Exkurs über das elementare Rechnen der Griechen.

Exkurs über das elementare Rechnen der Griechen (Logistik).

Hier ist nun die Stelle, wo ich gezwungen werde auf die griechischen Zahlzeichen und die praktische Rechenkunst, die Logistik, einzugehen. Als Quellen führe ich Ihnen an: J. B. J. Delambre, Arithm. d. Grecs, Anhang zu Peyrards Übersetzung des Archimedes von 1807 und noch in Hist. de l'astron. anc. Par. 1817, Nesselmanns treffliche Algebra der Griechen nach den Quellen bearbeitet Berl. 1842, leider nur ein Band, G. Friedlein die Zahlzeichen und das elementare Rechnen der Griechen und Römer, Erl. 1869; F. Hultsch script. Graec. metrol. 1864, S. Günther Gesch. der Math. und Naturw. im Iwan Müller, und dann die Geschichtswerke.

Anfänglich sind wie überall Striche die Zahlzeichen, dann zur Zeit des Solon etwa, bezeichnete man die Zahl mit den Anfangsbuchstaben des Zahlworts: Π war πεντε (τα) fünf, Δ war δεκα zehn, Η war 100, sie heissen Herodianisch nach einem späteren Alexandrinischen Grammatiker, so findet sich z. B. auf der Tafel von Salamis ΗΗΗΔΔΔΔΠΙΙΙΙ = 349. Von hier aus war zur Annahme des Semitischen Gedankens die Zahlen mit den Buchstaben des Alphabets zu bezeichnen, nur ein kleiner Schritt, und diese Methode verbreitet sich von 500 ab. Dabei nahmen sie 3 Buchstaben des phönicischen Alphabets die Lautabstufung bezeichneten, die Hellenischer Zunge oder Kehle unaussprechbar waren als sogen. επισημα (Zusatzzeichen) auf; es sind das ϛ Bau oder Wau für 6, ϙ Koppa für 90 und sampi ein liegendes ϡ für 900. Sie schreiben also:

1 2 3 4 5 6 7 8 9
α β γ δ ε ϛ ζ η Θ
ι κ λ μ ν ξ ο π ϟ
ρ σ τ υ φ χ ψ ω ϡ

Die untereinander stehenden Zahlen unterscheiden sich durch den Faktor 10 also 349 gleich τμΘ.

Sollten die Buchstaben Zahlen bedeuten, so bekamen sie meistens einen wagerechten Strich oberhalb z, B. ᾱ (die jetzigen Grammatiken ἁ). Die 9 Tausender werden durch die betreffenden Einer mit einem kleinen Strich darunter dargestellt, also α'...Θ'. Das Zeichen für 10000 war M oder Μυ von Μυριοι Myrioi) 10000 z. B. ϛM für 60000. Häufig wird nur ein Punkt gesetzt z. B. δ.γ'υνη gleich 43458. So konnte man bis 9999 Μυ + 9999 also 108 - 1 kommen, griech. Θ'ϡϟΘ.Θ'ϡϟΘ. Die Brüche wurden meist nach ägyptischem Vorbild in Stammbrüche zerlegt und dann nur der Nenner mit einem Akzent geschrieben, also ἡ = 1/8, besondere Zeichen gab es (Ägypten) für 1/2: ϙ und 2/3: Κ. Wurde der Bruch unzerlegt hingeschrieben, so deutete man den Zähler durch einen Akzent an und schrieb den Nenner doppelt mit 2 Akzenten also λδ′ ωπη″ ωπη″ = 34/888. Addition und Subtraktion waren von der unsrigen nicht verschieden, man schrieb die gleich benannten Zahlen unter einander, addierte sie und behielt die überschiessenden Einheiten im Kopf, und entsprechend verfuhr man bei der Subtraktion, wofür das Beispiel aus Eutokios Kommentar zur κυκλου μετρησις entnommen ist.

Θ.γ'χλϛ  93636
β.γ'υ Θ  23409
ζ.  σκζ  70227

Auch die Multiplikation vollzog sich unschwer, nach dem Schema des Eutokischen Beispiels.

φοα 571
φοα 571
κεΜγΜ.ε'φ 25....
 35...
   5..
γΜε'δ'ϡο  35...
  49..
    7.
φοα    571
λβΜ.ϛ'μα 32m6041
 
α'θϛ' 1009 1/6
α'θϛ' 1009 1/6
ρΜθ'ρξϛϙϛ' 1009166½ + 1/6
θ'πααϙ 9081
ρξϛϙϛ'ακλϛ' 166½ + 1/6
1½ + 1/36
ραΜη'υιζγλϛ' 1018417 1/3 + 1/36

Delambre sagt mit Recht sie ist leichter als unsere, weniger Fehlern ausgesetzt, nur etwas länger. Für die Division haben wir bei Eutokios kein ausgeführtes Beispiel, aber in Theon des Alexandriners Kommentar zum Almagest findet sich eine Anleitung zum Rechnen mit Astronomischen Brüchen d. h. mit Sexagesimalzahlen (s. Babylon) welche genau unsern Dezimalbrüchen entsprechen, der Algorithmus der Division bei Theon ist nur etwas zeitraubender, während das Quadratwurzelausziehen vom unsrigen nicht verschieden ist.

Archimedes, Arenarius.

Im Sandzähler nimmt Archimedes das einzelne Sandkorn so klein an, dass 104 auf ein Mohnkorn gehen.

Dann weist er nach, dass 64000 Mohnkörner ein Volumen liefern, grösser als eine Kugel von 1 Zoll (Finger) Durchmesser, also ist die Zahl der Sandkörner, welche diese Kugel fassen kann < 64 . 107 also < 109, also die Sandzahl der Kugel von 100 Zoll kleiner als 106 . 109 oder 1015 und die der Kugel von 104 Zoll Durchmesser < 1021. Aber ein Stadion zu 600 Fuss hat nur 9600 Zoll, also ist die Sandzahl der Kugel vom Durchmesser eines Stadion kleiner als die Zahl 1021, und die von 100 Stadien kleiner als 1027 und die von 10000 Stadien kleiner als 1033 und die Sandzahl der Kugel vom Durchmesser 10000 Millionen Stadien kleiner als 1051.

Nun hat auf Grund der experimentellen Untersuchung des Gesichtswinkels, in § 3 und § 4 erzählt, Archimedes festgestellt, dass der Sonnendurchmesser grösser sei als die Seite eines reg. Tausendecks, das in einen grössten Kreis der Weltkugel eingeschrieben ist, also ist der Umfang dieses Tausendecks kleiner als 1000 Sonnendurchmesser. Setzt man nun den Sonnendurchmesser nicht grösser als 30 Monddurchmesser und den Monddurchmesser kleiner als den des Erddurchmessers, so ist der Umfang des Tausendecks kleiner als 30000 Erddurchmesser, also der Durchmesser des Welthauptkreis kleiner als 10000 dieser. Archimedes setzt nun, was für seinen Zweck möglichst hohe Zahlen abzählbar zu machen, ein Vorteil, den Erdumfang auf weniger als 3 Millionen Stadien, (eine gegen die fast gleichzeitige Eratosthenessche Messung auffallende Überschätzung) und kommt so für den Weltdurchmesser zu der oberen Grenze von 10000 Millionen Stadien, deren Sandzahl kleiner als 1051 war. — Archimedes zählt nun zunächst in gewöhnlicher Weise bis zur oberen Grenze, d. h. also Myrio Myriaden – 1. Θ'ϡϟΘ.Θ'ϡϟΘ = 99,999,999. Diese Zahlen nennt er erste, d. h. erster Ordnung, und macht nun 108 zu einer neuen Einheit, die er zweite nennt, und kann nun bis Myrio Myrioi Myriaden d. h. 1016 - 1 zählen, dann kommen die Zahlen dritter Ordnung von 1016 bis 1024 - 1, und so fort, d. h. also er teilt die Zahlen ab nach Oktaden. Aber auch die Ordinalzahlen, die er zur Abzählung der Oktaden braucht, werden mit der 100 Millionsten weniger Eins erschöpft, er fasst also die bisher benannten Zahlen zusammen als Zahlen der ersten Periode, er gelangt so zu einer Zahl welche wir mit 799,999,999 Neunen schreiben würden, die Zahl 99,999,999 der 99,999,999sten Ordnung, er macht nun (108)(108-1) oder (100002)(100002-1) zu einer neuen Einheit und zur zweiten Periode und gelangt so schliesslich zur Zahl 108, der Ordnung 108 der Periode 108 welche wir mit 1 und 80000 Billionen Nullen schreiben würden.

Der Paragraph 9 der Nizzeschen Übersetzung (Heiberg 268 f.) zeigt dass Archimedes keineswegs wie Nesselmann meint, nur neue Zahlworte geschaffen hat, sondern tatsächlich das Positionssystem gefunden und ebenso zeigt § 10 wie dicht er an Potenz und Logarithmenrechnung gestreift hat. Er führt darin den Begriff des Abstands ein, und nur dadurch, dass er der Einer-Ziffer den Exponent 1 statt 0 gibt, wird seine Regel 10n+1 . 10m+1 = 10n+m+1 von unsern Fundamentalsatz 10a . 10b = 10a+b abweichend.

Die gefundene Zahl 1051 ist die 3. Stelle der 7. Oktade, steht also ziemlich am Anfang der ersten Periode, welche 100 Millionen Oktaden weniger einer enthält, aber selbst wenn er statt der Weltkugel die Fixsternkugel wie er sie dem Aristarch zuschreibt, annimmt, deren Durchmesser kleiner ist als 104 Weltdurchmesser, so wird die Sandzahl kleiner als 1063 d. h. als die 8. Stelle der 8. Oktade.

Archimedes: Rinderproblem, Eratosthenes.

An den Psammites schliesst sich das Rinderproblem, προβλημα βοων an, es ist in Distichen abgefasst und an Eratosthenes gesandt; gefunden wurde es von Gotthold Ephraim Lessing als Bibliothekar in Wolfenbüttel und 1773 ediert. Wenn auch die Echtheit der Verse zweifelhaft sein mag, so ist es jedenfalls ein »Archimedisches Problem« und Heiberg sagt, dass kein Grund vorliegt, es Archimedes selbst abzusprechen. Die Einkleidung des Problems schliesst an Odyssee V. 7 an: νηπιοι οἱ κατα βους Ὑπεριονος Ἡελιοιο ἡσθιον, es soll die Zahl der Rinder des Sonnengotts auf Trinakria (Sizilien, nach seiner dreieckigen Gestalt genannt), berechnet werden. Es handelt sich um weisse (w), blaue (b), gelbbraune (g) und scheckige (s); Stiere und Kühe durch Striche unterschieden. Zur Bestimmung der 8 Unbekannten hat man 7 Gleichungen ersten Grades, es handelt sich also um eine sogen. Diophantische Aufgabe. Dazu kommen noch zwei Bedingungen w + b soll eine Quadratzahl, g + s eine Dreieckszahl, d. h. von der Form (n2) sein. M. E. hat Nesselmann und nach ihm Struve etc. den Text ganz missverstanden, nach meiner Auffassung lauten die sieben Gleichungen:

w = 5/6 b + g + g' w' = 7/12 (b + b') und: w + b = n2
b = 9/20 s + g + g' b' = 9/20 (s + s') g + s = n(n - 1)1 · 2
11/20 s = 13/42 w + g + g' s' = 11/30 (g + g')[4]
g' = 13/42 (w + w')

Heiberg ist mit Fug und Recht der Ansicht, dass die Behandlung eines solchen Systems die Kräfte eines Archimedes nicht überstieg, dessen im Sinne H. Webers spezifische mathematische Begabung ihresgleichen nicht gefunden hat. Übrigens ist die Weglassung des Faktors [4] (τετραχη) bei der Gleichung für s' unberechtigt. Zur Durchführung fehlt es mir an Zeit.

Der zweite der Heroen des 3. Jahrhunderts, wenn auch in weitem Abstand von Archimedes ist Eratosthenes. Quellen: F. Susemihl, Geschichte der griechischen Literatur in der Alexandrinerzeit; Bernhardy, Artikel Eratosthenes im Ersch und Gruber; Berger, Die geographischen Fragmente des Eratosthenes, Leipzig 1880; Quellen über sein Leben; Suidas und Strabon.

Eratosthenes (vita).

Eratosthenes wurde 276 in Kyrene geboren, zuerst in seiner Heimat durch den Grammatiker Lysanias unterrichtet, studierte dann in Alexandria unter Kallimachos, dem berühmten Dichter und Leiter der Ptolemäischen Bibliothek, ging dann nach Athen, wo er bei den der stoischen Richtung angehörigen Philosophen Ariston und Arkesilaos sich philosophisch aber auch besonders mathematisch bildete und eigene bedeutende Schriften verfasste. Er folgte etwa um 235 einem Rufe des Ptolemäos Euergetes als Nachfolger des Kallimachos und blieb bis zu seinem Tode Leiter der Bibliothek. Da er infolge seiner angestrengten Arbeit zu erblinden fürchtete, so tötete er, der Stoiker war, sich durch Nahrungsverweigerung im 80. oder 82. Lebensjahre etwa um 196 v. Chr.

Ein hervorragender Zug des Eratosthenes ist seine Freiheit von nationalen Vorurteilen; im Gegensatz zu Aristoteles hat er Alexanders grossartige Idee Orient und Okzident zu verschmelzen, voll gewürdigt, und ist so ziemlich der erste, wenn nicht einzige Hellene, der fremde Kultur objektiv zu beurteilen vermochte.

Wie erzählt wird, ward er β genannt nach einer Version, weil er es in allen Künsten und Wissenschaften zum Rang des zweiten gebracht, nach andern als zweiter Platon; auch πενταθλος wird er genannt, der Fünfkämpfer, denn er war in der Tat einer der vielseitigsten Gelehrten aller Zeiten. Am bedeutendsten war er wohl als Geograph und Astronom, wenn ihn auch auf letzterem Gebiet Hipparch von Nicaea (Bithynien) der auch nach Rhodos genannt wird, übertroffen hat. Wir haben von seinen drei Büchern Γεωγραφικα bedeutende Fragmente, und ihr Inhalt ist uns durch Strabon und durch die Kritik Hipparchs erhalten.

Eratosthenes: Geographie.

Eratosthenes hat besonders die sogenannte mathematische und physikalische Geographie als Wissenschaft im heutigen Sinne geschaffen, allerdings Vorarbeiten des Dikaiarchos benutzend. Im 1. Buch gibt Eratosthenes eine kritische Geschichte der geographischen Kenntnisse der Hellenen bei Homer und Hesiod, wobei er sich nicht im geringsten scheute die Unwissenheit des homerischen Zeitalters zu betonen, dann wandte er sich zu der Geographie, beginnend mit Anaximander, dem Schüler und Freunde des Thales.

Das 2. Buch enthält sodann die mathematische und physikalische Geographie nebst dem Bedeutendsten der eigenen Leistungen; die Grundlage bildet seine Gradmessung. Eratosthenes hatte bemerkt, dass am längsten Tage in Syēne die Sonne um Mittag den Boden eines Brunnens bescheint, d. h. im Zenith steht, also Syēne unterm Wendekreis des Krebses liegt, und glaubte, dass Alexandria und Syēne auf demselben Meridiane lägen. Er mass nun am längsten Tage in Alexandria die Kulminationshöhe der Sonne, bezw. die Zenithdistanz mittelst eines Skaphion, einer hohlen Halbkugel, und bestimmte dadurch im Gradmass die Distanz Siene-Alexandria, dann mass er, allerdings auf Grund der ägyptischen nomen oder der Gaueinteilung, die direkte Entfernung und bestimmte so die Länge des Grades.

Die Methode ist im Prinzip die noch heute angewandte, nur irrte sich Eratosthenes darin, dass Alexandria und Syēne auf demselben Meridian lägen. Weil aber auch die alten nomen ziemlich fehlerhaft waren, so glichen sich die Fehler so ziemlich aus und die Angabe des Eratosthenes auf 109 kil. statt 111 ist merkwürdig genau. Die Gradmessung scheint er nach Makrobios schon vorher in einer eignen Schrift mitgeteilt zu haben. Den Umfang der Erde bestimmte er auf rund 250000 Stadien, genauer 252000.

Der 3. Teil enthält eine kurz gefasste Einteilung und Beschreibung der bewohnten Erde. Er teilte die bewohnte Erde durch einen Parallelkreis von Gibraltar bis China in nördliche und südliche Hälfte und jede Hälfte durch Striche zwischen je zwei Meridiane in »σφραγιδες« d. h. wörtlich: Siegelabdrücke, die er dann topographisch und ethnographisch beschrieb und kartographisch aufnahm.

Chronographie.

Nicht minder bedeutend waren seine zwei andern Hauptwerke:

1) περι χρονογραφιων vermutlich eine Kritik der bisherigen Zeitbestimmungen und eine Anweisung einen chronologisch richtigen Abriss der Geschichte inkl. der Literaturgeschichte zu schreiben. Wahrscheinlich ist Eratosthenes der Urheber der Einführung des Schalttages bei den Ägyptern durch das Edikt von Kanopus, das bei Ägypten erwähnt ist.

Er beschränkte sich nicht auf die politische Geschichte, er bevorzugte die Kulturgeschichte, Philosophen, Dichter etc. und hat ein eigenes Werk: »Ολυμπιονικαι« geschrieben. In der Schrift περι της αρχαίας κωμωδιας. zeigte er sich als feinster Kritiker und wissenschaftlich recht bedeutender Philologe und als Kenner alles dessen, was zur Bühnentechnik gehört, auch gibt er eine Menge geschichtlicher Notizen z. B. über Einrichtung bei den Olympischen und anderen Spielen. Übrigens war er auch selbst kein unbedeutender Dichter, vide E. Hiller, Er. carminum reliquiae Leipzig 1872.

Würfelverdopplung.

Von seinen mathematischen Werken ist nur wenig erhalten, das meiste in dem schon erwähnten Brief an den Ptolemaios III über die Würfelverdoppelung im Kommentar des Eutokios zu περι σφαιρας etc. Heiberg, Arch. p. III S. 102–114.

Nach dem historischen Bericht gibt Eratosthenes seine eigene Lösung mittelst eines Instruments das nach Pappos und Vitruv »Mesolabos« (von den mittleren Proportionalen) hiess. Es bestand aus drei massiven kongruenten Rechtecken, welche zwischen zwei mit je drei Nuten versehenen Linealen übereinander geschoben werden konnten.

Die Anfangslage ist bei Eutokios die der Figur. War nun ΑΕ die grössere ΔΘ die kleinere Strecke, so musste man die Rechtecke so verschieben, dass das erste einen Teil des zweiten, dieses einen Teil des dritten verbarg, und zwar so, dass die Linie ΑΔ durch die Punkte Β und Γ ging, an denen die Diagonalen sichtbar wurden; siehe Figur. ΒΖ und ΓΗ sind dann die mittleren Proportionalen, da ΑΖ, ΒΗ, ΓΘ einander parallel sind.

Der Brief ist von E. Hiller angezweifelt, insbesondere erklärt er das Epigramm am Schluss für zweifelsohne unecht. Aber Proklos hat p. 111 Z. 23 den Vers von den Menächmischen Triaden zitiert und das Missverständnis des »ολιγου« im ersten Vers wirft auf den Scharfsinn des Herausgebers kein günstiges Licht. Die von Ambros Sturm l. c. angeführte Begründung Hillers ist sehr schwach, noch dazu gegenüber Eutokios und Proklos und Heiberg fertigt sie mit den Worten »nulla idonea causa adlata« ab.

Auf diesem allerdings mechanischen Wege »organica mesolabi ratione« (Vitruv) konnte man wie Eratosthenes selbst angab, beliebig viele Mittlere erhalten, d. h. durch n + 1 Täfelchen die n-Wurzel ziehen.

Verloren ist eine Schrift »über Mittelgrössen« περι μεσοτητων auch »Orte in bezug auf Mittelgrössen, τόποι προς μεσοτητας« genannt, von der wir durch Pappos Kunde haben. Zeuthen vermutet in seinem ausgezeichneten Werke: die Lehre von den Kegelschnitten im Altertum, deutsche Ausgabe 1886, dass es sich, in Ergänzung der harmonischen Polare eines Punktes als Pol für einen gegebenen Kegelschnitt, um die Orte des arithmetischen und geometrischen Mittels der Sehnenschaar des Pols gehandelt habe. Es ist leicht zu zeigen, dass die beiden Orte Kegelschnitte sind, welche dem gegebenen ähnlich sind.

Vielleicht aus einer verlorenen grösseren arithmetischen Schrift ist uns in der Arithmetik des Nikomachos (s. u.) die noch heute gebräuchliche Methode erhalten die Primzahlen unter p »herauszusieben«, die noch heute Sieb (κοσκινον, cribrum) des Eratosthenes heisst. Völlig verloren sind die rein philosophischen Schriften, deren bedeutendste die von Strabon genannte über Gutes und Böses, περι αγαθων και κακων gewesen sein soll, darunter bedauerlicherweise auch die Schrift Πλατωνικός, ein Kommentar zu der Pythagoräischen Kosmologie in Platons Timaeos.

Apollonios von Pergae (vita).

Konika (Kegelschnitte).

Der eigentliche »Aemulus«, der Nebenbuhler des Archimedes im Ruhme der Alten, Apollonios von Pergae in Pamphylien war erheblich jünger als jener, er ist frühestens um 265 unter Ptolemaios Euergetes geboren und hatte seine Blütezeit unter Ptolemaios Philopator. Gestorben ist er gegen 190. Er studierte in Alexandria bei den Schülern des Euklid Mathematik, Hultsch P. III S. 678 oder nach Hultsch ein Scholiar des Pappos sagt: συσχολασας τοις ὑπο Ευκλειδου μαθηταις εν Αλεξανδρεια πλειστον χρονον ὁθεν εσχε και την τοιαυτην ἑξιν ουκ αμαθη. Die ganze nicht gerade geschmackvolle Stelle lautet eigentlich wörtlich: Da er die Schule teilte mit den Schülern des Euklid in Alexandrien sehr lange Zeit, woher er auch ein solches nicht unmathematisches Verhalten hatte. (!) Demnach würde Apollonios ein direkter Schüler des Euklid gewesen sein von mässiger mathematischer Begabung! Aber im eigentlichen Hauptkodex steht nur σχολασας und das heisst mit dem Dativ bei jemanden in die Schule ging, und so ist die lateinische Übersetzung von Hultsch zutreffend, die Konjektur dagegen scheint mir nicht glücklich. Dann lebte er in Pergamon und in Ephesos befreundet mit einem Eudemos, dem er sein grosses Werk über die Kegelschnitte, die »κωνικα« widmete. Eudemos starb aber vor der Vollendung des Werkes und daher gab Apollonios dem vierten Buch einen Widmungsbrief an den König Attalos I. von Pergamon mit, in welchem er den Tod des Eudemos beklagte. Dem Attalos sind dann auch die folgenden Bücher gewidmet. Von dem Werke, das dem Verfasser nach dem Zeugnis des Geminos (Eutokios, Heiberg S. 170) den Beinamen des grossen Mathematikers μεγας γεωμετρης eintrug, sind nur die vier ersten Bücher mit dem Kommentar des Eutokios erhalten, die drei folgenden in arabischer Übersetzung. Das letzte Buch ist verloren, doch haben wir eine Inhaltsangabe bei Pappos, auf Grund derer der durch seinen Komet noch heute viel genannte Halley 1710 eine Rekonstruktion versuchte. Die vier ersten Bücher wurden zuerst von Joh. Baptist Memus schlecht ins Lateinische übersetzt und von seinem Sohn 1537 ediert. Weit besser ist die Übersetzung von Federico Commandino, dessen wir schon bei Euklid und Archimed rühmend gedenken mussten, sie enthielt auch den Kommentar des Eutokios und die Lemmata des Pappos. Ins Arabische wurden die 7 ersten Bücher schon unter Al Mamun, 830 übertragen, aber diese Übersetzung ist bisher nicht aufgefunden. Dagegen kam eine zweite von Abulphat von Ispahan 994 verfasste, im 17. Jh. durch den Leydener Orientalisten und Mathematiker Golius nach Europa, der das Exemplar dem Grossherzog von Toskana verkaufte. Es wurde von dem Orientalisten Abraham v. Echelles in Gemeinschaft mit dem bedeutenden Mathematiker Borelli (s. Euklid) 1671 Lateinisch ediert, und bestätigte glänzend die kurz vorher von Viviani (einer der bedeutendsten Schüler Galileis, der Urheber des »Florentiner« Problems der Quadrierung einer durchbrochenen Kugelkappe) versuchte Restitution des 5. Buches. Der Anfang des 5. Buches, wohl das bedeutendste, ist nach dem Arabischen des mehrfach genannten Thabit ibn Qurrah 1899 von Nix in Leipzig herausgegeben. Die einzigen Griechischen Ausgaben sind die von Halley, Oxford 1710 Folio mit Eutokios und der Divinatio libri octavi und die von Heiberg mit Eutokios Kommentar und Fragmentensammlung Teubner 1890–93. Von besonderer Bedeutung für Apollonios Wertung ist das oben genannte Werk von Zeuthen. Eine freie Bearbeitung der Konika gab H. Balsam, Berlin 1861. Die Kegelschnitte des Apollonios haben die Eigenschaften der Kurven in solcher Vollständigkeit aufgedeckt, dass eigentlich nichts Neues im Laufe der Jahrtausende gefunden ist. Selbst der Satz von Desargues und seine selbstverständliche Anwendung, der Satz von Pascal, sind eigentlich schon bei Apollonios. Involution, Brennpunktseigenschaften, Erzeugung durch projektive Punktreihen, Asymptoten, konjugierte Hyperbel etc., alles findet sich bei ihm. Dass er nun seine Vorgänger, insbesondere Archimedes und Euklid und Aristaios benutzt hat, das ist selbstverständlich, aber es bleibt doch ein gewaltiges Quantum selbständiger Arbeit, und Pappos selbst sagt, dass er die 4 Bücher κωνικα des Euklid stark vermehrt habe (αναπληρωσας και προσθεις) und dann noch die 4 weitem Bücher hinzugefügt habe. Vor allem hat Apollonios zuerst bewiesen, dass die Triaden des Menaichmos aus jedem beliebigen Kegel 2. Grades herausgeschnitten werden können. Er hat die vollständige Hyperbel d. h. beide Äste in welche sie zerfällt betrachtet, er hat die Kurven aus den Bestimmungsstücken konstruiert, nachdem schon Euklid die ebene Konstruktion aus Leitlinien und Brennpunkten gekannt hatte. Für Genaueres, insbesondere auch die Werke des Aristaios, verweise ich auf Zeuthens mehrfach zitiertes Werk über die Kegelschnitte im Altertum; nur die Vorrede mochte ich Ihnen nicht vorenthalten.

Apollonios sendet dem Eudemos Grüsse. Es wäre schön wenn es dir körperlich gut ginge und alles übrige nach Wunsch stände. Mir selbst geht es ja auch ziemlich. Als wir seinerzeit in Pergamos beisammen waren, bemerkte ich, dass du dich lebhaft für meine Arbeiten über die Kegelschnitte interessiertest. Ich schicke dir nun das völlig richtig gestellte erste Buch; das übrige werde ich senden, sobald es mich befriedigt haben wird. Ich glaube aber du erinnerst dich noch wohl von mir gehört zu haben, weshalb ich diese Arbeit unternahm. Naukrates der Geometer hatte mich dazu aufgefordert, als er bei mir während seines Aufenthalts in Alexandria weilte und deswegen gab ich sie ihm, in 8 Büchern behandelt, von dort aus mit, und weil er im Einschiffen begriffen war, konnte ich sie nicht sorgfältig bereinigen, sondern schrieb alles gerade so hin wie es mir unterlief, indem ich mir eine letzte Durcharbeitung vorbehielt. Und da ich jetzt dazu Zeit gefunden, so gebe ich was eben ganz richtig gestellt ist, heraus. Da es sich aber traf, dass auch einige andere meiner Genossen vom ersten und zweiten Buch vor der Verbesserung Kenntnis gewonnen haben, so wundere dich, bitte, nicht, wenn dir abweichende Fassungen begegnen.

Von den 8 Büchern fiel den vier ersten die Einführung in die Elemente zu. Es enthält aber das erste Buch die Erzeugung der 3 Schnitte und der gegenüberliegenden sowie deren Grundeigenschaften vollständiger und umfassender ausgearbeitet im Vergleich mit den früheren Bearbeitungen. Und das zweite enthält die Eigenschaften der Durchmesser, Axen, Asymptoten und anderes, was zum Gebrauch für die Konstruktionsbedingungen nötig und hinreichend ist. Was ich unter Durchmesser und Axe verstehe, wirst du aus diesem Buche ersehen.

Das dritte Buch enthält viele und auffallende Sätze, welche brauchbar sind für die Konstruktionen der körperlichen Orte und für die Existenzbedingungen, von denen die meisten und schönsten neu sind. Und nachdem ich sie ersonnen hatte, sah ich ein, dass von Euklid der Ort zu drei und vier geraden Linien nicht aufgestellt sei, sondern nur ein zufälliger Teil desselben und auch dieser nicht gerade gut getroffen. Es ist auch gar nicht möglich ohne die von mir gefundenen Sätze die Synthesis durchzuführen. Das 4. Buch gibt an, auf wie vielerlei Art die Kegelschnitte mit einander und der Peripherie des Kreises zusammentreffen, und anderes darüber hinaus, worüber von meinen Vorgängern nichts geschrieben worden ist, z. B. in wieviel Punkten ein Kegelschnitt und eine Kreislinie zusammentreffen. Der Rest geht noch weit darüber hinaus. Da handelt ein Buch ausführlich über Minima und Maxima, ein anderes über gleiche und ähnliche Kegelschnitte, noch ein anderes über Satze, welche Existenzbedingungen angeben, und das letzte bringt Probleme über Bestimmungen von Kegelschnitten. Und fürwahr, dann erst wenn alles herausgegeben ist, ist es denen die darauf stossen erlaubt es zu beurteilen wie es wohl jeder von ihnen für richtig hält. Gehab dich wohl.

Was zunächst des Aristaios τοποι στερεοι betrifft, so ist nach Zeuthen diese Schrift noch vor des Euklids 4 Bücher κωνικα erschienen, sie behandelte zweifelsohne Aufgaben über geometrische Orte, welche sich als Kegelschnitte herausstellten. Die Alten unterschieden die körperlichen Orte, das sind die Kegelschnitte, von den ebenen Orten, das sind Gerade und Kreis, und später noch die linearen Orte, zu denen alle andern und auch die Raumkurven gehörten. Hiervon verschieden sind die 2 verlorenen Bücher des Euklid die τοποι προς επιφανειαν, das sind Flächen als geometrische Orte.

Apollonios, Ort zu 3 und 4 Geraden.

Sodann der Ort zu 3 und 4 Geraden. Man nennt ihn gewöhnlich nach Pappos die Pappos'sche Aufgabe. Es handelt sich im allgemeinen Falle um den Ort der Punkte, deren Abstände in gegebener Richtung gemessen von vier gegebenen Geraden der Gleichung genügen xy/zu = c. Dabei werden die Linien x = 0, z = 0, und y = 0, u = 0 als gegenüberliegend bezeichnet. Apollonios hat die Aufgabe vollständig gelöst und den Nachweis, dass der Ort ein Kegelschnitt ist, direkt geführt. Für das Nähere, den Zusammenhang mit der projektiven Geometrie, Newtons Wiederherstellung der Apollonischen Lösung etc. verweise ich auf Zeuthen bezw. auf meine analytische Geometrie in der Sammlung Schubert. Soviel steht fest, so unberechtigt es ist, von einer Erfindung der Differentialrechnung durch einen der Neueren, es sei nun Galilei, Fermat, Leibniz oder Newton zu sprechen, angesichts der Werke des Archimedes, so unberechtigt ist es auch, den Alten angesichts der Werke des Archimedes und des Apollonios die analytische Geometrie abzusprechen. Apollonios hat nicht nur Koordinaten, sondern auch Koordinatentransformation und Archimedes analytische Geometrie dreier Dimensionen.

Apollonios, Verhältnisschnitt.

Auch die andern geometrischen Schriften des Apollonios hängen eng mit der Theorie der Kegelschnitte zusammen. Da kommen zunächst die beiden Schriften: De sectione rationis, die αποτομη του λογου, der Verhältnisschnitt, und De sectione spatii die αποτομη του χωριου, der Flächenschnitt. Die 2 Bücher der ersten Schrift sind nach einer arabischen Handschrift, welche der Prof. Bernard in Oxford gefunden, 1706 von E. Halley herausgegeben. Die Aufgabe besteht darin, durch einen Punkt P (s. Fig.) eine Linie so zu ziehen, dass sie auf zwei gegebenen Linien L und L 1 von zwei gegebenen Punkten A und A 1 aus Strecken AM und A 1 M 1 abschneidet, welche in einem gegebenen Verhältnis stehen. Die Aufgabe wird im zweiten Buch auf den im ersten behandelten speziellen Fall zurückgeführt, wo A 1 mit dem Schnittpunkt A 1 1 der beiden Geraden zusammenfällt. Diese Aufgabe wird gelöst durch Ziehen der Parallelen PB zu A 1 M 1 und desgleichen durch den Schnittpunkt A 1 1 von L und PA 1, welche PMM 1 in M 1 1 schneidet und Annahme eines Hilfspunktes C auf L, der so gelegen, dass BPAC = A 1 1 M 1 1AM = λ, dann folgt durch Umstellung AMAC = A 1 1 M 1 1BP = A 1 1 MBM — und durch Subtraktion: BM · MC = BA 1 1 · AC = gegebener Fläche.

Sectio spatii und determinata (Involution).

Die Aufgabe ist, wie man leicht sieht, identisch mit der Aufgabe: von einem gegebenen Punkt aus an eine durch zwei Tangenten und deren Berührungspunkte gegebene Parabel die Tangenten zu ziehen (Simon, Parabel 1878). Das 3. Buch Satz 41 handelt von der Parabeltangente, Satz 42 und 43 von den entsprechenden Aufgaben: Von einem gegebenen Punkte aus an eine durch konjugierte Durchmesser gegebene Ellipse oder Hyperbel die Tangenten zu ziehen und zeigt, dass dies spezielle Fälle der Aufgabe sind von einem gegebenen Punkt P eine Gerade zu ziehen, welche auf 2 gegebenen Geraden von gegebenen Punkten aus Strecken abschneidet, deren Rechteck gegeben ist. Diese Aufgabe hat Apollonios in den beiden Büchern der Schrift de sectione spatii behandelt, welche Halley nach der Inhaltsangabe bei Pappos und der Angabe ihrer Übereinstimmung mit der ersten Schrift in der Form gleichzeitig rekonstruiert hat. Zu diesen beiden Schriften gesellt sich als dritte die von Rob. Simson nach Pappos wiederhergestellte de sectione determinata, της διωρισμενης τομης βιβλια β, über den involutorischen Schnitt. Wenn ABCD gegebene Punkte einer Geraden l sind, soll ein Punkt P auf l so bestimmt werden, dass AP . CPBP . DP = λ ist d. h. also die Theorie der Involution, welche er wie wir mittelst der Theorie des Kreisbüschels und der Zentrale des Büschels gelöst hat; und er hat sie benutzt um den Schnitt einer Geraden mit einem durch 5 Punkte gegebenen Kegelschnitt zu bestimmen. Die Halley'schen und die Simson'sche Bearbeitungen sind frei wiedergegeben von Ad. Diesterweg, ganz besonders lesenswert ist das Programm des um die Elementarmathematik hochverdienten v. Lühmann, weiland Subrektor zu Königsberg in der Neumark, von 1882: die Sectio rationis, sectio spatii und sectio determinata des Apollonios.

Taktionsproblem.

Es geht aus diesen Schriften hervor, dass Apollonios die Erzeugung der Kegelschnitte als Enveloppe der Verbindungsgeraden zweier projektiven Punktreihen kannte, die sich erst wieder findet in Newtons principien lib. I L. 25. Die Brennpunktseigenschaften und die Konstruktionen bei gegebenem Brennpunkt haben dann, wie Zeuthen hervorhebt, Apollonios auf die Beschäftigung mit dem nach ihm genannten Taktionsproblem geführt. Ist doch schon die Aufgabe, den Schnitt einer Geraden mit einer durch Leitlinie und Brennpunkt gegebenen Parabel zu bestimmen identisch mit der Aufgabe, einen Kreis zu konstruieren, der durch zwei gegebene Punkte geht und eine gegebene Gerade berührt, also zwei 0-Kreise und einen unendlich grossen. Nach Pappos, Hultsch S. 848 hat Apollonios die Lösung auf den Spezialfall des Castillon'schen Problemes zurückgeführt, in dem alle 3 gegebenen Punkte auf derselben Graden liegen. Die Geschichte des Taktionsproblems siehe Simon, Entwicklung der Elem. Geom. Das Problem selbst gehört heute zur eisernen Ration der Gymnasiasten, mit den Lösungen aus Fr. Vietas Apollonius Gallus, und zugleich hat Apollonios sich in der Schrift περι πυριου über Brennspiegel, der Brennpunktseigenschaften der Umdrehungsflächen 2. Grades bedient. Zeuthen vermutet, und ich glaube mit Recht, dass der Parabolische Spiegel, der praktisch wichtigste, schon von Archimedes erfunden sei und dass die Sage, er habe mit Brennspiegeln die Römische Flotte verbrannt, hier ihren Ursprung habe.

Ausserdem hat Apollonios auch eine Schrift geschrieben περι νευσεων. »Über Einschiebungen auf mechanischem Wege«, dadurch dass ein Lineal oder ein Streifen meist von gegebener Strecke so bewegt wird — häufig durch Drehung der zu ihr gehörigen Geraden um einen festen Punkt — dass sie zwischen zwei gegebene Linien fällt. Die Neusis galt sowohl den ältern Mathematikern als auch dem Archimedes, der sich ihrer bei der Arbeit über die Spirale wie überhaupt zur Winkeldrittelung bedient hat, als auch dem Apollonios und überhaupt den angewandten Mathematikern für ein durchaus erlaubtes Hilfsmittel, wie sie ja auch Newton gebilligt hat, erst die Neuplatoniker strikter Observanz wie Pappos missbilligten sie und ersetzten sie durch Kegelschnitte, was stets möglich, sobald die gegebenen Linien den zweiten Grad nicht übersteigen. Die Schrift des Apollonios ist nach Pappos wiederhergestellt von dem Ragusischen Patrizier Marino Ghetaldi 1607.

Würfelverdoppelung.

Sie enthielt vielleicht die von Eutokios l. c. mitgeteilte Würfelverdoppelung auf welche Pappus I p. 56 hingewiesen hat (Heiberg 3, p. 78.) Es sei aus den beiden gegebenen Strecken ΑΒ und ΑΓ das Rechteck ΑΒΘΓ konstruiert, dann ist die Gleichung des ihm umgeschriebenen Kreises wenn ΑΓ = a und ΑΒ = b gesetzt wird x2 - ax + y2 - by = 0, oder (x - a) : (b - y) = y : x. Die Gleichung einer Hyperbel, welche durch Θ geht und ΑΒ und ΑΓ zu Asymptoten hat, ist aber xy = ab also haben wir für den zweiten Schnittpunkt M nach leichter Rechnung a : x = x : y = y : b. Zur Konstruktion des Schnittpunkts M benutzt Apollonios den Umstand, dass die Abschnitte einer Hyperbelsehne zwischen Asymptote und Kurve gleich sind, und dass die Kreissehne vom Mittelpunktslote halbiert wird. Es braucht also nur ein Lineal so um Θ gedreht werden, dass die Punkte Δ und Ε in denen es die Axen schneidet vom Zentrum des Rechtecks gleich weit entfernt sind. S. Fig. unten.

In einer verlorenen Schrift περι κοχλιου hat Apollonios sich mit der Schraubenlinie auf dem Cylinder beschäftigt.

Der »grosse Geometer« hat sich aber auch mit den einfachsten Elementen der Geometrie beschäftigt, wie wir schon bei Euklid erwähnt haben, u. a. danken wir ihm die Halbierung der Strecke mit den beiden gleichen Kreisen um die Endpunkte, Proklos Friedl. S. 276: »Απολλωνιος δε ὁ Περγαιος τεμνει την δοθεισαν ευθειαν πεπερασμενην διχα τουτον τον τροπον.«

Apollonios, Arithmetische Schriften.

Auch auf arithmetischem Gebiete hat der Pergaier Grosses geleistet. Eutokios erzählt Heib. 3 S. 300: Man soll auch wissen, dass Apollonios der Pergaier in seinem Okytokion (Schnellgeburt, Schnellrechner) dasselbe durch andere Zahlen gezeigt hat, die einander noch näher kommen, d. h. er hat die Zahl π in noch engere Grenzen als Archimedes eingeschlossen. Ob der Okytokion dieselbe Schrift war, von der Pappos im 2. Buch grosse Stücke uns aufbewahrt hat, wird von den besten Kennern, von Nesselmann und Hultsch stark bezweifelt, doch spricht der Titel eigentlich dafür. Auch jene zweite Schrift hat im wesentlichen die Abkürzung des Algorithmus insbesondere der Multiplikation zum Gegenstande. Die Schrift schloss an den Sandzähler des Archimedes an, nur dass Apollonios statt der Oktaden die den Griechen geläufigen Tetraden, die Myriaden, setzte, die er als erste, zweite, dritte u. s. w. bezeichnete, die er durch Μβ, Μγ etc. bezeichnet und deren Ordnungsziffer er durch Division mit 4 bestimmte. So ist z. B, 4444444444444 = 4 . 1012 + 4 . 1011 + .. = Μγ υμδ και Μβδ1 υμδ και Μαδ1 υμδ. Auf Grund seiner Ordnungszahlen lieferte er dann ein Verfahren zur Multiplikation, das im Grunde das unsrige ist; die Ordnungszahlen werden addiert und die Πυθμενες, d. h. unsere Einerziffer, die aber hier aus dem Tableau von α bis ϡ genommen werden konnten, multipliziert. Auch Apollonios, und er fast noch mehr als Archimedes, hat die Grundgedanken des Positionssystemes, und wie R. Baltzer in seinem Brief an Hultsch auf den ich noch zurückkommen werde, sehr richtig bemerkt, sind beide an Buchstabenrechnung und Dezimalrechnung nur dadurch gehindert worden, dass die Hellenen von den Kanaanäern die Buchstaben als Zahlzeichen übernommen hatten. Die aller Wahrscheinlichkeit nach bedeutendste Leistung des Apollonios auf arithmetischem Gebiete ist leider bis dato nur ganz fragmentarisch erhalten, sie war vermutlich Pappos entweder selbst zu schwierig oder schien ihm auf einen zu geringen Interessenkreis rechnen zu können. Die Schrift war eine Weiterführung der Theorie der Irrationalzahlen, wie sie für quadratische und biquadratische durch das X. Buch des Euklid gegeben war. Aus einem Kommentar zum X. Buch, von dem F. Woepcke eine Arabische Übersetzung durch Abu Ottmân den Damascener aufgefunden hat und von dem er die auf Apollonios bezüglichen Stellen Arabisch und Französisch herausgegeben hat, geht hervor, dass dieser in die Theorie der algebraischen Zahlen, soweit sie durch Radicale darstellbar sind, sehr tief eingedrungen war. Den Kommentar selbst vindiziert Woepcke dem Griechisch schreibenden Römer Vettius Valens (5. Jh. n. Chr.) und die Übersetzung würde etwa ins 9. Jh. fallen.

Apollonios als Astronom.

Ob Apollonius mit dem unter dem Namen Epsilon berühmten zeitgenössischen Astronomen, der sich besonders mit der Mondtheorie beschäftigt hat, identisch ist, ist nicht unwahrscheinlich, aber steht nicht fest. Dass der grosse Geometer ein hervorragender Astronom war, wissen wir aus Ptolemaios megale syntaxis XII, 1, wo er den Stillstand und die Rückläufigkeit der Planeten mit der Theorie der Epizyklen mathematisch ableitet und dabei eine Maximumsaufgabe löst, welche den grossen Leistungen des 5. Buches der Konika nicht nachsteht.

Elementarmathematik.

Noch ist für seine Leistungen auf dem Gebiete der Elementarmathematik nachzuholen, dass der Satz X des sogen. 14. Buches der Elemente des Euklid: »Die Volumina des derselben Kugel eingeschriebenen regulären Ikosaëders und Dodekaëders verhalten sich wie die Oberflächen,« von ihm herrührt, laut der Vorrede des Verfassers des 14. Buches, des Hypsikles. Hypsikles knüpfte daran die Folgerung, dass die Umkreise der Seitenflächen beider Körper gleich sind.

Mit Eudoxos, Archimedes und Apollonios hat die reine Mathematik der Griechen ihren Höhepunkt erreicht, die Theorie des Irrationalen und des Kontinuums, die Prinzipien der Infinitesimalrechnung, die analytische Geometrie, die rechnende und projektive Geometrie, sind geschaffen und neue Methoden, die auf allgemeine Problemklassen anwendbar sind, treten nicht mehr auf. Der eben erwähnte Hypsikles schliesst sich wohl unmittelbar an Apollonios an, M. Cantor setzt das 14. Buch um 180 an, er war ein tüchtiger Mathematiker, der auch noch eine uns erhaltene Schrift über die Aufgänge der Gestirne, im Anschluss an Autolykos und Euklid geschrieben hat. Sie ist vergl. M. Cantor I p. 344 dadurch merkwürdig, dass sich in ihr zum ersten Male auf Hellenischem Boden die babylonische Teilung des Kreises in dreihundertsechzig Grade findet. Auch auf arithmetischem Gebiete haben wir Hypsikles als Vorgänger des Nikomachos (s. u.) für die Theorie der figurierten Zahlen zu erwähnen.

Die theoretische Mathematik sinkt nun im 2. Jahrh. langsam von ihrer Höhe oder richtiger das Interesse der bedeutenden Geister wendet sich den angewandten Disziplinen zu; Astronomie und in ihrem Gefolge die Trigonometrie, Mechanik, Medizin etc. nehmen ihre Stelle ein. Dazu kam für Hellas das Anwachsen der bildungsfeindlichen römischen Macht und für Alexandrien das mörderische Regiment des Ptolemaios VII. Physcōn (Schmerbauch, auch Euergetes II.) 141–116, der nach Ermordung seines Neffen Eupator sich des Thrones bemächtigt hatte und die bedeutendsten Gelehrten und Künstler von Alexandria vertrieb. Da nun der Unterricht im wesentlichen auf dem Vortrag im Kolleg beruhte — Archimedes und Apollonios hatten gewissermassen nur zufällig an ihre auswärtigen Freunde Schriftstücke gerichtet — so machte sich jetzt der Mangel an Büchern und damit an einer festen Formelsprache geltend und man kann annehmen, dass schon im Laufe des Jahrhunderts manches von den Leistungen der Heroen verloren ging. Das Entscheidende sind wohl die Brände der Alexandrinischen Bibliothek unter Cäsar und vor allem in den wüsten Emeuten des fanatischen Mönchpöbels und seiner würdigen Patriarchen. Die Sage von der Vernichtung der grossen Bibliothek durch Omar gehört zu den böswilligsten Fälschungen der Weltgeschichte. Auch die grosse Bibliothek von Pergamon, das sich zur Konkurrenzstadt Alexandriens unter Attalos und Eumenes entwickelt hatte, ging verloren, nachdem sie Antonius an Kleopatra geschenkt hatte.

Nikomedes.

Die Konchoide.

Dort in Pergamon war vermutlich wenn nicht die Wiege, so doch das Domizil des Nikomedes, den M. Cantor vorsichtig ins 2. Jahrh. verweist, während P. Tannery ihn nicht ohne triftigen Grund zwischen Eratosthenes und Apollonios einschiebt. Dass er der Erfinder der Konchoide, der Muschellinie gewesen, unterliegt keinem Zweifel, Proklos sagt Friedlein S. 272 im Anschluss an die Winkelhalbierung bei Euklid: Nikomedes drittelte mit der Konchoide, deren Erzeugung, Gestalt und Eigenschaften er überlieferte, jeden geradlinigen Winkel, und er selbst war es der ihre Eigenart gefunden hat. Pappos und Eutokios haben ihre Anwendung zur Lösung des (ersten) Delischen Problemes durch Nikomedes ausdrücklich bezeugt, und da sie genau übereinstimmen, so ist es sicher, dass die Lösung sowohl wie ihr Beweis ganz auf das Konto des Nikomedes zu setzen ist. In der Stelle Hultsch 246 oben nimmt Pappos die Winkeldrittelung durch die Konchoide nicht für sich in Anspruch, er sagt nur, dass er die Kurve dabei gebraucht habe, dagegen sagt er 246 unten (§ 42) ganz bestimmt er habe zur Konstruktion des Nikomedes für die Würfelverdoppelung den Beweis geliefert, was der Angabe des Eutokios widerspricht. Dass Nikomedes sich des Zusammenhangs beider Probleme, die er mit der einen Kurve löste, klar bewusst war, scheint mir völlig sicher, es entspricht das dem ganzen historischen Gange der Griechischen Mathematik. Nikomedes kannte die Winkeldrittelung des Archimedes durch die Neusis, die Einschiebung, und wie dem Archimedes der Zusammenhang zwischen der Kugeldrittelung und der Winkeldrittelung nicht hat entgehen können, so hat auch Nikomedes gesehen, dass es sich bei Würfelverdoppelung und Trisektion um Probleme 3. Grades handelte.

Trisektion.

Die Kurve selbst ist eine ebene Kurve, sie wird erzeugt durch Drehung einer Geraden um einen festen Punkt, so dass sie eine gegebene Leitlinie schneidet und beschrieben durch einen Punkt Κ der sich drehenden Geraden, der von dem Schnittpunkt Ε einen unveränderlichen Abstand hat. Nikomedes hat das abgebildete einfache Instrument zur mechanischen Erzeugung angegeben, es besteht aus einem Richtscheit, in dessen horizontalem Lineal ein Schlitz in der Mitte ist, während das vertikale den Pol durch einen Nagel angibt. Ein drittes Lineal ist fest mit den beiden verbunden und hat in Ε einen Zapfen der in dem Schlitz des zweiten Lineals gleitet, während ΕΚ der gegebene Abstand ist. Legt man die x-Axe durch den Pol Δ nennt den Abstand b und den Abstand des Pols vom horizontalen Lineal a so ist die Gleichung der Kurve r : b = y : (y - a), also quadriert und multipliziert (x2 + y2)(y - a)2 = b2y2. Die Kurve ist also vom 4. Grade, geht durch die imaginären Kreispunkte im Unendlichen, und hat in Δ einen Doppelpunkt. Die vollständige Kurve, welche Nikomedes auch betrachtet zu haben scheint, da er die hier konstruierte als erste Konchoide bezeichnete, besteht aus der oberhalb der Axe und der unterhalb der Axe beschriebenen. Ausser den in Wölffings so höchst dankenswerter Bibliographie angegebenen Monographien verweise ich auf G. de Longchamps cours de Math. spec. und auf das Journal von Bourget.

Nikomedes hat gezeigt, dass ΑΒ eine Asymptote ist, und dass jede Gerade zwischen ΑΒ und der Kurve diese schneidet, Eutokios, Heiberg Archim. 3 S. 118 und 120 findet sich der Beweis, während Pappos l. c. nur die Tatsache angibt.

Trisektionen bei Montucla.

Die Anwendung zur Winkeldrittelung ist uns von Pappos p. 275 überliefert, sie ist, wie Montucla in der noch heute lesenswerten Histoire des recherches sur la quadrature du cercle Nouv. Edition (par Lacroix) 1831 p. 240 sagt, fast selbstverständlich, und stimmt im Prinzip mit der des Archimedes überein.

Ist αβγ (s. Figur) der gegebene Winkel, so ist nur nötig, von β als Pol aus eine Strecke δε zwischen αγ und der verlängerte ζα so einzuschieben, dass δε gleich 2αβ ist, dann ist εβγ = 1/3αβγ. Man findet also ε durch den Schnitt von ζα mit der Konchoide, deren Pol β, deren Axe αγ und deren Abstand 2αβ ist.

Montucla gibt l. c. 243 an, dass auch die Konstruktion des Archimedes mittelst der Konchoide gelöst werden kann, nur muss ihr Zweig unter der Axe benutzt werden. Ist ABC der gegebene Winkel, (Figur) so beschreibt man mit C als Pol, BA als Axe und BC als Abstand die 2 (untere) Konchoide, welche den Kreis um B mit BC in D schneidet, so ist DBE = 1/3 CBA.

Montucla gibt auch den Hinweis auf den Appendix Newtons zur Arithmetica universalis, der so recht deutlich zeigt, wie innig Newton mit der hellenischen Geometrie vertraut war. Nachdem Vieta (Oper. ed. van Schooten 1615) gezeigt hatte, dass die Gleichung dritten Grades sich auf die Würfelvervielfältigung und die Trisektionsgleichung zurückführen lasse, hat Newton l. c. für alle Arten gemischter kubischer Gleichungen den zu trisezierenden Winkel und die Lage des Pols und die Grösse des Abstands angegeben (berechnet). Er hat ausgesprochen, dass zur Lösung von Gleichungen dritten Grades die Konchoide des Nikomedes das bequemste Mittel ist; dass dieser sich des Vorzugs seiner leicht konstruierbaren Kurve vor der Probiermethode des Eratosthenes voll bewusst war, kann man bei Eutokios nachlesen.

Würfelverdopplung nach Nikomedes.

Schwieriger gestaltet sich die Anwendung der Kurve für die Würfelverdoppelung, die Lösung der reinen kubischen Gleichung oder die Auffindung der beiden Mittleren. Eutokios beginnt den Bericht also:

Nachdem dies bewiesen (nämlich dass ΑΒ Asymptote, das Wort fehlt, was auch für höheres Alter als Apollonios spricht, etc.) seien die gegebenen Strecken ΑΔ und ΓΛ senkrecht aufeinander, zu denen es den beiden kontinuierlich proportionalen (δυο μεσας αναλογον κατα το συνεχες) zu finden gilt. Mache das Rechteck ΑΒΓΔ fertig, halbiere ΑΒ in Δ und ΒΓ in Ε. Verlängere ΛΔ und ΓΒ bis sie sich in Η schneiden, errichte in Ε auf ΒΓ die senkrechte ΕΖ, mache ΓΖ gleich ΑΔ und verbinde Ζ mit Η und ziehe zu ihr parallel ΓΘ. Und nun konstruiere man die Konchoide von Ζ als Pol, ΓΘ als Leitlinie und ΔΑ = ΓΖ als Abstand, welche ΗΓ in Κ schneidet, ziehe ΚΛ, schneidet ΒΑ in Μ so behaupte ich, dass ΓΛ : ΚΓ = ΚΓ : ΜΑ = ΜΑ : ΑΛ ist.

Die Pointe ist, dass ΘΖ gleich ΜΑ ist. Sei ΜΑ = x und ΚΓ = y, ΑΛ = a und ΓΛ = b so ist x : a = b : y, und ΖΘ : (1/2 b) = 2a : y also ΖΘ : a = b : y also ΖΘ = x, ferner weil ΖΕΓ und ΖΕΚ rechtwinklige Dreiecke mit der gemeinsamen Kathete ΕΖ, so ist (x + 1/2 b)2 - (y + 1/2 a)2 = (b2)2 - (a2)2 oder x(x + b) = y(y + a), xy = y + ax + b = ΒΚΜΒ = ΓΚΓΔ. Die Lösung des Nikomedes ist von Newton l. c. wesentlich vereinfacht worden. Die Konchoide auf zirkulärer Basis ist von Roberval Limaçon de Pascal, Pascalsche Schnecke, genannt worden, sie ist vielfach im Journ. élém. (v. Bourget) behandelt worden.

Diokles: Kissoide.

Würfelverdopplung mit Kissoide.

Mit Nikomedes wird stets, infolge des Kommentars des Eutokios, Diokles genannt, von dessen Lebensführung uns zwar so gut wie nichts bekannt ist, der aber nach seiner Kugelteilung welche Eutokios, Heib. 3, S. 188 ff. mitteilt, und ebenfalls nach seiner Lösung der Würfelverdoppelung, ib. S. 78, ein sehr achtbarer Geometer gewesen ist. Nach dem gedanklichen Inhalt der beiden Fragmente aus seiner Schrift περι πυρ(ε)ιων halte ich ihn für ziemlich gleichzeitig mit Nikomedes und für nur wenig jünger als Apollonios. Das Fragment über die Kugelteilung enthält zwar schon die Apollonischen Benennungen Ellipse, Hyperbel, Asymptote, aber es ist sicher von Eutokios überarbeitet, der wie Heiberg S. 207 anmerkt, die Konstruktion der Hyperbel, wenn die Asymptoten und ein Punkt gegeben worden sind »de suo« hinzufügte. Das Problem der Würfelverdoppelung löste Diokles mittelst der Kissoide, die er wie folgt konstruierte. Man zeichne einen Kreis um M, den Leitkreis, mit Radius r, ziehe darin den Durchmesser SS' gleich d. Ziehe BC und B'C' senkrecht zu SS' und symmetrisch zu M. Ziehe SB' welche BC in P schneidet, so ist die Kurve der Ort des Punktes P wenn B'C' sich von S' nach S bewegt (die allgemeine Kurve entsteht: wenn man A'B' sich unbegrenzt in der Richtung S'S und daher AB von S nach S' zu bewegen lässt). Nimmt man als 0-Punkt S und als + x-Axe den Strahl SS', zieht AC und nennt es z, so ergeben die elementarsten Sätze die Proportion (d - x) : z = z : x = x : y d. h. x und z sind zwischen d - x und y die Mesoteten. Will man nun zwischen a und b die mittleren einschalten, so braucht man der Symmetrie wegen nur auf dem zu SS' senkrechten Durchmesser einen Punkt K so zu bestimmen, dass S'M : MK = a : b ist und S'K auszuziehen, bis es die Kissoide in P schneidet, so ist nur noch d - x und y proportional in a und b zu verwandeln.

Da aus dem grundlegenden Streifensatz folgt, dass SP = B'D' ist (entsprechende Querstrecken), so lässt sich die Kurve auch bequemer so erzeugen, dass man von S aus nach allen Punkten des Leitkreises die Strahlen zieht und das Stück zwischen der festen Tangente in S' und dem Kreise von S aus auf den Leitstrahlen bis P abträgt.

Newton'sche Erzeugung.

Aus der ersten Erzeugung durch Diokles lässt sich ebenso elementar (vgl. a. Samml. Göschen 65 p. 148) die mechanische Herstellung der Kurve von Newton (l. c.) ableiten, welche Montucla l. c. S. 139 beschreibt. Er bedarf dazu nur noch eines Richtscheites, dessen einer Schenkel d ist, Endpunkt B″, und der in der Mitte einen Stift P hat. Dreht man das Richtscheit um den Pol M', so auf SS' gewählt, dass M'S = r ist, so dass B″ auf dem konjugierten Durchmesser zu SS' gleitet, so beschreibt P die Kissoide.

Diokles.

Zenodoros.

Isoperimetrie.

Die Kurve hat die Gleichung (x2 + y2)x = dy2, ist also eine Kurve 3. Grades, geht auch durch die beiden unendlich fernen imaginären Kreispunkte, hat die Kreistangenten S' zur Asymptote, ist Fusspunktenkurve, Rollkurve, durch reciproke Radien transformierte der Parabel. Sie ist elementar behandelt l. c., auch vielfach im Journal de Math. spec. Dass die Kurve in S eine Spitze hat wusste schon Proklos, der die Kurve viel erwähnt, Friedl. S. 126 sagt: »ὁταν δε αι κισσοειδεις γραμμαι συννευουσαι προς ἑν σημειον, ὡσπερ τα του κισσου φυλλα — και γαρ την επωνυμιαν εκειθεν εσχον — ποιωσιν γωνιαν«. Wenn die Kissoidenlinien sich nach einem Punkt zu neigen, wie die Blätter des Efeu — und sie hat ja davon ihren Namen — so bilden sie einen Winkel. Sehr auffallend ist, dass Proklos trotz der häufigen Erwähnung der Kurve den Diokles nicht nennt, so wenig wie Pappos, der ihrer zweimal gedenkt. Aber wenigstens bei Proklos ist im Zusammenhang des Textes die Auslassung des Autornamens ganz sachgemäss, S. 111, 6 z. B. wird von der Einteilung der Kurven durch Gemīnos geredet, wobei die Kissoide (Kittoide) nur als Beispiel einer Figur bildenden Kurve erwähnt wird, woraus übrigens hervorgeht, dass Gemīnos schon die Asymptote der Kurve kannte. So liegt kein Grund vor, dass zuverlässige Zeugnis des Eutokios zu bezweifeln. Und dies um so weniger als Pappos auch den Namen des dritten hervorragenden Mathematikers verschweigt, der um 200 anzusetzen ist, den des Zēnodoros, von dessen Lebensumständen nichts weiter feststeht, als dass er nach Archimedes und vor Quintilian gelebt hat, also ein Spielraum von fast 400 Jahren. Aber Hultsch und Cantor setzen ihn auf Grund seiner Sprache und seines engen Anschluss an den Gedankenkreis des Euklid und Archimedes gewiss mit Recht in die Nähe des Archimedes, vergl. dazu noch W. Schmidt Enestr. 1901 S. 8. Und man kann wohl hinzusetzen, dass der Gegenstand, den er sich zum Vorwurf nahm, auch auf Vorangang des Apollonios schliessen lässt. Mit dem Namen des Zenodoros sind die Probleme, welche wir heute als pars pro toto, isoperimetrische nennen, für immer verknüpft. Er selbst hat zwar seine Schrift, wie Hultsch, Papp. III, 1189 hervorgehoben über Inhalte von gleichen Massen, περι ισομετρων σχηματων genannt, aber man versteht heute unter Isoperimetrie sowohl Untersuchungen über Konfigurationen, die bei gleichen Massen der Begrenzung den grössten Inhalt haben, als diejenigen, welche bei gleichem Inhalte grösste Begrenzung bieten. Es ist jene hochwichtige Problemklasse aus der sich im 18. Jahrh. die Variationsrechnung entwickelte. Die Notiz des Simplicius welche W. Schmidt, Eneström 1901 S. 5 anführt, bezieht sich m. E. nur auf die Kreis- und Kugelmessung durch Archimedes, welcher ja de facto in sehr vielen Fällen den Beweis für die Isoperimetrie des Kreises und der Kugel liefert. Die Schrift selbst ist uns inhaltlich auf dreierlei Art erhalten, a) sowie es scheint, wörtlich, durch den Kommentar des Theon von Alexandrien zum Almagest (Pariser Ausgabe 1821 Halma, 33 ff.), b) freier aber völlig zu a) stimmend durch Pappos, Buch V, S. 308 ff.) c) Abhandlung eines Anonymos über die isoperimetrischen Figuren, welche Hultsch, Papp. III 1138–1165 herausgegeben hat, ebenfalls vielfach wörtlich zu Theons Mitteilung stimmend.

Die Arbeit zerfällt in einen planimetrischen und einen stereometrischen Teil, sie gipfelt in den Sätzen, dass unter allen ebenen Figuren von gleichem Umfange der Kreis den grössten Inhalt hat und unter allen räumlichen Gebilden von gleicher Oberfläche die Kugel das grösste Volumen hat. Dass beide Sätze nicht streng bewiesen sind, braucht kaum bemerkt zu werden, hat doch Jacob Steiner nicht vermocht, den planimetrischen Satz streng zu beweisen, und der Satz über die Isoperimetrie der Kugel ist erst 1884 von H. A. Schwarz mit den Mitteln der höchsten Analysis bewiesen worden.

Der ebene Teil des Werkes ist deutsch bearbeitet von A. Nokk, Programm Freiburg 1860. Nokk hat dort Zenodoros, der bis dahin als Zeitgenosse des Oinopides also auf 500 v. Chr. geschätzt war, als Epigonen des Archimedes erwiesen, auch auf die Bestätigung der Authentizität von Theons Wiedergabe durch Proklos hingewiesen; Friedlein S. 165 Z. 24: εστι γαρ τριγονα τετραπλευρα, καλουμενα παρ' αυτοις ακιδοειδη παρα δε τω Ζηνοδωρω κοιλογωνια. »Es gibt eine dreiwinklige (Figur) mit vier Seiten, von Jenen (Theudios und Euklid?) [Lanzen] spitzenförmig geheissen, vom Zenodoros aber hohlwinklig. Und dieser Ausdruck kommt bei Theon vor. Zu bemerken ist, dass die Winkel auf solche, welche kleiner als der gestreckte, beschränkt waren, d. h. auf solche die im Dreiseit vorkommen konnten und dies noch bei Proklos, der allerdings wie die Neuplatoniker überhaupt, archaistisch ist. Die Figur galt also dem Euklid und Proklos als dreiwinklig, trotz ihrer 4 Ecken und 4 Seiten. Der Ausdruck hohlwinklig ist sehr auffallend, es scheint aus ihm hervorzugehen, dass Zenodoros die Figur schon für vierwinklig ansah und seine Lebenszeit würde dadurch noch herabgedrückt werden, wenn es nicht wahrscheinlicher wäre, dass ein literarisch so gebildeter Autor wie Proklos den Ausdruck eben aus Theons Kommentar entlehnt hat; wodurch dann wieder sein Zeugnis für die Echtheit von Theons Wiedergabe entkräftet würde.

Zenodoros' Satz: Der Kreis ist grösser als das isoperimetrische regelmässige Vieleck.

Als Probe gebe ich Ihnen den Beweis des zweiten Satzes nach Nokk. Wenn ein reguläres Polygon mit einem Kreise gleichen Umfang hat, so hat der Kreis den grösseren Flächeninhalt.

Der Kreis sei ABG, das reguläre Polygon von gleichem Umfange DEZ. Das Zentrum des Kreises sei H, das des Polygons sei T, man beschreibe um den Kreis H das dem Polygon DEZ ähnliche, (Fig.). Verbinde H mit B, fälle von T auf EZ das Lot TN und ziehe HL und TE. »Da nun der Umfang des Vielecks KLM grösser ist als der Umfang des Kreises ABG, wie es vom Archimedes in seiner Schrift über Kugel und Cylinder unterstellt wird, der Umfang des Kreises ABG aber, dem des Vielecks DEZ gleich ist, so ist auch der Umfang des Vielecks KLM grösser als der von DEZ. Allein die Vielecke sind ähnlich, mithin BL grösser als NE und HB > NT. Also das Rechteck aus dem Umfang des Kreises und HB > als das Rechteck aus dem Umfang des Vielecks und NT. Allein das erste Rechteck ist »wie Archimedes gezeigt hat« das doppelte der Kreisfläche und das zweite das doppelte der Fläche des Polygon und somit der Satz bewiesen (allerdings mit Hilfe des Axiom: Archimedes Kugel und Cylinder Annahme 2).

Hipparch von Rhodos.

In diese Epoche der durch Archimedes, Eratosthenes und Apollonios herbeigeführten Erweiterung des mathematisch-physikalischen Gesichtskreises der Hellenen, fällt auch der grösste Beobachter des Himmels unter den Hellenen, Hipparch von Nicaea oder auch von Rhodos. Hipparch ist allerdings beim geozentrischen Weltsystem stehen geblieben, obwohl kurz vorher Seleukos, der Kopernikus des Altertums wie ihn Susemihl nennt, das Weltsystem des Aristarch von Samos, dessen wir beim Psammites gedachten, auf wirkliche Beweise stützte. Seleukos hat auch als der erste auf den Einfluss des Mondes für Ebbe und Flut hingewiesen und als Grund für die Annahme der Rotation der Erde darauf, dass die Flut am Äquator am stärksten ist. Hipparchos muss etwa um 190 geboren sein, seine Beobachtungen von 161 bis 126 sind uns durch Ptolemaios erhalten, seine letzten Beobachtungen, Mondbestimmungen, sind vom Juni 126 aus Rhodos. Ptolemaios nennt ihn Almagest III, 2 p. 140, einen Mann von Arbeits- und Wissenstrieb. Von seinen Schriften ist uns nur eine einzige erhalten, eine Exegese zu den Phainomena des Eudoxos (und Aratos) in 3 Büchern, von Vettori, Florenz 1567 Folio, herausgegeben, kritisch und mit deutscher Übersetzung 1894 Leipz. von Manutius. Es war vermutlich eine Jugendarbeit, weil er darin noch nicht die vielen Abweichungen der Beobachtungen des Eudoxos von den seinen auf die Präzession zurückgeführt hat, die er später genau feststellte und damit die Dauer des Jahres von 365,25 Tagen um 5′ reduzierte. Er berechnete ferner die Exzentrizität der Sonnenbahn, wenn auch etwas zu gross, desgleichen die der Mondbahn, legte sowohl die Sonnenbahn als die Mondbahn durch Beobachtung der Fixsterne, welche ihre obere Kulmination hatten wenn jene ihre untere, genau fest, gab die Entfernungen der Sonne und des Mondes weit genauer, (namentlich letztere) an, als seine Vorgänger, kritisierte die bisherigen Planetentheorien, und erklärte die Ungleichheit der Jahreszeiten durch die Annahme der exzentrischen Kreisbahn, welche Kepler vielleicht die Anregung zur Auffindung seines ersten Gesetzes gab. Hipparchs Methode die Sonnendistanz (Parallaxe, d. h. der Winkel unter dem der Erdradius von der Sonne aus gesehen erscheint) mittelst der Mondparallaxe zu bestimmen durch den von ihm gegebenen Satz: »Die Summe der Parallaxen von Sonne und Mond ist gleich der Summe der scheinbaren Halbmesser der Sonne und des Schattenkegels der Erde«, ist theoretisch richtig. — Das Auftreten eines neuen Fixsternes im Jahre 134 brachte ihn auf den Gedanken einer möglichen Eigenbewegung derselben, und er soll (vgl. Gartz und Schaubach) mittelst von ihm erfundener Instrumente, Astrolabien, und verbessertem Visierrohr oder Diopter (Archimedes im Psammites) die Position und scheinbare Grösse des Sternes genau festgestellt haben. Jedenfalls nahm er hier Veranlassung einen Sternkatalog anzulegen und verzeichnete Ptolemaios zufolge selbst 1080 Fixsterne. Aus der Arbeit von Frz. Boll 1901 in München entnehme ich, dass der Sternkatalog des Hipparch zufolge des Fundes von A. Olivieris 1898 höchstens 850 Sterne umfasste, so dass die Meinung Tannerys und Delambres der Ptolomäische Katalog sei der des Hipparch gewesen, hinfällig wird.

Sein Beweggrund war, späteren Astronomen die Erkenntnis zu ermöglichen, nicht nur ob Sterne verschwänden und neue entständen, sondern auch, ob sich die Lage der Fixsterne gegen einander nicht ändere und ob ihre scheinbare Grösse nicht zu- oder abnähme. Diese Beobachtungen führten ihn eben zur Auffindung der Präzession; denn als er die seinigen mit etwa 100 Jahre älteren verglich, fand er, dass sich zwar die Breiten, die sphärischen Abstände von der Ekliptik oder Sonnenbahn, nicht geändert, wohl aber die Längen um den konstanten Betrag von 11/3° vergrössert hatten, d. h. also, dass die Äquinoktialpunkte auf der Ekliptik gegen die Bewegung der Sonne hin fortrückten. Wir verdanken auch diese Kunde dem Almagest, die theoretische Erklärung der Präzession durch die Rotation der Erdaxe um die Axe der Ekliptik aus der Anziehung von Sonne, Mond, Jupiter etc. auf dem Wulst des Äquators gab erst D'Alembert.

Heron von Alexandria.

Hipparch wird aber auch als der Begründer der Trigonometrie angesehen, wenn überhaupt von einem solchen (vgl. Ägypten) die Rede sein kann. Theon teilt uns in dem schon erwähnten Kommentar zum Almagest mit, dass jener in einem grösseren Werke περι της πραγματειας των εν τω κυκλω ευθειων eine Sehnentafel gegeben. Siehe hierzu die Bestätigung bei Heron in der Metrik S. 58, 3. 19, wo der Titel (s. u. Heron) angegeben ist. Es steht jetzt so ziemlich fest, dass die ganze Sexagesimalbruchrechnung inkl. Wurzelausziehung Eigentum des Hipparch war (cf. Hultsch, die Sexagesimalrechnungen in den Scholien zu Euklids Elementen, Biblioth. Math. 5, 1904, 225).

Nach arabischen Nachrichten hat er auch über quadratische Gleichungen geschrieben und durch Strabon sind wir über seine Schrift προς Ερατοσθενην gut unterrichtet. In den beiden ersten Büchern gab er eine scharfe und nicht immer gerechte Kritik, denn genaue Längen- und Breitebestimmungen waren dem Eratosthenes nicht möglich, im dritten die Begründung seines eigenen Systems und die Tabellen der Breiten von 12 Städten und Bestimmung der Finsternisse. Wenn man von Eratosthenes Sphragides absieht, ist Hipparch auch als Begründer des sphärischen Koordinatensystems anzusehen.

An Hipparch, den Astronomen, schliessen wir Heron, den Mechaniker an; ὁ μηχανικος nennt ihn Proklos, Fried. 305, 24; 346, 13, und in der Tat ist er in Mechanik und Technik geradeso der Lehrer der Welt gewesen wie Euklid für Geometrie. Ob Heron Nachfolger oder Vorläufer des Hipparch gewesen ist, steht nicht einmal absolut fest. Doch wird in der Metrik die von Theon erwähnte Schrift unter dem Titel περι των εν κυκλω ευθειωνπερι των εν κυκλω ευθειων als vollkommen bekannt zitiert.

Lebenszeit.

Die sogen. Heronische Frage ist eine der diffizilsten, die Ansichten der berühmtesten Historiker schwanken zwischen dem 3. Jahrh. v. Chr. und dem zweiten Jahrh. n. Chr. Ein Forscher von dem Range Diels setzt ihn um 100 n. Chr., De Vaux und Paul Tannery sogar um 200, der Herausgeber der neuesten Gesamtausgabe W. Schmidt setzt ihn etwa auf 56 v. Chr. Dem gegenüber stehen Susemihl, der genaue Kenner der Hellenistik, der ihn um 200 v. Chr. ansetzt und M. Cantor, der ihn um 100 v. Chr. setzt. Ich glaube, dass Cantor im ganzen das Richtige getroffen und neige dazu Herons Geburt etwa um 150 zu setzen und stimme der Beweisführung Edmund Hoppes im Programm des Hamburger Wilhelm-Gymnasiums von 1902 bei, welche ich noch bekräftigt finde durch die von H. Schoene 1903 zum ersten Mal herausgegebene »Metrika«, deren Handschrift R. Schoene 1896 im Codex Constantinopolitanus aufgefunden hatte. Da Programme bekanntermassen wenig bekannt zu werden pflegen, so setze ich den Schluss der Hoppe'schen Arbeit hierher, und um so lieber, als ich bedauerlicherweise vergessen habe, diese tüchtige Arbeit in der 2. Aufl. meiner Methodik von 1907 unter den historischen Programmen anzuführen, obwohl sie mir seit 1903 bekannt war. Hoppe schliesst: Wenn er den älteren Poseidōnios zitiert hat, rückt Heron gänzlich in das zweite Sec. v. Chr. »Dahin passt er auch seinem ganzen Inhalte nach durchaus. Heron steht ausschliesslich auf den Schultern des Archimedes und Ktesibios in seiner Mechanik und Pneumatik, in der Philosophie und Mathematik ist er abhängig von Aristoteles, Platon, Pythagoras und Euklid, welche er alle zitiert. Alles Spätere ist für Heron nicht vorhanden. Heron aber geht über seine Quellen weit hinaus. Die physikalischen Anschauungen, welche er in der Einleitung zur Pneumatik darlegt, hat vor ihm keiner und auch nach ihm keiner. Wohl in Einzelheiten finden sich bei früheren Anklänge, aber ein solch umfassendes Wissen von der Mechanik der Gase, von der Elastizität etc. hat keiner seiner Vorgänger. Nach ihm hat man dies alles nicht mehr verstanden, die römischen Epigonen griechischer Kulturwelt konnten wohl Automaten und Wasserorgeln nachmachen, aber seine physikalischen Gedanken begriffen sie nicht. Das charakterisiert Heron als den letzten einer untergehenden Schule. Darum muss man Heron ansetzen zu einer Zeit, wo Ägypten vor einer Katastrophe stand, nach einer Periode der Blüte. Diese Blüte war unter den Ptolemäern, die Katastrophe war das Einsetzen der Römerherrschaft. Somit spricht alles für den Ausgang des zweiten sec. a. Chr. Macht man, wie Schmidt es will, Philon von Byzanz und Ktesibios zu Zeitgenossen des Archimedes, so wäre möglich für Heron die Zeit am Anfang des zweiten sec. anzunehmen. Setzt man Ktesibios an das Ende des zweiten sec., so bleibt für Heron die Zeit um 100 n. Chr., wie Cantor annimmt, bestehen; ein weiterer Spielraum scheint ausgeschlossen.«

Zu den von Heron benutzten Autoren kommt nach Metrik S. 58 Z. 19 noch Hipparch hinzu und Apollonios de sectione spatii (ἡ του χωριου αποτομη) Schöne S. 162, sowie Dionysodoros dessen Kugelteilung Eutokios gegeben. Auch die Heronische Würfelverdoppelung zeigt den Einfluss des Apollonios. Ungelöst ist auch noch die Frage inwiefern Heron für seine Geschützlehre und seine Lehre vom Luftdruck aus Philon von Byzanz (Φιλων ὁ βυζαντιος.) geschöpft hat. Die Vorstellung, dass schwere Körper schneller fallen müssen als leichte findet sich z. B. bei Beiden. Die Zuverlässigkeit der Literaturangaben des Eutokios ist durch die Auffindung der Mechanik wieder bestätigt worden, Eutokios überschreibt die Lösung mit den Worten »wie Heron in der Einführung in die Mechanik und in den Belopoiika (Anfertigung von Geschützen)« und sie hat sich auch in der Mechanik, Ausgabe von Nix S. 24 gefunden.

Ich möchte zu den Datierungsfragen allgemein bemerken, dass was für Indien gilt mutatis mutandis auch für alle diese Streitfragen gilt. Der gedankliche Zusammenhang, die Darstellung, die Hilfsmittel sind der wichtigste Anhaltepunkt, und der spricht für Heron entschieden für engen Anschluss an Archimedes, wie es insbesondere die Metrika zeigen und für die Cantorsche Auffassung, welche auch von Hultsch geteilt wurde. Auch die sehr sorgfältige Dissertation von R. Meier de Herone aetatis, Leipz. 1905 kommt zum gleichen Resultat. Wie die Heronische Frage hat entstehen können, darüber spricht sich Cantor völlig zutreffend aus. Für 11/2 Jahrtausend ist wie Euklid für Mathematik so Heron Lehrer für Geodäsie und angewandte Mechanik. Überaus zahlreich, griechisch, lateinisch, arabisch, sind die Codices, Excerpte, Bearbeitungen und ebenso zahlreich sind die Entstellungen und Zusätze, Verschlimmbesserung der Abschreiber und Ausschreiber.

Heron, Werke.

Während die physikalischen Schriften Herons ab und an ediert sind, ist die erste kritische Ausgabe der unter seinem Namen gehenden mathematischen Schriften von Fr. Hultsch, der bei seiner grossen Arbeit über die Schriftsteller der Alten, welche sich mit Messkunst beschäftigten, sich mit Heron beschäftigen musste. Die Hultsche Ausgabe von 1864, für ihre Zeit mustergiltig, gibt uns den griechischen Text möglichst bereinigt, sie enthält die Heronischen Definitionen, die jetzt noch oder wieder für teilweise echt gelten, die Geometria und als Anhängsel einige an sich wichtige Tafeln der Masse, die aber grösstenteils unecht sind, dann die Stereometrie, ein Buch über Flächen- und Raummessung, dann das liber geoponicus, das ein ziemlich dürftiges Excerpt ist, wie der 8. Abschnitt ein ungenaues Excerpt aus der unten zu besprechenden Dioptra, und dann vergleichende Zusätze. Aber nach etwa einem Menschenalter machten grossartige neue Funde (s. u.) eine neue Ausgabe nötig. Sie ist von W. Schmidt, einem Hultsch ebenbürtigen Kenner der antiken math. Schriftsteller, unternommen, als Gesamtausgabe Herons und mit deutscher Übersetzung. Erschienen sind: Band 1, 1899 von W. Schmidt, die »Druckwerke« und »das Automatentheater«, mit einem Supplementheft: die Geschichte der Textüberlieferung und Griech. Wortregister.

Bd. II, 1900 die Mechanik und Katoptrik, erstere von L. Nix aus dem Arabischen, letztere von W. Schmidt; — B. III 1903, die Messungslehre (Metrika) und die Dioptra »Vermessungslehre« von H. Schöne. Leider ist der verhältnismässig jugendliche W. Schmidt Hultsch im Tode vorausgegangen. Aber schon das jetzige genügt um sich von Herons wirklicher Bedeutung ein Bild zu machen, und zeigt, dass der grösste Teil der von Hultsch edierten Schriften höchstens inhaltlich auf Heron zurückgeht. W. Schmidt konnte die Ansicht Hultschs bestätigen, wonach sich Herons Schriften vermutlich auf drei grosse Werke verteilten: 1. Über Feldmesskunst, von denen die grosse Arbeit über die Dioptra die wichtigste ist. 2. Über Mechanik. 3. Über Metrik, d. h. die Lehre vom Inhalt der Flächen und Körper.

Heron, Leben.

Von den Lebensumständen Herons scheint noch festzustehen, dass er in Alexandrien ähnlich wie Pappos einen zahlreichen Schülerkreis um sich gesammelt hatte, sodass seine Werke als Lehrbücher für seine Schüler vielleicht im Auftrage der Regierung entstanden sind. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Heron selbst ägyptischer Nationalität war, was auch seinen Stil erklären würde. Jedenfalls hat er auf ägyptische Feldmesser als Leser und Hörer gerechnet, und war mit den ägyptischen Methoden völlig vertraut. Rätselhaft war lange Zeit die Methode mit der Heron besonders in Metrik und Dioptra die auffallend genauen Quadratwurzeln gezogen und in der Metrik sogar die Kubikwurzel aus 100 (S. 78). G. Wertheim einer der tüchtigsten Schüler M. Cantors hat das Rätsel gelöst. Die kurze Notiz steht Cantor-Schlömilch Hist. litt. Abt. Band 44, 1899 S. 1, es ist so ziemlich das letzte Vermächtnis des Diophantherausgebers.

Herons Wurzelausziehung.

Heron will 3√100 bestimmen. Die Kuben zwischen denen 100 liegt sind 64 und 125, die erstere ist um 36 zu klein, die letztere um 25 zu gross. Die 3√  sind bezw. 4 und 5. Daher wird 3√100 gleich 4 + einem Bruche sein. Um den Zähler zu finden multipliziert er 36 mit 5, gibt 180. Der Nenner ist 100 + 180. Der Bruch ist also 9/14 und so ergibt sich ihm der Näherungswert 49/14.

Wertheim nimmt nun nicht wie M. Curtze, der Freund und Genosse M. Cantors, die 5 als √25 sondern als 3√125 und 100 sieht er nicht wie Curtze als den gegebenen Radikand an, sondern als das Produkt von 4 als 3√64 mit 53 - 100.

»Auf diese Weise stellt sich Herons Verfahren als ein dem doppelten falschen Ansatz analoges dar.«

Ich erinnere, dass schon die ältesten Ägypter die Regula falsi benutzten. Wertheim zeigt, dass die ebenso rätselhaften Näherungswerte des Archimedes für die Quadratwurzeln mit der gleichen Methode gefunden werden können und weist dies an den Grenzwerten des der √3 aus der Kreismessung 265153 und 1351780 nach. Dieser Nachweis macht die Erklärung Wertheims wahrscheinlicher als die sachlich einfachere der am selben Ort mitgeteilten von A. Kerber sub. 9. Nov. 1897 an Curtze gesandt.

Sei die zu kleine Wurzel a, und die um 1 grössere schon zu grosse a1, so ist (x3 - a3) = f = (x - a)(x2 + ax + a2) annähernd gleich (Zeichen ~): (x - a)3ax. Ebenso ist -f1 ~ 3a1x, und durch Division erhält man f-f1 ~ (x - a)a(x - a1)a1, wenn man x - a = z setzt, so ist x - a1 = z - 1 und z = fa1a1f + af1 und dies ist die Korrektion des Heron.

Die Methode würde für die Quadratwurzel ergeben z = fa + a1 also für √63; z = 1415 aber Heron setzt sie gleich 71/2, 1/4, 1/8, 1/16, (gut ägyptisch), das ist 71516, welches genauer ist als 71415 und für √67500 statt 259 den Wert 259419515, was bedeutend genauer als Herons Wert, der auffallend ungenau; es ist seltsam, dass Heron nicht 260 gewählt hat. Aber auch der vierfache falsche Ansatz passt für √63 nicht. Denkt man aber an die alte ägyptische Unterteilung und bedenkt, dass die Näherungsformel √a2 + ε ~ a + ε2a + 1 zunächst 71415 gab, so liegt es nahe, dass probeweise 71516 gesetzt wurde. Übrigens findet sich bei Theon von Smyrna ein Kettenbruchverfahren für √2, und dieses oder ein sehr ähnlicher Algorithmus ist vermutlich Archimedes und Heron auch bekannt gewesen.

Heron als Schüler des Ktesibios.

Dass Heron nicht nach Caesar gelebt haben kann, das geht schon aus der Abhängigkeit Vitruvs von Heron hervor, die ich schon um deswegen nicht bezweifle, weil Vitruv den Heron nicht erwähnt. Als sein Lehrer gilt Ktesibios, weil ein Werk des Heron die βελοποιικα, Geschützverfertigung, in einigen Handschriften darunter die beste, überschrieben ist Ἡρωνος Κτησιβιου βελοποιικα. Wilhelm Schmidt, der verdienstvolle Neubearbeiter des Heron, verwirft diese Begründung, und mit Recht, spricht sich aber über die Tatsache selbst nicht weiter aus. Mir scheint das Faktum richtig. Dass auch Heron ein Alexandriner, Αλεξανδρευς, gewesen wie Ktesibios steht fest, und dass Ktesibios der ältere war, ebenfalls, und gerade in den »Pneumatika« der Lehre von der mechanischen Anwendung des Luftdrucks, schliesst sich Heron eng an Ktesibios an. Und sehr spricht für das Schülerverhältnis die Stelle bei Proklos, Friedl. S. 41: και ἡ θαυματοποιικη τα μεν δια πνων φιλοτεχνουσα, ὡσπερ και Κτησιβιος και Ἡρων πραγματευονται.

Der Dampf als Motor.

Nach Susemihl lebte Ktesibios unter Ptolemaios Philadelphos und Euergetes I in Alexandrien und zeichnete sich durch Erfindung schwerer Geschütze, die er mit komprimierter Luft trieb, aus. Wohl war die Triebkraft der gepressten Luft schon dem Aristoteles bekannt, aber die Windbüchse hat jener konstruiert, der nicht mit dem anderen Ktesibios, der eine Wasserorgel konstruiert hat »dem Sohn des Bartscherers« zu verwechseln ist. Ktesibios konstruierte auch einen Apparat zur Mauerersteigung, sowie Automaten und schrieb eine theoretische Mechanik. An ihn schliesst sich Heron als praktischer Mechaniker zunächst an, in der Schrift »πνευματικα,« Druckwerke, in 2 Büchern, welche besonders den Luftdruck verwertet, allerdings ohne die heutige Theorie. Die in der Einleitung erwähnte Schrift über die Wasseruhren (wörtlich Stundenzeiger mittelst Wassers) in 4 Büchern ist bis auf ein ganz winziges Fragment verloren. Neben vielen ergötzlichen Spielereien findet sich darin der Heber (Philon) der Heronsbrunnen, der Heronsball, das Gesetz der kommunizierenden Röhren, die Druckpumpe, die Feuerspritze, die nachweislich erste Anwendung des Dampfes als Triebkraft, ein Dampfkessel mit Innenfeuerung und Schlangenrohr als Badeofen etc. Unter den Automaten ist die sich selbst regulierende Lampe, das automatische Restaurant etc.

Anwendungen des Dampfes.

Ich gebe hier II, VI die erste konstatierte Anwendung des Dampfes als Motor, nach W. Schmidts neuer Ausgabe wieder. »Ferner Kugeln, welche sich auf Luft bewegen. Ein Kessel mit Wasser, der an der Mündung verstopft ist, wird unterfeuert, s. Fig. Von der Verstopfung aus erstreckt sich eine Röhre, mit welcher oben eine hohle Halbkugel durch Bohrung in Verbindung gesetzt worden ist. Werfen wir nun ein leichtes Kügelchen in die Halbkugel, so wird es sich ergeben, dass der aus dem Kessel durch die Röhre getriebene Dampf das Kügelchen in die Luft emporhebt, so dass es darauf getragen wird.«

Ist hier der Dampf nur zur Spielerei benutzt, so leistet in II 34 in dem Badeofen, nach seiner Form die einem römischen Meilenstein ähnelt, Miliarion genannt, der Dampf nützliche Dienste. Die Figur bedarf keiner Erläuterung. Wir haben hier einen Dampfkessel mit Innenfeuerung und den Anfang des kupfernen Schlangenrohres, welches etwas später daraus hervorging. Der Dampf steigt durch eine Röhre, welche in das den Deckel durchsetzende Rohr eingeschlossen und darin drehbar ist, in den Mund des kleinen Genius, der nur als Blasebalg für die Kohlenfeuerung dient. Hier wird man wohl wieder sagen müssen, dass es nichts Neues unter der Sonne gibt.

Automatentheater.

An die Pneumatika schliesst sich das »Automatentheater« wie W. Schmidt sinngemäss den eigentlichen Titel Περι αυτοματοποιητικης übersetzt; auch hier wie Heron selbst angibt, in der Einleitung zu den stehenden Automaten, Schmidt I, S. 404, Z. 12, stützt er sich auf Philon. Die Automaten, die heute bei uns nur noch auf den Jahrmärkten und zu Reklamezwecken in den Schaufenstern dienen, abgesehen von den grässlichen Musikautomaten, spielten im 17. und 18. Jahrh. eine sehr grosse Rolle in den Belustigungen auch der Hochgestellten, — ganz wie zur Zeit des Philon und Heron. Ich gebe hier den Bericht des Heron über die Aufführung der Pantomime Nauplios (durch Philon). Der Sage nach war Nauplios der Vater des Palamedes, der den Tod seines Sohnes Palamedes, an den Argivern rächte, den Odysseus um seinen Konkurrenten in der Klugheit zu beseitigen, verursacht hatte. Athene stand ihm bei, sie zürnte besonders Ajax dem Lokrer, der ihr Palladion geschändet hatte. Also: auf der Bühne war das auf Nauplios bezügliche Stück vorbereitet (das Stück selbst: μύθος, vermutlich von Sophokles), das Einzelne verhielt sich so: Zu Anfang öffnete sich die Bühne, dann erschienen zwölf Figuren im Bilde, diese waren auf drei Reihen verteilt. Sie waren als Danaer dargestellt, welche die Schiffe ausbessern und Vorbereitungen treffen um sie ins Meer zu ziehen. Diese Figuren bewegten sich, indem die einen sägten, die andern mit Beilen zimmerten, andere hämmerten, wieder andere mit grossen und kleinen Bohrern arbeiteten. Sie verursachten ein der Wirklichkeit entsprechendes, lautes Geräusch. Nach geraumer Zeit wurden aber die Türen geschlossen und wieder geöffnet, und es gab ein anderes Bild. Man konnte nämlich sehen, wie die Schiffe von den Achäern ins Meer gezogen wurden. Nachdem die Türen geschlossen und wieder geöffnet waren, sah man nichts auf der Bühne als gemalte Luft und Meer. Bald darauf segelten die Schiffe in Kiellinie vorbei. Während die einen verschwanden, kamen andere zum Vorschein. Oft schwammen auch Delphine daneben, die bald im Meere untertauchten, bald sichtbar wurden, wie in Wirklichkeit. Allmählich wurde das Meer stürmisch und die Schiffe segelten dicht zusammengedrängt. Machte man wieder zu und auf, war von den Segelnden nichts zu sehen, sondern man bemerkte Nauplios mit erhobener Fackel und Athene, welche neben ihm stand. Dann wurde über der Bühne Feuer angezündet, wie wenn oben die Fackel mit ihrer Flamme leuchtete. Machte man wieder zu und auf, sah man den Schiffbruch und wie Ajax schwamm. Athene wurde auf einer Schwebemaschine und zwar oberhalb der Bühne emporgehoben, Donner krachte, ein Blitzstrahl traf unmittelbar auf der Bühne den Ajax und seine Figur verschwand. So hatte das Stück, nachdem geschlossen war, ein Ende.

Heron, Euthytonos (Geradspanner).

Es folgen dann die genauen Vorschriften zur Anfertigung der Automaten.

Die Pneumatik zeigt zugleich, wie falsch die Vorstellung ist, dass das Experimentieren erst etwa durch Bacon erfunden sei, z. B. Pneum. 28, 29, aber nicht nur Heron war ein tüchtiger Experimentator, sondern schon Demokrit hat seine physikalischen Theorien auf Experimente gestützt, indem er z. B. Versuche über Filtrierung von Meerwasser angestellt hat.

Geschützverfertigung.

Es folgt die βελοποιικά, den Titel hat H. Degering nicht ohne Geist erklärt als Herons Bearbeitung von Ktesibios Geschützverfertigung; die Frage nach den antiken Geschützen, für die bisher das grosse Werk von Köchly und Major Rüstow ausschlaggebend war, ist durch die Versuche von E. Schramm in Metz in ein neues aber noch nicht abgeschlossenes Stadium getreten. Dass Griechen und Römer über ein sehr hochentwickeltes Geschützwesen verfügten und eigene kaiserliche Waffentechniker, armamentarii imperatoris, besassen ist bekannt; soll doch nach Athenodoros der Winkelspanner des Archimedes einen 12elligen Balken auf die Weite eines Stadions geworfen haben.

Die Figur S. 323 stellt den Geradspanner (Euthytonos) des Heron dar.

Das Delische Problem.

Der Schluss des Werkes enthält die von Eutokios mitgeteilte Konstruktion für das Delische Problem, welche mit der des Apollonios im Prinzip und mit der des Philon, der als 4. Buch seiner Mechanik ebenfalls über Geschützbau ausführlich gehandelt hat, übereinstimmt. Sollte die Kraft der Geschosse verdreifacht werden, so musste der Cylinder, der den Spanner aufnahm, verdreifacht werden und damit war das Delische Problem gegeben, dessen Lösung sich von der des Apollonios und besonders der des Philon nur sehr wenig, und im Prinzip gar nicht unterscheidet.

Der Bericht des Eutokios ist überarbeitet, der des Pappos III p. 62 scheint fast genau mit dem Original zu stimmen, bis auf geringfügige Zusätze, wie z. B. gleichen Umfang παραλληλογραμμον. Das Original ist zum Schluss vollständig verworren, und ich folge der von Köchly jedenfalls mit Benutzung von Pappos gegebenen Sanierung und nicht der in der Mechanik S. 24 aus dem Arabischen übertragenen. Die Konstruktion des Philon die bei Eutokios sich anschliesst findet sich Köchly S. 238 skizziert.

Heron: Es seien αβ, βγ die gegebenen Strecken, senkrecht zu einander, es soll das Rechteck αβγδ vollendet und δγ, δα verlängert worden sein. Du sollst an Punkt β ein Lineal anlegen, das die verlängerten Strecken schneidet und das besagte Lineal bewegen bis die zwei ε mit den Schnitten verbindenden einander gleich sind. Es habe nun das Lineal die Lage der Geraden ζβη und die beiden andern Geraden seien εζ und εη, so behaupte ich, dass αζ, ηγ die mittleren Proportionalen der Strecken αβ, βγ sind.

Der Beweis mittelst (a + b)(a - b) gleich a2 - b2 (oder auch mit dem Potenzsatz) ist ohne weiteres klar.

Die Konstruktion des Philon führt die Gleichheit von ζε und ηε auf die von ζβ und ηθ zurück, was mittelst geteilten Drehlineals praktisch vorteilhaft ist.

Katoptrik.

Ebenfalls experimenteller Physik gehört Herons Katoptrik, die Lehre vom reflektierten Licht an, die Lehre vom Spiegel, Winkelspiegel, Vexierhohlspiegel, Spiegel zu Geistererscheinungen etc. Sie ist jetzt unter den Werken Herons von W. Schmidt 1901 (Bd. II) herausgegeben, nach einem lat. Manuskript des Wilhelm von Mörbeck, den wir schon bei Archimedes als Übersetzer erwähnten. Das griech. Original wird sich vermutlich im Vatikan finden, jedenfalls hat es sich dort befunden. Die Schrift war unter dem Titel Claudii Ptolemei de Speculis 1518 gedruckt worden. Als die weit über Heron hinausgehende Optik des Ptolemaios in einer aus dem Arabischen übersetzten Optik des Admirals Eugenius Siculus (vgl. die Einleitung W. Schmidts S. 303) erkannt war, bewiesen H. Martin, Rose und Schmidt dass jene frühere Schrift eine verkürzte und verstümmelte Wiedergabe der Katoptrik des Heron sei, von der Kunde existierte.

Reflexionsgesetz.

Heron legt die Emissionstheorie zugrunde, die Sehstrahlen sind eine Art Äthermoleküle, die vom Auge aus mit unendlicher Geschwindigkeit gesandt werden. Seine mathematischen Ableitungen beruhen auf dem Satz: das Licht bewegt sich auf kürzestem Wege (wie s. Z. Fresnel). Ich gebe die Einleitung wörtlich und die Ableitung des Reflexionsgesetzes aus Kp. IV und V dem Sinne nach. Einleitung:

»Da es zwei Sinne gibt, durch welche man nach Platon zur Weisheit gelangt, nämlich das Gehör und das Gesicht, so hat man sein Augenmerk auf beide zu richten. Von dem, was in das Gebiet des Gehörs fällt, beruht die Musik auf der Kenntnis der wohlklingenden Tonbildung und ist, um es kurz zu sagen, die Theorie von dem Wesen der Melodie und den Gesetzen der Tonlehre. Was die Möglichkeit betrifft, dass die Welt entsprechend der musikalischen Harmonie geordnet sei, so stellt die Theorie viele verschiedenartige Behauptungen darüber auf. Wenn man nämlich den ganzen Himmel der Zahl nach in acht Sphären einteilt, nämlich in die der 7 Planeten und in diejenige, welche alle (sieben) umfasst und welche nur die Fixsterne tragt, so ist die Folge, dass bei den Planeten das Vorrücken der Gestirne melodiös und harmonisch wird wegen der gleichmässig starken Bewegungen unter ihnen, wie auch auf dem Instrumente der Leier die Saiten melodisch erklingen. Denn wie man sich vorstellen muss, vernimmt man infolge des Vorrückens der Gestirne durch die Luft gewisse Töne und zwar bald tiefere, bald hellere, je nachdem die einen sich langsamer, die andern sich schneller bewegen. Wie wir also nach dem Anschlagen der Saite die Luftschwingungen erkennen, so gewährt, wie man sich denken muss, uns die Luft dadurch, dass sie infolge der Bewegung der Gestirne durch den Tierkreis ununterbrochen sich verändert und verwandelt (in Schwingungen versetzt wird) einen Akkord.« (Die Sphärenmusik der Pythagoräer.)

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