In einem dunkeln Gewölbe, von keinem sterbenden Lichtstrahl erleuchtet, befand sich Florentin belastet mit Zentnerschweren Ketten. — Ihm hungerte, und er fand keinen Bissen Brodtes, ihm dürstete, und kein Tropfen Wassers erquikte ihm die Zunge, welche am troknen Gaumen klebte. Er versuchte es umherzutappen und fand sich angeschmiedet.
„O Gott,“ sagte er; „Welch ein Wechsel meines Lebens! Hier im dumpfen Kerker soll ich es enden? o, daß es längst beendet wäre!“
„Lange wirds wohl nicht dauern!“ brummte eine Stimme durch die Dunkelheit herüber. Florentin horchte hoch auf, und erstaunte hier nicht ohne Gesellschaft zu sein.
„Wer bist Du?“
„Vinzenz; eben der, der Ihr seid; ich schrieb ein Trauerspiel wider den Despotism der Fürsten, und Ihr, Vinzenz, Ihr sprachet wider Fürsten — beide sizzen wir also auf fürstliche Gnade, bis an unser Lebensende.“
„Fürstliche Gnade! Ha! fürstliche Gnade! Gott erbarms, wir treffen sie eher bei den Tigern. — O, o! was hab ich in eingen Tagen erleben müssen? Entlarvt liegt die Welt vor mir da; wo ehmals Elysium blühte, dampft mir eine abscheuliche Mördergrube entgegen, in dem Busen der tauben lechzenden Geierherzen; — o Gott, Schöpfer, Vater und diese Welt — diese Welt hast du erschaffen? — Philosophen nennen sie die beste? — dieses Jahrhundert ist das aufgeklärte, verfeinerte? ja doch, aufgeklärtes Jahrhundert, ich erkenne dich, ah, wie fein du weißt deine Laster zu verkappen!“
„„Ihr seid sehr erbittert, Vinzenz.““
„Wenn mein Karakter nicht mehr derselbe ist: so bin ich nicht daran Schuld. — Ich bin fürchterlich umgestimmt, verwandelt, wie die Welt um mich her. Ich mögte glauben daß ein Traum meine Seele äffe, aber ich fühle, empfinde zu klar. Ein ängstlicher Wirrwarr, den ich nicht aufzulösen fähig bin!“
„„Leider kein Traum, — alles Wahrheit, sag ich Euch! je nun wir wollen und müssen uns in die Zeit schikken.““ —
„Wäre mein Schiksal nur entschieden; Tod oder Freiheit; diese Ohnmacht, diese Sklaverei ist mir eine Hölle!“
„„Vielleicht begnadigt Euch der Fürst!““
„Wenn er es thäte, so löste er seinem Würgengel die Ketten. Ich würde nicht ruhen bis die gemordete Unschuld gerächt wäre; das Schrekken der Großen wollt’ ich sein, ihre Geißel in der Hand Gottes.“
„„Ha, ha, ha, Ihr schwärmt, Vinzenz! seid Ihr denn so lüstern nach dem Schnellgalgen, oder Euren Kopf und Rumpf auf das Rad geflochten zu wissen, das wäre denn doch in jedem Falle das Finale Eurer glorwürdigen Thaten.““
Oh! oh!
„„Indessen tröstet Euch, die Rächer der Unschuld schlummern nicht. Aus dem Dunkeln hervor handeln sie; und ihre Streiche treffen gewiß.““
„Wer sind die?“
„„Ihr kennt ja die Unbekannten!““
„Ha! die, die der Unschuld Rächer?“ —
„Nun ja!“
„O so heb ich meine Hände empor zu Gott, der auch in diesen finstern Gewölben wohnt, und danke ihm. Heil den Unbekannten, und gelobet seien ihre Werke! — daß sie mich würdigten der geringste unter ihnen zu sein, mein ganzes Leben weihte ich ihren herrlichen Plänen!“
Der Graf weinte jezt, er sezte sich auf den Erdboden nieder, den Ellnbogen auf das Knie, ließ er traurig seine Stirn auf die flache Hand sinken. —
Plözlich öfnete sich eine Thüre linker Hand, ein ehrwürdiger Greis trat herein und verkündete ihm seine Befreiung.
„Ich bin frei?“ sagte Florentin und umarmte zitternd den Alten, „ich bin frei?“
Der Alte erwiederte nichts, sondern führte ihn aus dem Kerker einige Wendeltreppen hinan an die freie Gottesluft. — Es war Nacht und freies Feld um ihn her.
„Jezt entflieht!“ hub der Alte an, und reichte dem Grafen eine Blendlaterne.
„Entfliehn? bin ich nicht durch die Gnade des Fürsten frei?“
„Nein, das wohl nicht!“
„Durch wen?“
„Durch die Unbekannten!“
„Durch die Unbekannten?“
„Wie Ihr höret. — Auf entflieht!“
„Wohin?“
„Wohin Ihr wollt.“
„Eine Bitte vorher, lieber Alter!“
„Redet, Vinzenz!“
„Führet mich zu den Unbekannten, daß ich ihnen kniend danke!“
„Eures Dankes bedürfen die Edeln nicht.“
„Freilich nicht; aber sollte der Gottheit nicht das Lob des entkerkerten Vögelchens gefallen, welches es in freier Luft zwitschert? wie nun geschweige sterblichen, an Sinnlichkeit geflochtnen Menschen!“
„Gott hört den Lobgesang des Vogels in der Luft, und die Unbekannten vernehmen auch Euern Dank hier, wo wir allein sind.“
„Führet mich zu ihnen, ich bitte Euch, ich will mich ihnen unterwerfen, ihr Diener sein, ihre Pläne ausführen helfen.“
„Alles das waret Ihr schon und thatet Ihr schon, ehe Ihr vom Dasein der Unbekannten wußtet.“
„Ich bitte Euch führet mich zu diesen wohlthätigen Schuzgeistern der armen Menschheit.“ —
„Seid Ihr einmal zu ihnen getreten: so hoffet Euer Lebelang nicht von denselben wieder getrennt zu werden.“
„Wohl mir!“
„So kommt.“
Florentin folgte dem Alten, und beide traten nach einer Weile in die Thür eines Hauses.
Es war hier alles rabenfinstre Nacht; die Laterne des Führers warf nur einen blassen Schein auf den Erdboden.
„Hier gehts hinunter!“ sprach Florentins Befreier und sties den Grafen einige Stufen hinab. Das Licht der Laterne verschwand hier; der Fremde auch und Florentin stand auf einer finstern Wendelstiege allein.
Ein jeder andre würde Muth und Kraft an der Stelle unsers Freundes verloren haben; er aber, ausser einigen leichten, unwillkührlichen Schauern, empfand auch nicht die leiseste Anwandlung von Furcht; nun einmal gewöhnt an ausserordentliche Dinge, konnte das Betragen des Mannes kaum eine Verwunderung in seiner Seele erwekken; ergeben in seine Schiksale, welche bunt genug durcheinander wechselten, stieg er in die Gruft hinab, sich und seinem Muthe überlassen.
Es währte lange, ehe er das Ende der Schacht erreicht hatte; sodann mußte er sich durch einen schmalen, ungemauerten Erdgang drängen, welcher sich in unzählichen Krümmungen vor- und rükwärts und nach allen Weltgegenden hindrehte. Zuweilen war der Gang kaum breit genug, daß er sich mit angehaltnem Odem durchpressen konnte; zuweilen wieder so geräumig, daß er, sich selbst verlierend, darin umhertaumelte.
Endlich fühlte er das Getön vermischter Stimmen an sein Ohr schlagen; dies gab dem Erschöpften neue Kraft sich bald am Ziele zu finden. Das Geräusch wurde immer lauter. Er unterschied von rauhen, gebietenden Männerstimmen das ängstliche Wimmern Nothleidender, das Aechzen, Stöhnen und verbissene Schreien gemarterter Menschen. Er hörte das dumpfe Gerassel verschiedner Instrumente — und das alles ihm so nahe zur Seiten, daß er fast jedes Wort verstehen konnte.
Jezt flos ein kaltes Grausen über seinen Leib herab; er schwankte, ungewis ob er vor- oder rükwärts gehn solle, eine Minute, und er verfolgte sodann den, einmal gewagten, unterirrdischen Gang.
Unverhoft sties er bald auf eine eherne Thüre, die sich vor ihm aufthat und wehend hinter ihm zuschlos. Er sah sich in einem kleinen Vorzimmer, in welchem zwei grosse, schwarze Tafeln hingen, mit Namen beschrieben. Auf der einen las er die Ueberschrift: „Zum Tode Verurtheilte,“ auf der andern: „zum Glük Bestimmte.“ Unter den Namen der zweiten Tafel sah er auch den seinigen halb verwischt.
Ueber den Eingang zu einem andern Gemach standen die Worte! „Jesus sei Dein Trost, Wahrheit Dein Hort“ mit goldnen Lettern, und darunter die Jahrzahl 1054.
Weil der Graf hier niemanden gewahrte, welcher ihn zurecht führen konnte, so versuchte er es an sich selber. Er ging in ein zweites Zimmer — in eine Todtenkammer. Schädel, und Köpfe und verdorrte Menschengerippe lagen hier auf der Erde schichtweis hingethürmt; alle Wände waren mit Skeletonen behängt, auf deren braungelben, glänzenden Stirnknochen Namen und Jahrzahlen standen. Das ältste derselben war bezeichnet: „Bischop Luytbrandt, 1385.“ das jüngste: „Carolus XII. Rex 1718.“
Florentin fand kein Behagen lange in dieser schauerlichen Wohnstatt der Verwesung zu zaudern, und begab sich nach einem daranstossenden andern Zimmer, dessen Eingang: „Blutkammer,“ überschrieben stand.
Er öfnete die Thür und prallte benützt vor dem gräßlichsten Anblik, welchen je die tiefsten Märtergewölbe der Spanischen Inquisition darbieten können, zurük. In allen Winkeln wimmerten Halbnakte; Foltern mancherlei Art waren hier in Bewegung gesezt; dort wurde Pech gekocht, hier Eisen geglüht; warmes Blut dampfte vergossen vom Boden auf. Todte und Halbtodte lagen in schauderlichen Gruppen durch einander hingeworfen, und Unmenschen wühlten mit blutigen Fäusten unter ihnen.
„Was ist das? wo bin ich?“ rief erbleicht der Graf aus.
„Vinzenz!“ antworteten die Foltrer: „Ihr seid in der Blutkammer der schwarzen Brüder?“
„Wer sind die schwarzen Brüder?“
„Die Ihr unter dem Namen der Unbekannten kennt!“
„Wes ist das Blut, das unter mir fließt?“
„Tyrannenblut, Vinzenz, Tyrannenblut und Blut der heimlichen Verbrecher!“
„Ha, Heil dem Gerichte der schwarzen Brüder!“
Einer der Foltrer führte Florentinen stillschweigends in ein Nebenkämmerchen; hier lag ein schwarzer Habit, welchen der Graf anzuziehn bedeutet ward, darauf öfneten sich zwei Flügel einer Thür; Florentin schritt hinein und stand wie durch ein Wunderwerk verzaubert plözlich in dem schönsten, geräumigsten Saal, von tausend Lampen und Wachskerzen erleuchtet, von lieblichen, romantischen Düften durchbalsamirt.
An den kostbaren Wänden standen symmetrisch einige Tische, mit Erfrischungen besezt, welche Florentinen am meisten lokten, weil ein unbeschreiblicher Hunger, ein siedender Durst seine ängstlichen Lagen noch ängstlicher gemacht hatte. Der, welcher ihn schwarz bekleidet hatte, gab ihm auch die Erlaubnis zu Essen, wozu sich denn Florentin nicht zweimal nöthigen lies.
Die erste süsse Empfindung nach langen, fürchterlichen Augenblikken — die Stillung seines Durstes und Hungers, und zwar hier, in einem so angenehmen, königlich-schönen Aufenthalte, sicher vor dem Zorn und der Rachsucht des Fürsten! — — Eine kindische Freude bemannte sich in dieser Minute des durch tausend Labyrinthe, tausend Schreknisse hieher geführten; Thränen fielen in den Wein; ein gottdankendes Lächeln schwebte in seinem Antlizze.
„Habet Dank, Ihr schwarzen Brüder! Ihr seid auch meine Brüder!“ sagte er und erhob sich vom Tische, gesättigt, erquikt und überströmt von den süßesten Empfindungen. Mit einemmale traten von einer andern Seite sieben und siebzig Männer, alle in saubrer, einförmiger, schwarzer Kleidung, in den Saal. Der Angesehenste unter ihnen bestieg einen fünf Stufen erhabnen Thron, überschirmt von einem goldgestikten Baldachin, ausgeschmükt mit einer Pracht, welche nie gesehen worden ist und werden wird, eine Pracht, welche derjenigen nahe kömmt, die wir in Wielands Feenwelten erblikken.
Florentin staunte über diese neue Erscheinung nicht wenig, am meisten aber, als er von ohngefähr das Gesicht dessen erblikte, welcher auf dem prachtreichen Throne sas, und er in ihm — seinen Holder leibhaftig erkannte. Allein er wagte es doch nicht sich ihm zu nähern.
Einer der Schwarzen, welcher unserm Grafen am nächsten stand, und ihn lange vom Wirbel bis zu den Zehen mit seinen Augen gemessen hatt, trat dem Thron näher und erhob seine Stimme zu dem Obersten in folgenden Worten:
„Julius, so lange die Menschen noch Menschen sind, werden die Fürsten immer Despoten bleiben, und ihre Unterthanen, zitternd vor dem Gesez, Sünden im Finstern treiben; nie wird die goldne Zeit tagen, in welcher unser Gericht der Welt kein nüzze mehr ist. — Doch sind auch unter den Fürsten Edle, und unter den Unterthanen Männer, welche die Tükke hassen, so in Finsternis gehüllt schleicht. Siehe, Regent, dort steht Vinzenz der sich mit uns verbrüdern will, ein Unglüklicher, der sich in unsre Arme wirft.“
Der Regent befahl dem Vinzenz näher zu treten; Florentin gehorchte, und starrte sprachlos das Gesicht an, welches nicht dem Regent Julius sondern seinem Holder angehörte.
„Seid Ihr ein Unglüklicher?“ sagte der Regent zum Grafen: „wollt Ihr Euch mit an die Kette der schwarzen Brüder schliessen?“
„Wohl bin ich ein Unglüklicher, und wenn Ihr diejenigen Unbekannten seid, welche sich in meine Pläne mengten, meine Geheimnisse mit selber aufdekten, und mir jene Warnungen zuriefen: so flehe ich Euch an, daß Ihr mich aufnehmen wollet!“
Die schwarzen Brüder schlossen jezt einen engem Kreis um den Grafen oder Vinzenzen, und derjenige, welcher von allen übrigen nächst dem Regenten am meisten geachtet wurde, den sie Anselmo nannten, eben der welcher Florentinen aus dem Kerker erlöset, und auf den Wendelstiegen allein gelassen, nachmals ihn dem Regenten vorgestellt hatte, dieser, sage ich, trat aus den Siebzigen hervor gegen Florentinen gewandt, und redete ihn also an:
„Vinzenz, bei Gott, es ist kein Knabenspiel, wozu Ihr Euch jezt verpflichtet, es verlanget Männer von ungewöhnlicher Art. Könnt’ Ihr allen Bequemlichkeiten des Lebens entsagen, könnt’ Ihr Verwandten- Bruder- Schwester- und Weiberliebe vernichten in Eurer Brust, könnt’ Ihr der Gefahr ins drohende Antliz lachen, und den Tod mit kaltem Blute erwarten: so seid Ihr erst halb der Unsrige!“
„Seht, die Richter liessen sich, so wie heutiges Tages, auch ehmals durch den Schimmer des Goldes verblenden; die Pfaffen führten Inquisizionen ein, Reinigkeit des Glaubens zu erhalten, und sie selber waren, troz ihrer Reingläubigkeit, unreinen Herzens, Volkstäuscher, kanonisirte Bösewichter; die Fürsten gaben Gesetze und übertraten sie zuerst, sie raubten den Menschen der Menschheit erstes und einziges angebornes Glük, raubten die Geistesfreiheit, damit die dummköpfigen Vasallen und Sklaven ihrer tyrannischen Kniffe nicht inne würden; die Weiber kokettirten und lenkten Volk und Fürsten an einem Zaum, Landstreicher und Avanturiers erschlichen entweder Privilegien für ihre Quaksalbereien, oder sie machten in den untersten Volksklassen den Geist des Fanatismus rege, oder sie pasquillirten auf die gesunde Vernunft und guten Sitten, oder sie prellten reiche Hohlköpfe mit Taschenspielerwundern, Goldmachereien, geheimen Ordensvorspielungen und andern Schmarozzerkünsten. — Kurz alles war es einst, wie jezt, und darum traten schon früh Männer von Einsicht und Muth zusammen; enthusiasmirt für Recht, und Wahrheit und Bruderglük, dem geheimen und öffentlichen, von keiner Obrigkeit gerügten Unwesen zu steuern. Zeloten nannte man sie in Christus Zeitalter, und späterhin in den mittlern Jahrhunderten die Männer des heimlichen Gerichts.“ —
„Meint Ihr, Vinzenz, die Zeiten des heimlichen Gerichts wären vorüber? nein, Vinzenz, die Zeiten nicht und auch nicht das Gericht. Sehet diese Siebenzige sind Mitglieder desselben aus einem Herzogthume; gehet hinaus in die weite Welt und Ihr werdet sie finden an den äussersten Spizzen Europas. Alle die Ihr um Euch stehn seht, sind Männer von der erprobtesten Verschwiegenheit, dem rechtschaffensten Karakter, der tiefsten Verschlagenheit, zerstreut in allen Gegenden unsers Vaterlands wohnhaft, aus allen Ständen des Volks gehoben. Bediente, Aerzte, Prediger, Advokaten, Schriftsteller, Buchhändler, Räthe, Generale, Offiziere, Landwirthe sind hier Brüder, ohne Unterschied des Ranges.“
„Unsre Religion ist: thue Gutes und mache glükseelig, wo möglich, stets im Verborgnen; opfre Dich im grossen Fall der Noth für die Glükseeligkeit des Ganzen hin; liebe Gott über alles, Deinen Nächsten mehr als Dich selbst! Islamismus, Kalvinismus, Lutherthum, Katholizismus, Herrnhuterei — sind eins und dasselbe, sind nur Farben für den sinnlichen Menschen!“ —
„Und habt Ihr Euch einst müde gerungen für Eurer Brüder Wohl, sodann dürfet Ihr gerechte Ansprüche auf Ruhe und eignes Glük machen, welches Euch gewährt wird, wie und wo Ihr es verlanget. Ein weiser findet sich nicht in hohen Ehrenämtern belohnt, darum rechnen wir diese nicht zu den Arten einer Dankbarkeit von uns; wir selber befördern uns zu den wichtigsten Posten um wichtige Unternehmungen vollführen zu können.“
„Noch einmal, Vinzenz, bedenket wohl, daß Ihr Euch zu keinem Knabenspiel verpflichtet. — Reue ist nachmals zu spät und umsonst, und wird Euch mit dem Tode vergolten. — — Gehet, ich bitte Euch, gehet zurük!“
„Nimmermehr!“ entgegnete Florentin.
Alle. (rufend) Gehet, gehet zurük.
Florentin. (unerschüttert) Ihr grossen Männer, behaltet mich.
Anselmo. Spätre Reue ist Euer Tod!
Florentin. (flehend gegen alle gewandt) Ich bleibe Euch treu, Tod mir, wenn ich diesen erhabnen Schritt je bereue.
Es erfolgte eine allgemeine Stille. Der Regent stieg von seinem Throne und entband dem Grafen eines schreklichen Schwurs. Der Graf schauderte und — schwor.
Kaum war das Amen von seinen Lippen gehört: so trat der Regent ihm näher und küßte ihn und weihte ihn zum schwarzen Bruder; alle übrige thaten ein Gleiches und, o Wunder! auch der alte Badner trat herzu.
Jezt wurde die Freude lauter, die Brüder wandelten durcheinander, plauderten, lachten, tranken; Florentin fühlte sich seeliger, als je, er besprach sich mit allen, alle jubelten beim frohen Klange der Gläser ein, „Vivat Vinzenz!“ und unter diesem Lärmen — — — — erwachte Florentin von seinem Traume.
Hilf Himmel! wie erstaunte er, als er sich, nachdem er die Augen genug gerieben, in dem Garten noch liegen sah unter dem Schatten des Fliederbaums.
Rikchen trat in den Garten, lächelnd brachte sie ihrem Bruder die verlangte frische Milch.
„Wie lange hab ich denn geschlafen?“ fragte er und schwebte ungewiß, wie im Traume.
„Zwei Stunden wohl!“ antwortete seine reizende Schwester, die das Milchnäpfchen neben ihm niedersezte.
„O Gott!“ rief er entzükt aus, sprang auf und umarmte seine Schwester: „du lebst noch!“