol, darin enthalten ist. Er wird in der Medizin äußerlich und innerlich in der verschiedensten Weise verwendet und spielt auch in der Parfümerie eine sehr wichtige Rolle. 1565 beschrieb ihn zuerst Monardes (1493–1578) und 1576 erhielt Philipp II. einen genauen Bericht über dessen Gewinnung durch Don Diego. Anfangs kosteten 30 g hundert Dukaten. Erst zu Ende des 16. Jahrhunderts, so beispielsweise 1582 in der Arzneitaxe von Worms, findet er sich unter seinem jetzigen Namen in den deutschen Apotheken. Im Jahre 1861 wurde der Perubalsambaum, der, wie Cortez 1522 an Kaiser Karl V. berichtete, schon im alten Mexiko in den berühmten königlichen Gärten von Hoaxtepec bei der Hauptstadt Mexiko nebst anderen Arzneipflanzen kultiviert wurde, auch in den Tropen der Alten Welt, nämlich auf Ceylon und Java, eingeführt.
Von einem dem vorigen sehr nahe verwandten Baum Südamerikas, der besonders im unteren Stromgebiet des Magdalena in Kolumbien, auch unweit der Stadt Tolu in Venezuela und westlich von diesen Gegenden in den Wäldern zwischen den Cauca und dem Sinu heimisch ist, Myroxylon toluifera, wird der Tolubalsam gewonnen, indem der Stamm an zahlreichen Stellen V-förmig eingeschnitten, an der Basis des Einschnittes angebohrt und der heraussickernde Balsam in kleinen, vor der Öffnung befestigten Gefäßen aufgefangen wird. Er wird dann, in Schläuche von rohen Häuten gesammelt, an die Küstenplätze geschafft und hier in Blechbüchsen eingefüllt. Im frischen Zustande ist er braungelb, dickflüssig, in dünnen Schichten durchsichtig. Später erhärtet er zu einer braunroten, in der Hand erweichenden Masse, welche erwärmt einen vanille- und benzoëartigen Wohlgeruch ausströmt und einen aromatischen, säuerlichen, nur wenig scharfen Geschmack besitzt. Er besteht aus 80 Prozent eines harzartigen Esters von Zimt- und Benzoësäure nebst diesen Säuren in freiem Zustande und wird als Arznei innerlich und äußerlich, besonders aber in der Parfümerie angewandt. Monardes erwähnt seine Herkunft aus der Provinz Tolu zwischen Cartagena und Nomen Dei; 1581 brachte ihn Clusius von London mit nach Wien. Er kam mit dem Perubalsam durch die Spanier nach Europa und war schon im 17. Jahrhundert in England und Deutschland verbreitet.
Ebenfalls von einer stattlichen, bis 30 m und mehr hohen Leguminose Südamerikas mit paariggefiederten, lederigen, durchscheinend punktierten Blättern stammt der Kopaivabalsam, der seit alter Zeit von den Indianern als Wundbalsam angewandt wurde, bis ihn im Jahre 1600 ein portugiesischer Mönch in Brasilien entdeckte. Seit dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts steht er in Europa im Gebrauch; 1636 ist er als Balsamum copaeyvae in der Amsterdamer Pharmakopoe angeführt. Er kommt in großen Mengen aus dem ganzen nördlichen Südamerika in den Handel. Die Stammpflanze ist meist Copaiba officinalis; deren Holzkörper ist von bis zu 2 cm mächtigen Kanälen durchzogen, die besonders in ihrem unteren Ende so stark mit dem flüssigen Harzsafte erfüllt sind, daß der Stamm oft mit lautem Knall berstet und lange Sprünge entstehen, aus denen dann der Balsam austritt. Es wurde festgestellt, daß diese durch eine nachträgliche Auflösung von Zellgewebe entstandenen Harzgänge bis zu 50 kg Harzsaft enthalten können. Die Harzsammler verlassen sich aber nicht auf diesen freiwilligen Erguß des Harzes, sondern schlagen etwa 60 cm über dem Erdboden mit der Axt tiefe Löcher bis ins Kernholz, wo sich die Balsamgänge befinden. Darauf wird eine Rinne in das Loch gesteckt und der klare, ziemlich dicke, gelbbräunliche, eigentümlich aromatisch riechende Balsam fließt in dicken Tropfen aus. Bisweilen pausiert der Erguß einige Zeit; nach einiger Zeit wird dann ein gurgelndes Geräusch hörbar und alsbald findet wieder ein lebhafter Balsamerguß statt. Als beste Sorte wird der dicke Maracaibo-Balsam betrachtet, der 60 Prozent ätherisches Öl und den Rest Harzsäuren enthält. Er befördert die Absonderung der Schleimhäute und dient außer bei chronischem Lungenkatarrh besonders bei gonorrhoischer Harnröhren- und Blasenentzündung.
Demselben Zwecke diente viel früher der Kubebenpfeffer, ein altes indisches und arabisches Gewürz, das aus den vor der vollständigen Reife gesammelten und durch Trocknen geschrumpften, balsamisch riechenden, aromatisch scharf bitter, aber nicht brennend schmeckenden Früchten von Piper cubeba besteht, einer im malaiischen Archipel heimischen, bis 6 m hohen Kletterpflanze, die auch auf Java, Sumatra, Westindien und Sierra Leone, meist an den Schattenbäumen der Kaffeeplantagen emporrankend, kultiviert wird. Sie enthalten außer Cubebin und Kubebenharzsäure ein hauptsächlich Kubebenkampfer enthaltendes ätherisches Öl. Ihre harntreibende Wirkung wird schon vom arabischen Arzte Ibn Sina (Avicenna) um 1006 angegeben. Vom 12. und 13. Jahrhundert an wurden sie durch Vermittlung der arabischen Ärzte auch in Europa angewandt, gerieten aber später wieder in Vergessenheit, bis 1818 ein englischer Arzt, der ihre Verwendung gegen Gonorrhoe bei den Malaien kennen lernte, sie wieder empfahl. Sie haben ihren Namen aus dem arabischen kababeh und wurden schon von Marco Polo beschrieben, der sie auf seinen Reisen auf Sumatra und Java kennen lernte. Wissenschaftlich bestimmt wurde die Pflanze erst durch Karl von Linnés Sohn im Jahre 1781. Kubebenöl war 1582 auf der Frankfurter Messe zu haben, und die Kubeben sind 1609 im Inventar der Ratsapotheke in Braunschweig angeführt. Das Cubebin wurde 1839 von Soubeiron und Capitaine zuerst dargestellt.
Ganz neuen Datums ist die Verwendung des gegen dieselben Affektionen gegebenen Sandelholzöls, das aus dem Kernholz des in den trockenen Teilen Vorderindiens in 600–1000 m Höhe im Gebirge wachsenden, 6–10 m hohen, dichtbelaubten, immergrünen Sandelbaumes (Santalum album) gewonnen wird. Der Baum, der jetzt außer in fast ganz Indien besonders auf den Sandelholz-Inseln des indischen Archipels (Sumba, Timor, Flores, Sumbava, Lombok, Bali usw.) kultiviert wird, gibt, wenn er ausgewachsen im Alter von 20–40 Jahren gefällt wird, durch langsame Destillation des verkleinerten Holzes mit Wasserdampf das 80 Prozent Santalol enthaltende dicke, farblose oder blaßgelbliche Sandelöl, das Chapoteaut zuerst untersuchte.
Während das Altertum nur den vom 4–7 m hohen Styraxbaume in Kleinasien und Syrien gewonnenen festen Styrax kannte und vielfach als Medizin verwandte, wird seit dem 6. Jahrhundert daneben auch der heute ausschließlich verwendete flüssige Styrax oder Styraxbalsam aus dem Splint des in Lykien und Karien in Schälwäldern kultivierten Amberbaumes (Liquidambar orientalis) durch Auskochen der Rinde mit Wasser und Abpressen gewonnen. Der bis zu 20 m, meist aber nur 10–14 m hohe, platanenartige Baum hat ein sehr engbegrenztes Verbreitungsgebiet und liefert aus dem Vilajet Aidin, wo der Ort Mughla den Mittelpunkt der Styraxgewinnung bildet, jährlich etwa 40000 kg (aus einem Gebiet von 600 qkm). Er bildet eine graue, undurchsichtige, zähflüssige, eigenartig nach Benzoë und Perubalsam riechende, aromatisch und etwas bitter schmeckende Masse, welche außer 36 Prozent Harz Zimtsäureester, Styracin, Cinnamein und Benzoësäure enthält. Der Styraxbalsam wird außer als billigerer Ersatz des teuren Perubalsams zu innerlichem und äußerlichem Gebrauche in der Medizin, besonders in der Parfümerie gebraucht.
Der ausschließlich im amerikanischen Handel befindliche Styraxbalsam der Neuen Welt wird aus dem 9–12 m hohen, in Mittelamerika und als Charakterbaum im ganzen atlantischen Nordamerika wachsenden amerikanischen Amberbaum (Liquidambar styraciflua) mit tief gelappten Blättern durch Auskochen des Holzes alter Stämme gewonnen. Neuerdings wird dieser Baum vielfach auch bei uns als Zierbaum angepflanzt und erträgt sehr gut unsere Winter, wenn er einmal eine bestimmte Höhe erreicht hat.
Als ebensolches krankhaftes Produkt wie der Styraxbalsam fließt aus dem Stamme verwundeter Benzoëbäume (Styrax benzoin) in Siam und auf Sumatra das anfangs milchige, an der Luft zu einer rötlichgelben, aromatischen Masse erhärtende Benzoëharz aus, das einen balsamischen, reizenden Geschmack hat und beim Kauen an den Zähnen haftet. Und zwar geben ältere Bäume eine dunklere Benzoë als jüngere. Die beste Sorte kommt aus dem äußersten Nordosten der Shanstaaten am linken Ufer des Mekong. Dort in Siam wird die Rinde des mittelhohen Baumes durch Längsschnitte und Losheben der Rinde so bearbeitet, daß sich das Harz während zweier Monate zwischen Holz und Rinde ergießt und sich hier ansammelt. Auf Sumatra schneidet man viermal im Jahre die Rinde jüngerer Bäume durch gerade oder schräge Längsschnitte an und sammelt den heraustretenden weißen, alsbald erhärtenden Milchsaft nach einiger Zeit, um ihn in Form von größeren, zuweilen verklebten Körnern von muscheligem Bruche in den Handel zu bringen. Er enthält bis über 20 Prozent freie Benzoësäure und 70–80 Prozent Benzoëharz und dient als schleimlösendes Mittel bei chronischen Katarrhen, als gelind reizendes Mittel bei torpiden Geschwüren, zu Räucherungen, Zahnwässern und besonders reichlich in der Kosmetik. Die erste aus Sumatra stammende Benzoë wurde 1461 unter anderen Kostbarkeiten dem Dogen von Venedig vom Sultan von Ägypten als Geschenk gesandt. Die arabischen Ärzte machten deren Verwendung zuerst im Abendlande bekannt. 1521 wird sie unter den in Venedig verkauften Drogen aufgeführt und 1571 als Asa dulcis in der Eßlinger Arzneitaxe erwähnt. Die Siam-Benzoë kommt erst seit 1853 nach Europa.
Seit alter Zeit wird in ganz Ostasien der eingedickte wässerige Extrakt verschiedener gerbstoffreicher Hölzer als Katechu beim Betelkauen und als Arznei verwendet. Der Ausdruck bedeutet im Indischen Baumsaft und wird von den Eingeborenen meist nur als Kat bezeichnet. Diese Droge läßt sich erst seit 1514 als Kacho in der europäischen Literatur nachweisen und wird seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in deutschen Apotheken gehalten. Damals, als sie aufkam, war sie einer der teuersten Stoffe der Arzneitaxe und wurde, wie schon der Name terra japonica sagt, für eine Mineralsubstanz gehalten. Erst seit 1827 erscheint sie in bedeutenderen Mengen auf dem europäischen Markt, und zwar als Pegu-Katechu, der besonders aus der Provinz Pegu in Britisch-Birma über Rangun in den Handel gelangt. Erst später kam der Gambir-Katechu auf, der über Singapur nach London und Hamburg verschifft wird. Die ersten bestimmten Daten über diese Droge stammen aus dem Jahre 1780. Der Pegu-Katechu wird von der Katechu-Akazie (Acacia catechu), einem 4–8 m hohen Baum Vorder- und Hinterindiens, wie auch des tropischen Afrika in der Weise gewonnen, daß das in kleine Stücke zerhackte Kernholz derselben etwa 12 Stunden lang mit Wasser in irdenen Töpfen ausgekocht wird. Der dunkelbraune Auszug wird dann in Schalen so weit eingedampft, daß er nach dem Ausgießen in der Form erstarrt. Je nachlässiger das Eindampfen und Trocknen betrieben wird, um so dunkler wird er. Er schmeckt zusammenziehend bitter und enthält bis 54 Prozent Katechugerbsäure und 17 Prozent Katechin oder Katechusäure. Der gelbe Gambir-Katechu dagegen wird aus den jungen Trieben und Blättern von Uncaria gambir, einem kletternden Strauch Hinterindiens und der Sundainseln aus der Familie der Rubiazeen oder Krappgewächse, der an den Küsten der Halbinsel von Malakka, auf Sumatra, Java und neuerdings auch auf Ceylon kultiviert wird, ebenfalls durch Auskochen in Wasser, aber meist in gußeisernen Pfannen gewonnen und nach dem Eindampfen gleicherweise in Formen, meist flachen Holzkästen, getrocknet. Er ist gelb bis hellbraun, wird hauptsächlich von den Eingeborenen zum Kauen mit gelöschtem Kalk, einem Stückchen Arekanuß und einem Blatt des Betelpfeffers benutzt und enthält bis 47 Prozent Katechugerbsäure und 20 Prozent Katechin, daneben weniger Umsetzungsprodukte des letzteren als der Pegu-Katechu. Beide dienen als zusammenziehende, stopfende Mittel, daneben besonders der Gambir-Katechu in der Technik zum Gerben und Färben.
Ähnlich dem Katechu, aber weniger in der Medizin, dafür besonders in der Gerberei und Färberei verwandt, ist der Kino, eine dunkelrotbraune bis schwärzliche, in dünnen Splittern rubinrot durchscheinende Masse von stark zusammenziehendem Geschmack und den Speichel rot färbend, die durch Einschnitte in die Rinde verschiedener tropischer Bäume gewonnen wird. Unter diesem Namen kam zuerst um 1733 der eingetrocknete rote Saft des westafrikanischen Baumes Pterocarpus erinaceus, eines Schmetterlingsblütlers aus Senegambien, über London in den Handel. Im Jahre 1811 wurde dieser Name auf den Saft des nahe mit diesem verwandten indischen Pterocarpus marsupium übertragen, der an der Malabarküste wächst und dort von den Eingeborenen in der Weise angezapft wird, daß etwas über dem Boden rinnenförmige Einschnitte in die Rinde gemacht werden, aus denen ein zäher, roter Saft ausfließt, der aufgefangen oder, am Stamme erhärtet, gesammelt und an der Sonne vollends getrocknet wird. In demselben Jahre 1811 wurde unter demselben Namen der dem vorigen sehr ähnliche Saft verschiedener Eukalyptusarten Australiens in England eingeführt, ebenso neuerdings aus Hinterindien der von Pterocarpus indicus und wallichii, aus Bengalen der von Butea frondosa und aus Westindien der von Coccoloba uvifera. Der Malabarkino enthält außer Kinoin und Kinorot bis 85 Prozent Kinogerbsäure.
Tafel 129.
(Stich von Ph. Gallo nach Joh. Stradanus.)
Darstellung der medizinischen Anwendung des Guajakholzes gegen die als Franzosenkrankheit bezeichnete Syphilis.
Der Botanische Garten zu Leiden.
(Nach einem in der graphischen Sammlung zu München befindlichen Stiche.)
Tafel 130.
Ein Kampferbaum im Botan. Garten zu Tokio in Japan.
(Nach einer in der Sammlung des Botan. Institutes der Universität Wien befindlichen Photogr. von H. Hallier.)
Stinkasant (Asa foetida).
(Nach einer Photographie aus dem Botanischen Garten zu München.)
Ihm ähnlich, nur leichter zerbrechlich und schneller in Wasser auflösbar ist der Extrakt der peruanischen Ratanhiawurzel, die außer Ratanhiarot bis über 40 Prozent Ratanhiagerbsäure enthält und gleicherweise als Adstringens in der Medizin, wie auch zum Gerben verwendet wird. Ratanhia nannten die Indianer des altperuanischen Quitschastammes die relativ große Wurzel eines in Peru wie in dem angrenzenden Brasilien und Bolivien auf sandigen Abhängen der Kordilleren in 1000–2500 m Höhe wachsenden Halbstrauchs aus der zu den Leguminosen gehörenden Familie der Caesalpinieen, die sie seit langer Zeit als Heilmittel verwandten. Sie benutzten sie auch als ein das Gebiß konservierendes Mittel zum Reinigen der Zähne, wie alle Naturvölker Wurzeln oder Zweige bestimmter Holzarten zum meist fleißig von ihnen geübten Zahnputzen in Anwendung bringen. Als solches Zahnputzmittel lernte der spanische Botaniker Ruiz die Ratanhiawurzel bei den Frauen von Huanuco und Lima kennen und brachte sie nach Spanien, von wo sich ihre Anwendung bald über Frankreich, England und Deutschland verbreitete. Obschon bereits 1805 Wildenow in Deutschland die Aufmerksamkeit der Ärzte auf diese neue Droge lenkte, wurde sie doch erst um 1818 durch die Empfehlungen von Jobst, von Klein und anderen bei uns allgemeiner. Als beste Ware kommt von Payta und Callao in Peru aus die von wildwachsenden Pflanzen gegrabene und getrocknete Wurzel in bis 60 cm langen und bis 1,5 cm dicken Stücken, neuerdings auch der in der Heimat der Pflanze selbst aus der frischen Wurzel durch Auskochen in Wasser gewonnene Extrakt in unförmlichen braunroten, außen matten, innen aber glänzenden Stücken in den Handel, um innerlich bei Diarrhoen, Nierenblutungen, äußerlich zu Mund- und Gurgelwässern zu dienen.
Von Süd-, aber auch Mittelamerika kam im 16. Jahrhundert ebenfalls die Sarsaparillwurzel von verschiedenen Smilaxarten aus der Familie der Liliengewächse als sehr geschätztes Heilmittel nach Europa, um hier als Mittel gegen die von den spanischen Soldaten von Amerika her eingeschleppte und bald ganz außerordentliche Verbreitung findende Syphilis das bis dahin hauptsächlich gebrauchte Guajakholz zu verdrängen. Das Wort stammt vom spanischen zarza parilla, d. h. stachelige Schlingrebe, galt ursprünglich der in Südeuropa heimischen Smilax aspera und wurde später auf die amerikanische Pflanze übertragen, deren Wurzel zuerst der Spanier Pedro de Cieza de Leon, der von 1535–1550 in Südamerika weilte und sie in der Provinz Guajakil in Ekuador kennen lernte, als Heilmittel empfahl. Bald darauf ist auch sein Landsmann Monardes (1493–1578) in Mexiko mit ihr bekannt geworden und lernte etwas später eine bessere Sorte aus Honduras kennen, die heute die allein offizinelle bei uns ist. Er wußte schon anzuführen, daß die Wurzeln der Sarsaparille sehr weit in die Erde gehen und daß man oft mannstief graben muß, um sie zu erlangen. Sie werden fast ausschließlich von wildwachsenden Pflanzen gesammelt, und zwar hauptsächlich im Hinterland der Westküste von Guatemala. Die Pflanze bevorzugt feuchtes, flaches, etwas sumpfiges, den Überschwemmungen der Flüsse ausgesetztes Waldland und läßt ihre stacheligen, verworren durcheinander wachsenden Stengel an den Bäumen emporklettern. In der trockenen Jahreszeit Januar bis Mai werden die Wurzeln ausgegraben, gut gewaschen und an der Sonne getrocknet. Sie gehen von mächtigen Rhizomen aus, sind bei einer Dicke von 7–8 mm bis 2 m lang, gelbbraun, längsfaltig und zeigen auf dem Querschnitt eine mächtig entwickelte, wie das zentrale Mark meist weiße, seltener blaßrötliche Rinde und einen gelblichen Holzring. Sie sind fast geruchlos, schmecken zuerst schleimig, dann kratzend und enthalten drei Sapotoxine: Parillin, Smilasaponin und Sarsasaponin, welch letzteres am stärksten abführend und als solches angeblich blutreinigend wirkt. Aus dieser Droge wurde das einst weltberühmte Zittmannsche Dekokt gegen Syphilis bereitet, das aber heute kaum mehr zur Verwendung gelangt, da wir in den Quecksilberpräparaten und neuerdings in einem Arsenderivat viel wirksamere und angenehmer einzunehmende Mittel haben.
Bevor diese Droge aufkam, galt zu Anfang des 16. Jahrhunderts auch in Europa wie in Amerika, wo sie schon längst von den Indianern in diesem Sinne gebraucht wurde, das harzdurchtränkte Guajakholz als bestes Mittel gegen die Syphilis. Es stammt hauptsächlich von der Zygophyllazee Guajacum officinale, einem bis 12 m hohen Baum des nördlichen Südamerika und der Antillen mit intensiv blauen Blüten und kommt in Form von oft mehrere Zentner schweren, vom gelblichweißen Splint befreiten Stücken von dunkelgrünlichbraunem Kernholz in den Handel. Außer verschiedenen Harzen, Guajak- und Guajakonsäure enthält es Saponinsäure und Saponin, welch letzteres die hauptsächlich wirksame Substanz ist, aber noch reichlicher als im Kernholz im Splint und am allerreichlichsten in der Rinde vorhanden ist, so daß eigentlich letztere vor ersterem weit den Vorzug verdiente. Guajak ist die hispanisierte indianische Bezeichnung der Pflanze, die Fernandez de Oviedo 1526 zuerst beschrieb und von der er angab, daß 1508 die erste Sendung des Holzes nach Spanien gelangte, um gegen die dort herrschende Syphilis zu dienen. Bald breitete sich ihr Ruhm über ganz Europa aus. Schon 1517 rühmte sich in Deutschland der kaiserliche Leibarzt Leopold Poll, 3000 Menschen mit dem Guajakholze von dieser damals äußerst bösartig auftretenden Krankheit, die alle Volksschichten erfaßt hatte, geheilt zu haben. Auch der 1523 auf der Insel Ufenau im Zürcher See an den Folgen dieser ansteckenden Krankheit verstorbene Ulrich von Hutten machte vier Jahre vor seinem Tode angeblich mit Erfolg eine Guajakkur in Augsburg durch, über die er in seiner Schrift „De Guajaci medicina et morbo gallico liber unus“ Mitteilung macht. 1525 beschaffte der Rat der Stadt Straßburg 107 kg des Holzes für eine energische Behandlung der an der Lustseuche erkrankten Bürger. In seiner zeitgenössischen Chronik berichtet der Franzose Guiffrey von seinem Könige Franz I., daß dieser selbst mehrere Jahre nacheinander unter Führung eines zuverlässigen Kapitäns eine Gallion — es waren dies die größten Segelschiffe des Mittelalters, die besonders zur Kriegführung dienten und stark armiert waren, im Gegensatz zu den kleinen Karavellen, mit denen beispielsweise Kolumbus vom spanischen Seehafen Palos ausfuhr, um nach Indien zu segeln, wobei er, ohne es zu wissen, Amerika entdeckte — nach Brasilien sandte, um jeweilen eine Ladung Guajakholz zur Behandlung seiner eigenen und seiner Hofleute Syphilis zu holen. Nur einmal, im Jahre 1543, habe er bei einem Aufenthalt in La Rochelle von normannischen Korsaren eine von ihnen erbeutete Schiffsladung gekauft, in der sich unter anderem auch „du gayet ou palme sainte“ gefunden habe.
Im Jahre 1545 beschrieb Brasavela in seiner in Venedig erschienenen Drogenkunde bereits drei Sorten des Holzes, worunter auch das von der westindischen Insel San Juan, dem heutigen Puerto Rico, stammende Palo santo oder Lignum sanctum, d. h. heiliges Holz von Guajacum sanctum, das heute von den Bahamainseln und aus Florida in den europäischen Handel gelangt, um vornehmlich zur Tischlerei und Drechslerei zu dienen. In der Folge wurde letztere Sorte, so schon 1582 auf der Messe in Frankfurt am Main, als Guajacum parvum, d. h. kleiner Guajak von dem von G. officinale stammenden Guajacum magnum, dem großen Guajak, unterschieden. 1573 fand der Augsburger Arzt Leonhard Rauwolf auf dem Basar der syrischen Stadt Aleppo Guajakholz neben Chinawurzel als Heilmittel gegen Syphilis feilgeboten. Die Arzneitaxe von Wittenberg brachte 1599 Lignum und Cortex Guajacis (Holz und Rinde). Ein Jahrhundert hielt der Ruf dieser Droge als Heilmittel gegen die Syphilis an, um dann, wie gesagt, von der Sarsaparillwurzel verdrängt zu werden. Als man als Hauptbestandteil des Holzes das darin enthaltene Harz erkannte, benutzte man von der Mitte des 17. Jahrhunderts an vielfach an dessen Stelle das Guajakharz, das seltener freiwillig ausfließt, sondern meist durch Einschnitte in den Stamm mit nachherigem Schwelen gewonnen wird. Als solches kommt es in haselnuß- bis walnußgroßen, dunkelrotbraunen, außen schmutzig grünlich bestäubten Körnern in den Handel, während das durch Auskochen des zerkleinerten Kernholzes hergestellte Präparat in unregelmäßigen, mehr schwarzgrünen Massen verkauft wird. Letzteres schmeckt unangenehmer und länger anhaltend kratzend als das vorige und dient heute nur noch als Reagens für Fermente und von Blut.
Ebenfalls gegen Syphilis wurde eine Zeitlang das mittelamerikanische Quassiaholz verwendet, das schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts von den aus Afrika importierten Negersklaven unter dem Namen quasci in Surinam gegen die bösartigen epidemischen Fieber des Landes gebraucht wurde. Nach Fermins Angaben sollen bereits 1714 die großen scharlachroten Blüten des Baumes noch vor dem Holz als geschätztes Magenmittel von den Eingeborenen benutzt worden sein. Nach Albrecht von Hallers Zeugnis besaß der Drogist Seba in Amsterdam schon 1730 das Quassiaholz, und 1742 soll es bereits ein ganz gemeines Medikament gewesen sein. Das gelblichweiße, dichte, geruchlose Quassienholz stammt von einem kleinen, auf den Antillen und im nördlichen Südamerika heimischen Baum aus der Familie der Simarubazeen mit gefiederten Blättern und länglichen, schwarzen Steinfrüchten, dem Karl von Linné 1763 nach der Bitterkeit seines Holzes den wissenschaftlichen Namen Quassia amara gab. Er wird außer in seiner Heimat auch in einigen Tropenländern der Alten Welt kultiviert und liefert das echte oder surinamsche Quassiaholz, während das leichtere, weniger dichte Jamaika-Quassiaholz von der verwandten, viel höheren und stattlicheren, in Westindien, besonders Jamaika, heimischen Picrasma excelsa stammt. Beide schmecken stark bitter, und zwar ersteres durch den Gehalt des von Winkler 1834 zuerst dargestellten Bitterstoffs Quassiin, letzteres dagegen durch das ähnliche Picrasmin; der ihn enthaltende wässerige Auszug dient, wie in seiner Heimat, so auch bei uns als appetitanregendes Mittel. Er besitzt schwach narkotische Eigenschaften und diente früher als Bittermittel in der Bierbrauerei, ebenso als Fliegengift.
In gleicher Weise früher als Heilmittel gegen Syphilis, während heute hauptsächlich noch als Blutreinigungsmittel verwendet, wurden die im Herbst ausgegrabenen, bis 20 cm dicken, ästigen, holzigen Wurzeln der im östlichen Nordamerika, besonders in Florida, Virginien, Karolina und Pennsylvanien heimischen Lorbeerart Sassafras officinalis. Als die Spanier 1512 unter Juan Ponce de Leon Florida entdeckten, das sie, wie schon Kolumbus die südlicher davon gelegenen Länder, nicht für eine neue Welt, sondern für einen Teil des asiatischen Gewürzlandes Indien hielten, weshalb diese Gebiete auch den Namen India erhielten, der erst später zur Unterscheidung vom eigentlichen Indien in Westindien präzisiert wurde, hielten sie die bis 30 m hohen diözischen Sassafrasbäume anfangs für den von ihnen so sehnlichst erwünschten Zimt. Und der sie begleitende Mönch Monardes, der später diese Entdeckungsreise beschrieb, sagt, daß das Holz auch wirklich nach Zimt gerochen habe, was durchaus nicht der Fall ist. Was man zu finden hofft, das bildet man sich schließlich ein gefunden zu haben! Noch in späterer Zeit bezeichneten die Portugiesen die Sassafrasrinde in Fortsetzung ihres holden Wahnes, es mit der Zimtrinde, die übrigens von einer nahe verwandten Lorbeerart stammt, zu tun zu haben, als canela. Die Pflanze, deren Holz schon von den Indianern Floridas als Fiebermittel benutzt wurde, erhielt dann später, als sie einsahen, daß sie nicht die Zimtpflanze sei, von den Spaniern die Bezeichnung Sassafras vom spanischen salsafras = Saxifraga, weil man ihr dieselbe Wirkung, Blasensteine zu zerkleinern, zuschrieb, wie dem Steinbrech. Nach dem fenchelartigen Geruch und süßlich aromatischen Geschmack erhielt die bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts von Spanien aus über ganz Europa ausgebreitete holzige Wurzel des Sassafras in Deutschland die Bezeichnung Fenchelholz. Bei den Indianern Floridas hieß das Holz pavanne, deshalb wird es in deutschen Apotheken, z. B. 1582 in Frankfurt a. M. und 1587 in Hamburg, als Lignum Pavanum seu Floridum oder Lignum Sassafras aufgeführt. Schon 1598 kannte man einen Spiritus ligni Sassafras. Der Holzteil und mehr noch die Rinde der Wurzel enthalten bis 9 Prozent eines frisch destilliert farblosen, später aber durch Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft gelb bis braun werdenden ätherischen Öles, das 80 Prozent Safrol, 10 Prozent Phellandren, 6,8 Prozent Rechtskampfer, weiter Eugenol, Cadinen usw. enthält. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika wird aus dem Wurzelholz mit der Rinde ein dort viel verwendetes Fluidextrakt hergestellt, während das daraus destillierte ätherische Öl sehr beliebt zum Aromatisieren von Seifen, Getränken und Tabak ist.
Sehr viel wichtiger für die Arzneikunde und namentlich die Technik als diese nordamerikanische Lorbeerart ist die gleichfalls dem Zimt sehr nahe verwandte ostasiatische Art, der Kampferbaum (Cinnamomum camphora), dessen Produkt, der Kampfer, ein altes chinesisches Heilmittel ist. Aber nicht dieses ostasiatische, sondern ein ähnliches südasiatisches Produkt, der Sumatra- oder Borneokampfer, der in den Stämmen eines hohen Baumes Sumatras und Borneos aus der Familie der Dipterocarpazeen (Dryobalanops camphora), der auch der ostindische Kopalbaum (Vateria indica) angehört, in eigenen Behältern in oft mehreren Pfund schweren Stücken abgesetzt wird, war schon im Altertum in ganz Südasien als Heilmittel verbreitet und beliebt. Dieser südasiatische Kampfer war als wertvolle Arznei auch in China und Japan bekannt, wo er heute fast ausschließlich verbraucht und viel höher geschätzt wird als der bei uns von dort her in den Handel kommende Laurineenkampfer. Unter der Sanskritbezeichnung kapura, d. h. weiß, gebrauchten ihn die alten Inder. Nach der Zeit der Völkerwanderung war er von Indien aus nach Westasien gelangt, wo ihn der griechische Arzt Aētios aus Amida in Mesopotamien im 6. Jahrhundert unter dem Namen kaphura als kostbares Arzneimittel erwähnt. Auch den Arabern zur Zeit Muhammeds war er bekannt; denn er wird im Koran als ein Kühlungsmittel der Getränke der Seligen im Paradiese erwähnt. Mit der von ihnen kamfur genannten Droge machten dann die arabischen Ärzte das Abendland bekannt, wo der Dipterocarpazeenkampfer im 11. Jahrhundert in Italien und im 12. Jahrhundert in Deutschland als Mittel gegen Gicht und Rheumatismus verwendet wurde. So erwähnen ihn um 1070 der jüdische Arzt Simon Seth und um 1150 die gelehrte Äbtissin Hildegard im Kloster Rupertsberg bei Bingen. 1293 lernte der venezianische Kaufmann Marco Polo auf seiner mit Vater und Onkel unternommenen Rückreise von China auf Borneo und Sumatra den dort heimischen Kampferbaum selbst kennen, wie er in seinem Reisebericht erzählt. Zur Zeit des Paracelsus (1493–1541) war der davon gewonnene Kampfer in Deutschland allgemein als Arzneimittel im Gebrauch.
Erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam in Europa der ostasiatische Kampfer an Stelle des teueren Sumatra- und Borneokampfers auf, indem inzwischen die Chinesen, von der Gewinnung jenes durch Fällen, Spalten und Auslesen der Dryobalanopsbäume veranlaßt, dieselbe Droge von einem einheimischen Baume, eben dem echten Kampferbaum, zu gewinnen trachteten, was denn auch gelang. Dieser echte Kampferbaum ist ein an der chinesischen Küste von Cochinchina bis zur Mündung des Jang-tse-kiang und den vorgelagerten Inseln bis Südjapan wachsender, 8–10 m hoher, lindenähnlicher Baum mit brauner, runzliger Rinde und knorrigen Ästen. Er hat immergrüne, eirunde, glänzende Blätter, kleine, weiße, in Rispen stehende Blüten und dunkelrote, erbsengroße Beeren mit pfefferähnlichem Samen. Alle Teile des Baumes, besonders aber die Wurzeln, riechen und schmecken stark kampferartig. Er verlangt ein warmes Klima und möglichst feuchte Luft. Besonders auf Formosa und in ganz Südjapan wird er zur Gewinnung von Kampfer benutzt und deshalb in ausgedehnten Waldungen gezogen. Junge Bäume sind für die Kampferausbeutung wertlos. Je älter sie aber werden und je dichter ihr Holz wird, um so höher steigt in ihnen der Kampfergehalt, bis er etwa im 100. Jahr ein Maximum erreicht hat. Schon 40–50jährige Bäume werden zur Kampfergewinnung gefällt. Dabei wurde das Holz, besonders des Stammes, gespalten und ursprünglich wie beim Sumatra- und Borneokampferbaum das in Spalten und Klüften ausgeschiedene feste ätherische Öl ausgekratzt. Bald aber ging man dazu über, das in kleine Späne geschnittene und zudem durch Klopfen faserig gemachte Holz einer Destillation mit Wasserdämpfen zu unterwerfen, um den Kampfer zu gewinnen. Da dieses feste ätherische Öl am reichlichsten in den Wurzeln und unteren Teilen des Stammes enthalten ist, werden lediglich diese Teile, außer den Wurzeln noch der Stamm bis etwa in 3 m Höhe, der meist auf sehr primitive Weise ausgeführten Destillation unterworfen, wobei der Rohkampfer in Gestalt blaßrötlicher, körniger Massen mit 20 Prozent flüssigem Kampferöl gewonnen wird. Als solcher kommt er von Formosa in mit Bleiblech ausgeschlagenen Kisten von 50–60 kg Gewicht verpackt, von Japan dagegen in Bambusröhren oder Tubbs genannten Holzbottichen von 80 kg in den Handel und wird in Europa und Amerika, neuerdings auch schon in Japan und Hongkong, in eigenen Kampferraffinerien durch weitere Sublimation gereinigt.
Der Kampfer, seiner chemischen Beschaffenheit nach ein Keton von der Formel C10H16O, bildet sich im lebenden Kampferbaum aus einem ursprünglich im Holz vorhandenen flüchtigen, farblosen Öl, dem Kampferöl, das in frühzeitig in allen Teilen des Baumes angelegten Ölzellen gebildet wird und sich später durch Sauerstoffaufnahme — oft erst jahrelang nach Entstehung des Sekretes — in Kampfer umwandelt, der dann vorzugsweise in den Spalten und Höhlungen des unteren Teiles des Stammes zur Ausscheidung gelangt. Das vom rohen Kampfer vor dem Raffinieren ausgepreßte und durch Zentrifugieren entfernte flüssige, früher als wertlos beseitigte Kampferöl wird neuerdings auf Safrol verarbeitet. Der raffinierte Kampfer, der in 1–5 kg schweren, konvex-konkaven, in der Mitte durchlöcherten Kuchen in den Handel gelangt, stellt eine weiße, durchscheinende, kristallinisch-körnige, fettig anzufühlende, bei gewöhnlicher Temperatur allmählich ohne Rückstand sich verflüchtigende Masse von durchdringendem Geruch und brennend scharfem, hinterher kühlendem Geschmack dar, das in der Medizin äußerlich als die Haut reizendes, ableitendes, schmerzlinderndes Mittel bei rheumatischen Leiden, innerlich in kleinen Dosen zur Beruhigung, in größeren zur Anregung und Belebung des Nervensystems, der Atmung und Blutzirkulation, besonders aber in der Technik als Mottengift und in sehr großem Maße zur Herstellung von Zelluloid und rauchschwachem Pulver verwendet wird. Japan und Formosa führen jährlich über 4 Millionen kg Kampfer aus, von denen etwa 32 Prozent nach Deutschland, 31 Prozent nach Amerika, 22 Prozent nach Frankreich, 13 Prozent nach England und 2 Prozent nach Indien gehen. Zum eigenen Kampferöl bezieht Japan noch viel von Formosa, um ihn bei der Lackbereitung zu verwenden. Bei der großen Wichtigkeit, die dem Kampfer zukommt, werden zurzeit ausgedehnte Anpflanzungen von Kampferbäumen von seiten der japanischen und chinesischen Regierungen gemacht. Schon jetzt liefert die südchinesische Provinz Fo-kien über 120000 kg Kampfer jährlich. Auch werden später Madagaskar, Ceylon, Deutsch-Ostafrika, Ägypten, Algerien und der Süden der Vereinigten Staaten von Nordamerika sich an der Produktion beteiligen, wenn die dort angelegten, sehr gut fortkommenden Kulturen des Kampferbaumes zur Ausbeutung reif sein werden. Die neuerdings gehegte Hoffnung, den Kampfer auch aus den Blättern des Baumes gewinnen zu können, ist bis jetzt nur wenig erfüllt worden.
Außer den bereits erwähnten hat die Neue Welt noch eine ganze Menge wichtiger Drogen aus dem Pflanzenreiche geliefert, so die Ipecacuanha- oder Brechwurzel, die heute noch in reichlichem Maße Verwendung findet. Sie besteht aus der unterirdisch kriechenden Achse eines niederen Halbstrauchs aus der Familie der Rubiazeen oder Krappgewächse (Cephaëlis Ipecacuanha) mit nur 10–30 cm hoch aufsteigenden Stengeln, länglichovalen Blättern, weißen Blüten und erbsengroßen, blauen Beeren. Sie wächst in den feuchten, schattenreichen Wäldern Südbrasiliens wild und wird neuerdings auch auf der Halbinsel Malakka im Schatten einzelner Bäume kultiviert, um über Singapur in den Handel zu gelangen. Die beliebteste Sorte wird mit Ausnahme der Regenzeit das ganze Jahr hindurch in der südbrasilianischen Provinz Matto Grosso gesammelt, indem man den ziemlich oberflächlich horizontal unter der Erde verlaufenden, höchstens 5 mm dicken, knotigen Stamm aushebt, aber die an den Knoten entspringenden, größtenteils zu Stärkemehl aufspeichernden Reservestoffbehältern gewordenen Wurzeln abschneidet, um sie im Boden zu belassen oder, falls sie mit herauskamen, wieder einzupflanzen. Sie bilden dann Adventivknospen, aus denen nach 3–4 Jahren ein neuer Bestand ausbeutungsfähiger Pflanzen hervorgeht. Die in Abständen von 1 mm von ungleichen, rundlichen Wülsten, den Narben der einst hier entsprungenen zahlreichen Seitenwurzeln, versehenen unterirdischen Stammstücke werden so rasch als möglich getrocknet, am Tage der Sonne ausgesetzt und nachts durch Bedecken vor dem Tau beschützt, und sind nach 2–3 Tagen versandfähig. In sogenannten Seronnen von 40–42 kg Gewicht werden sie von den Eingeborenen oft Tagereisen weit auf den Köpfen aus dem Innern an die Küste getragen und gelangen über Rio de Janeiro nach London zum Verkauf. In 15 cm langen Stücken, noch häufiger aber fein geschnitten kommen sie in die Apotheken, um hier meist zur Herstellung der bekannten Ipecacuanha-Aufgüsse verwendet zu werden. Das wirksame Prinzip ist das 1817 von Pelletier und Magendie gefundene Emetin neben Cephaëlin und Psychrotin. Es ist zu 4 Prozent fast nur in der graubraunen Rinde und nur in Spuren im Holzkörper vorhanden. Das offizinelle Ipecacuanha-Pulver soll 2 Prozent dieser Alkaloide enthalten.
Diese brechenerregende und expektorierend wirkende Droge hat eine sehr interessante Geschichte, die es wohl verdient, hier in Kürze mitgeteilt zu werden. Der Name Ipecacuanha, den uns die Portugiesen vermittelten, stammt aus der Tupisprache und ist aus i (klein), pe (am Wege), caá (Kraut), guéne (brechenerregend) zusammengesetzt, bedeutet also „kleines Kraut, das am Wege wächst und Brechen erregt“. Die Tupi- und andern Indianer Brasiliens verwandten sie als Brechmittel. Da sie aber außer ihr noch andere Wurzeln als solches benutzten und mit dem Worte „pe-caá-guéne“ — zusammengezogen in pecacuém — bezeichneten, erhielt sie zur Unterscheidung von den größeren die Benennung i (klein), also I-pe-caá-guéne. Der portugiesische Volksname der Droge ist aber nicht Ipecacuanha, sondern Poaya. Zum erstenmal wird sie 1590 vom portugiesischen Mönch Michael Tristram, der von 1570–1600 in Brasilien lebte, unter dem Namen Igpecaya oder Pigaya erwähnt; aber erst 1648 wurde sie durch den holländischen Arzt Wilhelm Piso in Europa genauer bekannt. Auf einer von 1636–1641 unter Führung des Grafen Moritz von Nassau-Siegen unternommenen Forschungsreise durch Brasilien lernte er sie kennen und gab dann nach seiner Heimkehr die erste Beschreibung und Abbildung der Pflanze, die er Ipecacuanha nennt. Gleichwohl war man über die botanische Stellung der Pflanze noch lange im unklaren. Réjus hielt sie für eine Art Einbeere (Paris), Moriceau für eine Art Geißblatt (Lonicera) und der große Karl von Linné für eine Art Veilchen, weshalb er sie Viola Ipecacuanha nannte. Erst der portugiesische Marinearzt Dr. Bernardino Antonio Gomez gab 1801 die nötige Berichtigung über die von ihm in Brasilien kennen gelernte Stammpflanze. 1804 beschrieb Wildenow die Pflanze als Cephaēlis ipecacuanha; später zog der Aargauer Müller das Genus Cephaēlis zu Psychotria.
Größere Aufmerksamkeit erregte die Droge erst zu Ende des 17. Jahrhunderts. 1672 brachte sie der Arzt Le Gras nach einem dreimaligen Aufenthalte in Brasilien von dort mit; von ihm erhielt sie der Apotheker Claquenelle, ebenso Lemery. Dann brachte der Arzt Daliveau aus Montpellier, der die Pflanze in Brasilien gesehen und dort auch ihre Verwendung kennen gelernt hatte, Nachrichten über sie mit nach Europa. 1680 bekam Dr. Afforti von dem aus Brasilien zurückgekehrten und nach schwerer Erkrankung von ihm geheilten Kaufmann Garnier zum Dank eine Portion Ipecacuanha unter dem Namen der brasilischen Ruhrwurzel. Afforti beachtete dieselbe nicht, gab aber davon dem Studenten Joh. Adrian Helvetius, der damit nach seiner Etablierung in Reims 1684 sehr gute Kuren bei Ruhr machte. Er erregte damit weithin in Frankreich Aufsehen, so daß ihm Ludwig XIV. sein als Geheimnis behandeltes Mittel um 1000 Louisdor abkaufte und ihm dazu noch ein Privilegium des Alleinverkaufs erteilte. In Deutschland lenkte besonders Leibnitz die Aufmerksamkeit auf das neue Mittel, über das er in den Verhandlungen der Leopoldinischen Sozietät der Naturforscher im Jahre 1696 eine Abhandlung: De novo antidysenterico americano veröffentlichte. Zwei Jahre später nahm sich Valentini der Droge im besonderen an, doch ging es noch längere Zeit, bis sie allgemeinere Verwendung fand. Bis weit in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war sie in den Apotheken noch recht selten und dementsprechend teuer. So kostete das Pfund nach Valentini 1704 30 Gulden und das Lot (10 g) in Mülhausen 8 Pfennige. 1887 kamen dann die ersten Proben aus den seit 1866, anfangs allerdings ohne Erfolg in Indien, besonders um Kalkutta, angelegten Kulturen auf den Londoner Markt und erwiesen sich als der brasilianischen Droge ebenbürtig. Von der von Hooker aus dem botanischen Garten von Kew bei London gesandten Stammpflanze waren 1872 nur noch 12 Pflanzen als Nachkommen vorhanden. Eine Vermehrung durch Stecklinge hatte größeren Erfolg; so erzielte man auf diese Weise von 300 in den Jahren 1871 und 1872 in Sikkim vorhandenen Exemplaren bereits 1873 6000 Stück. Doch hatte die Kultur der Ipecacuanha auch hier erst rechten Erfolg, als man begann, den Bedürfnissen der Pflanze nach Feuchtigkeit und Schatten Rechnung zu tragen.
Bei der Gesuchtheit der Droge kann es uns nicht wundern, daß sie sehr oft mit falscher Ipecacuanha vermischt und so gefälscht wird. Von solcher kommt die in Kolumbien wachsende Cephaēlis acuminata der echten am nächsten. Ihr unterirdisch kriechender Stamm ist rötlichbraun und bis 8 mm dick. Man bezeichnet diese Sorte als Cartagena-Ipecacuanha, weil sie vom gleichnamigen Hafen in Kolumbien exportiert wird. Erheblich schwächer wirkend ist die aus dem nördlichen Südamerika stammende dünnere, hellgraue bis graubraune „mehlige Ipecacuanha“, so genannt, weil die mit nur schwachen Einkerbungen versehene sehr dicke Rinde im Durchschnitt mehlig weiß ist. Sie stammt von Richardsonia scabra. Größer und stärker als die echte Rioware, aber sehr arm an Emetin, ist die bis 8 mm dicke, außen graubraun bis grauschwarze „schwarze Ipecacuanha“, die von der in Venezuela, Peru und Kolumbien (dem vormaligen Neu-Granada) wachsenden Psychotria emetica herrührt. Ganz emetinfrei ist die stark verästelte und mit spärlichen Einschnürungen versehene grauweiße oder hellbraungelbe „weiße Ipecacuanha“, die von der brasilischen Veilchenart Jonidium ipecacuanha stammt, ebenso die von Viola itoubou, von Polygala violacea in Venezuela, von Chamaelirium luteum und Heteropteris pauciflora in Brasilien und andern. Ganz schwach emetinhaltig ist dagegen die mit sehr dünner Rinde und ohne Einschnürungen versehene Trinidad-Ipecacuanha von Cephaëlis tomentosa.
Ebenfalls durch die Portugiesen zuerst in Europa bekanntgeworden ist die außer als appetitanregendes Mittel auch wie die Ipecacuanha gegen Ruhr verwendete Colombowurzel, die von der in den Wäldern der ostafrikanischen Küstenländer heimischen Jatrorrhiza palmata stammt. Heute wird sie außer in Mozambique, wo sie die Portugiesen bei ihrer Niederlassung von den Eingeborenen als stopfende Arznei kennen lernten, in Deutsch-Ostafrika, auf Madagaskar, den Maskarenen, Seychellen und Ceylon kultiviert. Die dem kurzen Wurzelstock entspringenden rübenförmig verdickten, bis 30 cm langen und bis 8 cm dicken, fleischigen Wurzeln der zu den Menispermazeen gehörenden ausdauernden, strauchartigen Pflanze werden im März gegraben, gewaschen, in 2 cm dicke Scheiben geschnitten, auf Schnüre gezogen und im Schatten getrocknet. In von Matten umhüllten Ballen von etwa 50 kg Gewicht kommen sie aus Mozambique, Sansibar oder Bombay nach Hamburg und London in den Handel. Sie sind im Durchschnitt gelb und enthalten außer reichlich Stärkemehl und Gummi, die dem daraus hergestellten Dekokt eine schleimige Konsistenz geben, drei Alkaloide und zwei Bitterstoffe. Der Name Colombo hat keinerlei Beziehung zur gleichnamigen Stadt auf Ceylon, sondern rührt von der Bezeichnung kalumb her, die ihr die Kaffern gaben. Zuerst empfahl der toskanische Arzt Francesco Redi 1675 die Calumba als giftwidriges Mittel. Als solches hat sie sich nun nicht bewährt, wohl aber als tonisches Bittermittel und zum Stopfen bei Durchfällen. Ihre Abstammung und Heimat wurde geheim gehalten, bis Philipp Commerson 1770 die sie liefernde Pflanze im Garten des Gouverneurs Poivre auf Isle de France (jetzt Mauritius genannt) kultiviert fand. Erst seit sie der Arzt Gaubius in Leiden im Jahre 1771 angelegentlich empfahl, wird sie häufiger medizinisch verwendet. Die sogenannte amerikanische Colombowurzel von der Gentianee Frasera carolinensis aus Ohio, Carolina und Pennsylvanien enthält nur Gerbsäure und ist minderwertig. Am meisten wird die Droge durch die mit Ocker gelb gefärbte Wurzel der Zaunrübe (Bryonia alba und dioica) verfälscht.
Von einem im atlantischen Nordamerika, namentlich Virginien, Florida und Alabama heimischen immergrünen klimmenden Strauch (Gelsemium sempervirens) aus der Familie der Loganiazeen, die sehr stark giftige Vertreter, wie den das Strychnin liefernden Brechnußbaum, den Curarebaum, aus dem die Indianer in Guiana und Venezuela ihr berüchtigtes Pfeilgift, den schlingenden Upasstrauch, aus dessen Wurzelrinde die Malaien Javas ihr nicht minder gefährliches Pfeilgift Upas herstellen, und den vom Jesuiten Camelli 1699 nach dem Stifter des Jesuitenordens, Ignatius Loyola, Ignatiusstrauch benannten Schlingstrauch der Philippinen, der die äußerst giftigen Ignatiusbohnen liefert, aufweist, stammt die Gelsemiumwurzel. Gelsemium ist der ältere Name des Jasminum — hergeleitet vom arabischen jasmin —, der dieser Pflanze wegen ihrer Ähnlichkeit mit diesem orientalischen Strauche gegeben wurde. Das Rhizom kommt meist in kleine Stücke zerschnitten in den Handel und enthält vier Alkaloide, die als schmerzbetäubendes Mittel bei Neuralgien, Zahnschmerz, Rheumatismus und Brustfellschmerzen dienen. Die Indianer brauchten sie zum Vergiften der Fische. Diese bei uns weniger angewandte Droge dient in Nordamerika seit langer Zeit als Volksmittel gegen Fieber und Neuralgien. Die Wirkung besteht in Schwächung der Motilität und Herabsetzung der Sensibilität; in größeren Gaben verursacht die Droge Schwindel, erweiterte Pupillen und Doppeltsehen, allgemeine Muskelschwäche und schließlich Tod durch Atmungslähmung.
Der getrocknete Wurzelstock der kanadischen Gelbwurz (Hydrastis canadensis) liefert die neuerdings auch bei uns wie in ihrer Heimat vielgebrauchte Hydrastis, die schon lange vor Ankunft der Europäer von den nordamerikanischen Indianern teils zu medizinischen Zwecken, besonders bei Entzündungen der Augen, des Mundes und des Halses, teils zum Färben des Gesichtes und der Kleidungsstücke benutzt wurde. In derselben Weise wurde das Rhizom noch jahrhundertelang nach der Entdeckung Amerikas als golden seal, d. h. goldene Siegelwurz, als Aufguß oder Tinktur weiter gebraucht, bis es 1860 in die Pharmakopoe der Vereinigten Staaten aufgenommen wurde, nachdem es schon seit 1833 allgemeiner als Arznei verwendet und seit 1847 in größeren Mengen in den Handel gebracht worden war. Die Verwendung in Europa datiert erst seit 1883. 1851 entdeckte Durand das wichtigste der darin enthaltenen Alkaloide, das Hydrastin, das bis zu 4,8 Prozent darin enthalten ist und sich im Körper in Hydrastinin und Opiansäure spaltet. Hydrastis wirkt gefäßverengend und darum Blutungen stillend. Besonders gegen Gebärmutterblutungen wird es viel verwendet, außerdem auch bei chronischem Magenkatarrh und äußerlich bei Augenentzündungen. Die sie liefernde Pflanze ist eine in den feuchten Wäldern Kanadas und besonders der nordöstlichen Vereinigten Staaten heimische ausdauernde Schattenpflanze aus der Familie der Ranunculazeen mit 2–3 handförmig gelappten Blättern und grünlichweißen Blüten, die wegen des erhöhten Verbrauchs im wilden Zustande fast nicht mehr vorkommt und zurzeit in den Staaten südlich von New York an schattigen Hügeln und in Waldlichtungen in größerer Menge angepflanzt wird. Die Wurzelstöcke sollen nur von der dreijährigen Pflanze im Herbst nach der Samenreife gesammelt, gereinigt und, auf große Tücher ausgebreitet, an der Luft getrocknet werden. In Ballen oder Säcke verpackt kommen sie meist über Cincinnati zum Versand. Vielfach werden sie mit den Wurzelstöcken der in den dortigen Waldungen heimischen Aristolochia serpentaria und anderer ausdauernder Kräuter verfälscht.
Ebenfalls in Nordamerika heimisch ist die nach dem Stamme der Seneka-Indianer oder Irokesen benannte Senegawurzel, die von einer nördlich vom Tennesseeflusse vom Atlantischen Ozean bis zum Felsengebirge vorkommenden ausdauernden Kreuzblumenart (Polygala senega) gewonnen wird. Schon von den Indianern wurde sie als Mittel gegen den Biß der Klapperschlange verwendet. 1736 wurde sie deshalb von dem in Virginien ansässigen schottischen Arzte John Tennent als Senega rattle snake root (S.-Klapperschlangenwurzel) in den Arzneischatz eingeführt. Schon 1734 gab der Nürnberger Arzt Jakob Treu eine Abbildung der Stammpflanze. Noch im Jahre 1779 war nach Murray die Droge in Deutschland nur in wenigen Apotheken vorrätig. 1804 stellte dann Gehlen das bis zu 5 Prozent darin enthaltene, dem Saponin ähnliche, in kaltem Wasser unlösliche Alkaloid Senegin dar, das neben dem sauren Glykosid, der Polygalasäure und zwei neutralen Glykosiden darin vorkommt. Die Wirkung der Droge ist eine schleimlösende, schweißtreibende und leicht abführende. Wie die folgende wird sie auch als Waschmittel benutzt.
Denselben Zwecken dient die gleicherweise meist als Abkochung verordnete Quillaia- oder Seifenrinde, die von dem immergrünen, in Chile, Peru und Bolivien heimischen Seifenbaume (Quillaia saponaria) gewonnen wird. Den in seiner Heimat gebräuchlichen Namen Quilla hat er vom spanischen Worte quillái, das „waschen“ bedeutet; denn seine Rinde wurde seit langer Zeit im Lande zum Waschen benutzt. Als Wasch- oder Panamarinde kam sie zuerst von Panama aus zu Anfang der 1850er Jahre nach England und Frankreich, einige Jahre später auch nach Deutschland. Seit dieser Zeit hat sie, da sie die Farben nicht angreift, technisch statt Seife in den Wäschereien eine große Bedeutung erlangt. Sie ist außen grob längsgestreift, oft rissig, weißlich oder hellbraun, innen glatt und bräunlich, hat einen kratzend bitteren, schleimigen Geschmack und enthält außer bis 10 Prozent Saponin die der Polygalasäure sehr nahestehende Quillaiasäure, Sapotoxin und Lactosin. Sie wird als Ersatz der Senega bei chronischem Lungenkatarrh in Form einer beim Schütteln stark schäumenden Abkochung gegeben; auch kommt ein als Saponin bezeichnetes Extrakt derselben in den Handel. Die Rinde selbst wird jetzt direkt von Chile und Peru nach Hamburg und Havre gebracht, die die Hauptstapelplätze dafür sind. Jährlich kommen davon über 3 Millionen kg im Werte von einer halben Million Pesos (fast ebensoviel Mark) allein aus Chile in den Handel. Auch das mittelharte Holz ist dort geschätzt und wird zu feineren Geräten, besonders zu den im Lande gebräuchlichen schuhartigen, hölzernen Steigbügeln, die mit reichgemusterten Ornamenten in Kerbschnittmanier verziert sind, verwendet. Der Quillái ist eine bis 10 m Höhe erreichende Rosazee, deren bis gegen 2 m dicker Stamm, unbeschadet des Wohlbefindens der Pflanze, öfter im Innern vermorscht. Er ist nicht besonders dicht verzweigt und seine Äste gehen stark auseinander. Er hat elliptische, glänzende, lederharte, hellgrüne Blätter und zu kleinen Trauben vereinigte weiße Blüten. Er steigt über 2000 m ins Gebirge hinauf, doch wird ihm leider von den Rindensammlern (cascarilleros), denen man mit ihren schwarzbraunen Lasten oft begegnet, arg zu Leibe gegangen. Früher entrindeten sie die Bäume meist nur so weit, als sie reichen konnten, während sie jetzt mit Hilfe von Leitern die Entrindung bis weit in das Astwerk hinein vornehmen.
Ebenfalls aus Südamerika stammt die erst seit 1871 durch Garcia Morena, den damaligen Präsidenten von Ekuador, nach Europa gesandte und hier bald als angebliches Heilmittel gegen Magenkrebs sehr überschätzte und sehr teuer bezahlte Condurangorinde, d. h. Geierrinde. Schon lange steht sie in ihrer Heimat gegen Schlangenbiß und krebsartige Krankheiten bei den Indianern im Gebrauch. Ihre Stammpflanze ist eine an den Westabhängen der Kordilleren zwischen Ekuador und Peru in 1500 m und mehr Höhe wachsenden Liane (Marsdenia condurango) aus der Familie der Asklepiadazeen mit gegenständigen, breiten, samtartig behaarten Blättern, paarigen Rispen kleiner Blüten und dicken, glatten Fruchtkapseln. Ihre Rinde ist graubraun, schmeckt bitterlich, schwach kratzend, riecht aromatisch und enthält als wichtigsten Bestandteil ein als Condurangin bezeichnetes Gemisch von fünf Glykosiden, das appetitanregend wirkt. Deshalb wird die Rinde auch heute noch gerne als Stomachikum gegeben.
Sehr viel wichtiger als sie ist eine andere südamerikanische, ebenfalls aus dem Andengebiet stammende Rinde, die Chinarinde, die weitaus die wichtigste Droge ist, die uns der neue Weltteil geschenkt hat; ja sie kann geradezu als das wichtigste Heilmittel aus dem Pflanzenreiche bezeichnet werden, da sie beziehungsweise das aus ihr gewonnene Chinin allein imstande ist, die weitaus verbreitetste und bösartigste aller Krankheiten, besonders der warmen Länder, die Malaria, an der bisher viele Hunderttausende von Menschen jährlich zugrunde gingen, zu heilen, und dadurch der Weiterverbreitung dieser schrecklichen Krankheit durch die Anópheles-Stechmücken zu wehren. In Berücksichtigung der ungeheuren Bedeutung, die diesem Arzneimittel zur Ausrottung der die schönsten und fruchtbarsten Gebiete der Tropen für Weiße bisher fast unbewohnbar machenden Infektionskrankheit zukommt, wollen wir etwas eingehender auf die Geschichte dieser Droge eingehen.
Zunächst ist festzustellen, daß die Bezeichnung China durchaus nichts mit dem ostasiatischen Reiche der Mitte zu tun hat, sondern der alten Inkasprache Perus angehört, in der es als quina (sprich kina) Rinde bedeutet. Und zwar bezeichneten die Eingeborenen damit eine bestimmte, von stattlichen Bäumen der Ostabhänge des nördlichen Teiles von Peru und südlichen Gebietes von Ekuador in über 1000 m Meereshöhe gewonnene, frisch blaßgelbe, durch Trocknen und Lagern aber braun werdende Rinde, die sie gegen Fieber verwendeten. Im Gegensatz zu anderen Rinden, die sie als Heilmittel verwandten, bezeichneten sie die Chinarinde durch Verdoppelung des Wortes quina als quinaquina im Sinne von etwa guter Rinde. Als dann die verhaßten fremden Eindringlinge, die Spanier, die so grausam gegen das Herrscherhaus der Inkas verfuhren, das Land besetzten, wurde ihnen zunächst das Geheimnis, das übrigens nur in einem beschränkten Gebiet der engeren Heimat des Fieberrindenbaumes, nämlich in der Gegend von Loxa im südlichsten Teil von Ekuador, bekannt war, nicht verraten. Erst 1630 wurde die Chinarinde durch die Vermittlung eines Jesuiten, der sich durch seine Leutseligkeit das Vertrauen und die Liebe der Eingeborenen zu erwerben wußte, den Spaniern im Innern von Peru bekannt. Der erste Weiße, der damit vom Wechselfieber soll geheilt worden sein, war der Corregidor oder Oberrichter — eine Art vom König eingesetzter Verwalter — der Stadt Loxa, Don Juan Lopez de Canizares. Die cascara (Rinde) de quinaquina de Uritusingu empfahl er bei seinen Bekannten weiter und durch seine Vermittlung wurde im Jahre 1638 die Gemahlin des Vizekönigs von Peru, Gräfin Anna de Chinchon (sprich Tschintschon), damit von einem hartnäckigen Wechselfieber geheilt. Ihr zu Ehren wurde dann 1742 der Fieberrindenbaum durch Karl von Linné Cinchona — eigentlich sollte es Chinchona heißen — genannt. Nach ihrer Genesung ließ die Gräfin größere Mengen der so vortrefflich das Fieber bekämpfenden Rinde aus Loxa kommen und verteilte sie bei den ihr bekannten Malariakranken der Stadt Lima. So kam dieses neue Heilmittel als „Gräfinnenpulver“ polvo de la condesa zunächst in Perus Hauptstadt in Gebrauch. 1640 brachte Juan de Vega, der Leibarzt des Grafen Chinchon, das erste Pfund der Rinde nach Sevilla in Spanien.
Tafel 131.
(Phot. Vincenti, Daressalam.)
Ein Saatbeet für junge Chinabäume in Deutsch-Ostafrika.
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GRÖSSERES BILD
Tafel 132.
Ein Kussobaum in der Landschaft Schoa in Abessinien.
(Nach Photogr. von F. Rosen in „Karsten u. Schenck, Vegetationsbilder“.)
Chinabäume (Cinchona succirubra) auf Lembang in Java.
In der Folge waren es besonders die Jesuiten, die sich des einträglichen Handels mit der Chinarinde bemächtigten, weshalb sie in Spanien als Jesuitenpulver, polvo de los jesuitos, bekannt wurde. Bis zum Jahre 1811 war ja der ganze Handel mit den spanischen Kolonien durch das Mutterland monopolisiert. In Sevilla befand sich die berühmte, 1503 gegründete casa de contractacion de Indias, eine zugleich verwaltende und richterliche Funktionen ausübende Behörde, die dem 1511 eingesetzten Rate von Indien unterstellt war und die oberste Aufsichtsbehörde für den amerikanischen Handel bildete. Kein Schiff durfte nach Amerika absegeln oder, von dorther kommend, in Europa landen, ohne von den Beamten der casa besichtigt und mit der erforderlichen Erlaubnis versehen worden zu sein. Jeder spanische Kapitän, er mochte auslaufen wo er wollte, durfte seine Rückfahrt aus Amerika nur über Sevilla nehmen. Im Jahre 1529 erhielten auch verschiedene andere Städte die Erlaubnis, Schiffe nach den Kolonien zu senden, aber den Rückweg mußten alle über Sevilla nehmen, um die Revision durch die Beamten der casa zu bestehen. Dieses ungeheure, aber für den Handel äußerst hemmende Vorrecht besaß Sevilla bis zum Jahre 1720, in welchem Cadix an seine Stelle trat, weil im Laufe der Zeit der Guadalquivir durch Versandung so verflacht war, daß ihn größere Schiffe nicht mehr befahren konnten.
Durch die Monopolisierung und den hohen Eingangszoll kam die pulverisiert eingeführte Chinarinde, die sich in Spanien bald großer Beliebtheit als Heilmittel gegen die Malaria zu erfreuen hatte, sehr hoch zu stehen, so daß sich nur die Reichen ihrer bedienen konnten. Kostete doch noch lange nach 1650 das Pfund derselben nicht weniger als 400 Mark. Schon 1642 empfahl sie Barba, Professor der Medizin in Valladolid. 25 Jahre später war sie in den größeren Städten Europas bekannt und geschätzt. Zu dieser raschen Verbreitung der quinaquina trug namentlich die rührige Tätigkeit des Generalprokurators des Ordens Jesu, des Kardinals de Lugo, viel bei, der in Rom den ersten Stapelplatz des aus Südamerika neu eingeführten Heilmittels errichtete. Auf seiner Durchreise empfahl er das Mittel in Paris dem höchst einflußreichen Kardinal Mazarin gegen die Malaria, an der Ludwig XIV. litt. Und als dieser davon geheilt wurde, wollte bald jedermann, dessen Geldbeutel sich diesen Luxus leisten konnte, von der so wunderbar schnell vom Fieber befreienden pulverisierten Rinde Gebrauch machen. 1653 war sie in Antwerpen, 1655 in London, 1663 in Königsberg, 1669 in Leipzig und Frankfurt am Main zu kaufen, doch kostete ein Quentchen=1,66 g 50 Kreuzer, d. h. den zwölffachen Preis des Opiums und den fünfundzwanzigfachen des Kampfers. Als Geheimmittel konnte sie noch 1679 der englische Arzt Robert Talbot ausnutzen, der in jenem Jahr dieses Fieber vertreibende Arcanum Ludwig XIV. für 2000 Louisdor und eine Leibrente verkaufte.
Die erste rohe Beschreibung und eine allerdings sehr unvollkommene Abbildung der Pflanze gab Blegny. Genauere Angaben über die Herkunft und Gewinnung der Droge verdanken wir dem Franzosen La Condamine, der von 1736–1744 Peru bereiste, 1737 bei Loxa die Cinchona officinalis sammelte und 1740 eine ausführliche Beschreibung nebst Abbildung der Pariser Akademie der Wissenschaften vorlegen ließ. 1739 fand dann J. de Jussieu ebenfalls bei Loxa die später als Cinchona pubescens bezeichnete Art. 1760 wurde der Botaniker Mutis und 1777 Ruiz und Pavon vom spanischen Ministerium mit der genaueren Erforschung des Chinabaums beauftragt. Ersterer beobachtete um die peruanische Stadt Bogota herum 4 verschiedene Cinchonaarten und letztere, die nach eingehendem Studium von Peru und Chile erst 1788 nach Spanien zurückkehrten, beschrieben 1793 deren nicht weniger als 11 Arten. 1810 stellte der Apotheker Gomez in Lissabon eine amorphe Masse aus der Chinarinde dar, in welcher 1827 die beiden Franzosen Pelletier und Caventou die zwei Alkaloide Chinin und Cinchonin nachwiesen. Seit dieser Zeit wurden aus den Chinarinden noch eine Anzahl anderer Alkaloide neben Säuren, einem bittern Glykosid Chinovin und dem Chinarot dargestellt.
Die Chinarinde wird von verschiedenen nahe miteinander verwandten prächtigen immergrünen Bäumen der zu den Rubiazeen oder Krappgewächsen gehörenden Gattung Cinchona gewonnen. Die ursprünglich allein verwendete gelbe Chinarinde von Loxa stammt von der hauptsächlich in Ekuador wachsenden Cinchona officinalis, deren in Bolivia heimische Varietät C. ledgeriana heute besonders auf Java, Ceylon und in Britisch Indien kultiviert wird. Sonst wird zur Gewinnung von Chinin zurzeit namentlich auch die in Peru und Bolivia heimische C. calisaya gepflanzt, die die gelbe Königsrinde — so genannt weil sie als die beste erkannte Art früher für den spanischen Hof in Madrid bestimmt war — in starken Platten oder Röhren mit dunkler, tiefrissiger Borke liefert. Außerdem ist die von Ruiz und Pavon beschriebene, in Nordperu und dem südlichen Ekuador wachsende C. succirubra (d. h. rotsaftige Cinchona) mit rötlicher Rinde sehr beliebt, ebenso die von denselben Autoren geschilderte C. micrantha (d. h. kleinblütige Cinchona), deren schön gelbe Rinde als Huanacorinde in den Handel gelangt.
Die bei weitem alkaloidreichste Chinarinde liefert die in den bolivianischen Provinzen Enquisivi, Yungas, Larecaja und Caupolican und in der südperuanischen Provinz Carabaya zwischen 1500 und 1800 m Seehöhe wachsende C. ledgeriana, so genannt, weil zuerst am Rio Mamore in Bolivia mit Hilfe des Indianers Manuel Juera Mamani durch den Engländer Charles Ledger 1865 gesammelte Samen von Bolivia der englischen und holländischen Regierung gesandt wurden, welch letztere sie auf Java anpflanzen ließ, während erstere damit Kulturen in Ceylon und Indien beschickte. Dieser dickstämmige, hohe Chinabaum mit ausgebreiteter, reichbelaubter Krone hat schmalelliptische, unterseits rote, fast lederartige, kahle Blätter, kleine, gelbliche, nickende Blüten in Rispen und kreisförmige, braune Fruchtkapseln, die zahlreiche kleine, geflügelte Samen enthalten. Ebenfalls bis über 25 m hoch, bei einem Stammdurchmesser von fast einem Meter an seinem Grunde, wird der Erzeuger der gelben Königsrinde C. calisaya mit 8–15 cm langen, eiförmigen Blättern mit rötlichen Blattstielen und Mittelrippen und beinahe doldentraubigen Blütenrispen von fleischroten, weichhaarigen, wohlriechenden Blüten. Große, saftiggrüne, kurz behaarte, breitelliptische Blätter und große Rispen 2 cm langer, innen kurz behaarter, rosenroter, ähnlich den Syringen duftenden Blüten mit fünfzipfliger Blumenkrone besitzt der rotsaftige Chinabaum, C. succirubra. Beim Austritt aus der Knospe sind die jungen Blätter purpurrot gefärbt, und an dieser Farbe gibt sich der die übrigen Waldbäume meist überragende Chinabaum oft weithin zu erkennen.
Die Rinden der vorzugsweise die Ostabhänge der Anden des nördlichen Südamerika zwischen 10° nördlicher und 19° südlicher Breite (die besten Arten gedeihen von 7° nördlicher bis 15° südlicher Breite) in 1000–3400 m Höhe bewohnenden Chinaarten wurden von besonderen, Cascarilleros genannten Sammlern aus den Wäldern geholt. Unter einem Majordomo zogen sie in die Chinagebiete und säuberten zunächst an den von ihnen entdeckten Bäumen mit einem säbelartigen Messer, dem machete, die Stämme von allen Lianen und Überpflanzen. Dann entfernten sie die wertlose Borke und schnitten Längs- und Querrisse in die Rinde, um diese in großen Stücken abzulösen. Zuletzt wurde der Baum gefällt, um auch die dickeren Äste und dünneren Zweige von der Rinde zu befreien, die möglichst rasch an Ort und Stelle meist über einem gelinden Feuer getrocknet wurde. Zu diesem Zwecke wurden leichte Hütten errichtet, auf deren Boden ein möglichst rauchloses Feuer aus trockenem Holz unter Hürden von Palmblattstielen, auf denen die häufig zu wendenden Rinden aufgeschichtet waren, entzündet wurde. Dabei mußte zu starkes Feuer vermieden werden, weil durch eine hohe Temperatur die wirksamen Bestandteile der Rinde zersetzt werden. Nach spätestens vier Wochen waren auch die dickeren Rindenstücke genügend getrocknet, um als haltbare Ware in den Handel zu gelangen.
Obschon in späterer Zeit den Cascarilleros vorgeschrieben war, dort, wo sie einen Chinabaum gefällt hatten, einige Stecklinge der Pflanze in den Boden zu stecken, so nahm doch mit der Zeit der Betrag der jährlichen Ernte dermaßen ab, daß man mit Sorgen der Zukunft entgegensah; denn bei dem nicht eigentlich massenhaften Auftreten der Cinchonen und ihrer rücksichtslosen Ausbeutung erwuchs die berechtigte Befürchtung der gänzlichen Ausrottung dieser kostbaren Bäume. Zuerst machte der Deutsche Wedell die Kulturmenschheit auf den Schaden des fortgesetzten Raubbaues aufmerksam, und der Straßburger Botaniker Fée wies bald darauf auf die Wichtigkeit der Kultur der Chinabäume, um zur wirksamen Bekämpfung der Malaria das aus ihrer Rinde gewonnene Chinin zu einem möglichst billigen Preise in den Handel bringen zu können. Zwischen 1830 und 1849 beschäftigten sich holländische Botaniker wiederholt mit dem Gedanken der Kultur der Chinabäume in den Hochtälern der südamerikanischen Anden. Dieser Anregung ist es zweifellos zuzuschreiben, daß Jesuiten in der peruanischen Stadt Cuzko, der einstigen Residenz der Inkas, 1849 junge Chinapflanzen nach Zweigniederlassungen ihres Ordens in Algier sandten. Hier aber gediehen die Kinder des Hochgebirges nicht, und auch 1850 und nochmals 1866 bewerkstelligte Nachsendungen aus Peru blieben erfolglos.
Nachdem auch La Condamines Bemühungen, lebende Cinchonen nach Europa zu bringen, mißglückt waren, gelang es dem vorhin genannten Wedell, wenigstens Samen herbeizuschaffen, die in Paris keimten. Damit auf der Insel Réunion vorgenommene Akklimatisationsversuche brachten aber keinen nennenswerten Erfolg. Glücklicher bei der Übertragung der so wichtigen Arzneipflanze waren die Holländer, die das Gelingen des für die Menschheit so überaus wichtigen Problems der Ansiedelung von Chinabäumen in ihren indischen Kolonien in erster Linie den unablässigen Bemühungen des holländischen Ministers Pahud, namentlich von der Zeit an, da er Generalgouverneur von Java wurde, zu verdanken haben. Auf Veranlassung des deutschen Botanikers Miquel, des Bruders des einstigen preußischen Finanzministers, wurde 1852 der Deutsche J. K. Haßkarl zur Gewinnung des erforderlichen Kulturmaterials nach Peru gesandt. Oftmals vom Tode bedroht, gelang es ihm nach Überwindung großer Gefahren und zahlloser Schwierigkeiten 1854 in 21 Wardschen Kulturkästen eine Menge von jungen Chinapflanzen nach Java einzuschiffen. Auch in Europa wurden mittlerweile in den botanischen Gärten von Paris und Leiden Chinapflanzen aus Samen gezüchtet, die ebenfalls ihren Weg nach Java nahmen. Dort führte von 1855 an der in holländischen Diensten stehende Deutsche Franz Wilhelm Junghuhn (1819–1864) die Bepflanzung mit Chinabäumen in großem Maße durch, so daß er den Bestand von 149 Pflanzen auf über 1 Million erhöhte. Im Jahre 1876 besaßen die Holländer auf Java bereits über 2 Millionen Cinchonen und seither haben die Chinaanpflanzungen auf jener Insel eine solche Ausdehnung gewonnen, daß sie heute etwa 80 Prozent der gesamten Weltproduktion von über 10 Millionen kg Chinarinde liefern.
Erst in weitem Abstand folgt auf Java Ostindien mit einer jährlichen Produktion von nicht ganz 1½ Millionen kg Chinarinde, an welchem Betrage Ceylon bloß mit einem Sechstel beteiligt ist. Die Anregung zu diesem Unternehmen gab Royle der englisch-ostindischen Handelsgesellschaft, wobei er die Nilagiris oder Blauen Berge an der Malabarküste als besonders geeignet für die Kultur dieses südamerikanischen Gebirgsbaumes empfahl. Die ersten Versuche damit hatten einen wenig befriedigenden Erfolg. Erst als der mit den Verhältnissen in Peru und Bolivia vertraute Markham durchsetzte, daß man den in Ekuador sammelnden Botaniker Spruce mit der Gewinnung des Samens der rotsaftigen Art beauftragte, blühte die Chinakultur in Indien seit 1859, besonders durch Spruces Begleiter, den Gärtner Croß, gefördert, sehr schnell auf. Die Hauptplantagen wurden nun in Utakamund auf den Blauen Bergen und seit 1861 auf Ceylon zum Teil in einer Höhe von 2600 m angelegt. Hier sowohl, wie in Java, vermochte man nach und nach bessere Vermehrungsarten ausfindig zu machen und besonders chininreiche Arten heranzuzüchten. 1867 kamen die ersten in Indien gewachsenen Rinden auf den Londoner Markt und 1870 die ersten javanischen Rinden nach Amsterdam. Der indische Export stieg dann dermaßen, daß im Jahre 1886 Ceylon allein gegen 7 Millionen kg nach London lieferte. Da aber sank der Preis des Chinins so sehr, daß die Chinaplantagenbesitzer Ceylons es vorzogen, die Chinabäume, deren im Jahre 1882 noch 90 Millionen sollen gestanden haben, abschlagen zu lassen und das betreffende Land zur Teekultur zu verwenden. Noch im Mai 1870 kostete das Kilogramm schwefelsaures Chinin 545 Mark, dann sank der Preis, zuweilen wieder etwas ansteigend, im Juni 1889 auf 31 Mark. An diesem starken Preisabschlag war nicht sowohl die große Produktion von Chinarinde schuld, als vor allem die durch die Auffindung zahlreicher, das Fieber herabsetzender chemischer Stoffe, wie Antipyrin, Antifebrin usw., bewirkte Ersetzung des Chinins durch Surrogate. Einzig als Spezifikum gegen Malaria und teilweise als Heilmittel gegen Keuchhusten ist das Chinin heute noch allein in Frage kommend und deshalb von ungeheurem Werte für die Menschheit, so daß die Kultur des Chinarindenbaumes nach wie vor von der größten Wichtigkeit für die Weltwirtschaft ist. So hat man den Chinarindenbaum seit 1865 erfolgreich auf Réunion, Mauritius, Madagaskar, Teneriffe und seit 1900 und 1902 von Java aus auch in Kamerun angepflanzt. Der anfänglich (1868) gute Resultate aufweisende Anbau auf St. Helena ging infolge Vernachlässigung zugrunde. In Dardschiling in Sikkim, wo der Chinabaum 1862 eingeführt wurde, wie auch in Neuseeland und Australien, wohin der Anbau desselben 1862 beziehungsweise 1866 gelangte, hat die Cinchonenkultur keinerlei Bedeutung erlangt. Die Bäume lieben ein wechselvolles, feuchtes Klima und eine mittlere Temperatur von 12–20° C. Diese klimatischen Verhältnisse finden sie in den Tropen besonders in einer Höhe von 1600–2400 m. Dort wachsen sie, dem Charakter jener Gebiete entsprechend, meist zerstreut, höchstens da und dort zu kleinen Gruppen vereinigt.
Veranlaßt durch die große Konkurrenz der südasiatischen Kulturen sind neuerdings auch im Heimatlande der Cinchonen, von Kolumbia bis nach Bolivia, Chinaanpflanzungen angelegt worden und wird der rationellen Gewinnung der Rinde erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. In allen Plantagen nutzt man die Kulturbäume viel planmäßiger aus als früher die wildwachsenden Bäume. Dabei beobachtet man ein doppeltes Verfahren. Entweder richtet man den Niederwaldbetrieb ein, indem man die Bäume 6–8 Jahre alt werden läßt und sie dann etwa 15 cm über dem Boden abschlägt. Hierauf entsteht ein kräftiger Stockausschlag, mit dem man nach 5–8 Jahren in gleicher Weise verfährt. Oder man zieht den lebenden Bäumen etwa 4 cm breite Rindenstreifen der Länge nach ab. Die Wunden werden dann sorgfältig mit einem Schutzmittel — meist Moos oder Lehm — bedeckt, unter welchem eine merkwürdigerweise noch alkaloidreichere Rinde erzeugt wird. Eine weitere Art der Gewinnung besteht im Abschälen der Rinde mit scharfen Schabeisen bis auf das Kambium, das dann neue Rinde erzeugt. Deutschland mit seinen vier sehr bedeutenden Chininfabriken bezieht die Hauptmasse der Chinarinde aus Java über Amsterdam und nur einen kleinen Teil über London und aus Peru direkt, um aus ihr Chinin zu gewinnen. Doch wird neuerdings das meiste Chinin auf Java und in Indien in inmitten der Pflanzungen gelegenen Fabriken gewonnen, so daß die Einfuhr der Rinde nach Europa immer mehr zurückgeht und keinen Maßstab mehr für den Konsum abgibt. Deutschlands Einfuhr betrug im Jahre 1906 3678000 kg im Wert von 4781000 Mark.
Ältere Rinden weisen einen höheren Alkaloidgehalt auf als jüngere, Stammrinden mehr als Zweigrinden, und zwar bei kultivierten Pflanzen in weit höherem Maße als bei wildgewachsenen. In jungen Organen sind die Alkaloide im Zellsaft gelöst, in älteren in festem, amorphem Zustand in der Zelle, oft in gerbsaurer Verbindung, abgelagert. Oxalsauren Kalk führende Zellen enthalten niemals Alkaloide. Im parenchymatischen Gewebe der Mittelrinde findet man bei den in ihrer Heimat wildgewachsenen Pflanzen nur etwa 2 Prozent Alkaloide, während es die kultivierten Bäume Javas auf 10–17 Prozent daran bringen. In europäischen Gewächshäusern, also unter ungünstigen Bedingungen erzeugte Rinden enthalten dagegen gar kein Chinin, das sonst bis zu 13 Prozent darin enthalten sein kann. Daneben sind in den alkaloidreichsten Rinden bis 4 Prozent Chinidin, bis 8 Prozent Cinchonidin, bis 8 Prozent Chinasäure, 2–3 Prozent Chinagerbsäure und 2 Prozent des bittern Glykosids Chinovin enthalten. Das wichtigste Alkaloid, das Chinin, besitzt antipyretische und antiseptische Wirkung und ist ein spezifisches Gift für die im Blute der Malariakranken kreisenden ungeschlechtlichen Plasmodien besonders der Tertiana und Quartana, weniger greift es die Erreger des bösartigen tropischen Fiebers an und ist nur gegen die Geschlechtsformen der letzteren ganz unwirksam.
Solange früher die offizinellen Chinarinden in Südamerika von wildwachsenden Pflanzen gewonnen wurden, waren meist durch wertlose Rinden verwandter Gattungen vorgenommene Verfälschungen häufig. Jetzt kommen solche nur noch selten vor, da bloß Rinden kultivierter Pflanzen Südasiens von den Arzneiverordnungen zugelassen werden. Im allgemeinen kommt das Chinin allein den Chinabäumen zu. Einzig die den Cinchonen verwandte, in Venezuela und Kolumbia wachsende Remijia purdieana enthält auch Chinin, und zwar bis zu 2 Prozent.
Ebenfalls als Fiebermittel und Stomachicum wie die Chinarinde wird die von einer bis 6 m hohen, in Westindien, besonders den Bahamainseln und Kuba, heimischen Wolfsmilchart, Croton eluteria, gewonnene Cascarillrinde verwendet. Cascarilla heißt im Spanischen kleine Rinde. Anfänglich (1640) hielt man diese schon damals gegen Ruhr und Fieber angewandte Rinde für eine kleine Form der Chinarinde; daher jener Name. Zu Ende des 17. Jahrhunderts wurde sie in Deutschland als China nova oder Cortex eluterii bekannt. Sie kommt in röhrenförmigen Bruchstücken von graugelber bis brauner Farbe, eigenartig aromatischem Geruch und unangenehm bitterem Geschmack in den Handel und enthält außer dem Bitterstoff Cascarillin 15 Prozent Harz, Gerbstoff und ätherisches Öl.
Noch weniger wichtig als sie ist die einst als Ruhrmittel benutzte Simarubarinde, die von Simaruba officinalis, einem stattlichen, in Französisch-Guiana und Nordbrasilien heimischen Baum gewonnen wird. Heute kaum mehr gebraucht, kam die Rinde 1713 als Mittel gegen blutige Diarrhoen aus Cayenne nach Paris; 1718 wurde sie daselbst gegen die damals epidemisch herrschende Ruhr angewandt. 1723 brachte Barrère eine größere Menge der Droge nach Europa und gab 1741 eine genauere Beschreibung der Stammpflanze. Die früheste Nachricht über letztere scheint von Desmarchais aus dem Jahre 1728 zu stammen, wobei er schon von Simaruba oder bois amer spricht. 1775 gab dann der Apotheker Aublet eine weitere eingehende Beschreibung der Pflanze unter dem Namen Simaruba amara. Der jamaikanische Baum wurde 1772 von Wright entdeckt und ein Jahr später von ihm als Quassia simaruba beschrieben. Die gelbbraune, geruchlose, stark bitter und etwas schleimig schmeckende Rinde der dicken Wurzeln, die meist über Ciudad Bolivar am Orinoko, der vormals Angostura (weil an einem Engpaß gelegen) genannten Hauptstadt von Venezuela, in den Handel gelangt, enthält ein benzoëartig riechendes Öl, Harz, Gerbstoff und einen kristallisierbaren Bitterstoff.
Ebenso wie diese heute außer Gebrauch gekommen ist die nach demselben Verschiffungsort als Angosturarinde bezeichnete stark bittere Wurzelrinde des im nördlichen Südamerika heimischen, 20–25 m hohen, immergrünen Baumes Galipea officinalis (nach dem Indianerstamme der Galiponen so genannt) aus der Familie der Terebinthineen oder Balsamgewächse, die früher als Heilmittel gegen Wechselfieber berühmt war. Im Gegensatz zu dieser echten bezeichnete man die Rinde des in Südasien heimischen Brechnußbaumes (Strychnos nux vomica) als falsche Angosturarinde. Sie ist schwärzlich aschgrau, schmeckt sehr bitter und wurde zu Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts der außer als Fiebermittel auch als Heilmittel gegen Ruhr angewandten echten Angosturarinde beigemischt.
Heute werden von dem in ganz Indien, Siam, Kochinchina und Nordaustralien heimischen niederen Baum mit orangeähnlichen, etwa 4–5 cm langen, graugelben Früchten nur die in einem sehr trockenen, gallertartig weichen Fruchtfleisch eingebetteten scheibenförmigen, am Rande verdickten, 2,5 cm breiten und 0,5 cm dicken, graugrünlichen, mit seidenglänzenden, in radialer Ausstrahlung angedrückten Haaren dicht besetzten Samen als Krähenaugen oder Brechnüsse medizinisch verwendet. Sie enthalten bis zu 5 Prozent der sehr giftigen Alkaloide Strychnin und Brucin, beide annähernd zu gleichen Teilen, doch ist das Strychnin meist in etwas geringerer Menge vorhanden. Sie sind in der Pflanze an die Igasur- oder Strychnossäure gebunden. Weitere Bestandteile sind Eiweiß, Zucker, Fett, Gerbsäure und in geringen Mengen ein Loganin genanntes Glykosid. Wenn auch die giftigen Glykoside im hornigen Nährgewebe der Samen in größter Menge vorhanden sind, so ist doch die ganze Pflanze damit getränkt; gleichwohl soll der Inhalt der Früchte von Vögeln unbeschadet genossen werden. Die Giftwirkung beruht vorzugsweise auf dem Strychnin, das tetanische Krämpfe bewirkt und zuerst die Atmungsmuskeln, dann auch die übrigen, mit vorwiegender Beteiligung der Strecker, in Starrheit versetzt, so daß rasch der Tod durch Erstickung eintritt. In kleinen Dosen erhöht es den Tonus der Muskeln und Nerven; deshalb wird es mit gutem Erfolg bei Lahmheit der Muskeln, namentlich der Darmmuskulatur, gegeben.
Die reifen, von wildwachsenden Bäumen gesammelten und getrockneten Samen kommen meist aus Indien nach London auf den Markt. Aus ihnen stellt man außer Extrakten und Tinkturen das Strychnin dar, mit dem man die schädlichen Raubtiere vermittelst Köder vergiftet. In Südasien war die Giftwirkung der Brechnüsse schon längst bekannt; auch wurden sie dort in früherer Zeit zur Herstellung eines Pfeilgiftes, daneben auch als Betäubungsmittel benutzt. So sollen sie nach Royle im Ayur veda Charakas als Narkotikum des indischen Arzneischatzes erwähnt werden. In Europa wurden sie durch Vermittlung der Araber gegen Ende des 15. Jahrhunderts in den Arzneischatz eingeführt; als solche führt sie Brunfels 1531 unter dem Namen nux vomica an. Zuerst finden wir sie um 1500 als Kraen Eugeln im Inventar der Apotheke zu Zwickau angeführt. 1520 und 1521 werden sie als nux vomica neben nux indica (Kokosnuß) in der Arzneitaxe von Annaberg erwähnt. 1561 gab Valerius Cordus eine sehr gute Beschreibung der Samen, die er irrtümlich für Früchte hielt. Auch Bauhin und Gesner berichten von ihnen; doch waren sie noch im 17. Jahrhundert wenig verbreitet und kaum je als Arznei gebraucht. Als solche fanden sie erst von 1770 an Verwendung. Das in ihnen und in anderen Strychnosarten enthaltene Strychnin wurde nicht zuerst in ihnen, sondern 1819 und 1824 von Caventou in den einst ebenfalls offizinellen Ignatiusbohnen nachgewiesen. Dieselben stammen von einem ebenfalls zur Familie der Loganiazeen gehörenden Schlingstrauch der Philippinen (Strychnos ignatii), den der Jesuit Camelli 1699 als erster Europäer kennen lernte und nach dem Stifter seines Ordens, Ignatius Loyala, Ignatiusstrauch nannte, und enthalten fast dieselben Bestandteile wie die Brechnüsse. Früher wurden sie besonders gegen Wechselfieber und Epilepsie gebraucht. Ein naher Verwandter desselben ist der sich an den hohen Waldbäumen der Insel Java emporschlingende, 25–32 m lange Upasstrauch (Strychnos tieuté), aus dessen Wurzelrinde die Eingeborenen durch Auskochen mit Wasser und nachherigem Eindicken zu Sirupkonsistenz ihr überaus gefürchtetes Pfeilgift herstellen, das ebenfalls Strychnin als Hauptbestandteil enthält und sehr rasch den Tod des damit getroffenen Tieres herbeiführt.
Gleicherweise bereiten die Indianer Venezuelas aus der Rinde des sich um andere Urwaldbäume schlingenden Curarestrauches (Strychnos crevauxii, nach dem 1882 als Forschungsreisender in Südamerika ermordeten französischen Arzte Crevaux so genannt) ihr nicht minder wirksames Pfeilgift, das die Enden der motorischen Nerven lähmt, die Tiere so bei erhaltenem Bewußtsein lähmt und durch Lähmung der Atmungsmuskeln rasch den Tod herbeiführt. Deshalb wird es vielfach bei physiologischen Untersuchungen benutzt, wobei man die Tiere, wenn nötig, durch künstliche Atmung am Leben erhält; doch ist dies bei kleineren Dosen durchaus nicht nötig.
Im Gegensatz zu diesem Curarin, das die motorischen Muskeln lähmt, steht das Strophantin, das die Zusammenziehbarkeit der Muskeln, besonders des Herzmuskels steigert, und deshalb bei Schwächezuständen des Herzens vielfach als Ersatz der langsamer wirkenden und die Verdauungsorgane mehr angreifenden Digitalis gegeben wird. Als eines der stärksten Herzgifte, die es gibt, wird es in seiner Heimat, Westafrika, vielfach auch als Pfeilgift benutzt. Sein Erzeuger ist ein holziger Kletterstrauch Oberguineas aus der Familie der Apocynazeen oder Hundsgiftgewächse — zu denen u. a. auch unser Oleander gehört — (Strophantus hispidus), der sich an den höchsten Bäumen des Urwalds emporwindet und kreuzgegenständige, breitelliptische, rauhhaarige Blätter, gelbe Blüten mit lang herabhängenden Blumenblattspitzen und 30 cm lange, an beiden Enden zugespitzten Kürbissen mit tief gefurchter Oberfläche ähnliche Fruchtkapseln — meist zwei nebeneinander — besitzt, die bis 200 Samen enthalten. Letztere sind bis 15 mm lang und 3,5 mm breit, braun und etwas filzig behaart und dienen den Eingeborenen vorzugsweise zur Gewinnung von Pfeilgift, während eine Abkochung der Wurzeln und der Rinde innerlich gegen Malaria und Dysenterie und äußerlich zur Behandlung von Geschwüren aller Art, auch des Guineawurms, dient.
Wie Strophantus hispidus von Senegambien bis Oberguinea wird in Niederguinea und im ganzen Kongogebiet der gleicherweise kletternde Strophantus gratus bei allen Negerdörfern in Halbkultur angetroffen. Seine Balgfrüchte werden kurz vor der Reifezeit gesammelt und bilden ein nicht unwichtiges Handelsprodukt im Verkehr der Eingeborenenstämme, indem diese aus den leuchtend gelben, unbehaarten, außerordentlich stark bitter schmeckenden Samen ein sehr wirksames Pfeilgift herstellen. In gleicher Weise werden in Ostafrika die graugrünen, weißseidig behaarten Samen von Strophantus kombe benutzt, die heute in den deutschen Apotheken ausschließlich offizinell sind. Die sie erzeugende Liane wächst hauptsächlich am Sambesi und wird ebenfalls vielfach von den Eingeborenen in Halbkultur um ihre Dörfer gehalten. Schon David Livingstone machte auf seinen Forschungsreisen von 1858–1864 auf das ostafrikanische Pfeilgift kombe und auf die den Herzschlag verlangsamende Wirkung desselben aufmerksam. 1861 ermittelte dann der englische Konsul in Zanzibar, John Kirk, daß dieses Kombegift aus Strophantussamen bereitet wird. Fagge und Stevens, später Fraser, untersuchten dieses vom Sambesi erhaltene Kombegift und letzterer stellte 1872 das Strophantin dar, dessen physiologische Wirkung er auch klarlegte. Zugleich erkannte er die Identität dieses Giftes mit dem 1864 von Pélikan untersuchten westafrikanischen Pfeilgift inée oder onage (von den Samen von Strophantus gratus) aus Gabun. 1867 waren die Samen als neues Herzgift auf der Pariser Weltausstellung ausgestellt. Schon 1802 beschrieb A. de Candolle den Strophantus hispidus aus Sierra Leone.
Von weiteren Apocynazeen, die als wichtige Giftpflanzen bei den Eingeborenen eine große Rolle spielen, ist der Odallam und die Tanghinpflanze zu erwähnen. An den Küsten des Indischen Ozeans bis Neuguinea wächst ersterer (Cerbera odallam) als häufige Strandpflanze. Seine dicken, fleischigen Äste tragen ziemlich große, breitlanzettliche Blätter und endigen in einer Rispe stark duftender, weißer Blüten. Die Früchte sind faustgroße, dunkelgrün gefärbte Steinfrüchte, in deren fleischiger Schale ein äußerst zähes Netz eingebettet ist, das mit seinem Geflecht das Eindringen von Meerwasser zu den Samen verhindern soll; denn die Früchte sind für den Transport mit den Meeresströmungen eingerichtet. Auf diese Weise wird die Pflanze über alle Küsten des Indischen Ozeans verbreitet.
Noch viel giftiger als er ist die berüchtigte Tanghinpflanze (Tanghinia venenifera) von Madagaskar, deren Früchte bei den Gottesurteilen des dort lebenden Malaienstammes der Hova Verwendung finden. Derjenige, der im Verdacht steht, ein Verbrechen begangen zu haben, muß von der Frucht genießen. Ist er schuldig, so geht er daran zugrunde; ist er aber unschuldig, so erbricht er sie und kommt mit dem Leben davon. Natürlich ist dabei die Hand der Zauberpriester im Spiele, die solchen, die sie retten wollen, zugleich ein Brechmittel verabreichen.
In der europäischen Medizin haben diese beiden Drogen noch keine Verwendung gefunden, wohl aber eine andere, die bei den Gottesurteilen der Neger Westafrikas eine nicht unwichtige Rolle spielt, nämlich die Kalabarbohne. Ihr Erzeuger ist die vom Kap Palmas bis Kamerun heimische, neuerdings auch in Indien und Brasilien eingeführte, mehr als 15 m emporsteigende Leguminose Physostigma venenosum mit holzigem Stamm von 4 cm Dicke, gefiederten Blättern, achselständigen, hängenden Trauben von großen, purpurroten Blüten und etwa 14 cm langen, leicht zusammengedrückten Hülsen, die 1–3 nierenförmige, schokoladenbraune, glatte Samen mit einer tiefen, von erhabenen Rändern umgebenen Rinne enthalten. Diese sind sehr giftig, wenn auch beinahe geruch- und geschmacklos. Wer von den Eingeborenen der Zauberei beschuldigt wird, muß davon genießen. Stirbt er daran, so ist er schuldig, bricht er es aus, so ist er unschuldig. Letzteres hängt natürlich auch wieder davon ab, ob ihm die allmächtigen Fetischpriester wohlwollen oder nicht. Ist ersteres der Fall, so bekommt er im geheimen ein Brechmittel mit seiner Dosis Gift eingeführt, das bald seine Wirkung tut und den Schützling des Fetisches rettet. Die Pflanze wurde 1840 durch Daniell bekannt, 1859 beschrieb sie Balfour, und wenige Jahre später entdeckte Fraser ihre eigentümliche arzneiliche Wirkung. Diese beruht auf dem Gehalt an dem Alkaloid Physostigmin = Eserin, das farb-, geruch- und geschmacklose Kristalle bildet und direkt lähmend auf das Zentralnervensystem, zuerst das Gehirn und dann das Rückenmark, wirkt. Da es schon in minimalen Dosen eine starke Zusammenziehung der Pupillen bewirkt, benutzen es die Augenärzte, um die nach Atropineinträufelung entstandene Pupillenerweiterung zu beseitigen, auch als Heilmittel bei Augenkrankheiten. Daneben wird es bei Erschlaffung des Darmes mit Kotstauung und gasiger Auftreibung des Leibes, bei Starrkrampf, Neuralgien, Epilepsie usw. gegeben. Neben Physostigmin ist in den Kalabarbohnen noch das dem Strychnin ähnlich wirkende Alkaloid Calabrin und ein indifferentes Physosterin enthalten.
Von einer nahen Verwandten dieser stammt die als Ersatz der Chinarinde gegen Fieber 1878 nach Europa eingeführte Rinde des in Argentinien heimischen Quebracho (sprich kebratscho) (Aspidosperma quebracho). Es ist dies ein Baum oder Strauch aus der Familie der meist ziemlich giftige Vertreter aufweisenden Apocynazeen oder Hundsgiftgewächse mit sehr hartem Holz, dünnen, hängenden Zweigen, kleinen, stachlich zugespitzten, bräunlichgrünen Blättern, gelben Blüten und großen, holzigen, rundlichen Fruchtkapseln. Die Quebrachorinde enthält sechs verschiedene Alkaloide, die der Zusammensetzung nach einigen Chinarindenalkaloiden ähneln. Heute wird sie nur noch gegen Asthma gebraucht.
Häufigere Verwendung in der Arzneikunde finden die Blätter der südamerikanischen Rutazee Pilocarpus pinnatifolius und anderer verwandter Arten. Diese Rautengewächse aus der Verwandtschaft der Zitronen-, Orangen- und Quassiabäume ist ein in Brasilien heimischer, etwa 3 m hoher Strauch mit dicht rotgelb behaarten Zweigen, lederigen, kurzgestielten, unpaariggefiederten, großen, unterseits kurzhaarigen Blättern, dichten Trauben mit kleinen grünen Blüten und einsamigen Kapseln. Die Blätter dieser Art, wie auch von Pilocarpus jaborandi in Nordbrasilien, von P. selloanus und P. trachylophus in Südbrasilien und verschiedener anderer Arten wurden von den Indianern zum Schweißtreiben bei Krankheiten, wie auch als Gegengift bei Schlangenbissen unter dem Namen Jaborandi verwendet. Die erste Kunde über diese Droge findet sich in der 1648 erschienenen Historia naturalis Brasiliae von Piso und Marcgraf; doch machte sie erst der brasilianische Arzt S. Continho in Pernambuco 1873 bekannt. Er bediente sich derselben als schweißtreibendem Mittel und sandte in jenem Jahre Proben der Blätter zur Prüfung nach Paris. Diese riechen beim Zerreiben aromatisch, schmecken scharf und enthalten als hauptsächlich wirksame Substanz das 1875 gleichzeitig von Hardy und Gerrard isolierte Pilocarpin, das die gesteigerte Absonderung von Schweiß-, Speichel- und sonstigen Drüsen bewirkt, neben Pilocarpidin, Isopilocarpin, dem atropinartig wirkenden Jaborin und Gerbstoff. Das Jaborin des Handels ist ein Gemisch dieser letzteren mit einer Spur Pilocarpin. Der Gehalt an freien Alkaloiden beträgt in den Jaborandiblättern durchschnittlich 0,75 Prozent. Nur infolge Beimengung minderwertiger Sorten wird er geringer. Als Surrogat werden verschiedene andere Blätter von ähnlicher Wirkung verwendet, auf die wir hier nicht eintreten wollen.
Weit größere Bedeutung haben in der modernen Medizin die gleichfalls in Südamerika heimischen Kokablätter erlangt, aus denen das zur Schmerzbetäubung und zur Anregung der seelischen und motorischen Zentren der Großhirnrinde in so reichem Maße dienende Cocain gewonnen wird. Seit Urzeiten werden sie von den Indianern der Westküste Südamerikas als koka, d. h. Pflanze (also Pflanze par excellence) — von den Spaniern coca geschrieben — als Anregungsmittel und zur Vertreibung der Müdigkeit während der Ruhepausen zusammen mit etwas ungelöschtem Kalk oder der Asche von Chenopodium quinoa, einer dort viel angepflanzten Nährfrucht aus der Familie der Melden, gekaut. Dadurch wird eine reichliche Absonderung grünen Speichels bewirkt, daneben aber ein Gefühl der Leichtigkeit, eine lebhafte, freudige Aufregung bewirkt, die es ermöglicht, ohne spürbare Ermüdung schwerbeladen die anstrengendsten Märsche über die höchsten Pässe der Anden zu bewältigen. Mäßig genossen haben die Kokablätter keine schädliche Wirkung, nur in größeren Mengen und gewohnheitsmäßig gebraucht, wirken sie lähmend und rufen einen als Kokakachexie bezeichneten Zustand hervor, der sich durch Abmagerung, Verfall der Körperkräfte und Herabsetzung aller geistigen Tätigkeit bekundet.
Daß nun die Peruaner schon sehr lange vor der Entdeckung ihres Landes durch die Europäer eine für sie so wichtige Pflanze für heilig hielten und sie um ihre Ansiedlungen herum kultivierten, kann uns nicht wundern. Ihre Blätter waren im ganzen Lande sehr begehrt und galten als beliebtestes Tauschmittel an Stelle des Geldes. Bei der Eroberung Perus unter Francisco Pizarro 1532–1533 lernten die Spanier dieses Genußmittel kennen, wandten es aber selbst nicht an; vielmehr verboten sie auf Veranlassung der christlichen Priester die Kultur der Pflanze. Nach wenigen Jahren aber gestatteten sie dieselbe wieder; denn der Anbau dieser Pflanze war seit den ältesten Zeiten eine der Hauptarbeiten der Eingeborenen. So kommt es, daß die ursprünglich wilde Form derselben im Lande fast nicht mehr gefunden wird. Der 1,5 m hoch werdende Kokastrauch mit bis 8 cm langen und halb so breiten, oben oliven- und unten graugrünen, eiförmigen, lederartigen, kahlen Blättern wird außer in Peru und Ekuador vorzugsweise in Kolumbia an den östlichen Abhängen der Anden in einer Höhe von 1000–2000 m in ausgedehnten, cocales genannten Plantagen angepflanzt. Alle 2–3 Monate werden die reifen Blätter, die einen Stich ins Gelbliche zeigen, bei trockenem Wetter gesammelt und sofort getrocknet, um dann fest in Wollsäcke eingepreßt versandt zu werden. Da sie aber durch längeren Transport bis zur Hälfte ihres Gehaltes an wirksamer Substanz einbüßen, werden sie vielfach schon an Ort und Stelle verarbeitet, wobei 1 kg trockene Blätter 2 g Cocain geben. So nannte Niemann 1860 das höchstens bis zu 1 Prozent in den Kokablättern enthaltene wirksame Alkaloid, das Gädicke 1855 zuerst entdeckt und Erythroxylin genannt hatte. 1884 erst führten Freund und Koller das Cocain als die damit bepinselten Schleimhäute unempfindlich machendes Mittel in die Heilkunde ein. Bald wurde es auch innerlich als Anästhetikum der Magenschleimhaut und die seelischen und motorischen Funktionen des Gehirns anregendes Mittel gegeben und führte auch wie das Morphin vielfach zu Mißbrauch.
Mit dem beginnenden starken Verbrauch der Droge in der ganzen Kulturwelt wurde der in den östlichen Andengebieten Perus und Bolivias in den nie vom Frost heimgesuchten warmen Hochtälern bis dahin ausschließlich von den Indianern kultivierte Kokastrauch (Erythroxylon coca) nach Westindien, Ostindien, Ceylon, Java, Australien, Zansibar und Kamerun gebracht und dort im großen angepflanzt. Diese Länder versorgen nun auch den Weltmarkt mit ihren Produkten. Am üppigsten gedeiht der Strauch in feuchten Lagen; doch gewinnen seine Blätter in trockenen Lagen an Güte, deshalb werden nur solche zum Anbau ausgewählt. Schon nach 2½ Jahren geben sie vier Ernten im Jahr und bleiben bis zum 40. Jahr ertragsfähig. Die ersten Nachrichten von dieser Pflanze datieren von 1499. Im Jahre 1570 machte dann der spanische Arzt Nicolaus Monardes nach seiner Rückkehr aus Südamerika die Wirkung des Kauens der Kokablätter, die von über acht Millionen Menschen im Andengebiet täglich geübt wird, in Sevilla bekannt, und Joseph de Jussieu sandte 1750 die erste Kokapflanze aus Peru nach Europa, wo sie im Jardin des plantes Aufnahme fand.
Ein narkotisches, krampfstillendes Harz liefert der indische Hanf (Cannabis indica). Es ist dies eine Varietät des in Westasien heimischen gewöhnlichen Hanfes (Cannabis sativa), die nur im warmen Ostindien dieses Harz reichlich erzeugt und hier in erster Linie zur Gewinnung desselben gepflanzt wird. Erst in gebirgigen, kälteren Distrikten, wie z. B. im Himalaja, wo die Pflanze ihr narkotisches Harz nicht mehr produziert, wird sie, wie bei uns, zur Gewinnung ihrer Faser angebaut. Das schon unter 50° C. schmelzende Harz wird besonders von den weiblichen Blütenständen der bis 2 m hoch werdenden Pflanze ausgeschwitzt und durch eingeborene Arbeiter in der Weise gewonnen, daß sie, in der Regel nackt und nur ausnahmsweise mit einem Lederanzuge bekleidet, durch die Hanfpflanzungen hindurchgehen, wobei sich das Harz an ihnen festsetzt. In Persien dagegen wird es meist dadurch erhalten, daß man die in Blüte stehenden Spitzen und die Blätter der Pflanze stundenlang kräftig auf rauhen, groben, wollenen Teppichen reibt, so daß sich das Harz auf der Oberfläche des Teppichs ablagert, von wo es mit einem Messer abgeschabt und zu Kuchen geformt wird. Die Stücke, wie sie auf den Märkten Zentralasiens verkauft werden, stellen dicke Tafeln von außen dunkelbrauner, innen grünlicher bis bräunlicher Farbe und fester Konsistenz dar. Dies ist der Haschisch, ein persisches Wort, das Kraut bedeutet, weil früher an seiner Stelle die harzreichen Blütenteile selbst, sei es zum Rauchen, sei es als innerlich genommenes Medikament, zur Anwendung gelangten. Der Haschisch enthält bis 37 Prozent Harz und ätherisches Öl, daneben 3,3 Prozent Cannabinol (ein giftiges rotes Öl aus der Reihe der Phenole), das die hauptsächlich wirksame Substanz darstellt. Die Droge muß sehr vorsichtig aufbewahrt werden und verliert mit dem Alter bedeutend an Wirksamkeit. In Südasien war die narkotische Wirkung des Hanfharzes schon im 8. Jahrhundert v. Chr. bekannt; die Handelsnamen lassen sich alle auf Indien zurückführen. Als Berauschungsmittel ist es in Vorderasien erst durch die Muhammedaner eingebürgert worden. In Deutschland kam die Droge erst im 17. Jahrhundert zur medizinischen Verwendung, und wissenschaftliche Versuche über die Wirkung desselben wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf Veranlassung von O’Shaughnessy in Kalkutta angestellt.
Sehr nahe mit dem Hanf verwandt ist der Hopfen (Humulus lupulus), dessen Fruchtzapfen außer Harz und einem ätherischen Öl, ein von Griesmayer zuerst Lupulin, später aber, um Verwechslungen zu vermeiden, Humulin genanntes Alkaloid von narkotischer, krampfstillender Wirkung enthalten. Deshalb dienen sie außer in der Bierbrauerei auch in der Medizin, seitdem sie 1813 der französische Apotheker Planche als Heilmittel empfahl. 1821 destillierten dann Payen und Chevalier zuerst das ätherische Hopfenöl. Später kam dann von Amerika her die Bezeichnung Lupulin für die Fruchtzapfen der allein kultivierten weiblichen Pflanze auf. Die Droge wird nur von in Kultur stehenden Pflanzen gesammelt und gut getrocknet, vor Licht und Luft geschützt aufbewahrt, hält sich aber auch so nicht über ein Jahr in voller Wirkung.
Mit dem Oleander und dem westafrikanischen Strophantus zu den Apocynazeen oder Hundsgiftgewächsen gehörig ist der kanadische Hanf (Apocynum cannabinum), dessen Wurzel seit langer Zeit von den Indianern als Medikament verwendet wurde. Von ihnen lernten die Weißen in Nordamerika sie kennen. Das neuerdings aus den Vereinigten Staaten in größerer Menge besonders nach Rußland importierte, daraus hergestellte Fluidextrakt enthält das nach Art der Digitalis auf das Herz wirkende Glykosid Apocynin. Das Mittel verdient auch bei uns öfter zur Anwendung zu gelangen, da ihm eine sehr gute Wirkung auf das erkrankte Herz nachgerühmt wird.
Ebenfalls schon lange von den Indianern Nordamerikas medizinisch, besonders als Wundmittel, benutzt wurde die nach ihrer Ähnlichkeit mit unserer Haselnuß von den Weißen als Zauberhasel bezeichnete Hamamelis von Virginien (Hamamelis virginiana). Dieser bis 7 m hohe Strauch ist ein Hauptbestandteil der Wälder der atlantischen Staaten der nordamerikanischen Union, der besonders viel zur bunten herbstlichen Verfärbung der Wälder beiträgt. Seine holzige Kapseln darstellenden Früchte öffnen sich mit solcher Gewalt, daß die Samen bis 4 m weit fortgeschleudert werden. Das alkoholische Fluidextrakt aus der Rinde enthält neben einem glykosidischen Gerbstoff und Fett etwa 8 Prozent Hamamelitannin und wird als tonisches und adstringierendes Mittel gegen Diarrhöen und Blutungen angewandt. Auch äußerlich wird dieses Hazeline genannte Präparat als blutstillendes Mittel und gegen Hämorrhoiden gegeben, daneben das aus der Hamamelis gewonnene Fett zu der höchst angenehmen Hazelinecrême verarbeitet.
Als Tonikum und Sedativum des Uterus bei habituellem Abort ist auch bei uns seit etwa 40 Jahren das aus Nordamerika eingeführte Fluidextrakt der Rinde des amerikanischen Schneeballenbaums (Viburnum prunifolium) im Gebrauch. Es ist dies ein in den östlichen und mittleren südlichen Staaten der Union bis zum Mississippi, aber auch in Kanada, wenn auch dort kleiner an Wuchs, heimischer 3–5 m hoher Strauch oder Baum, der neuerdings auch bei uns als Zierstrauch gepflanzt wird. Das flüssige Extrakt der Wurzel-, Stamm- und Zweigrinden enthält neben verschiedenen Pflanzensäuren und Gerbsäure ein bitterschmeckendes, gelbbraunes Harz, welch letzteres in derselben Beschaffenheit auch in unserem einheimischen Schneeball (Viburnum opulus) enthalten ist, weshalb dessen Rinde in derselben Weise arzneilich verwendet wird.
Ein im südlichen Teile der brasilianischen Provinz Bahia häufiger Baum mit violetten Blüten aus der Familie der Schmetterlingsblütler ist der Ararobabaum (Andira araroba), der in kleineren und größeren Hohlräumen des 1–2 m dicken Stammes eine zerreibliche, fast erdige, gelbbräunliche, stark abfärbende Masse ausscheidet, deren Anwendung als Heilmittel die in Brasilien eingewanderten Portugiesen von den Indianern kennen lernten. Von dort brachten sie die Droge nach ihrer ostindischen Besitzung Goa, wo sie hauptsächlich gegen parasitäre Hautkrankheiten Anwendung fand. Dort lernte Kemp im Jahre 1864 das Mittel kennen und machte in der Folge die europäischen Ärzte darauf aufmerksam. Da stellte Silva Lima 1875 fest, daß die araroba der brasilianischen Eingeborenen, die, weil von Bahia aus verschifft, als Polvo de Bahia in den Handel gelangte, mit dem Polvo de Goa aus Ostindien identisch sei, und fast gleichzeitig wies Attfield Chrysophansäure in derselben nach. 1878 erkannten Liebermann und Seidler als Hauptbestandteil der Droge (nämlich 90 Prozent) das Chrysarobin, das sich bei Gegenwart von Luft und Alkalien zu Chrysophansäure oxydiert; daneben sind noch 10 Prozent in Benzol lösliche harzartige Substanzen darin enthalten. 1879 beschrieb Aguiar die Stammpflanze als Andira araroba. Das gelbbraune Ararobapulver wird aus ihr in der Weise gewonnen, daß man die Bäume fällt, ihren Holzkörper in Blöcke zersägt, spaltet und die mit der gesuchten Masse gefüllten Hohlräume auskratzt. Die rohe Ware gelangt seit 1875 aus Brasilien direkt, statt wie früher aus Bahia über Goa, in den europäischen Handel und wird in Europa von den darin enthaltenen Holzsplittern und Rindenteilen gereinigt. Besonders zur Behandlung der Psoriasis genannten Schuppenflechte hat sich das daraus gewonnene Chrysarobin als außerordentlich nützlich erwiesen.
Neuerdings kommen aus Mittelchile die Früchte des Bóldo (Boldoa fragrans) als besonders gegen Leber- und Gallensteinleiden empfohlenes Mittel nach Europa. Es ist dies ein immergrüner, stark duftender, dicht belaubter kleiner Baum oder Strauch, der ziemlich häufig wild angetroffen und nicht kultiviert wird.
In mannigfaltigster Weise wird innerlich und äußerlich in der Medizin das Terpentinöl verwendet, das von verschiedenen Fichtenarten gewonnen wird. Beim Verwunden der Stämme derselben fließt eine gelblichweiße, honigdicke, klebende, Terpentin genannte balsamartige Masse aus, aus der dann durch Destillation mittels Wasserdämpfen das neben wenig Harzen und Pflanzensäuren hauptsächlich Pinen, Dipenten und polymere Terpene enthaltende ätherische Terpentinöl gewonnen wird. Von Bedeutung für den Handel sind nur die nordamerikanischen, aus Pinus australis (teilweise aber auch aus der Hemlockfichte, Tsuga canadensis) gewonnenen, etwas nach Kolophonium riechenden Terpentinöle und das noch bessere, von der Strandfichte Pinus pinaster gewonnene, nach Wacholder riechende französische Terpentinöl. An dritter Stelle kommt die Produktion Rußlands, die, wie die französische, zum größten Teil im Lande selbst Verwendung findet. Die Produktion der Vereinigten Staaten Nordamerikas beträgt jährlich nicht weniger als 470000 Fässer zu 50 Gallonen (etwa 150 kg) = 70 Millionen kg Öl im Werte von 32 Millionen Mark, die mehr als zur Hälfte über Savannah, den bedeutendsten Handelsplatz Georgias exportiert werden. Die bedeutendsten europäischen Märkte dafür sind London, Hamburg und Antwerpen.
Schon im klassischen Altertum war aus dem Harz verschiedener Fichten gewonnenes ätherisches Öl meist unter dem Namen Zedernöl in technischem und arzneilichem Gebrauch, während man unter Terpentinöl (terebínthinon élaion), wie uns der um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. lebende griechische Arzt Dioskurides berichtet, das aus den Früchten der in den Mittelmeerländern heimischen Terebinthe oder Terpentinpistazie (Pistacia therebinthus) — griechisch terébinthos — gepreßte, später auch durch Einschnitte in den Stamm des betreffenden Baumes gewonnene ätherische Öl verstand. Auch in China und Japan hat auf Grund der frühen und hohen Entwicklung der Lackindustrie die Gewinnung destillierter Koniferenöle schon in früher Zeit stattgefunden. Aber mit der altweltlichen hat sich die nordamerikanische Terpentinölindustrie erst seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts entwickelt.
Wie das Terpentinöl findet auch der durch trockene Destillation aus dem Holze der Stämme und Zweige von Koniferen, vornehmlich Pinus silvestris, gewonnene Holzteer in der Arzneikunde innerlich als sekretionsbeschränkendes Mittel und äußerlich bei Hautkrankheiten vielfach Verwendung. Er bildet eine dickflüssige, braunschwarze Masse von eigentümlichem brenzlichem Geruche und widerlich bitterem, brennendem Geschmacke und enthält außer indifferenten Ölen und Pflanzensäuren Paraffin, Kreosot, Brenzkatechin, Guajakol, Phenol oder Karbolsäure, Kresol, Benzol, Toluol, Naphthalin und andere wertvolle Stoffe, die teilweise daraus isoliert werden, um als solche gegeben werden zu können. Der meiste Holzteer wird im waldreichen Nordeuropa entweder in besonderen Teerschwelereien oder als Nebenprodukt der Holzkohlenbereitung und der Holzessigfabrikation gewonnen. Schon im Altertum kannte man dieses Produkt, das die Römer pix liquida nannten. Plinius beschreibt ausführlich dessen Gewinnung und Verwendung.
Ärmer an harzartigen Stoffen, dafür aber reicher an brenzlichen Ölen als der Koniferenteer ist der aus dem Holz der Rotbuche (Fagus silvatica) destillierte Buchenteer, aus welchem das bis zu 25 Prozent in ihm enthaltene Kreosot gewonnen wird, und der hauptsächlich in Rußland und Polen aus dem Holz von verschiedenen Birkenarten, besonders Betula verrucosa, pubescens und alba, destillierte Birkenteer von an Juchtenleder (das auch damit behandelt wird) erinnerndem Geruch. Eigentümlich naphthalinartig riecht dagegen der durch trockene Destillation der Steinkohlen bei der Leuchtgasfabrikation erhaltene Steinkohlenteer, der allerdings im Gegensatz zu den vorigen kaum in der Medizin Verwendung findet, aber das Rohprodukt sehr zahlreicher aus ihm gewonnener chemischer Stoffe bildet und daher für die chemische Industrie von der größten Bedeutung ist.
Von Pflanzenstoffen, die zur Vertreibung von Bandwürmern dienen, ist teilweise schon im Altertum neben der allerdings gebräuchlicheren Wurzel des Wurmfarns (Aspidium filix mas), die wir bereits besprachen, der Saft der Granatäpfel gebräuchlich gewesen. Schon der ältere Cato (234–149 v. Chr.) empfiehlt ihn dagegen. Auch die sonst zum Gerben dienenden Fruchtschalen des Granatbaumes (Punica granatum) waren im Mittelalter offizinell. Die Rinde von Stamm und Wurzel desselben hat erst Buchanan 1807 als Bandwurmmittel empfohlen, nachdem er diese Verwendung bei den Hindus in Indien kennen gelernt hatte. 1878 entdeckte dann der französische Apotheker Tancret die Alkaloide der Rinde, unter denen das Pelletierin das wichtigste ist. Außerdem enthält sie 22–28 Prozent Gerbsäure, dient daher technisch zum Gerben des Marokkoleders (französisch marrocain genannt). Die meiste Granatrinde kommt aus Algier und Südfrankreich in den deutschen Handel und wird in der Regel nur von den als Obstbäume nicht mehr verwendbaren Exemplaren geerntet. Sie wird als Pulver, Dekokt oder Extrakt verwendet.
Ein seit uralter Zeit in Abessinien, wo infolge des beständigen Essens von rohem Fleisch, besonders Rindfleisch, fast jedermann an Bandwürmern leidet und regelmäßig von Zeit zu Zeit das Mittel einnimmt, gebräuchliches Anthelmintikum sind die getrockneten, abgeblühten weiblichen Blütenstände des Kusso genannten Baumes (Hagenia abyssinica). Es ist dies ein in den gebirgigen Teilen Abessiniens, am Kilimandscharo und im Usambaragebirge in Deutsch-Ostafrika wachsender, bis 20 m hoher Baum mit zottig behaarten Zweigen, gefiederten Blättern, großen Rispen reich mit Drüsen besetzter weißer Blüten und eiförmigen Nüßchen. Die bis 30 cm langen, bereits abgeblühten weiblichen Rispen, bei denen die ausgewachsenen Kelchblätter dunkelpurpurrot geworden sind, bilden das offizinelle Kusso oder Koso, das in Bündeln von etwa 50 cm Länge verpackt, mit gespaltenen Halmen des gegliederten Zypergrases umwickelt, über die an Riffen reiche Meerenge von Bab-el-mandeb, d. h. wegen der vielen dort gescheiterten Schiffe „Tor der Tränen“ genannt, nach Aden gebracht wird, um dann von dort aus in Säcken von 15 kg nach Triest, Livorno und Bombay in den Handel zu gelangen. Der kräftige, charakteristische, unangenehme Geruch und die verhältnismäßig lebhaftrote Farbe sind Zeichen für die Güte der Droge, während alte, unwirksame Ware braun und schwachriechend ist. Der Geschmack ist anfangs schleimig, dann unangenehm bitter und zusammenziehend. Die Blüten enthalten neben 24 Prozent Gerbstoff als hauptsächlich wirksamen Stoff das Kosotoxin, außerdem Kosidin, Kosoin und Protokosin. Der erste Europäer, der den Baum auf seiner Entdeckungsreise nach den Nilquellen 1769 bis 1771 in Abessinien beobachtete und den Gebrauch der Blüten von seiten der Eingeborenen gegen Eingeweidewürmer sah, war der Engländer James Bruce. Er beschrieb ihn unter dem Namen Bankesia abyssinica. Getrocknete Zweige mit Blättern und Blüten des Baumes brachte 1822 der französische Arzt Brayer nach Paris. Danach wurde die Pflanze von Knuth, der die ältere Brucesche Bezeichnung nicht kannte, Brayera anthelminthica genannt. 1834 wurde die Droge in Deutschland eingeführt, gelangte aber erst seit 1852 in größeren Mengen durch Jabot zu sehr teuren Preisen in den Handel. Frische Kussoblüten befördern ebenso rasch als das Extrakt der Wurmfarnwurzel und der Granatrinde die drei hauptsächlich in Betracht kommenden Tänien-Arten aus dem Darm, in welchem sie schmarotzen.
In Ostindien und Indonesien werden vielfach die gepulverten gerbstoffreichen Arekanüsse, von Areca catechu, die sonst von jedermann mit einem Blatte des Betelpfeffers und etwas gelöschtem Kalk als Genußmittel gekaut werden, mit Kaffee oder heißer Milch vermischt, zum Abtreiben von Würmern verwendet. Noch beliebter, weil viel wirksamer, ist dort der von den etwa 1 cm großen Früchten des kleinen, immergrünen Kamálabaumes (Mallotus philippinensis) abgeriebene drüsighaarige Überzug, der als ein leichtes, feines, weiches, ungleichförmiges, nicht klebendes braunrotes Pulver ohne Geruch und Geschmack in den Handel kommt. Der zu den Euphorbiazeen oder Wolfsmilchgewächsen gehörende kleine Baum oder Strauch mit abwechselnden, gestielten, ovalen, zugespitzten, unterseits filzig behaarten und mit roten Drüsen besetzten Blättern, innen rotdrüsigen Blüten in achselständigen Blütenständen und mit scharlachroten Drüsen dicht besetzten kirschgroßen Kapseln wächst in mehreren Varietäten in ganz Südasien, der malaischen Inselwelt, Neuguinea und Nordaustralien und liefert in den Früchten ein zum Brennen und als Abführmittel benutztes fettes Öl. Der als Kamála in den Handel gelangende drüsige Überzug der Früchte dient in Indien außer als Bandwurmmittel auch seit alter Zeit zum Färben von Seide und gibt ein schönes Orangebraun. Siedendes Wasser wird von ihm nur schwach gelb gefärbt; Eisenchlorid färbt diesen Auszug braun, Alkalien dagegen färben ihn dunkelrot. Die wirksame Substanz im Kamála ist außer 80 Prozent Harz das von Anderson in gelben Nadeln isolierte Rottlerin und ein gelber, kristallisierbarer Farbstoff. Im hortus malabaricus hat Rheede 1678 den Kamálabaum zuerst abgebildet. Die anthelminthische Wirkung des Drüsenüberzuges seiner Früchte wurde erst 1841 von Irvine in Kalkutta empfohlen. 1864 wurde es in die englische Pharmakopoe, 1871 auch in die deutsche aufgenommen. Man sammelt die Handelsware in Indien fast ausschließlich von wildwachsenden Bäumen. Man pflückt die Früchte im März, schüttelt sie in Sieben und reibt den Rest der Drüsen vollends ab. Zu einer Bandwurmkur genügen 6–10 g davon. Vor dem Kusso hat es den Vorzug, weniger leicht Übelkeit und Erbrechen zu erregen und zugleich abführend zu wirken. Auch gegen Hautkrankheiten wird es benutzt.
In Südarabien und den gegenüberliegenden afrikanischen Ländern wird seit alter Zeit ein als Wurrus bezeichnetes, dem Kamála ähnliches Präparat als Bandwurmmittel benutzt. Es sind die kleinen Drüsen der jungen Hülsen eines Schmetterlingsblütlers (Crotalaria erythrocarpa), die dem Kamála analoge Substanzen enthalten und Seide goldgelb färben, und zwar noch intensiver als Kamála.
Als Volksmittel gegen Bandwurm sind endlich noch die Samen des aus Amerika bei uns eingeführten Riesenkürbis (Cucurbita maxima) zu erwähnen, die zu 60–80 Stück, zerstoßen und mit Wasser verrieben, als Emulsion getrunken werden.
Im Klistier gegen Eingeweidewürmer, besonders aber äußerlich in Form von Pulver oder Tinktur gegen Läuse werden die aus Mittelamerika stammenden Sabadillsamen oder Läusekörner benutzt. Sie werden von einem stattlichen, bis 2 m hohen Zwiebelgewächs aus der Familie der Liliazeen (Sabadilla officinarum) hervorgebracht, das in ganz Mittelamerika und Venezuela heimisch ist und an den Küsten des Golfes von Mexiko auch kultiviert wird. Die Handelsware wird vorzugsweise in Venezuela meist von wildwachsenden Pflanzen gesammelt und kommt über Caracas beziehungsweise La Guayra, dem Hafen von Caracas, an erster Stelle nach Hamburg. Sie sind bis 8 mm dick, länglich, unregelmäßig kantig und von einer dünnen, glänzend braunschwarzen Samenschale umgeben. Sie enthalten etwa 4 Prozent Alkaloide, die das offizinelle, käufliche Veratrin bilden. Dieses ist kein einheitlicher Körper, sondern ein inniges Gemenge mehrerer Alkaloide, nämlich vorwiegend Cevadin und Veratrin, außerdem Cevadillin, Sabadin, dem zum Teil an Cevadinsäure und Veratrumsäure gebundenen Sabadinin und Veratramarin. Die wichtigste Anwendung der Sabadillsamen ist die Gewinnung des Veratrins, das bei Neuralgien, Rheumatismus und Lähmungen als Irritans meist in Salbenform eingerieben wird.
Die Spanier lernten um 1570 als erste Europäer den Sabadillsamen als Mittel gegen Läuse bei den Azteken Mexikos kennen. 1572 erhielt bereits der Arzt Nikolaus Monardes in Sevilla ein Muster davon zugeschickt. Dieser und der später lebende Hernandez, der eine Abbildung der Pflanze 1651 veröffentlichte, verglichen die Pflanze ihres Blütenstandes wegen mit der Gerste, spanisch cebada, und nannten sie im Gegensatz zu jener mit dem Diminutiv cebadilla, woraus dann später sabadilla wurde. Lemery bezeichnet die Pflanze direkt als eine Art Gerste. Im Jahre 1726 bildete der Sabadillsamen einen wichtigen Bestandteil des französischen „Kapuzinerpulvers“ und kam in der Folge auch unvermischt zur Vertilgung von Ungeziefer in allgemeinen Gebrauch. Für den vom Apotheker Wilhelm Meißner in Halle 1818 in den Läusesamen aufgefundenen basischen Körper Sabadillin gebrauchte der Entdecker 1821 zum erstenmal den Ausdruck „Alkaloid“, der dann zur Bezeichnung aller Pflanzenbasen in Aufnahme kam. Die beiden französischen Apotheker Pelletier und Caventou stellten 1819 zum erstenmal den von ihnen Veratrin genannten Stoff dar. Die Stammpflanze wurde nämlich zu dieser Zeit mit der wissenschaftlichen Bezeichnung Veratrum officinale belegt.
Schon im Altertum wurde der Senf sowohl als Gewürz, als auch als Arzneimittel innerlich und äußerlich gebraucht. Die Griechen nannten ihn sinēpi oder nápy, eine Bezeichnung, die dann die Römer mit der Pflanze von ihnen übernahmen. Wahrscheinlich wurde im Altertum vorzugsweise der schwarze Senf (Brassica nigra) angebaut, der heute noch in Südeuropa bevorzugt wird. Wenigstens verlangt der um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. lebende griechische Arzt Dioskurides als Merkmal eines guten Senfes, daß er gestoßen grün aussehe, womit nur der schwarze Senf gemeint sein kann. Auch Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. spricht sich in demselben Sinne aus. Die Hippokratiker wandten ihn besonders bei Brustkrankheiten zur Beförderung des Auswurfs an. Dioskurides sagt von ihm, er erwärme und ziehe, wenn er gegessen wird, den Schleim an sich. Gepulvert geschnupft errege er Nießen. Er werde außer innerlich auch äußerlich als Reizmittel verwendet. In Wasser erweichte, dann zerriebene und mit Olivenöl gemischte Senfsamen reibe man in schmerzende Stellen ein. Scribonius Largus und Alexander Trallianus (im 6. Jahrhundert) empfehlen den Senf als Heilmittel. Auch im Mittelalter wurde er als solches verwendet. 1607 wird Senfmehl in der Apothekertaxe der Stadt Schweinfurt angeführt. 1608 meldet der Italiener Porta, daß das aus den Samen gepreßte fette Öl flüssiger und schärfer erhalten werde, wenn die Samen vorher in Wasser erweicht würden. Die Notwendigkeit des Wassers zur Senfölbildung wies zuerst Glaser 1825 nach, und 1840 fanden Boutron und Frémy, daß dabei ein Ferment wirke. Heute wissen wir, daß in den Senfsamen außer Sinapin und Sinapinsäure das aus myronsaurem Kalium bestehende Glykosid Sinigrin enthalten ist, das unter dem Einfluß des ebenfalls darin enthaltenen Fermentes Myrosin bei Gegenwart von Wasser (unter Aufnahme eines Molekels desselben) Allylsenföl, Traubenzucker und Kaliumhydrosulfat und als Nebenprodukte Allylcyanid, Schwefelkohlenstoff und freien Schwefel liefert. Meist wird das Senfmehl als Senfteig und Senfpapier zur Ableitung von allerlei Schmerzen und Entzündungen innerer Organe äußerlich angewendet, wobei eine hauptsächlich durch das Allylsenföl hervorgerufene Rötung der Haut eintritt.
Auch die 6 Prozent Schleim enthaltenden Leinsamen wurden schon im Altertum innerlich als reizmilderndes, einhüllendes Mittel bei Darmkatarrh mit Diarrhöe und Blasenentzündung und äußerlich zu Kataplasmen verwendet. Als solches benutzten sie sowohl die Hippokratiker als die Ärzte der römischen Kaiserzeit. Im 12. Jahrhundert empfahl sie die heilige Hildegard von Rupertsberg bei Bingen zu Umschlägen. Zu letzteren ist das entölte Leinsamenmehl besser als das ölhaltige, da es mehr Wasser als jenes bindet.
Die 22 Prozent Schleim enthaltenden Quittenkerne wurden erst von den Arabern medizinisch benutzt; von diesen lernten die europäischen Ärzte deren Verwendung als einhüllendes Mittel und Beigabe zu Augenwässern. Heute werden sie nur noch selten dafür gebraucht.
Als reizmilderndes, einhüllendes Mittel bei Husten wird seit 1837 in Deutschland der durch Graefe nach Berlin gelangte krause Knorpeltang (Chondrus crispus) verwendet. Dieser wächst überall an der felsigen Küste des nördlichen Atlantischen Ozeans und dient den armen Küstenbewohnern Irlands als Nahrungsmittel und Volksheilmittel. Von der irischen Bezeichnung Carraigeen, d. h. Felsenmoos, rührt die bei uns dafür gebräuchliche Bezeichnung Carrageen her. In Dublin wurde es 1831 als Ersatz des teuren arabischen Gummis angewandt. Außer dem Norden und Nordwesten Irlands liefert die Küste von Massachusetts in den Vereinigten Staaten die größte Menge der Droge in Form der getrockneten, höchstens handgroßen, gelappten Vegetationskörper dieser Meeresalge teilweise mit Gigartina mamillosa vermischt. Andere Meeresalgen dürfen nur in sehr geringer Menge darin vorhanden sein. Die im frischen Zustande schwarzrot, violettrot bis grünrot gefärbten Algen werden in Fässern mit Süßwasser ausgewaschen, an der Sonne gebleicht und getrocknet. Der rote, Phycoerythrin genannte Farbstoff zersetzt sich in den toten Pflanzen und läßt sich mit Wasser ausziehen. Die getrocknete Droge ist bräunlich- bis weißgelb, steifknorpelig, durchscheinend und entwickelt, mit kaltem Wasser aufgequollen, den charakteristischen Meeresgeruch. Sie schmeckt schleimig-fade und enthält neben 6,3 Eiweißstoffen 80 Prozent Carrageenschleim, der in der lebenden Pflanze den Zweck hat, sie während der Ebbe durch Zurückhalten von reichlich Wasser vor dem Austrocknen zu bewahren. Außer in der Medizin und als leichtverdauliches Nahrungsmittel finden die Carrageen auch in der Technik als Klär- und Klebemittel, als Bindemittel bei Wasserfarben usw. viel Verwendung. Die 18 Prozent Asche, die sie beim Verbrennen zurücklassen, enthält reichlich Chloride und Sulfate, weniger Jodide und Bromide. Letztere sind reichlicher in der Asche anderer Meeresalgen enthalten, so vor allem im Blasentang (Fucus vesiculosus) und seinen Verwandten, die als Kelp oder Varek an den Küsten der Bretagne und Irlands gesammelt und getrocknet werden, um nach ihrer Verbrennung daraus durch Destillation mit Braunstein und Schwefelsäure das im Meerwasser nur in Spuren vorhandene Jod zu gewinnen.
In derselben Weise wie die Carrageen dient eine im Indischen und Stillen Ozean weitverbreitete Rotalge (Eucheuma spinosum) besonders an den Küsten Chinas und Japans als Volksnahrungsmittel. Sie enthält als Hauptbestandteil eine pektinartige Gelose und kam im Jahre 1840 unter dem Namen Agar-agar als Heilmittel nach Europa. Sie dient in der Appretur, Konditorei und Küche. Für die Heilkunde ist sie insofern sehr wichtig, weil aus ihr die Gallerte gewonnen, die zur Herstellung von festen Kulturböden zur Reinzucht von Bakterien in der Bakteriologie eine so große Bedeutung erlangt hat, weil sie im Brutschrank bei viel höherer Temperatur als die gewöhnliche Gelatine tierischen Ursprungs noch in festem Zustande verharrt. Deshalb ist sie zur Kultur aller nur bei Bluttemperatur gedeihender Bakterien unumgänglich nötig. Wie sie enthält auch die an denselben Meeresküsten wachsende Gracilaria lichenoides nicht unbedeutende Mengen von Nährstoffen und wird daher ebenfalls sowohl direkt als Speise genossen als zu Agar-agar verarbeitet.
In etwas höheren Wasserschichten als die Rottange siedeln sich an den Meeresküsten die Brauntange an, die die Leitpflanzen der oberen, zwischen Ebbe- und Flutgrenze gelegenen Litoralzone darstellten. Vermöge ihrer durch den braunen Farbstoff Phycophäin, der das Chlorophyll oder Blattgrün verdeckt, hervorgerufenen Braunfärbung vermögen sie sogar direkte Besonnung zu ertragen, ohne Schaden zu leiden. Außerdem entwickeln sie zum Schutze ihres Thallus oder Vegetationskörpers allerlei Haarbildungen, die ihn „wie eine Wolke“ umgeben. Zu ihnen gesellen sich noch einige Rottange, die aber hier zum Schutze gegen das grelle Sonnenlicht meist bräunlich oder schwärzlich gefärbt sind. Solche Brauntange der Uferzone sind die Laminaria-Arten, von denen die in den Polarmeeren verbreitete Lammaria digitata var. cloustoni, der gelappte Fingertang, die offizinellen Stipites laminariae liefert. Aus dem stammartigen Teile des Thallus werden die in der Chirurgie und Frauenheilkunde früher mehr als heute gebrauchten Laminariastifte hergestellt, die zum Erweitern von Kanälen, besonders des Uterushalses, dienen. Beim Eintrocknen der Alge sind sie stark zusammengeschrumpft und dünn, quellen aber infolge ihres großen Schleimgehaltes bei späterem Feuchtigkeitszutritt stark auf und schaffen so eine ausgiebige Erweiterung der Kanäle, in die sie eingelegt werden. Nur weil sie sich nicht sicher sterilisieren lassen, sind sie neuerdings mehr und mehr außer Gebrauch gekommen.
Gleicherweise verhält es sich mit den blutstillenden Spreuhaaren von den Stengeln verschiedener meist baumartiger Farne aus der Gattung Cibotium, die in ihrer Heimat Südasien von alters her zur Blutstillung auf Wunden gelegt wurden. Sie bilden sehr weiche, seidig-wollige, goldgelbe oder gelbbraune, fast metallisch schimmernde Massen und kommen als Penghawar-Djambi (nach der Provinz Djambi auf Sumatra so genannt) in den Handel. In Europa wurden sie erst gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts bekannt. Sie enthalten außer ihrer auf die Kapillarität zurückzuführenden Hauptwirkung Gerbstoff, Harz, Wachs und Humussäure. Infolge der Endosmose füllen sich die Hohlräume zwischen den einzelnen Härchen augenblicklich mit dem austretenden Blut und bewirken so eine Gerinnung desselben. Früher wurden sie besonders gegen Nasenbluten viel verwendet. Dies ist in ganz Südasien heute noch der Fall, außerdem dienen sie vielfach zur Ausfüllung von Kissen und Matratzen, da sie ein sehr weiches Polster liefern.
Endlich haben wir noch der Bärlappsamen zu gedenken, die als austrocknendes Streupulver bei Wunden (dasselbe ballt sich nicht zusammen und wird vom Wundsaft so wenig als vom Wasser benetzt), zum Bestreuen der Pillen, damit sie nicht zusammenkleben, zu Feuerwerk und als Blitzpulver reiche Verwendung finden. Es sind dies die auf ungeschlechtlichem Wege in besonderen Gehäusen der fruchtenden Blätter von Wasserfarnen der Gattung Lycopodium entstandenen Sporen, die einst als Erdschwefel, Druden- oder Hexenmehl zu allerlei abergläubischen Kuren Verwendung fanden; auch wurden sie samt dem sie erzeugenden Kraut als harntreibendes Mittel bei Blasenleiden benutzt. Gegenüber der Mannigfaltigkeit und Größe der Bärlappgewächse der paläozoischen Zeit, die besonders in der Karbonperiode in den Sigillarien und Lepidodendren Riesen von 30–40 m Höhe hervorbrachten, sind die heute noch lebenden Vertreter winzige Kräutlein, die hauptsächlich in den Tropengebieten der Erde verbreitet sind; doch kommen mehrere Arten auch bei uns vor und sind besonders im Gebirge stellenweise sehr häufig. Der gewöhnliche Lieferant des Bärlappsamens ist Lycopodium clavatum, der „genagelte“ Bärlapp, nach den langen, nagelförmigen Blättern so genannt. Im Deutschen Reich, in der Schweiz und dem für uns als Hauptproduktionsland mit in Betracht kommenden Rußland werden die endständigen, dachziegelartig sich deckenden Fruchtblätter mit den an deren Innenseite befindlichen nierenförmigen, zweiklappig aufspringenden Sporangien im Juli und August kurz vor der Sporenreife geschnitten, an der Sonne getrocknet, ausgeklopft und zum Ausscheiden von Verunreinigungen gesiebt. In manchen Teilen Europas finden auch L. annotinum und complanatum, seltener auch L. alpinum und innundatum Verwendung zur Gewinnung der Sporen, die blaßgelb, sehr beweglich und leicht sind und sich fettig anfühlen. Die verschiedenen Lycopodiumarten waren den alten Botanikern als „Erdmos“ bekannt. 1587 führte Dodonäus für L. clavatum die Bezeichnung pes lupi (= griechisch lykopodion) Wolfsfuß — wegen der weichhaarigen Zweigspitzen — ein. Bock bildete die Pflanze unter dem Namen „Beerlapp“, d. h. Bärenfuß — nach der Form der Zweigspitzen — ab. 1649 finden wir Lycopodium als Puder zum Bestreuen von Wunden medizinisch verwendet, und seit 1664 wird es als Lycopodium in den Apothekertaxen angeführt.