Viertes Kapitel. Das Haus im rothen Walde.

„Es ist unverzeihlich, daß wir Florentinen so lange verließen, ohne uns zu bekümmern, wem das Haus im Walde angehörte, wer die Thür öfnete, wen Florentin hier erblikte und welche Miene er annahm, als er wieder herausging? Was interessirte uns der wollüstige, Kabalensüchtige Hof zu Kanella? was jenes unzufriedne feige Volk, das nicht Muth genug hatte seine Ketten abzuwerfen? was die Borsellinos, Giovanni’s, Lauren und Eo’s?“

Machen Sie mir keine Vorwürfe, meine Leser! Es ist nun einmal meine Absicht, mich ungenirt auf meinem wilden Pegasus Fantasie herum zu tummeln, und ohne mich nach den Launen und der Neugier meiner Beobachter zu richten, bald in Osten, bald in Westen, bald unter guten, bald unter schlechten Menschen, bald in den lieblichen Revieren ländlicher Einfalt und Unschuld, bald an Höfen, wo Kunst die Natur verstümmelt und verzerrt, bald auf schauerlichen Wahlpläzzen, wo ein leidendes Volk verzweiflungsvoll nach Freiheit ringt, zu schwärmen.

Doch, ohne uns länger die edle Zeit mit Gezänken zu verderben, laßt uns mit Florentin in die ehrwürdige Provinzialversammlung der schwarzen Brüder treten. Wahrscheinlich erhält mancher Leser, welcher nach Aufklärung über das Wesen derselben dürstet, mit dem gräflichen Novitz, Befriedigung.

„Wer hauset hier?“ fragte Florentin den Bruder Holzhakker.

„„Der Forstmeister Blattrabe, ein Schwarzer!““ antwortete Hugo. Dieser führte seinen Mann in ein Zimmer, kleidete ihn da in ein schwarzes Gewand, öffnete darauf eine Nebenthür und lies den frohbestürzten Duur hineintreten.

Florentin sah sich wieder in der Mitte der Unbekannten, wieder in seinen Traum zurükgesezt. Es war ein großer, prächtiger Saal, erleuchtet von unzähligen Wachskerzen, angefüllt von einer ansehnlichen Menge schwarzer Herrn. Viel derselben eilten ihm sogleich entgegen, umarmten ihn, wünschten ihm Glük zur Aufnahme in den Bund der schwarzen Brüder, sprachen mit ihm von gewissen Szenen seines Lebens so bekannt, so vertraut, als wären sie Zuschauer und Theilnehmer derselben gewesen.

Man mischte sich brüderlich untereinander, füllte die Weingläser, sang feierliche Bundesgesänge; trank Gesundheiten und rief mehr als einmahl: es lebe republikanische Freiheit.

Aber Florentin wußte sich eigentlich noch nicht in diesen Wirrwarr zu finden; sein Herz sehnte sich nach dem, was Holder ihm verheissen hatte, und welches er gewiß hier antreffen sollte. Doch es vergiengen anderthalb Stunden, ehe man Miene machte, die Nacht mit etwas anderm, als Singen, Trinken, freundschaftlichen und politischen Diskursen hinzubringen. — — —

Mit einemmahle änderte sich die Szene. Jeder riß den Faden des Gesprächs ab; dieser sezte das schon zum Trinken aufgehobne Weinglas nieder, jener verzog sein Lächeln in die Falten des Ernstes. Aufmerksam wandte sich jedes Angesicht zu einem erhabnen Stuhle, welchen ein Greis so eben in Besiz genommen hatte.

Einige Minuten herrschte eine ungewöhnliche Stille, wie in einer Todtengruft; alles schien sich zu einer merkwürdigen Sache vorzubereiten.

„Nun, Vinzenz,“ sprach der Greis vom Stuhle herab, indem er dem Grafen mit der Hand winkte: „nun tretet mir näher.“ Florentin gehorchte; er ging näher zu dem Manne, dessen Anstand, Gebehrden, Sprache und Gesichtszüge ganz dem Ideale entsprach, welches sich unsre Einbildungskraft von Ehrfurcht erwekkender persönlicher Majestät zu machen gewohnt ist. Florentin hatte vor Fürsten gestanden, aber nie einen solchen Grad der Hochachtung empfunden als izt.

„Wir haben Euch werth gefunden ein Glied in der Kette der schwarzen Bruder zu werden!“ fuhr der Mann fort, welcher Verehrung abzwang: „Euer Wunsch sei Euch gewährt. — Bruder, unser aller Bruder, bedenket wohl, zu welcher Menschengattung Ihr gerathen seid! Bedenket wohl, daß von nun an das allgemeine Glük des Menschen euch näher liegt, als sonst — daß Ihr nicht mehr so sehr für Euer Interesse allein arbeiten dürfet — daß klippenvolle Umwege künftig Eures Lebens Pfade, Gefahren Eure Führerinnen, Mühe und Sorgen Eure Erholungen, und Undank der Menschen Eure Belohnungen sind! — Noch einmahl dürfet Ihr wählen: bleibt und seid unser Bruder, oder gehet, und schweiget von dem was zwischen uns vorgefallen ist.“

Florentin. (stark) Ich bleibe, bin Euer Bruder.

Greis. Du hast gewählt, von nun an ist jeder Rüktritt unmöglich. Du bist und bleibest unser im Guten und Widrigen; nie werden wir dich verlassen, aber nie wirst du auch, als Verräther, unserm Arm entwischen können, es sei denn, durch die Pforten des Todes. Hörst du, du bist unser! ganz unser! zerbrochen hast du jezt alle Ketten, die dich an andre Verhältnisse binden, — sei treu, Vinzenz, um deiner Wohlfarth willen, sei treu! Und bist du in der Treue bewährt — dann mache Ansprüche auf unsere Vergeltung deiner Thaten. Und vergelten wollen wir, so wahr Gott allgegenwärtig ist, der unser Versprechen hört, und den Bruch desselben rüge in Zeit und Ewigkeit! — Auch träume nicht, Vinzenz, schon jezt die höchste Stufe in unserm Orden erstiegen zu haben, dahin erheben dich erst Verdienste. Doch so viel du als Bundesglied erfahren darfst in deinem Range, wollen wir dir nicht verheelen.

Der Greis winkte. Einer der schwarzen Brüder trat hervor, wandte sich zum Grafen und redete also:

„Unser Bruder! treue Freundschaft ist die Quelle unsers Glüks. Disharmonie zerstört Staaten. Dies war von jeher der Grund, auf welchen alle Systeme irrdischer Glükseeligkeit erbaut wurden. Banditen und Räuber verbanden sich mit einander auf die Ruinen fremden Glüks das ihrige zu gründen. Aberglaube und Schwärmerei verbrüderten sich auf das Elend der Zeitgenossen das große Gebäude einer allgemeinen Hierarchie zu errichten — warum sollten sich nun nicht auch brave Männer mit denkenden Köpfen vereingen, dem allgemeinen Unwesen, welches die Menschheit unter tausenderlei Verkappungen verheert und elend macht, entgegen — zu arbeiten? — Soll ich Euch das menschliche Elend in seiner ganzen, schauerlichen Größe malen? soll ich Euch die mancherlei Klassen öffentlicher und heimlicher Bösewichter vom Thron herab bis zum Bettler durch alle Stände schildern? — Fordert Ihrs; so trage ich Mitleid mit Eurer wenigen Kenntniß der Welt, und Eurer Stubenweisheit; Ihr wärt kein Mann für uns.“

„Nur Leute vom erprobtesten guten Herzen und gutem Kopfe werden in unsern Bund aufgenommen, und diese befördern wir nach allen Kräften zu den vorzüglichern Aemtern des Staats, damit sie für ihr Herz und ihren Kopf den ausgebreitetsten Wirkungskreis auf das Wohl des Ganzen erhalten. Der Staat gewinnt dadurch Männer in seine Aemter, wie sie sein sollten; Dummköpfe, die durch Geld, Familienansehen oder andre Schleichwege nach glänzenden Posten trachten, werden zurükgedrängt. Und finden wir einen herrlichen Mann auf dem Wege zu solchem Amte; so helfen wir ihm selber empor, und ist er noch der schwarzen Brüder keiner, so wird ers dann jedesmahl. — Daher kömmts, daß wir jeden schäzbaren Mann, er lebe im Staate wo und in Dunkelheit gehüllt, wie er wolle, auf unsrer Liste führen und bei Gelegenheit hervorziehn. Auch geringere Leute stehn in unsern Sold, an uns gekettet durch die festesten Banden, und dieß sind unsre Spione, nothwendige Helfershelfer — sie wissen nichts von dem, was unter uns Höhern vorgeht, und erscheinen seltner in unsern Synoden.“

„Ungeachtet aber wir einander selber unser zeitliches Wohl befördern: so sind Menschen doch immer Menschen, oft von schwachen Grundsäzzen, oder voll unglaublicher Verstellung. Verschwiegenheit und Treue zu beobachten werden die Novizen mit einem Eide verpflichtet. Wen Wort und Versprechen nicht mehr bindet, verdient nicht Mitglied im Orden der redlichen Menschheit, geschweige in unserm Bunde, zu sein. Doch wollte ein solcher auch nachtheilig für uns werden, uns verrathen: so wird er doch nur Kleinigkeiten auszuschwazzen wissen, denn er kennet wenige Mitglieder, von den meisten nur den angetauften Ordensnamen der Bündner und Städte. Das Noviziat dauert nach Beschaffenheit der Verhältnisse länger oder kürzer — Treue, Eifer und große Thaten weihen erst zum Anschaun tieferer Misterien ein. Wehe aber dem Verräther! unmittelbare Strafe folgt ihm auf dem Fuße nach, die um so furchtbarer ist, je ausgedehnter die Macht des Bundes, je unsichtbarer die Rächer sind!“

„Von Seiten der Verrätherei haben wir also wenig nur zu befürchten. Jezt hört mehr! Ihr seid künftighin verbunden, wie jedes andre Glied unsrer Kette vierteljährige Nachrichten von Euern Plänen, Thaten, Familienumständen, Veränderungen des Aufenthalts, neuen Bekanntschaften u. s. f. ohne Heuchelei und Trug an den Ordensregenten Eurer Provinz einzuliefern, das heißt, der Ordensprovinz, in welcher Ihr Euch befindet. Die Regenten haben unter sich wiederum einen Obern, der uns allen unbekannt ist, die wir nie auf dem Regentenstuhle saßen. An diesen Obern fließen die merkwürdigsten Gegenstände aus der Geschichte des Bundes in Auszügen von den Regenten aus ihren Provinzialmemoiren geliefert. Dieser Obere überblikt das Ganze; unbekannt wirkt er auf alle; theilt den Regenten Entschlüsse mit; formt Staaten um und hat Kunde von den Kabinettsgeheimnissen aller Mächte in Norden, Süden, Westen und Osten, — wo denn ein Federzug von ihm, sobald es der Menschheit heilsam ist, Kriege, Aufrühre, Staatsumwälzungen und Friedensschlüsse verursacht. Er ist ein Gott, welcher über die Fürsten dieser Welt durch die ausgebreitetste, fein- und festgewebteste, ehrwürdigste Verbindung der besten Köpfe und Karaktere jedes Reichs, erhaben steht; welcher Potentaten lenkt am unsichtbaren Faden seiner Macht; ihnen beglükende Pläne zuspielt, oder schlechte zerreißt. Ihr staunet? — Ha, Vinzenz, es ist schmeichelhaft, die Laienwelt unvermerkt hinzudrängen zum Ziele alles Strebens, zum allgemeinen Wohl! — Es ist schmeichelhaft, mit seinen Augen die Zukunft guten Theils schon jezt durchschauen zu können; Entwürfe in unsern Archiven zu erblikken, welche diesem oder jenem Monarchen vorgeschrieben wurden, die er ausführte oder noch vollenden soll. Noch ists nicht die Zeit, aber einst wird sie tagen, wo wir Urkunden über die Motive mancher ehmaligen Begebenheiten ausstellen, und die neuere Geschichte der Welt fürchterlich reformiren werden. Wer, meint Ihr, Vinzenz wars, der die Jesuiten entthronte? wer, der die Befreiung Nordamerikas beschlos und vollenden half? wer, durch dessen Arm Künste und Wissenschaften in die nördlichern unkultivirten Gegenden des Erdbodens verpflanzte? wer, der den Geist des Freidenkens und Aufklärens über Deutschland ausgoß? — O, könnte mancher Todte, dürfte mancher Lebende, von dem man es am wenigsten erwarten sollte, reden! — Vinzenz — doch ich schweige! Aber, wer Ohren hat zu hören, der höre! wer Augen hat zu sehen, der sehe nun! — Es kann noch kein Jahrhundert verfließen: so wird man nie geträumte Verwandlungen in den Staatsverhältnissen Europens wahrnehmen; Kanella, Holland, Brabant, Frankreich, Pohlen, Ost- und Westindien werden unter den Händen der schwarzen Brüder neue, dem menschlichen Geschlechte wohlthätige Formen gewinnen. — Ihr zweifelt?“

„„Ich erstaune!““ rief Bruder Vinzenz, und schlug die Hände zusammen.

„Wenn Ihr wißt, daß wir aus unsrer Mitte die Männer liefern, welche die interessantesten Rollen im Staate zu spielen haben; die Räthe zum christlichen Ministerio, Konsisiorio, Militair, Schulwesen, und so liefern; wißt, daß Schriftsteller, Hofleute, Aerzte, Bischöffe, Lehrer, Prinzenerzieher, Buchhändler, Kapitalisten, Kriegsleute, Schauspieler unsre Genossen sind, die eine Kette in vielen aneinanderhängenden Gliedern ausmachen, so denke ich, werdet Ihr nicht mehr zum Erstaunen Ursach haben.“

„„Aber wie,““ entgegnete bestürzter, als je, der Graf: „„wie ists möglich, daß Männer von so verschiednen Talenten und Launen für den schwarzen Bruderbund gewonnen, festgehalten, und an einem Ziele hingestimmt werden können?““

„Eben ihre Talente, Schiksale und Launen sind es, deren wir uns bedienen, sie an uns zu ziehn, und festzuhalten!“ erwiederte der Redner: „Denket an Euch! Holder ließ Euch einen Traum von zween Tagen träumen; ein Schlaftrunk brachte Euch in unsere Gewalt; berauschende Getränke schlossen uns Euern Karakter ganz auf; wir gaben Euch durch mancherlei Maschienerien diejenige Seelenstimmung, welche wir wollten; wir enthüllten Euch, so viel Ihr anfangs wissen dürftet, um lüstern nach mehrern Offenbarungen zu werden. Euer Traum war vorbei. Wir beobachteten Euch nach demselben; Ihr gewannet unsern Beifall, Euer Schiksal an Adolfs Hofe machte Euch ganz zu unserm Eigenthum. Jezt seid Ihr unser, so wie wir Euer, Ihr werdet gern zur Ausführung unsrer wohlthätigen Absichten für die Menschheit stimmen, wenn Ihr anders das Biederherz in der That besizzet, welches Ihr zu besizzen durch mehr, als eine, Handlung zu verrathen gabet. — Und so, Vinzenz, wie Ihr, auch tausende. Glaubt mir, es ist nichts leichter, als Menschen zu erobern und an Entwürfe festzuschmieden, wenn man ihr Temperament zur Kette für sie macht!

Florentin. Aber wie mag nun dieser ungeheure Koloß zur Bewerkstelligung einer einzigen großen Absicht hingeleitet werden? Sollten nie Uneinigkeiten unter Euch herrschen? sollte in Eurem Bunde das Sprüchwort zum erstenmahle lügen: viel Köpfe, viel Sinne?

Redner. Uneinigkeiten sind nach der Einrichtung unsere Bundes unmöglich. Die weisesten, edelsten, leidenschaftslosesten Männer machen das kleine Corps unserer Obern aus — und wo die Leidenschaft schweigt, findet sich das Gute und die Wahrheit bald. Sodann gehn die Befehle von dem Munde der Regenten an die einzelnen Bündner, und zwar so, daß jeder Kopf etwas seinem Sinne behagliches zur Ausführung empfängt. Jeder Befehl ist weiter nichts, als die besondre Aufmunterung zu einer jezt vorzüglich nothwendigen guten That. Jeder Kopf wirkt nun nach seinem Sinn wie wir es wünschen im Staatsrathe, in dem Sinedrio, in Parlamenten, in Reichsversammlungen, Landtägen, Kirchen, Schulen, Schriften, Schauspielen — kurz von allen Seiten her wirkt alles nun nach einem Mittelpunkt hin. —

Florentin. (begeistert) Man sagt in der gewöhnlichen Welt; der Flug des menschlichen Geistes sei in unsern Tagen kühn und erhaben, aber, bei Gott, hier däucht mir jede große That, wie Knabentändelei gegen das Werk eines Riesen.

Redner. Ihr scheint außer Euch zu sein, Vinzenz, schon berauscht zu sein vom ersten flüchtigen Abschlürfen des Bechers, welchen wir Euch reichen — wie wird es werden, wenn Ihr ihn ganz auszuleeren Erlaubnis und Macht empfanget?

Florentin. Also harrt meiner noch eine Zeit, welche viel grössere Geheimnisse abschleiern kann?

Redner. Wohl harrt sie Eurer!

Florentin. Ihr stürzt mich von einem Erstaunen ins andre; ich komme nicht zu mir selber.

Redner. Glaubet mir, Bruder, daß zwischen Erd und Himmel noch Wahrheiten und Möglichkeiten im geheimnisvollen Dunkel wohnen, noch Sinne für gewisse Dinge vorhanden sind, von welchen der großen Schaar hochgelahrter Akademisten und Stubengelehrten noch nicht die flüchtigste Muthmaaßung angeschwebt ist! — Doch vor izt habet Ihr genug erfahren; große Handlungen bahnen Euch den Weg zu erhabnern Einsichten. Amen!

Florentins Bestürzung läßt sich unmöglich beschreiben. Man hörte auf zu ihm allein zu reden, sondern die Unterhandlung wurde wie vorher, gemeinschaftlicher, lebhafter. Nur Florentin, mit unter einander geschlagnen Armen, in tiefer Betrachtung herabgesenktem Haupte, stand unbeweglich da auf seiner Stelle, und achtete nicht auf das, was um ihn her vorging.

Einer der Schwarzen, der höhern Ranges im Bunde zu schien, schlos sich jezt an ihn:

„Die Zeit unsers Beisammenbleibens ist kurz; vergrabet Euch nicht in Euch selber, Vinzenz, sondern benuzzet die flüchtigen Minuten!“

Florentin. Gott! sollt’ es möglich sein alles das, was ich so eben gehöret habe? — Ist die Gewalt unsers Bundes in der That so groß?

Ein Schwarzer. Unstreitig.

Der Redner. Jeden Zweifel in Eurer Brust zu tödten ist unsre und Eure Pflicht; unbegränztes Vertrauen auf die Macht der schwarzen Brüder ist Euch nothwendig. Fordert deswegen von dem Orden ein Beweisstük dessen, was ich Euch im Namen der Brüder vortrug.

Florentin. (zurükgezogen) Ich fodre nicht, — ich zweifle nicht mehr.

Der Redner. Ihr sollt durch Thatsachen überführt werden, daß wir nur Wahrheit reden und nicht prahlen können. Wünschet!

Florentin. Ich — doch nein, jeder Wunsch würde beleidigenden Verdacht äussern müssen.

Viele Brüder. Verlanget! wünschet! wir bitten Euch.

Florentin. (stokkend) Führt mir die liebenswürdige Schwester des Herzog Adolf, und wenn auch nur auf eine kurze Zeit, zu.

Der Greis. (lächelnd) Mehr nicht?

Florentin. (staunend) Ich befürchtete, um eine Unmöglichkeit gebeten zu haben.

Der Greis. Ihr habt jezt, weil Ihr von allen andern Verbindungen durch Eure Landesverweisung abgerissen seid, für den Orden, in Sachen der menschlichen Freiheit, eine ansehnliche, baldige Reise vor Euch. Diese läßt sich unmöglich aufschieben — aber auch in fremden, ziemlich entfernten Landen soll Euch Euer Wunsch gewährt werden.

Florentin. Wann — wann soll ich die Prinzessin Louise sehn?

Der Greis. Dann, Vinzenz, wann Euch Erquikkung nach der Arbeit noth ist. — Dies könnte wohl bald geschehn!

Florentin. In einem entlegnen Lande die Prinzeßin wiederfinden? Ist das möglich?

Der Greis. (ihm die Hand drükkend) Vertrauet uns!

Einige der Schwarzen. Der Morgen graut! laßt uns zum Ziele eilen!

Der Greis nahm sogleich seinen Thronsessel von neuem ein; die schwarzen Brüder stellten sich um denselben schweigend hin und der Redner führte abermals den Grafen vor den Greis und die Versammlung.

„Laut Nachrichten, die wir von dem Obern empfangen,“ begann der Redner: „beläuft sich die Zahl der schwarzen Brüder in Kanella nicht hoch. Es sind ihrer nur zehn; seit dem Tode Borsellinos noch neun. Die Zahl derselben muß vermehrt, und Kanellas despotische Regierungsform umgeschmolzen werden. Die Bürger Kanellas bedürfen eines Anführers, um frei zu werden, loszuschütteln die angelegten Ketten, zu zerschmettern den Thron, um welchen die Elenden, als Sklaven kriechen. — Vinzenz, wir haben Euch geprüft! Ihr seid zum Befreier Kanellas berufen?“

Florentin. (den Redner anstarrend) Ich berufen?

Redner. Verhüllt Eure Talente, Eure Wissenschaften, Euern unternehmenden Geist nicht vor uns in den unnüzzen Mantel der Bescheidenheit — Kanella hofft von Euch Freiheit.

Florentin. Werd ich sie dem unglüklichen Staate geben können? — An Muth mangelts dieser Brust nicht, ein solches gefährliches Wagstück zu wagen; schon der Gedank’ ist begeisternd, es zu unternehmen, was nur die größten Männer je unternahmen, wenn auch eignes Unglük nothwendig an das Glük Kanellas gebunden läge — aber — — —

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