Inzwischen die Kabale und Intrigue heimlich den Hof in Partheien zertrennte, und Wollust und Zeremoniel ihn öffentlich zu einem harmonischen Ganzen machte; inzwischen Piedro mit seinem Mädchen und Hofbuben lustig schwelgte und nichts minder als eine baldige Störung seiner Feste ahndete; indessen Rosaffa um Florentins Wiederliebe buhlte; Benedetto mit dem Vatikan wegen seiner Regentschaft briefwechselte, Moriz sich kriegerisch rüstete, die heimlich unterstüzte Rebellion zu seinem Vortheil zu lenken, und beide der Prinz und Kardinal Florentin zu ihrem vertrautesten Vertrauten machten — unterdessen Bälle, Assembleen, Karnevals, Geburtsfeste beständig am Hofe abwechselten und alles in einer frohen nichtsbesorgenden Stimmung erhielten, wüthete Verzweiflung und Hungersnoth im Volke; zogen sich die Elenden immer genauer an einander; stimmte alles immer inniger zu einem totalen Aufruhr zusammen; fachten die schwarzen Brüder, im ganzen Lande verstreut, das glimmende Gefühl für die geraubte Freiheit immer mehr an, und bestimmte man zulezt einmüthig den Abend des ersten Septembers zum Termin der bisherigen Sklaverei und der zu erringenden Volksfreiheit. Die Verschwörung der Kanelleser beschäftigte mehr das Herz, als die Lippen; so verschwiegen war noch keine Konspirazion, und so geheim noch keine Vorbereitung zu derselben gehalten worden. Alles trug um so mehr den Anschein eines glüklichen Erfolgs, da selbst Moriz und Benedetto von allem wußten, selbst den ersten Septemberabend kannten und dennoch, statt zu verhindern, Unterstüzzung leisteten.
Piedro! Piedro! hättest du Augen gehabt zu sehn, du würdest nicht länger, hinter Weibern und Flaschen verschanzt, sardanapalisirt haben! denn der August begann sich allmählig seinem Ende entgegen zu neigen und das ehmals trauernde Volk lies nun eine zu rasche Veränderung spüren. Geduldig ließen die Richter ihre Rechte verhunzen von Hofschranzen, denn sie sahen den ersten Septemberabend schon im Geiste grauen, der ihnen alles zurükgeben sollte; Städte ließen sich ohne Murren um ihre lezten Freiheiten plündern, denn sie hofften in etlichen Wochen sie mit Wucher zurük zu gewinnen; verarmte Familien aßen ihr schimmlichtes Brod, ohne es noch mit Thränen des Kummers zu nezzen, die Hofnung strahlte auch ihnen trostvoll entgegen, welche sie glauben machte, bald ein besseres Schiksal zu empfangen.
Viele von den Großen Kanella’s und der Parthei des Herzogs wurden dieser Phänomene frühzeitig genug inne. Ihre Spione brachten ihnen aus allen Gegenden der Republik Nachrichten, eine furchtbarer, als die andre; sie fingen sogar an argwöhnischer auf den so fahrläßig scheinenden Kardinal zu werden, und ehe man es erwartete, zogen drei tausend Mann ausländischer Soldaten, von einem benachbarten kleinen Fürsten gemiethet, in Kanellas Gebiet. Hier handelte Piedro einmahl ohne Mitwillen seiner Beherrscher, das heißt des Prinzen und des Kardinals, sondern nach dem Einfall einiger andern ihm getreuen Räthe. Aber dieser Schritt wurde ihm sehr natürlich von den beiden Universalministern gewaltig verübelt, und gemisdeutet. „Der Schaz ist größtentheils erschöpft,“ hieß es und lies man im Volke aussprengen: „demungeachtet beruft er fremde Soldaten ins Land, welche den Einwohner noch mehr aussaugen müssen; Er marchandirt mit seinen Landeskindern, verkauft seine Regimenter, um sich fremde Truppen wieder zu miethen! o des fürstlichen Dummkopfs!“ —
Piedros Ansehn litte dadurch ungemein, wozu Moriz und Benedetto das meiste unter der Hand beitrugen. Der Muthwille des Pöbels ging so weit, daß sich eines Tages tausende vor dem Herzoglichen Pallast versammelten und unter fürchterlichen Drohungen dem Piedro geboten, die Miethssoldaten aus dem Lande zu schaffen. Allein ein Detaschement derselben zerstreute das aufgebrachte Volk, und dieses lies sich willig auseinander treiben, denn noch war der erste Septemberabend nicht erschienen!
Niemand aber von allen rang und arbeitete mehr, als Florentin von Duur, niemand bedürfte mehrerer Erquikkung und Anfrischung, und niemanden wurde weniger von derselben zu Theil. Die einzige Erhohlung, welche er sich gewährte, war die, daß er sich oft Abends hinausschlich aus dem Gewühle des Hofes und der Stadt, hinaus in einen an die Stadt gränzenden Park, welcher dem Herzoge zugehörte, aber wegen der seltnen Besuche ganz verwildert war. Hier lagerte sich dann der ermüdete Held entweder in dunkle Nischen dichtverflochtenen Gebüsches, oder an eine kleine Quelle, oder er begab sich in ein niedliches Landhaus, welches in der Tiefe eines Thales lag und von einem Paar alter Eheleute bewohnt wurde. Seine Thaten mit froher Seele überschauend, hinausblikkend in die belohnende Zukunft, wars ihm hier nur allein wohl, und genos er nur hier die lieblichsten Stunden seiner Tage in Kanella.
Wer ihn im Park belauscht hätte, würde Florentinen, den großen, höfischen, verwegnen Florentin, den ernsten, hochgeachteten Bündner der schwarzen Brüder nicht erkannt, sondern einen sanften, liebesiechen, schwärmenden jungen Mann gefunden haben. Da stand er oft und schnizte den Namen, seiner Louise in die Rinde junger Linden; oder er drükte Holders Bildnis an seinen Mund, oder er rief den Namen seiner Schwester Friederike mit brüderlicher Wehmuth aus.
Ungestört hatte er hier bisher sich so manchen schönen Abend selber leben können, aber — ein schwarzer Dämon raubte dem guten Duur auch diese lezten Freuden.
Einsmahls lag er seiner Gewohnheit nach in seiner Lieblingsnische; der Abend war einer der schönsten des Augusts, die Gegend durch denselben so reizvoll geworden, das Abendroth zitterte wie in goldnen Tropfen am Halm und Laub, die Vögel gossen Melodien durch das Gehölz. Plözlich schlug der Saitenton einer nahen Guitarre sein Ohr; bald darauf mischte sich eine süsse, klagende Weiberstimme dazu. Florentin horchte betroffen; er hörte folgenden Sang:
Dich zu sehn, und dich zu lieben,
Einziger in der Natur,
Allgewaltsam hingetrieben
Auf der Liebe Dornenspur —
Eine That vom Augenblik
War mein Leiden, war mein Glük.
Dürft’ ich, Trauter, dir bekennen,
Was mein wundes Herz gefühlt,
Wie mir Herz und Wangen brennen,
Nie vom Troste angekühlt —
O, du würdest hold und schön
Auf mein Leid hernieder sehn.
Würdest weinend mitempfinden,
Was ich weinend schon empfand;
Würdest mir verzeihn die Sünden,
Daß, wenn Gott und Welt verschwand,
Du vor mir in Liebespracht
Meine Seele angelacht!
Daß in stillen Mitternächten
Mir dein süsses Bild erschien,
Um die Stirne Sternen flechten,
An den Busen — Rosmarin;
Aber ach! ich sah genau
Auf den Zweigen Thränenthau!
Daß des Mondes Silberstrahlen,
Aus des Himmels lichten Höhn,
Immer mir dein Bildnis malen
In den Glanz der Heiligen,
Und ich dann im trüben Weh
Auf zu dir anbetend seh’!
Ach, du lächelst, thust den Himmel
Mir in deinen Blikken auf;
Aus der großen Welt Getümmel
Ziehst du mich zu dir hinauf —
Trinkend Paradieseslust,
Ruhe ich an deiner Brust.
Selige Gefühle keimen
Aus der Seele düsterm Raum;
Dürft’ ich, Jüngling, ewig träumen
Meiner Liebe schönen Traum? —
Aber, ach, zu bald, zu bald
Ist dies Lustgebild verwallt.
Warum sah’ ich dich, mein Leiden
Namenloser zu erhöhn?
Warum konnt’ ich dich nicht meiden,
Mußt’ ich deine Schönheit sehn?
O des Schiksals Eisenhand
Schlang um uns dies Zauberband!
Liebe heilet nur die Wunden
Meines Herzens wieder zu,
Gieb mir, was du mir entwunden,
Gieb mir die verlorne Ruh’:
Liebe, Theurer, liebe mich,
Gott erschuf mich ja für dich! —
Florentins seltsame Verwirrung läßt sich unmöglich beschreiben. Ihm wars, als lebte er in jenen Zeiten des Schäferlebens, wo eine schüchterne Grazie einsam fantasirend dem Echo und den Winden ihre unglükliche Liebe entgegenklagte, oder in jenem romantischen Zeitalter, welches Wieland mit so unnachahmlichen Schönheiten ausschmükte, wo ein schmachtendes Mädchen in ihrem bezauberten Thurm dem abwesenden Geliebten Liebe bekennt, die sie ihm in seiner Anwesenheit läugnet.
Dem Grafen war die Stimme der schwermüthigen Sängerin nicht unbekannt, nur daß er des Liedes Inhalt eher von einer liebenden Nonne, als — einer fürstlichen Mätresse erwartet hätte. So unwillkommen ihm diese Ueberraschung war, mußte er sich dennoch der Etikette unterwerfen, sich wiederum in den täuschenden Mantel der Verstellung vermummen und — Rosaffen aufsuchen.
Schön wie eine Halbgöttin, reizend wie eine Griechin gekleidet, trat sie jezt aus dem Gebüsch ihm entgegen. Sie schien ihm nicht so nahe beahndet zu haben, denn sein Anblik jagte all ihr Blut hinauf um Wangen und Busen. Florentin selber bebte zurük; so gewaffnet mit allem Zauber des Schönen, glaubte er sie noch nie gesehn zu haben, wozu nicht wenig ein gewisses schwermüthiges Etwas, welches in ihren Lineamenten und Tönen und Bewegungen lag, beitrug. Zwar war die Gräfin nichts weniger, als zur Mislaune gestimmt; allein sie kannte Florentinen zu genau und den Geschmak gewisser Männer, welche lieber ihre Damen schwärmen und empfindeln, als natürlich froh sehn. Sie wußte zu gut, wie viel ein solches Madonnengesicht bewirke; wie leicht die Saite des Mitleids in männlichen Seelen anzuschlagen und wie klein der Sprung vom Mitleid zur Liebe sei.
Drum hatte sie, welche die geheime Retirade des Grafen in diesen Park ausgeforscht, und sich, Gott weis es, unter welchem Vorwande, auf den Fittigen der sehnsuchtsvollen Liebe hieher führen lassen, den Rath des Dichters benuzt, der da sagte:
Gern seh ich das Mädchen in Wollust und Scherz,
Doch lieber die Liebe im weinenden Schmerz,
Ein Thränchen im schwimmenden Blaue;
Denn lächelt die Sonne nicht hinter dem Flor
Verschleiernder Nebel noch schöner hervor,
Nicht schöner die Rose im Thaue?
„So ward Ihr, schöne Gräfin, die angenehme Sängerin selber?“
Rosaffa. (sich an seinem Arm stüzzend) Schmeichler, war Euch Gesang oder Sängerin angenehmer?
Florentin. Hätt’ es das Lied ohne die Sängerin sein können?
Rosaffa. Vielleicht doch!
Florentin schwieg; Rosaffens Hand schmiegte sich um die seine — langsam schlenderten sie fort, und immer tiefer in das liebliche Gehölz hinein; der bange Florentin bebte an Rosaffens Arm; sie war zu schön.
„Wir verirren uns,“ sagte er: „laßt uns einen geebneten Fußsteig aufsuchen.“
„„Um Gotteswillen nicht, damit mich nicht ein Verräther in diesem Park und Eurer Gesellschaft allein erblikt.““
„Vor wem darf eine Rosaffa zittern?“
„„Ah, Fiorentino, wär Euch der ganze Umfang meines Elends bekannt! — Doch, wir wollen den Fußsteig vermeiden; lenkt hier rechts ein.““
„Seht, wie uneben dieser Weg für Eure zarten Füsse, die solcher Wanderungen nicht gewohnt sind!“ „„Wohl, so ruhen wir auf diesem Rasenhügel aus. Man wird uns hier nicht beobachten können.““
Sie sprachs, und sezte sich nieder. Der Graf gehorchte, halb mit Grauen, halb mit Lust ihren Wink, und warf sich neben ihr hin.
Sie sprachen lange kein Wort, aber ihre Hände fanden sich unvermerkt wieder zusammen.
„Sag mir, Fiorentino, wie ists möglich, daß Ihr so langes Wohlgefallen an dem Aufenthalt in Kanella hegen könnet, in Kanella, wo der Sammelplaz so vieler Unruhen und Unannehmlichkeiten ist?“
„„Hat nicht jeder Plaz auf der Erde sein Angenehmes und Widriges?““
„Wohl, so frag ich bestimmter: wie ists möglich, daß Kanella mehr Reizze, als Unangenehmes für Euch haben kann?“
„„Ihr solltet dies nicht fragen, nur Ihr nicht; — jeder andre könnte es vielleicht, und vielleicht antwortete ich jedem darauf.““
„Mir nicht? wie so?“
„„Rosaffa, so unwissend seid Ihr nicht!““
„Aber wie, wenn ichs nun bin?“
„„So dürft’ ich der Geliebten des Herzog Piedros nicht antworten.““
„Ihr seid grausam. Warum laßt Ihr — Ihr es mich und just es jezzo fühlen, wer ich Unglükliche bin?“
„„Rosaffa!““
„Fiorentino, bei Gott, ich hab es nicht ganz, und am mindesten um Euch verdient!“
„„Ich verstehe Euch nicht.““
„So verstand ich Euch besser, als Ihr es wolltet.“
„„Verzeiht mirs, schöne Gräfin, wenn ich Euch unwissend kränkte!““
„Unwissend? o, Fiorentino, heuchelt dies einer andern! — Unwissend? — also nur Euch wär’ es unbekannt, an welches Ungeheuer mich das Schiksal verkaufte? Euch nur unbekannt, wie Rosaffa leidet in eines elenden Wollüstlings Riesenarmen? — Eines Herzogs Geliebte! ach Fiorentino, hättet Ihr nie diese Worte ausgesprochen!“
„„Eben dieser stolze Name, um welchen Euch alle Kanelleserinnen beneiden —““
„Eben dies ists, was mein Leiden vermehrt. Die einzige Thräne eines mitleidigen Freundes ist in der Noth köstlicher, als die Bewunderung von der halben Welt.“
„„Ihr seid unglüklich?““
„Daß Ihr dies fragen könnet!“ — (Rosaffa schwieg lange still; Thränen stiegen in ihren Augen auf; sie suchte dieselben zu verbergen.) „Denkt Euch, Fiorentino, denkt Euch ein junges, unerfahrnes Mädchen, welches noch nichts von den Gefühlen der Liebe kannte, welches nur zu tändeln, sich zu schmükken und zu gefallen verstand; ein Mädchen, welches von seinen eignen Eltern, von Verwandten und Fremden ihrer Schönheit willen geschmeichelt, von Dichtern unzählig oft besungen, von Malern und Bildhauern zu Modelen ihrer Göttinnen erhoben wurde. Denkt Euch solch ein Mädchen und sagt mir, wessen war die Schuld, wenn dasselbe so bald verdorben wurde? — Dieses Mädchen, angebetet von allen Jünglingen, wurde der Gegenstand von der Liebe eines Fürsten. Er warb um ihr Herz, um ihren Besitz. O, Fiorentino, und hätte auch der Werber selber nicht Reize genug besessen ein schwaches Weib zu fesseln, wie viel verführerische, allgewaltige Mittel sind zu einem solchen Zwek nicht in den Händen der Fürsten? wie könnte da ein eitelgebildetes Mädchen länger widerstreben, wo die Eltern es selbst zu dem reizenden Schritte zwingen? Fiorentino, hasset mich nicht, denn ich rede von mir selber.“
Duur wußte nicht wie ihm wurde. Stiller Mitschmerz beklemmte seine Brust; er rükte Rosaffen näher, und sah ihr mit weichern Blikken ins Auge.
„Wenn nun endlich der Geist des betrognen Mädchens erwacht;“ fuhr Rosaffa fort: „wenn es sichs nun seiner Unschuld, wie in einem Traum, entrissen findet; wenn nun das reine Feuer der Liebe für einen Liebenswürdigen zum erstenmahle in ihrem Busen aufzulodern beginnt — ach, und keine gütige Hofnung ihren Wünschen wohlthut; wenn — — doch ich breche ab! — Fiorentino, ich frage dich, zweifelst du noch, ob ich unglüklich sei?“
„„Ihr habt mich gerührt!““
„Kalter, Gefühlloser — nur gerührt? — o Fiorentino!“ (mit diesen Worten sank sie nieder in seinen Arm, und blikte schwimmenden Auges zu ihm auf.)
„„Rosaffa!““ stammelte er und drükte sie an sich.
„Ich — liebe dich, Fiorentino! — bist du diesem Geständnis böse?“
„„Wie könnt’ ich das?““
„Liebst du Rosaffen — kannst du Rosaffen lieben?“
„„Herzog Piedro““ — — —
„Nur ein einziges, armseliges Ja, oder Nein antworte mir!“
„„Der Herzog — — —““
„Ha, verdammt, mit deinem Herzoge!“ rief sie und sprang auf: „Sich mich an, Mensch, verblüht bin ich noch nicht, und noch nicht deines Ekels werth!“
Florentin bestürzt und verwirrt stand auf, und suchte dies gefährliche Mädchen zu besänftigen; aber die Kanelleserin hörte ihn nicht. Sie ging seufzend auf und ab. „Nein,“ sagte sie: „du liebst mich nicht, denn die Sprache des Liebenden tönt anders, als die deine. Und doch, Fiorentino, o Fiorentino, wär’ es nicht möglich, daß du mich einst — — Aber nein; nur ausforschen wollt’ ich dich — Mehr wollt’ ich nicht. Ein Wort von dir konnte mir schon zu viel sagen!“
Der Graf wollte reden, aber sie hörte ihn nicht. Die weibliche Schaam bestürmte sie mit hundert Vorwürfen; ihr Stolz empörte jeden Tropfen Bluts in den Adern; sie wollte sich fassen und vermogt’ es nicht. So dauerte es lange.
„Ich bin unglüklich!“ sagte sie nach einer Pause, in welcher der Graf in keiner geringen Verlegenheit dagestanden: „ich bin sehr unglüklich, dem Himmel seis geklagt! — Geht, und laßt niemanden eine Spur von dem, was unter uns vorfiel, wittern, oder, bei Gott, Ihr lernt eine Kanelleserin kennen! — Geht, und, um alles in der Welt, bemitleidet mich nur nicht. Euer Mitleiden ist mir entsezlich; hütet Euch! Hütet Euch, sagte ich, oder ich mache Euch in eingen Tagen zum Gegenstand des allgemeinen Mitleids und Bedauerns. Mir sind gewisse Geschichten bekannt, welche Euch um den Kopf bringen dürften, wenn sie bekannter würden; gewisse Pläne von Aufruhren, Enthronungen und so mehr! — Ich wette, Euer ganzer Anhang dürfte sich in kurzer Zeit auf dem Schaffot wälzen! — Kennt Ihr mich nun?“
„„O, so wahr ich lebe,““ rief Duur plözlich wider das Weib angeflammt mit einer wilden, schreklichen Miene: „„Kanelleserin, ich kenne Euch! — Aber bei dem gegenwärtigen Gott seis Euch furchtbar geschworen, der erste mordsüchtige Gedanke, welcher in Eurer schwarzen Seele aufschießt, soll Euch mit selbiger Münze bezahlt werden. Gelüstets Euch den Grafen Duur kennen zu lernen, so erprobt ihn!““
Er sprachs, wandte sich um und lies sie betäubt allein dastehn.
So hatte Rosaffa noch nie den Grafen gesehn, noch nie hatte so ein Mann in Kanella wider sie gestanden. — Sie bebte; ihr Gewissen schauderte; sie sah den Fürchterlichen zwischen den Bäumen verschwinden; Fieberfrost in den Gliedern und Rache im kochenden Busen verlies sie den Park.