Ich will mich hieherstellen und den Vollmond ansehn, wie er schweigend über den einsamen Thurm der Kirche hinschwebt; — es ist ein feierliches Schauspiel! die Gottheit erschuf diesen wiederleuchtenden Weltkörper, daß er ewig und liebend uns umschwebe, und nie unsern Stern verlasse, sondern ihn immer begleite in seinem Kreislauf.
Was hier Gesez der Natur heißt, heißt bei den Menschen Liebe; aber ist Liebe vorherbestimmtes Gesez, ist Liebe Zwang? Ich mag es nicht ergründen, aber Heil mir daß ich diesen süssen Zwang, oder diese beseeligende Willkühr meines Herzens empfinde!
Fragt nicht, wo ist Gott und was ist die Gottheit? — sehet über euch die zahllosen Gestirne, die liebend und treu sich umeinander hindrehn; sehet die vernunftlosen Thiere, die Gewürme des Staubes welche sich mit einander vereinen, und die Seeligkeit ihres Daseins in der Liebe finden. Dort ist Gott und Gott ist hier, er webt und wandelt in und über den erhabnen Sfären des Weltalls und webt und wandelt in und über den Blumen des Feldes. Gott ist die Liebe; die Liebe ist Gottheit und allgegenwärtig!
Seid mir willkommen, ihr schmeichelnden, heiligen Gefühle, welche meinem Herzen unbekannt waren, seit Gustaf heimkehrte zum Staube, woraus er erschaffen war! Seid mit willkommen, ihr die ihr nicht mit seinem schönen Geiste der Erdenwelt entflohn seid! Ich Unglükliche soll noch glüklich sein; meine erstorbnen Freuden blühn wieder auf, meine melancholischen Klagen lösen sich in frohe Gesänge der Hofnung und Sehnsucht auf, o darum Heil der Liebe, Heil der Gottheit!
Noch weis, noch ahndet er nicht, daß ihn ein Mädchen liebt am Hofe; stolz bieten ihm Rosen, und Tulpen sich an, an seiner Brust verblühn zu können; wird er das unbekannte, einsame Veilchen verschmähen? — Wird Florentin Augusten verschmähen?
O daß er mich belauschte, wenn die Thräne der Sehnsucht meinem Auge entquillt; daß er mich belauschte, wenn ich sinnend die Züge seines schönen Namens auf das Papier hinmahle; daß er mich belauschte wenn ich: Florentin! Florentin! seufze, und meine Wangen schaamvoll erröthen! — —
Eine liebliche Ahndung umgaukelt meine Seele; die Hofnung strahlt mir lächelnd entgegen: spät oder früh sinkt er an meinen Busen, spät oder früh umschliessen den Geliebten meine Arme. — Seelige, beneidenswürdige Auguste, Dein Himmel wohnet auf Erden; Liebe wird Dir mit Liebe vergolten, Florentin Dir alles, und Du dem schönsten Jüngling alles werden; o Loos der Liebe, wie seelig bist Du! —
* * *
Gustaf, Gustaf, warum erschienst Du mir im Traume dieser Nacht? warum lächeltest Du mir so wehmüthig zu, und liessest Thränen über Deine Engelswangen rinnen? — Heiliger, Auserwählter, zürnest Du?
Ach nein, wie könnte ein Geliebter Gottes zürnen? Dein Lächeln war das Lächeln der Freude, Deine Thräne, die Thräne der Wonne Deine Auguste nach langen Leiden glüklich zu sehn! — o sieh herab auf mich, Verklärter, und sieh Augustens Glük! — Ich bin Dir noch treu, treu, wie bei dem ersten Kusse, welchen ich Dir, Engel, aufdrükte; und doch liebe ich einen Florentin. Bin ich strafbar? nein, denn, wenn Liebe zum Verbrechen geworden ist, so sind alle Meisterwerke der Schöpfung Sünde; im Hauch der Liebe wurden sie erschaffen, und zur Liebe reizen sie wieder.
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Hör’ es, hör’ es, wohlthätiger Geist der Liebe! hör’ es Du ganze glükliche Natur, hört es alle, ihr seeligen Geschöpfe auf Erden, daß ich unglüklich bin! Florentin liebet mich nicht! ach, Gott, er liebet mich nicht! —
Nun sinken sie alle ein, die schönen Fantome meiner hoffenden Liebe; nun verdüstern sie sich, die lächelnden Paradiese, welche meine Einbildungskraft in frohen Augenblikken hinzauberte. Nun ist für Augusten keine Freude mehr! —
O Louise, Du hast ihn mir geraubt, Du, die sich meine Busenfreundin genannt hat, ihn der den Traum meiner Tage allein versüssen, konnte: Hast ihn mir geraubt, die Du so vieles besizzest, von einem Herzogthume angebetet wirst, hast ihn mir Armen geraubt, die da nichts, als ein weiches, empfindendes Herz zum Eigenthume hat. Bist Du nicht reich genug gewesen, mußt Du auch die Bettlerin um ihren Schaz plündern?
Verlange nicht stolze Habsüchtige, daß ich Dich noch liebe; fordre nicht Besiz eines Herzens, nach dem Du mit giftigen Pfeilen zieltest. O mit räubrischen Händen entwandst Du mir ein Heiligthum, und ich soll Dich lieben? — Nein, nein, die kühnsten Widersprüche der Natur mögen sich in Harmonien auflösen; der Raubvogel in den Lüften seiner Antipathie vergessen; liebend neigen die Bewohner des Paradieses die Behausungen der verdammten besuchen, nur nimmer wird meine blutende Seele der Deinigen in Eintracht begegnen!
Ha, Fürchterliche, wisse, das Glük der Liebenden zerstören, heißt den Grundstein der Schöpfung verderben. — Heilige, reine Liebe konnte nimmer in einem Herzen, wie das Deinige, ihre Wohnstatt aufschlagen, aber nimmer müsse Dich auch ihr leisester Odem beseeligen. — Nie umarme dich eine liebende Gestalt; finde nie deinen Himmel auf den Lippen eines Jünglings. Geh, geh, suche bei der ewigen Güte Erbarmen, und finde es nicht; geh, geh! — —
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Nein gute Louise, vergieb, ich habe gesündigt; habe Dich gelästert und Du bist eine Heilige! — Ich bin so unglüklich, o, so, unglüklich, dein Zorn mache mich nicht elender!
Wie doch alles so wunderbar im menschlichen Leben an einander gekettet, und durch einander gewirrt ist! und das alles, alles ist weiser Plan des weisesten Wesens? —
Ich bin ja eine Sterbliche; Leidenschaft und zartes Gefühl sind mir angeschaffen, die Schönheiten der Welt sind ja auch für mich vorhanden; und doch bin ich ausgestoßen aus der Zahl froher Wesen? — die Freude und das Jauchzen der wonneberauschten Kreaturen ist ein Lobgesang auf die Güte des Himmels, verherrlichen meine Thränen den Himmel auch? — was hat denn meine Seele verbrochen, welches sie abbüssen müsste, warum bin ich so verlassen?
Ich ergründ es nicht, und werd’ es nie ergründen!
Seid glüklich, ihr schönen Seelen, Auguste findet ihre Ruhe in den Thränen der Schwermuth; euch umfasse ein blühender Busch, geheime Küsse zu verbergen; mich verdekke ein sterbendes Gesträuch, das sein trauriges Lispeln in meine Seufzer mischet.
Bricht das Licht des Morgens empor, so verscheucht es melancholische Träume von meinen Augenwimpern, und ladet zum Weinen ein; umschleiert die Nacht mich, so sink ich an ihren Busen um ungestörter zu jammern. — Seid glüklich, ihr meine Mitgeschöpfe, ich bin es im Leiden. Ewigkeit ist unser Loos nicht; meine Thränen werden einst versiegen!
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Nein, nein, ich will sie nicht mehr hören, jene bangen, furchtbaren Ahndungen, ich will sie alle verbannen. Die Hofnung steigt vom Himmel herab, lächelt und bringet mir Trost. Furchtlos sollen meine mattgeweinten Blikke auf die Leiden hinsehn, die mir bestimmt sind, vergebens sollen sie mich verfolgen. Eine Freistätte öfnet sich mir, eine Freistätte, an deren Pforte die Furien des menschlichen Lebens zurükbeben, und die ihnen entrinnende Beute unverfolgt lassen. — O, Tod, dies ist dein Tempel!
Die Nebel zerrinnen, mit welchen die furchtsame Einbildungskraft der Sterblichen deinen Vorhof umlagerte; eine wohlthätige Gottheit schwebst du aus diesen Finsternissen hervor, und strekkest dem zitternden Verlaßnen deine Arme entgegen. Mit ewigem Lichte ist dein Thron umringt, ihm zur Seite glänzt die majestätische Wahrheit, die holde Ruhe, der liebenswürdige Friede herrschen hier, und bieten dem schüchternen Ankömmling ihre Zauberschaalen. Abgemattet von dem mühevollen Lebenslaufe trinkt der Mensch den dargebotnen Trank, und weggeschwunden sind jeder Harm und selbst die wehmüthige Erinnrung.
O Menschen, Sonderbare, Unerklärliche! warum mahlet ihr der Gottheit süssestes Geschenk mit so schauerlichen Farben? — So manche Noth drükket euern Miterschafnen, geheimer Kummer nascht mit gefrässigem Zahn an der Wurzel seines Lebens und ihr weinet über seinen Leichnam?
Freuet euch, meine Lieben, wenn der gefällige Tod des Lebens Bürde von mir nimmt; bedekket meinen Leichnam nicht mit einem düstern Tuche, worin die Hand des Künstlers das Bild der Verwesung gezeichnet hat. Zündet um meiner Baare keine Todtenfakkeln an, deren blasser, zitternder Glanz, wenn er sich mit grauenvoller Dunkelheit gattet, die Seele des Zuschauers beben macht. Begleitet mich nicht in langen Trauergewändern, mit erdwärtsgesenkten Blikken zu Grabe. — Nein, umkränzet mir lieber das Haupt mit Blumen, wünschet der Entschlummerten Glük, und senket mit Lobliedern auf den Tod den Leichnam in die mütterliche Erde. So ehret ihr den Triumf eurer Freundin! — 6 )
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Louise, Du fragst, warum Augustens Wangen verblassen? — verblassen sie wirklich? wohl mir, dies ist der erste Kus des Todes. Ich fühl es, meine Kraft ist vertroknet, meine Hofnungen glüklicher Lebensszenen sind verloschen, Gustaf winkt. —
Lebt wohl, ihr die ihr mich lieb hattet, lebt wohl. Und Du, Florentin, sei glüklich. Dich nur liebt ich allein auf dieser Welt, — Dich hatte ich mir zum Ersaz vieler Thränen auserkohren Dich hätte ich nicht für die ganze Pracht einer königlichen Krone vertauscht, und Dir entsage ich izt.
Sprach man von den schönsten Werken des ewigen Schöpfers, so dachte ich deiner; sollte sich meine Andacht vor heiligen Altären zum höhern Fluge beflügeln, so dachte ich deiner — nannte man die Freuden eines künftigen Lebens, Florentin, so dachte ich deiner, und dir sag ich izt das Lebewohl! Nur einen Wunsch gewähre mir das Schiksal, daß Florentin einst, wenn ich schon von dem Irrdischen entfesselt, hinübergegangen bin in die Wohnungen der Ruhe, diese Blätter lesen, mich noch mitleidig betrauern mögte, oder daß er mir an meinem Sterbebette noch diese Klagen vorlesen, und ich seine Wehmuth sehen dürfte! Oh, ich habe vielleicht zu viel gebeten, vielleicht — —
Florentin konnte nicht weiter; er verhüllte schluchzend sein Gesicht; der alte Herr von Gülden zerfloß in Thränen und schaute in stiller Verzweiflung auf sein Kind hin.
„Es ist erfüllt!“ lallte Auguste — ihr Auge war gebrochen, jezt brach ihr Herz. Der alte Vater stürzte sich über ihren Leichnam; Florentin küßte die kalte Hand der Entschlummerten, und Jammer und Thränen wurden allgemein.