Analyse der Schriften des Archimedes.

Analyse der Schriften des Archimedes.

Dieselbe wird dadurch erleichtert, dass sie Archimedes selbst gleich in der Einleitung gibt.

Ich beginne mit der Quadratur der Parabel von Archimedes (s. o.) »Schnitt des rechtwinkligen Kegels« genannt. Aus Euklids Konika schickt er 3 Sätze als bekannt voraus. I. Wenn ABC eine Parabel, die Gerade BD entweder der Axe (Durchmesser) parallel oder die Axe selbst ist, und wenn ADC der berührenden an dem Punkte Β der Parabel (Scheiteltangente des Durchmessers) parallel ist, so wird AD = DC sein, und wenn AD = DC ist, so werden ADC und die berührende an dem Punkt Β der Parabel parallel sein.

II. Die Tangente im Endpunkt einer Sehne schneidet den konjugierten Durchmesser so weit hinter dem Scheitel wie die Sehne vor.

III. Die Quadrate zweier paralleler Sehnen verhalten sich wie ihre Abstände vom Scheitel des konjugierten Durchmessers.

Es folgt dann die Quadratur mittelst der Sätze der Statik aus dem 1. Buch des »Gleichgewicht der Ebenen« unter Bildung des statischen Moments und dann von Satz 18 bis 24 die Quadratur in bekannter Weise als: Σ 14n wobei der strenge Beweis durch das Archimedische Prinzip gegeben wird. Das Interessanteste ist wohl die Vorrede:

Archimedes wünscht dem Dositheos Wohlergehen. Mit der Nachricht von dem Tode des Konon, der mir aus dem Freundeskreise noch übrig geblieben war, verband sich die, dass du sein Vertrauter gewesen und ein geschickter Geometer bist. In der Trauer über den Verstorbenen, der mir lieb war und ein bewunderungswürdiger Mathematiker, fasste ich den Entschluss, wie sonst mit ihm, so jetzt mit dir in schriftliche Verbindung zu treten und dir ein bisher nicht aufgestelltes geometrisches Theorem zu senden, das jetzt von mir bewiesen ist und zwar wurde es zuerst statisch gefunden, dann aber auch geometrisch bewiesen.

Quadratur der Parabel.

Einige von denen, welche sich früher mit Geometrie beschäftigten, unterfingen sich zu schreiben es sei möglich eine geradlinige Figur zu finden, welche einem gegebenen Kreise oder Kreisabschnitt gleich sei. Danach versuchten sie auch die Ellipse zu quadrieren [Ellipse gleich ολα τομα του κωνου., die beiden andern ατελής d. h. unvollendbar] unter Annahme von Sätzen, die man ihnen nicht wohl zugestehen konnte. Doch hat meines Wissens keiner von den früheren versucht den von dem Schnitt des rechtwinkligen Kegels [= Parabel] und einer Geraden umschlossenen Raum zu quadrieren, was jetzt von uns aufgefunden ist. Denn es wird gezeigt, dass jedes Parabelsegment 4/3 des Dreiecks ist, das mit ihm gleiche Grundlinie und Höhe hat, unter Annahme folgenden Hilfssatzes: Der Unterschied zweier Flächen einer grösseren und einer kleineren kann durch Vervielfältigung jede vorgelegte begrenzte Fläche übertreffen. —

Archimedes' Werke (Prinzip; Kugel und Cylinder).

Dies ist also das Archimedische Prinzip in Originalfassung.

Es kommt noch einmal vor am Schluss der Einleitung zu der Spirale Heib. II, 14, wörtlich wie hier, nur dass es auch noch auf lineare Grössen ausgedehnt ist; in Kugel und Cylinder Heib. 1, 10, ε ist es auch auf Körper ausgedehnt, vergl. darüber Eudoxos.

II. Kugel und Cylinder.

»Archimedes grüsst den Dositheos. Früher habe ich dir brieflich das damals mehrfach behandelte Theorem, dass jedes Parabelsegment 4/3 des Dreiecks ist, das mit ihm gleiche Grundlinie und Höhe hat, mit den Beweisen zugesandt. Danach bin ich auf einige noch nicht bewiesene Sätze gestossen und habe die Beweise ausgearbeitet. Es sind folgende: Erstens, dass die Oberfläche der Kugel das Vierfache ihres grössten Kreises ist, sodann, dass der Fläche jedes Kugelsegments ein Kreis gleichkommt, dessen Radius[1] gleich der Verbindungslinie des Scheitels mit einen Punkt des Grundkreises ist; dazu kommt der Satz, dass jeder Cylinder der den grössten Kreis zur Basis und den Kugeldurchmesser zur Höhe hat, das anderthalbfache der Kugel ist, wie seine Oberfläche von der der Kugel«.

[1] Der Radius heisst ἡ ἐκ τοῦ κέντρου; zu ergänzen ist γραμμή die Linie aus dem Zentrum, das Wort Radius ακτις kommt, vergl. Simon Euklid 1901, p. 80 Anmerk. 1 zuerst bei Cicero. Timaeus cap. VI vor.

Es folgt dann die schon bei Eudoxos erwähnte Stelle über die Sätze mit denen dieser die Demokritische Formel über die Volumina der Pyramiden und Kegel bewiesen hatte. Wichtig sind die Annahmen, die sich an die 6 Axiome der Einleitung anschliessen.

1) Von den Linien, welche dieselben Endpunkte haben, ist am kürzesten die Gerade.

Archimedes hat auch nicht im mindesten die Absicht mit dieser Forderung eine Definition der Geraden zu geben.

2) Von zwei nach denselben Seiten hohlen (gekrümmten) Verbindungslinien zweier Punkte ist die umschlossene die kleinere.

3) Ebenso ist von den Flächen, welche dieselben Grenzen haben, falls diese Grenzen in einer Ebene liegen, die Ebene die kleinste.

4) Von zwei solchen Flächen, welche nach derselben Seite hohl sind, ist die umschlossene die kleinere.

5) Auch ist bei ungleichen Linien, Flächen oder Körpern der Unterschied so beschaffen, dass es durch Vervielfältigung desselben möglich ist jede Grösse derselben Art zu übertreffen.

No. 5 ist das Archimedische Prinzip in allgemeinster Fassung.

Es folgt dann die Integration oder Quadratur der Kugelfläche in der auch in unsern Elementarbüchern leider noch oft gegebenen Weise als Grenze einer Summe von Kegelmänteln und die des Kugelvolumens durch den Satz eine von Kegelflächen begrenzte Figur die in eine Kugel eingeschrieben ist, ist gleich einem Kegel, dessen Grundfläche die Fläche der eingeschriebenen Figur ist, und dessen Höhe gleich dem Lot vom Zentrum auf die Kante eines der Kegel ist; also als Grenzfall: Kugel = Kegel dessen Grundfläche die Kugel, dessen Höhe der Radius ist.

Archimedes' Kreismessung.

Im Ephodion II hat Archimedes dann uns verraten, dass er erst das Kugelvolumen mittelst Integration (durch geschickte Benutzung des Hebelsatzes, die heute überflüssig ist) gefunden hat und dann die Kugelfläche wie wir, durch den Satz, dass die Kugel eine Pyramide ist, welche die Fläche zur Grundfläche und den Radius zur Höhe hat, der heute jedem mit Grenzbetrachtung vertrauten Primaner einleuchtet. Zugleich berichtet er uns in der Anmerkung, dass die Kreisberechnung ihn auf diesen Gang geführt und man sieht, dass die Kreisberechnung faktisch der Kugelberechnung voranging, was ich schon in der Vorlesung von 1903 gesagt hatte.

Archimedes hat wohl mit Fug und Recht das Buch I der Sphaira als seine bedeutendste Leistung angesehen, obwohl er u. a. im zweiten Teil unter No. 5 die Aufgabe löste von einer Kugel durch einen ebenen Schnitt einen gegebenen Bruchteil abzuschneiden, die auf eine Gleichung dritten Grades und zwar auf den casus irreducibilis führt und in enger Beziehung zur Winkelteilung steht.

Das Eindringen in die Prinzipien der Integralrechnung und seine Kenntnis der Integrale rationaler Integranden tritt am deutlichsten in der Abhandlung No. 4 über Konoide und Sphäroide hervor, d. h. über Rotations-Paraboloide und -Hyperboloide (Konoide) und Rotations-Ellipsoide (Sphäroide). Hier quadriert er auch die Ellipse, den Schnitt des spitzwinkligen Kegels, und zeigt, dass er die Gleichung der auf ihre konjugierten Axen bezogenen Ellipse und Hyperbel kennt.

Ich komme zur κυκλου μετρησις, sie ist dem Wesen nach schon vor der sphaera entstanden, aber später redigiert. (Vorlesung 1903.) Sie beginnt mit dem wieder auf das Prinzip gestützten Nachweis, dass der Kreis gleich einem Dreieck, dessen Grundlinie die Peripherie und dessen Höhe der Radius ist. Es wird wohl niemand mehr bezweifeln, dass er das gleichschenklige Dreieck, dessen Grundlinie das Bogenelement ist, als Differential und die Kreisfläche selbst als Integral ansah, wodurch es sich auch erklärt, dass er die Existenz eines solchen Dreiecks bei seiner Verkleidung der Infinitesimalrechnung stillschweigend annahm. Durch diesen Satz I hat Archimedes die Probleme der Quadratur und Rektifikation des Kreises vereinigt. Die beiden Sätze, welche gestatten die Kette der ein- und umgeschriebenen regulären 2k n Ecke beliebig weit fortzusetzen, sind heute Inventar unserer Schulgeometrie. Die Arbeit gipfelt in dem berühmten Satz III, den Ulrich v. Wilamowitz in sein Übungsbuch aufgenommen hat:

Παντος κικλου ἡ περιμετρος της διαμετρου τριπλασιων εστι, και ετι ὑπερεχει ελασσονι μεν η ἑβδομω μερει της διαμετρου, μειζονι δε η δεκα ἑβδομηκοστομονοις., wo dann in den griechischen Zahlwörtern und den Dativen ελασσονι etc. jedes Philologenherz schwelgen kann. »Jedes Kreises Umfang ist des Durchmessers Dreifaches und geht darüber hinaus durch einen Teil des Durchmessers der geringer ist als ein Siebentel und grosser als 10 Einundsiebzigstel.« Ausgegangen wird vom 6 Eck, als Grenze dient das ein- und umgeschriebene 96 Eck. Wie er die Quadratwurzeln mit solcher Genauigkeit gezogen, steht noch nicht fest, doch hat er sich vermutlich eines Kettenbruch ähnlichen Algorithmus bedient und vermutlich auch die Formel gekannt

a ± b2a > √a2 ± b > a ± b2a ± 1

Spirale.

Für Kreismessung und Kugel-Cylinder sind die Handschriften am verdorbensten. Eng an die Kreismessung schliesst sich die Schrift περι ἡλικων, über die Archimedische Spirale, erzeugt durch einen Punkt Μ, der sich gleichförmig auf einem sich gleichförmig drehenden Radius bewegt. Da die Gleichung der Kurve in Polarkoordinaten r = a . Θ, wo a2π gleich der Strecke ΑΘ ist, welche Μ auf dem Radius während eines vollen Umlaufs zurücklegt, so gibt die Kurve sowohl den Kreisumfang als auch jede beliebige Bogen- oder Winkelteilung. Sie wird mit den denkbar einfachsten geometrischen Mitteln behandelt, noch elementarer als in der kleinen analytischen Geometrie, Sammlung Göschen No. 65, auch der Flächeninhalt durch Integration des Polarflächenelements 1/2 r2 dΘ ermittelt. Die Einleitung ist für die Datierung der Werke wichtig, sie wiederholt die vor langen Jahren an Konon gesandten Sätze, darunter zwei Vexiersätze, es heisst: Es trifft sich, dass darunter zwei Platz gefunden haben, welche eine Erfüllung (nämlich der Forderung sie zu beweisen) vermissen lassen, damit die Leute, welche behaupten, sie könnten alles finden, während sie doch keinen Beweis herausbringen, überführt werden, dass sie hier mal eingestanden haben, das Unmögliche zu finden.

Archimedes: Ephodion.

Über das ἐφόδιον habe ich schon Einiges gesagt. Es führt im Palimpsest Heiberg, Hermes 42 p 243 den Titel Archimedous peri tōn mechanikōn Theōrematōn pros Eratosthenen ephodos; seine Existenz war bis 1903 nur durch eine Stelle des Lexikographen Suidas bekannt, und 1903 durch ein Zitat in dem von Schoene herausgegebenen Codex Constantinopolitanus der Metrika des Heron von Alexandria. Die beiden von Heron angeführten Sätze über die kubierbaren Körper, den Cylinderhuf und den Schnitt zweier im selben Würfel eingeschriebener Cylinder mit aufeinander senkrechten Achsen werden gleich in der Einleitung als Hauptleistungen des έφοδος, der Methode, angeführt. Den ersten Satz habe ich als Primaner unter Bertram, der ihn wohl durch Schellbach kannte, selbst bewiesen, und seit 1873 meinen Primanern fast regelmässig vorgesetzt. Wer ihn wieder aufgefunden weiss ich nicht, vielleicht Luca Valerio »der zweite Archimedes«. Als Beispiel der Methode gebe ich die Kugelberechnung, aus der sowohl die Kunst des Archimedes als auch die eigenartige Verquickung von Statik und Differentialrechnung in der Methode auf das deutlichste hervorgeht.

Archimedes: Ephodion, daraus Kugelberechnung.

II. Dies (die Parabelquadratur) ist zwar durch das jetzt Gesagte nicht voll bewiesen, aber es gibt doch gewissermassen den Nachweis, dass die Schlussfolge richtig sei etc. Dass aber jede Kugel das vierfache (im Text fehlt der Doppellängsstrich über das δ von διπλασια) des Kegels ist, der zur Basis den grössten Kugelkreis und zur Höhe den Kugelradius hat und von dem Cylinder, der den grössten Kugelkreis zur Basis und eine Höhe gleich dem Kugeldurchmesser hat, das anderthalbfache ist, wird folgendermassen nach dieser Methode erschaut. Gegeben eine Kugel, in welcher ein grösster Kreis αβγδ (s. Fig.) αγ u. βδ seine zwei aufeinander senkrechte Durchmesser, und um den Durchmesser βδ sei der auf den Kreis αβγδ senkrechte Kreis gezogen und von diesem senkrechten (Kreis) aus, sei ein Kegel beschrieben der seinen Scheitel im Punkte α habe und nachdem seien Oberfläche ausgezogen soll der Kegel geschnitten worden sein von einer Ebene durch γ parallel zur Basis. [Sie wird aber einen Kreis schaffen senkrecht auf] αγ, und sein Durchmesser [ist ζε]. Und von diesem Kreis aus soll ein Cylinder angeschrieben worden sein, der eine Achse hat (άξονα) welche αγ gleich ist, und Kanten des Cylinders solle ελ und ζη sei. Und γα ist verlängert worden (eig. weiter geworfen, vom Seil mit dem die Gerade ursprünglich konstruiert wurde) und es wurde ihr gleich gesetzt αθ (κειμαι ist hier nicht liegen, sondern wie häufig Passiv von τιθημι setzen), und es werde γθ als Wagebalken gedacht dessen Mitte Punkt α, und es sollte irgend eine Parallele gezogen werden zu βδ, die Linie μν (wörtlich die für βδ vorhanden seiende), und sie soll den Kreis αβγδ schneiden in den Punkten ξ und ο [Punkt wird durch den Strich über ξ und ο angedeutet] und den Durchmesser αγ in σ und die Gerade αε in π, und αρ in ρ und von der Geraden μν aus soll eine Ebene senkrecht zu αγ gestellt worden sein. Diese wird nun in dem Cylinder als Schnitt bewirken [den Kreis dessen Durchmesser μν sein wird und in der Kugel αβγδ] den Kreis dessen Durchmesser ξο sein wird und in dem Kegel αερ den Kreis dessen Durchmesser πρ sein wird. Weil nun das Rechteck aus μσ und σπ — denn αγ ist gleich σμ und ασ gleich πσ — und das Rechteck aus γα und ασ gleich ist den Quadrat über αξ, das heisst ξσ2 plus σπ2, so ist folglich das Rechteck aus μσ und σπ gleich ξσ2 + σπ2. [Ich bemerke dass Zeile 22 am Schluss statt α gelesen werden muss ὑ.] Und weil γα : ασ wie μσ : σπ und γα gleich αθ, folglich θα : ασ = μσ : σπ, d. h. gleich μσ2 : μσ . σπ. Das Rechteck aus μσ und σπ wurde gleich erwiesen ξσ2 + σπ2; also αθ : ασ wie μσ2 : (ξσ2 + σπ2) wie μν2 : ξο2 + πρ2. Sowie μν2 : ξο2 + πρ2 so verhält sich der Kreis im Cylinder mit dem Durchmesser μν zu der Summe der Kreise, des im Kegel mit Durchmesser πρ und des in der Kugel dessen Durchmesser ξο. Also θα : ασ so wie der Kreis im Cylinder zu den (beiden) Kreisen (zusammen) dem in der Kugel und dem im Kegel. Wegen dieses Verhältnis von θα : ασ wird der Cylinderkreis in bezug auf Punkt α den beiden Kreisen zusammen mit den Durchmessern ξο und πρ, fortgetragen und so zu θ gesetzt, dass θ der Schwerpunkt jedes der beiden Kreise ist, das Gleichgewicht halten etc. ... »Nachdem nun der Cylinder von dem angenommenen Kreise ausgefüllt ist«. Wegen dieser selbstverständigen Abkürzung, die auch heute noch wohl jeder, der den Satz und Beweis in der Prima vorträgt, gebrauchen wird, ist ein Archimedes beschuldigt worden, den Körper gleich der Summe von Flächen, wie aus gleichem Grunde bei Satz I, der Parabelquadrierung, die Fläche als Summe von Linien angesehen zu haben, hundert Jahre nach Aristoteles und noch dazu wohl kurz nach seinem Weggang aus Alexandrien, wo doch wahrlich ein strenger Dogmatismus herrschte! Heranzuziehen ist aus der Einleitung des Arenarius die Stelle 63. 2, επει γάρ το τάς σφαιρας κέντρον ουδέν έχει μέγεθος etc.) wird der Cylinder im Punkte α der Kugel und dem Kegel zusammen das Gleichgewicht halten. Da der Schwerpunkt des Cylinders im Punkte κ liegt und der der beiden andern Körper in θ, so wird nach dem Hebelgesetz, das in ἑπιπεδων ἱσορροπιων I bewiesen ist, der Cylinder doppelt so gross sein, als die beiden andern Körper zusammen. Mit diesem Nachweis ist das Theorem, da der Kegel nach Demokrit und Eudoxos 1/3 des Cylinders ist, der mit ihm gleiche Grundlinie und Höhe hat, im wesentlichen bewiesen. Man sieht auch, dass das Buch I vom Schwerpunkt ebener Flächen der Ausgangspunkt für Archimedes gewesen und dass er um Buch II schreiben zu können seine Differentialrechnung ausbilden musste, ich setze daher das Ephodion gleich hinter Buch I der Konzeption nach. —

Archimedes: Die zwei Bücher vom Schwerpunkt.

Buch I der Schrift über den Schwerpunkt ist die erste von Archimedes veröffentlichte Schrift, Nizze vermutet wohl richtig, dass sie dem Konon gewidmet gewesen, sie ist auch inhaltlich wohl die erste gewesen. Sie ist vermutlich kurz nach des Archimedes Rückkehr in die Heimat verfasst worden, denn er war unter dem Einfluss der stark auf angewandte Mathematik gerichteten Alexandrinischen Schule, wie auch aus der Erfindung der κοχλιας hervorgeht, viel mit Mechanik beschäftigt. Es ist vom Standpunkt der reinen Mathematik zu bedauern, dass er seine Differentialrechnung von vornherein mit statischen Ideen belastet hat. Der Inhalt dieses ersten Buches fehlt in keinem elementaren Schulbuch der Physik, das Hebelgesetz selbst ist in Satz 6 und 7 auseinander gezogen, da es für kommensurable und inkommensurable Massen gesondert bewiesen wird, es wird Buch II, 1 noch einmal bewiesen, mit Hilfe der einfachsten Sätze über den Schwerpunkt des Parallelogramms I, 9 und 10. Den Begriff Schwerpunkt definiert er nicht, da er ihn als dem Konon bekannt voraussetzt.

Schwerpunkt II.

Buch II beschäftigt sich im wesentlichen mit parabolischen Flächen, es zeigt vor allem eine ausserordentliche Vertrautheit mit dem Proportionenkalkül, sicher ein Rüstzeug aus der Alexandrinischen Schule, doch ist es von geringerer Wichtigkeit wie Buch I. Die beiden Bücher über schwimmende Körper gehören zu seinen grössten Leistungen, sie enthalten die unverrückbare Grundlage der Hydrodynamik, auch ihr Inhalt ist uns in succum et sanguinem übergegangen. Annahme I, Satz 6 und 7 enthalten die eigentlichen Prinzipien und werden heute als Archimedisches Prinzip bezeichnet. Unter Gewicht ist, wie Nizze bemerkt, immer das spezifische Gewicht zu verstehen. Buch II wiederholt das Prinzip und geht dann auf die speziellen Fälle in Flüssigkeiten eingetauchter Umdrehungsparaboloide ein. Die Annahme 11 von Buch I ist keine genügend klare Fassung des Prinzips von der gleichmässigen Fortpflanzung des Druckes in Flüssigkeiten. Buch II ist für die Beurteilung der vis mathematica des Archimedes von hohem Wert und seine Theorie der Hydrostatik ist auch für beliebige Körper anwendbar.

Das Werk hat ein eigentümliches Schicksal gehabt. Der Dominikanermönch Wilhelmus de Morbeca hat es um die Mitte des 13. Jahrh. aus griechischem Text lateinisch übersetzt; ob dem Verfasser des general trattato, Nik. Tartaglia, ein griechischer Codex vorgelegen, ist nicht sicher, er gab Buch I lat. 1543 (Venedig) heraus und aus seinem Nachlass veröffentlichte Trojanus Curtius 1565 das zweite Buch. Jetzt berichtet Heiberg dass der Palimpsest den Text von περι οχουμενων fast vollständig enthält und konnte daraufhin schon die Unechtheit des von A. Mai aus Vatikanischen Codices edierten Fragments, Forderung 1 und die 8 ersten Sätze, feststellen.

Wahlsätze.

Von den Wahlsätzen, dem liber assumptorum sind als echt erwiesen die Sätze über den Arbēlos, das Schustermesser und über die fälschlich Wogenfläche, richtiger Eppigblatt genannte Fläche σέλινον. Meine Didaktik und Methodik weist die Lehrer auf diese bei der Kreisberechnung in Secunda so erwünschten Aufgaben hin. Für den Arbēlos verweise ich auf meine Entwicklung der Elementar-Geometrie (1906) No. 9 p. 87 f. Die 15 Sätze sind aber alle miteinander für den Unterricht sehr verwendbar, sie machen übrigens durchaus nicht den Eindruck, als ob sie von verschiedenen Autoren herrühren und können ganz wohl aus einem Buch des Archimedes über Kreisberührungen stammen.

Archimedes: Arenarius (Sandzähler).

Von arithmetischen Werken ist unzweifelhaft in der Fassung des Archimedes nur ein einziges erhalten, der ψαμμίτης, arenarius, der Sandzähler. Die Einleitung der an den König Gēlon, den Sohn des Hiero gerichteten Schrift lautet:

»Es glauben manche, König Gēlon, des Sandes Zahl sei unendlich der Menge nach, ich spreche aber nicht nur von dem um Syrakus und das übrige Sizilien, sondern auch von dem auf jedem Raum, bewohnten wie unbewohnten.

Es gibt aber auch Leute, welche zwar nicht annehmen, dass derselbe unendlich sei, aber doch, dass keine aussprechbare Zahl existiere, welche die Menge des Sandes überträfe. Wenn diejenigen, welche solche Ansicht haben eine aus Sand zusammengesetzte Kugel sich denken würden, so gross im übrigen wie die Erdkugel, aber so, dass auf dieser alle Meere und Höhlungen bis zur Höhe der höchsten Berge ausgefüllt würden, so würden sie noch viel mehr der Meinung sein, dass keine Zahl genannt werden könne, welche die Menge des Sandes ihrer Kugel überträfe. Ich aber will versuchen dir durch mathematische Beweise, welchen du beipflichten wirst, zu zeigen, dass unter den von mir benannten Zahlen, welche sich in meiner Schrift an den Zeúxippos finden, einige nicht nur die Zahl des Sandes übertreffen, der die Grösse der Erde hat, ausgefüllt so wie wir gesagt haben, sondern auch dessen, der die Grösse des Weltalls hat.

Du weisst ja, dass die meisten Astronomen unter Kosmos eine Kugel verstehen, deren Zentrum das Zentrum der Erde ist und deren Radius vom Zentrum der Erde bis zum Zentrum der Sonne reicht. Denn dies wird gewöhnlich geschrieben, wie du von den Astronomen erfahren hast. Aristarch von Samos dagegen gab schriftlich einige Hypothesen heraus, aus denen, nach dem Vorliegenden hervorgeht, dass die Welt vielmal grösser sei als die eben genannte. Er nimmt nämlich an, dass die Fixsterne und die Sonne unbeweglich seien, die Erde aber sich in einer Kreislinie um die Sonne, welche mitten in der Bahn steht, herumbewege. Die Kugel der Fixsterne nun, mit der Sonne um dasselbe Zentrum liegend, habe eine solche Grösse, dass der Kreis, in welchem nach seiner Annahme die Erde sich bewegt, zur Entfernung der Fixsterne ein solches Verhältnis hat wie das Zentrum der Kugel zur Oberfläche. Dies ist nun in seiner Unmöglichkeit ganz offenkundig [Archimedes setzt nun auseinander, dass Aristarchos das Verhältnis der Erde zur Welt dem der Kuben der Radien des Erd- und Fixsternkreises gleich erachte, ein wie Nizze mit Recht hervorhebt absichtliches Missverstehen der eigentlichen Meinung, dass die Erde gegen die Welt als verschwindend zu betrachten sei]. Der Schluss lautet: Ich behaupte nun, dass wenn auch eine Kugel aus Sandkörnern existieren sollte von der Grösse welche nach der Annahme des Aristarch die Fixsternsphäre hat, auch dennoch von den in den »Anfangsgründen« (Αρχαι) benannten Zahlen sich einige aufweisen lassen würden, welche an Fülle die Zahl des Sandes überträfen, der eine Grösse hat gleich der besagten Kugel, und zwar auf folgenden Grundlagen.«

Kulturhistorisch wichtig ist besonders Paragraph 3 und 4, sie zeigen, wie grundlos das Vorurteil ist, dass die Alten nicht experimentiert hätten, was z. B. noch Ch. Thurot in den Recherches hist. sur le princ. d'Arch., Rev. d'Archéol. 1868 B. 18 etc. ausspricht; es ist dies Vorurteil ebenso unausrottbar wie die Anschauung, dass sie die Brüche etc. nicht als Zahlen angesehen, oder die Bewegung nicht als Hilfsmittel für die Konstruktion zugelassen.

Die »Archai« sind eine verlorene Schrift an den Ζεύξιππος, der wohl zum Freundeskreis aus der Studierzeit gehörte, sie handelte vermutlich von der Zahl und dem Zählen.

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